Baum des Lebens und Baum der Erkenntnis

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
Ich habe noch eine mögliche Erklärung für die Paradies-Geschichte gefunden. Ich hoffe, der Text ist nicht zu lang.

Das Paradies ist im Prinzip kein ewiger Ort, sondern ein temporärer Zustand, der grundsätzlich in jedem Menschen an jedem Ort und zu jeder Zeit erfahrbar sein kann. Das göttliche Verbot von den beiden Bäumen zu essen und die Übertretung des Verbotes zeigen, dass sich der Mensch durch seine natürliche Anlagen der Neugier und der Unternehmungslust zusätzlich zu den Sachzwängen in der Natur in einem ambivalenten Zustand befindet.

Einerseits weiß er, dass ein erreichter Zustand nur erhalten werden kann, wenn nichts an dem Zustand verändert wird. Andererseits weiß er auch, dass ihm gar nichts anderes übrig bleibt, als den erreichten Zustand wieder zu verlassen. Abgesehen davon, dass sich auf der Erde alles in Bewegung befindet, finden sich trotz aller Annehmlichkeiten immer auch Unannehmlichkeiten und selbst in einem Zustand relativen Friedens und Wohlstand kann es sein, dass sich die Menschen unwohl fühlen, Angst haben und nach etwas suchen, einen Ort, an den sie gehen können. Das ist der Zustand der inneren Wüste. Der Mensch ist ein Nomade auf der Suche nach einer Oase, die ihn zum Paradies führt. Der Mensch ist gezwungen, vom Baum des Lebens zu essen und gleichzeitig muß er herausfinden, was gut und was schlecht ist, um sich selbst nicht auf dem Weg von einem Paradies zum nächsten verloren zu gehen und sich selbst mehr Schaden zuzufügen, als nötig ist.

Die Paradies-Geschichte vermittelt, dass der Mensch dazu neigt, natürliche Grenzen anzuzweifeln und nach Möglichkeiten zu suchen, scheinbar unüberwindbare (verbotene) Grenzen zu überwinden oder sie zumindest zu umgehen. Auf dieser Eigenschaft beruht die Kunst der Technik, Naturgesetze so zu nutzen und andere auszuhebeln, dass sie einem vordefinierten Nutzen dienen. Gott ist in der Geschichte zwar zornig und schmeißt Adam und Eva aus dem Paradies raus, aber wie schon an anderer Stelle geschrieben, haben sich Adam und Eva selbst aus dem Paradies rausgeschmissen. Sie haben sich vor Gott versteckt, anstatt sich trotzig mit ihm auseinanderzusetzen und ihm zu sagen, was sie sich gedacht haben und was sie vorhaben. Die Auseinandersetzung mit Gott ist ein innerer Dialog, eine Selbstaktualisierung, in dem der Mensch Inneres und Äußeres miteinander in Beziehung setzt und an dessen Ende neue Motivation entstanden ist.

Vielleicht ist göttliches Verbot und Übertretung desselben Gleichnis für den Mensch, der Angst hat vor Veränderung, die er selbst hervorruft, eben weil er nie 100% sicher sein kann, was für Konsequenzen er in der Welt bewirkt. Sich aber dann von den Konsequenzen abzuwenden (sich von Gott abzuwenden) ist der größte Fehler, denn dann kann der Mensch sich nicht mit den Konsequenzen auseinandersetzen und aus den Fehlern lernen. Auf seine Angst vor einer so wahrgenommenen Bestrafung durch Gott, d.h. durch die vorher bestehenden und durch die neu bewirkten Umstände, kann der Mensch aber auch nicht verharren.

Bleibt die Frage, ob es möglich ist, einen materiellen und geistigen Zustand zu erreichen, in dem man ein ewiges Paradies erleben kann, das zwar immer verbessert werden kann, in dem aber die Anteile des Angenehmen jene des Unangenehmen so weit übertreffen, dass das Unangenehme kaum noch spürbar ist. Immerhin ist es dem Menschen gegeben, materielle und geistige Wüsten dauerhaft bewässern zu können.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.862
Das ist eigentlich eine recht positive Interpretation dieser Sage. Adam und Eva waren in der Geschichte in einer Ausgangslage, in welcher sie das Danach kaum beurteilen konnten. Es war ihnen nicht klar, wie vehement sich ihre Entscheidung auswirken würde. Neugier und Wissensdurst ließen sie den entscheidenden Schritt wagen. In der Geschichte wirkt es dann erst einmal wie Willkür, dass die "Strafe" folgt. Aber vielleicht ist diese "Strafe" eine Metapher dessen, wie immens die Folgen sind.

Du hast die Technik angesprochen. Kaum etwas wird diese Metapher besser verdeutlichen als der Griff nach der Atomkraft. Natürlich hat sich dem Menschen ein wahnsinniger Ozean des Wissens aufgetan - damit aber auch ein Ozean der Verantwortung. Und sicher kann der Mensch die neuen Kräfte nutzen, aber er kann sie auch missbrauchen. Stets ist nun Gefahr in der Luft. Und der Mensch muss nach neuen Wegen und Mitteln suchen, um vielleicht sogar den alten ganz abzustreifen.

Die Möglichkeit scheint laut dem Verfasser zu bestehen, denn Gott reicht auch nach dieser (tragischen) Begebenheit immer noch seine Hand.
 

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
streicher schrieb:
Das ist eigentlich eine recht positive Interpretation dieser Sage.
Das ist, was Judentum für mich grundsätzlich bedeutet: eine durch und durch positive Sicht auf das Leben an sich. Daher ist der Satan in der Hiob-Geschichte auch nicht feindlich, sondern durch seine Überwindung kann das Beste im Menschen hervorkommen. Aus der Not eine Tugend machen.

In der Geschichte wirkt es dann erst einmal wie Willkür, dass die "Strafe" folgt. Aber vielleicht ist diese "Strafe" eine Metapher dessen, wie immens die Folgen sind.
Als Strafe kann man Konsequenzen dann wahrnehmen, wenn sie schlecht für einen sind. Man kann sie dann als Willkür wahrnehmen, wenn sie sehr unerwartet sind und unlogisch erscheinen. Kann man das so sagen?


Du hast die Technik angesprochen. Kaum etwas wird diese Metapher besser verdeutlichen als der Griff nach der Atomkraft. Natürlich hat sich dem Menschen ein wahnsinniger Ozean des Wissens aufgetan - damit aber auch ein Ozean der Verantwortung.
Vielleicht ist ein Ozean der Verantwortung sozusagen eine Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse. Ohne von der Frucht zu essen, wird man nicht rausgeschmissen aus dem Paradies, weil man keinerlei Sorge tragen braucht, was für Konsequenzen die eigenen Entscheidungen und Handlungen mit sich bringen.

Die Möglichkeit scheint laut dem Verfasser zu bestehen, denn Gott reicht auch nach dieser (tragischen) Begebenheit immer noch seine Hand.
Es heißt ja auch, dass nicht Gott sein Gesicht abwendet, sondern der Mensch wendet sein Gesicht von Gott ab. An anderen Bibelstellen steht was anderes, ich weiß. Ich hatte da neulich die Idee gehabt, dass die Bibeltexte, genauso wie die Diskussionen im Talmud und der Kabbalah und was weiß ich noch wo, nicht vereinheitlicht sind, nicht durchgestylt sind wie ein philosophisches Werk, sondern eine Sammlung an unterschiedlichen Ansichten sind und deshalb die vielen Widersprüche zu finden sind. Ich bin aber der Überzeugung, dass das Paradoxische sogar eine Stärke ist, denn man wird dazu gezwungen, sich an den Geschichten abzuarbeiten und sich dadurch selbst zu inspirieren.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.862
Telepathetic schrieb:
Das ist, was Judentum für mich grundsätzlich bedeutet: eine durch und durch positive Sicht auf das Leben an sich. Daher ist der Satan in der Hiob-Geschichte auch nicht feindlich, sondern durch seine Überwindung kann das Beste im Menschen hervorkommen. Aus der Not eine Tugend machen.
Not macht erfinderisch. Viele Ideen sind in der Not entstanden. Oder: ungewöhnliche Situationen brauchen ungewöhnliche Lösungen. Gerade in der Knappheit kann man seine Geschicke beweisen. Und oft zieht man erst ernsthafte Konsequenzen, wenn es schon weh tut, ob im Kleinen (Alltag) oder im Großen (z.B. Umweltpolitik).

Als Strafe kann man Konsequenzen dann wahrnehmen, wenn sie schlecht für einen sind. Man kann sie dann als Willkür wahrnehmen, wenn sie sehr unerwartet sind und unlogisch erscheinen. Kann man das so sagen?
Als Strafe würde ich auch die Konsequenzen bezeichnen, die jemanden einschränken (die Person empfindet es als Nachteil), um eventuell andere zu schützen. Die Person könnte die Strafe im Nachhinein durchaus als positiv bzw. als notwendig bewerten (Einsicht).
Willkür: würde ich auch so sehen. Man verbindet damit eine Unberechenbarkeit. Das "Strafmaß" sollte im Recht eine Verhältnismäßigkeit haben, damit wäre Willkür auch mit Unverhältnismäßigkeit verbunden.


Vielleicht ist ein Ozean der Verantwortung sozusagen eine Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse. Ohne von der Frucht zu essen, wird man nicht rausgeschmissen aus dem Paradies, weil man keinerlei Sorge tragen braucht, was für Konsequenzen die eigenen Entscheidungen und Handlungen mit sich bringen.
Damit wäre es wie in "Matrix" eine Entscheidung zwischen der roten und der blauen Pille. Entweder man bleibt in der positiv (scheinenden) Welt, oder erkennt weitere Facetten der (scheinenden) Wirklichkeit, es muss ja auch nicht durchweg negativ sein.
Eine Zeit lang habe ich diese Sage recht negativ betrachtet. Die Menschen erschienen mir wie Unwissende, die aus Neugier genau dort hin greifen, wo es interessant werden könnte. Zu wenig habe ich die Metapher gesehen - eher das Bild der Menschen und des Baumes mit den satten Früchten, wie es auch gerne in der Werbung verwendet wird. Die "Menschenkinder" greifen in ihrer Gutgläubigkeit hin und essen, dann die Schmach. So wird diese Geschichte ja auch gerne interpretiert und in einer Heilsgeschichte eingebunden.
Tatsächlich zeigt sich aber auch, metaphorisch gesehen, dass der Mensch, wenn er zum Beispiel nach neuem Wissen greift, die Folgen nicht oder wenig abschätzen kann. In gewisser Weise ist er unerfahren, ja typisch "Menschenkind" und verspricht sich viel. Wenn er dann sieht, welche Folgen es hat, kommt ihm eventuell die Reue. Mir kommt schon wieder Einstein und die Atomkraft in den Sinn...

Und nun komme ich doch noch auf die Schlange zurück. Interessanterweise verheißt sie vieles, macht Versprechungen, verlockt, überredet. Man könnte sie glatt mit einem Redner/Prediger/Wissenden vergleichen, der seine Wahrheit/Ware/Lehre anpreist. Bei den Konsequenzen hält sie sich dann erstaunlich kurz beziehungsweise gibt vielleicht sogar ein falsches Bild.

Es heißt ja auch, dass nicht Gott sein Gesicht abwendet, sondern der Mensch wendet sein Gesicht von Gott ab. An anderen Bibelstellen steht was anderes, ich weiß. Ich hatte da neulich die Idee gehabt, dass die Bibeltexte, genauso wie die Diskussionen im Talmud und der Kabbalah und was weiß ich noch wo, nicht vereinheitlicht sind, nicht durchgestylt sind wie ein philosophisches Werk, sondern eine Sammlung an unterschiedlichen Ansichten sind und deshalb die vielen Widersprüche zu finden sind. Ich bin aber der Überzeugung, dass das Paradoxische sogar eine Stärke ist, denn man wird dazu gezwungen, sich an den Geschichten abzuarbeiten und sich dadurch selbst zu inspirieren.
Der Meinung bin ich auch. Zusammengepresst wurden diese viele Geschichten im Laufe der Zeit, in unterschiedlicher Weise und immer wieder. Die Geschichte im Garten Eden für sich allein halte ich schon für einen Geniestreich. Sie kann als Metapher für so viele Dinge herhalten - das ist einfach erstaunlich. Und wenn die Geschichten schon paradox sind und doch zusammengestellt, dann sollen sie wohl zum Nachdenken anregen, verschiedene Sichten und Philosophien wiedergeben. Auch unter den Griechen ließen sich so einige Philosophen nicht einfach auf eine Seite schlagen, sie lassen den Hörenden und Lesenden selbst abwägen und beurteilen.
 

Angel of Seven

Ehrenmitglied
Registriert
23. Juli 2002
Beiträge
3.560
Telepathetic schrieb:
streicher schrieb:
Das ist eigentlich eine recht positive Interpretation dieser Sage.
Das ist, was Judentum für mich grundsätzlich bedeutet: eine durch und durch positive Sicht auf das Leben an sich. Daher ist der Satan in der Hiob-Geschichte auch nicht feindlich, sondern durch seine Überwindung kann das Beste im Menschen hervorkommen. Aus der Not eine Tugend machen.

Na ja... Aus der Not eine Tugend machen sagt uns die Geschichte von Hiob eigentlich nicht.

1,6 Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer Mitte. 1,7 Und der HERR sprach zum Satan: Woher kommst du? Und der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Vom Durchstreifen der Erde und vom Umherwandern auf ihr. 1,8 Und der HERR sprach zum Satan: Hast du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt keinen wie ihn auf Erden - ein Mann, so rechtschaffen und redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet! 1,9 Und der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Ist Hiob [etwa] umsonst so gottesfürchtig? 1,10 Hast du selbst nicht ihn und sein Haus und alles, was er hat, rings umhegt? Das Werk seiner Hände hast du gesegnet, und sein Besitz hat sich im Land ausgebreitet. 1,11 Strecke jedoch nur einmal deine Hand aus und taste alles an, was er hat, ob er dir nicht ins Angesicht flucht! 1,12 Da sprach der HERR zum Satan: Siehe, alles, was er hat, ist in deiner Hand. Nur gegen ihn [selbst] strecke deine Hand nicht aus! Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort.

Danach fällt er trotz aller Katastrophen die noch folgen nicht von seinem Glauben ab. Das ist die Kernaussage....
Interessant ist ja das hier der Satan zu den "Söhnen Gottes" gezählt wird und er anscheinend mit "Gott" kommuniziert.
Das passt ja gar nicht zu den herkömmlichen Attributen die dieser Figur (Satan/Teufel) zugeschrieben werden.
 

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
streicher schrieb:
Telepathetic schrieb:
Das ist, was Judentum für mich grundsätzlich bedeutet: eine durch und durch positive Sicht auf das Leben an sich. Daher ist der Satan in der Hiob-Geschichte auch nicht feindlich, sondern durch seine Überwindung kann das Beste im Menschen hervorkommen. Aus der Not eine Tugend machen.
Not macht erfinderisch. Viele Ideen sind in der Not entstanden. Oder: ungewöhnliche Situationen brauchen ungewöhnliche Lösungen. Gerade in der Knappheit kann man seine Geschicke beweisen.
Ich bin heute über den folgenden Teil eines Dialoges zwischen Captain Kirk und der Gefährtin (the Companion) gestolpert, aber ich habe mir schönerweise dabei nicht weh getan, sondern war angenehm überrascht wegen der Querverbindung, die ich zu diesem Thema knüpfen konnte. Der Kontext in dem Kirk's Rede steht, erscheint mir für dieses Thema nicht wichtig zu sein, ich empfehle ihn aber trotzdem zu lesen, (z.B. im unten verlinkten Transcript), wenn man an dem Thema romantische Liebe interessiert ist. Der Satz "You take away all obstacles." bezieht sich darauf, dass die Gefährtin ihrem menschlichen Geliebten ein wunderschönes Leben ohne jegliche Gefahren und ohne Altern ermöglicht.
KIRK: Our species can only survive if we have obstacles to overcome. You take away all obstacles. Without them to strengthen us, we will weaken and die.
Aus der Episode "Metamorphosis"

Eine Zeit lang habe ich diese Sage recht negativ betrachtet. Die Menschen erschienen mir wie Unwissende, die aus Neugier genau dort hin greifen, wo es interessant werden könnte. [...]
Das finde ich eine interessante Perspektive, vor allem das Wort "Menschenkinder", denn irgendwie geht es den Menschen doch genau so im Leben. Der Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen ist das Mehr an Lebenserfahrung und damit normalerweise auch ein Mehr an Vorsicht. Ein Erwachsener würde sich meiner Ansicht nach einfach nur mehr Gedanken machen und das Mehr an Wissen nutzen. Manchmal steht man etwas gänzlich Neuem gegenüber und greift einfach nach der Frucht, ohne großartig abwägen zu können, was die Frucht bringt. Das hat auch was von learning by doing.

Und nun komme ich doch noch auf die Schlange zurück. Interessanterweise verheißt sie vieles, macht Versprechungen, verlockt, überredet. Man könnte sie glatt mit einem Redner/Prediger/Wissenden vergleichen, der seine Wahrheit/Ware/Lehre anpreist. Bei den Konsequenzen hält sie sich dann erstaunlich kurz beziehungsweise gibt vielleicht sogar ein falsches Bild.
Ist mir so noch nie aufgefallen. Die Schlange will einem ein Bild von Gott einreden, welches aber nicht Gott ist und die Sünde würde darin bestehen, dass man einem Bild gefolgt ist und nicht dem wahren Gott. Das Problem damit ist ja aus einem neutralen Standpunkt heraus, dass man nicht wirklich wissen kann, wie Gott ist, man ist als Mensch dazu gezwungen, den Begriff "Gott" mit Bildern, d.h. mit Bedeutung, zu füllen. Ich denke, dass man dem Willen Gottes am nächsten kommt, wenn man die Natur beobachtet und den Menschen und seinen Platz innerhalb der Natur und der Gesellschaft. Dann ergeben sich Verbote gegen Mord, Ehebruch, Diebstahl usw. von alleine. "Inspiration von Gott" könnte dann eine Metapher für das erfolgreiche philosophische Erkennen von Realität sein.

Mir scheint aber, dass im Judentum mit "Gott" auch eine andere Realität gemeint ist, bzw. sein kann, bzw. ursprünglich gemeint gewesen ist. Es scheint ja Gemeinsamkeiten in den Erfahrungen von Menschen mit Nahtoderlebnis und von Menschen nach Einnahme von DMT und den prophetischen Visionen in der hebräischen Bibel, am prominentesten wohl Ezekiel's Thronwagen und dessen Begleiter, zu geben. Ich möchte in dem Zusammenhang auch an Rabbi Gershon Winkler's Ansicht erinnern, dass das Judentum ursprünglich eine schamanistische Religion gewesen ist und eher mit Weltbild und Naturverbundenheit der Natives in Amerika vergleichbar ist.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.862
Angel of Seven schrieb:
1,6 Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer Mitte. 1,7 Und der HERR sprach zum Satan: Woher kommst du? Und der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Vom Durchstreifen der Erde und vom Umherwandern auf ihr. 1,8 Und der HERR sprach zum Satan: Hast du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt keinen wie ihn auf Erden - ein Mann, so rechtschaffen und redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet! 1,9 Und der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Ist Hiob [etwa] umsonst so gottesfürchtig? 1,10 Hast du selbst nicht ihn und sein Haus und alles, was er hat, rings umhegt? Das Werk seiner Hände hast du gesegnet, und sein Besitz hat sich im Land ausgebreitet. 1,11 Strecke jedoch nur einmal deine Hand aus und taste alles an, was er hat, ob er dir nicht ins Angesicht flucht! 1,12 Da sprach der HERR zum Satan: Siehe, alles, was er hat, ist in deiner Hand. Nur gegen ihn [selbst] strecke deine Hand nicht aus! Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort.

Danach fällt er trotz aller Katastrophen die noch folgen nicht von seinem Glauben ab. Das ist die Kernaussage....
Interessant ist ja das hier der Satan zu den "Söhnen Gottes" gezählt wird und er anscheinend mit "Gott" kommuniziert.
Das passt ja gar nicht zu den herkömmlichen Attributen die dieser Figur (Satan/Teufel) zugeschrieben werden.
Besonders waren es frühere Attribute. In der "Offenbarung" im NT ist er der große Feind, dem schlussendlich die große Verdammnis zuteil wird. Aber in der Stelle im Buch Hiob wirkt er nicht wie ein Feind oder Gegner, sondern wie jemand, der kritisiert. Zu einfach habe es der Hiob gehabt, dann sei es doch klar, dass er sich nicht von Gott abwende. Zumindest müsse er auf Herz und Nieren geprüft werden. Und da werde sich Hiob schon abwenden. Satan hat zwar dann Unrecht behalten, tritt aber als jemand auf, der Gott selbst sogar kritisieren darf. Allerdings erscheint mir die Übersetzung "Söhne Gottes" eher unglücklich.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.862
Telepathetic schrieb:
Ich bin heute über den folgenden Teil eines Dialoges zwischen Captain Kirk und der Gefährtin (the Companion) gestolpert, aber ich habe mir schönerweise dabei nicht weh getan, sondern war angenehm überrascht wegen der Querverbindung, die ich zu diesem Thema knüpfen konnte. Der Kontext in dem Kirk's Rede steht, erscheint mir für dieses Thema nicht wichtig zu sein, ich empfehle ihn aber trotzdem zu lesen, (z.B. im unten verlinkten Transcript), wenn man an dem Thema romantische Liebe interessiert ist. Der Satz "You take away all obstacles." bezieht sich darauf, dass die Gefährtin ihrem menschlichen Geliebten ein wunderschönes Leben ohne jegliche Gefahren und ohne Altern ermöglicht.
KIRK: Our species can only survive if we have obstacles to overcome. You take away all obstacles. Without them to strengthen us, we will weaken and die.
Aus der Episode "Metamorphosis"
Das ist erstaunlich philosophisch, was uns in dem Dialog vorgetragen wird. Die Gefährtin bietet dem Captain Kirk praktisch das Paradies an. Und es ist quasi so, wie man es sich vorstellt: kein Altern, keine Krankheit, keine Schwierigkeiten, durch die man zu Schaden kommen könnte, einfach ein wunderschönes Leben. Und Kirk bietet mit seiner Antwort zugleich einen Rückblick, denn ohne die Schwierigkeiten wäre der Mensch nicht zu dem geworden, was er ist. Er würde quasi das Menschsein aufgaben. Dann stellt sich also die Frage: will der Mensch ein Paradies? (Oder: Will er ins Paradies?)

[...] Ein Erwachsener würde sich meiner Ansicht nach einfach nur mehr Gedanken machen und das Mehr an Wissen nutzen. Manchmal steht man etwas gänzlich Neuem gegenüber und greift einfach nach der Frucht, ohne großartig abwägen zu können, was die Frucht bringt. Das hat auch was von learning by doing.
Und dann ist man sich zum Beispiel in der Wirtschaft ziemlich einig darüber, dass der mehr gewinnt, der mehr wagt.
Und außerdem könnte man durchaus schließen, dass learning by doing ein durchaus alter Gedanke ist.

[...] Das Problem damit ist ja aus einem neutralen Standpunkt heraus, dass man nicht wirklich wissen kann, wie Gott ist, man ist als Mensch dazu gezwungen, den Begriff "Gott" mit Bildern, d.h. mit Bedeutung, zu füllen. Ich denke, dass man dem Willen Gottes am nächsten kommt, wenn man die Natur beobachtet und den Menschen und seinen Platz innerhalb der Natur und der Gesellschaft. Dann ergeben sich Verbote gegen Mord, Ehebruch, Diebstahl usw. von alleine. "Inspiration von Gott" könnte dann eine Metapher für das erfolgreiche philosophische Erkennen von Realität sein.
Auch wenn man "Gott" ein Bild aufstellen würde, dann könnte es eher nur Symbolcharakter haben, also ob man Gott zum Beispiel eher weiblich oder männlich sieht. Interessant finde ich aber deinen Ansatz, dass man auch, wenn man eine Gottesvorstellung durch Worte kleidet, letztendlich dadurch ein Bild schafft.
Ich weiss nicht, wie viel freien Willen wir eigentlich haben. Zumindest haben wir den Eindruck, dass wir Entscheidungen treffen. Und wir kommen, egal wo, stets in Situationen, in welchem wir unseren Lebensweg weiter bahnen, durch konkrete Entscheidungen oder auch Entscheidungen für Prinzipien, denen wir folgen, zum Beispiel dem Prinzip, dass wir anderen nicht zufügen, was wir nicht selbst an uns zugefügt haben wollen. Damit ist Erkenntnis mit Reflexion und Empathie verbunden.

Mir scheint aber, dass im Judentum mit "Gott" auch eine andere Realität gemeint ist, bzw. sein kann, bzw. ursprünglich gemeint gewesen ist. Es scheint ja Gemeinsamkeiten in den Erfahrungen von Menschen mit Nahtoderlebnis und von Menschen nach Einnahme von DMT und den prophetischen Visionen in der hebräischen Bibel, am prominentesten wohl Ezekiel's Thronwagen und dessen Begleiter, zu geben. Ich möchte in dem Zusammenhang auch an Rabbi Gershon Winkler's Ansicht erinnern, dass das Judentum ursprünglich eine schamanistische Religion gewesen ist und eher mit Weltbild und Naturverbundenheit der Natives in Amerika vergleichbar ist.
Wie weit wird man dann zurückgehen müssen, um auf den Schamanismus zu stoßen? Eines ist sicher: die Religion hat sich entwickelt. Auch ein Geisterglaube kommt nicht von irgendwoher. Es gibt auch einen Psalm, der mit dem Sonnengesang in Ägypten vergleichbar ist, sogar wirkliche Textähnlichkeiten vorweist. Und wenn schon Saul im Buch Samuel den Wahrsager kommen lässt, klingen auch die alten Gebräuche vielleicht noch durch.
Was allerdings die Visionen betrifft, hätten wir mit bewusstseinsändernden Stoffen eine recht erstaunlich Erklärung, ohne die Geschichten durch diese Erkenntnis herabwerten zu wollen. So kann dann auch mal ein Busch brennen, ohne dass er verbrennt.
 

Angel of Seven

Ehrenmitglied
Registriert
23. Juli 2002
Beiträge
3.560
Telepathetic schrieb:
Der jüdische und der christliche Teufel sind nicht gleich.

Nach der klassischen jüdischen Lehre ist Satan kein selbständiges Geistwesen und es gibt keine Verkörperung des Bösen. Die meisten späteren Religionen sehen das komplett anders.
 
G

Guest

Guest
Angel of Seven schrieb:
Interessant ist ja das hier der Satan zu den "Söhnen Gottes" gezählt wird und er anscheinend mit "Gott" kommuniziert.

Warum auch nicht?
Ha-Shaitan ist kein Name sondern ein Titel, der Ankläger (wie in Staatsanwalt) bedeutet. Er ist quasi Hauptankläger gegen die Menschheit im Himmel an Gottes Gerichtshof, natürlich spricht er dann auch mit dem "Richter".

Die ganze Gut-Böse Nummer wurde erst viel später rein geschrieben, nach dem Babylonischen Exil, unter dem persischen Einfluss des Zoroastrismus.

Wenn man das ganze aber verstehen will, muß man sich mit den Urtexten beschäftigen, und nicht mit den Erfindungen späterer Generationen.

Was die "Schlange" betrifft, möchte ich nochmal darauf hinweisen, daß "Schlange" eine eher unwahrscheinlich Übersetzung von "na-shash" ist.

Ansonsten finde ich es regelrecht Haarsträubend was sich Telepathetic wieder mal aus den Fingern saugt. Nichts davon gibt der Text auch nur annähern her.
 
G

Guest

Guest
For the record:

Telepathetic schrieb:
Der Mensch ist gezwungen, vom Baum des Lebens zu essen und gleichzeitig muß er herausfinden, was gut und was schlecht ...
.

Sie haben vom Baum der Erkenntnis gegessen, nicht vom Baum des Lebens.
Um genau das zu verhindern, wurden sie ja rausgeworfen, "daß er seine Hand nicht ausstrecke und nehme auch von dem Baume des Lebens und esse "


Gen 3:22 Und Jahwe Gott sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unser einer, zu erkennen Gutes und Böses; und nun, daß er seine Hand nicht ausstrecke und nehme auch von dem Baume des Lebens und esse und lebe ewiglich!
Gen 3:23 Und Jahwe Gott schickte ihn aus dem Garten Eden hinaus, um den Erdboden zu bebauen, davon er genommen war;
Gen 3:24 und er trieb den Menschen aus und ließ lagern gegen Osten vom Garten Eden die Cherubim und die Flamme des kreisenden Schwertes, um den Weg zum Baume des Lebens zu bewahren.
 

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
shechinah schrieb:
Ansonsten finde ich es regelrecht Haarsträubend was sich Telepathetic wieder mal aus den Fingern saugt. Nichts davon gibt der Text auch nur annähern her.
Ich nehme diese Texte und Ausschnitte aus den Texten wie Literatur, mit deren Hilfe ich versuche, Realität zu erkennen. Es sind Gedankenspiele. Das das einem Gegner von der Bibel nicht gefallen kann, ist verständlich, aber mir auch irgendwie egal. Du scheinst zu denken, dass der Versuch über solche Texte Realität zu erfassen, etwas Schlimmes ist und zu Schlimmem führen muß. Ich hätte gedacht, dass jemand, der sich auf Wissenschaft beruft, nichts dagegen hat, wenn wir hier harmlos herumphilosophieren.
 
G

Guest

Guest
Telepathetic schrieb:
[Ich nehme diese Texte und Ausschnitte aus den Texten wie Literatur, mit deren Hilfe ich versuche, Realität zu erkennen. Es sind Gedankenspiele.

Das Problem dabei ist, daß du so tust, als ob das die Realität wäre (die du zu erkennen Versuchst), und nicht das, was es tatsächlich ist: irgendwas, daß du dir nur einfach so ausgedacht hast.

Telepathetic schrieb:
Das das einem Gegner von der Bibel nicht gefallen kann, ist verständlich,...

Wenn ich ein "Gegner der Bibel" wäre, hätte ich mich nicht mein Leben lang so intensiv damit beschäftigt - wie kannst du so was sagen?

Telepathetic schrieb:
[Du scheinst zu denken, dass der Versuch über solche Texte Realität zu erfassen, etwas Schlimmes ist und zu Schlimmem führen muß.

Wieder was, das du dir ausgedacht hast.
Natürlich ist das Gegenteil der Fall. Ich bin hier der einzige, der versucht über solche Texte die Realität zu erfassen. Du hingegen bist derjenige, der sich sein eigenes LalaLand schafft, indem er alles möglich in die Texte hinein interpretiert, was da gar nicht steht. Zumal du noch nicht mal die Originaltexte zu rate ziehst, sondern dich an der deutschen Version hochziehst.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.862
shechinah schrieb:
Wenn uns etwas darin unrealistisch vorkommt (Bizarre Lebensspannen, Erschaffung der Erde in nur 6 Tagen), dann liegt das entweder an Fehlübersetzungen (teilweise auch bewußte Fälschung), oder weil wir den Inhalt - mangels Verständnis des historischen Kontext - nicht richtig verstehen, bzw. falsch interpretieren.
Dann frage ich dich als Spezialisten für Altorientalistik... Meine Fragen beziehe ich erstmal nur auf die "Erschaffung der Erde in 6 Tagen". Liegt hier eine Fehlübersetzung oder eine bewusste Fälschung vor? Bezieht sich dieser "Fehler" auf die (z.B.) deutsche Übersetzung, (und/)oder schon zum Beispiel auf eine viel frühere Übertragung, als diese "Schöpfungsgeschichte" in einen Kanon oder in eine Zusammenstellung aufgenommen wurde?
 
G

Guest

Guest
Das ist ein gutes Beispiel für das was ich früher schon sagte, wir haben es mit Textfragmenten aus allen möglichen Quellen zu tun, die mehr oder weniger wild zusammengestellt wurden, und nicht mit einem kohärenten Text. Wenn wir anfangen das wie ein "normales Buch" zu lesen, führt das zu nichts.

Stell dir vor, ich nehme gekürzte Auschnitte aus Zeitungsartikeln, Romanen und Gedichten über die Stadt München aus den letzten 200 Jahren, und ordne sie in einer, nicht chronologischen Reihenfolge aneinander - klar ist das dann verwirrend und widersprüchlich, wenn man es am Stück ließt.

Die "6 Tage Schöpfung" Gen 1.1. bis 2.3, ist ein ziemlich moderner Teil (Priesterschrift) der erst nach relativ spät, nach dem Exil hinzugebastelt wurde.

am Ende, nach Gen 2.3:

Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an demselben ruhte er von all seinem Werk, das Gott geschaffen hatte, indem er es machte.

könnte man meinen, daß es das jetzt war. Aber nein, in der nächsten Zeile (Gen 2.4) Geht die Geschichte nochmal von vorne los, diesmal ist es die Urversion:

Gen 2:4 Dies ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden, an dem Tage, da Jahwe Gott Erde und Himmel machte,

Gen 2:5 und ehe alles Gesträuch des Feldes auf der Erde war, und ehe alles Kraut des Feldes sproßte; denn Jahwe Gott hatte nicht regnen lassen auf die Erde, und kein Mensch war da, um den Erdboden zu bebauen.

Gen 2:6 Ein Dunst aber stieg auf von der Erde und befeuchtete die ganze Oberfläche des Erdbodens.

Gen 2:7 Und Jahwe Gott bildete den Menschen, Staub von dem Erdboden, und hauchte in seine Nase den Odem des Lebens; und der Mensch wurde eine lebendige Seele.

Darauf folgt eine Lagebeschreibung von Eden, und die Ermahnung an den Menschen nicht von den beiden Bäumen zu naschen.

Erst dann kommt die Nummer mit der Rippe und Eva ins Spiel, während in der ersten Erzählung die Menschen in einem Rutsch "als Mann und Frau" geschaffen wurden, und ihnen auch erlaubt war von allen Bäumen zu essen "und jeden Baum, an welchem samenbringende Baumfrucht ist: es soll euch zur Speise sein".

Was in dem ursprünglichem Text (Jahwist) auch auffällt ist, daß weder von 6 Tagen die Rede ist, noch von Gottes "Bastelstunde".

Ich bin mir ziemlich sicher, daß auch dieser älteste Text mit Einschüben ergänzt wurde. IMHO sah das ursprünglich so aus:

Dies ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden .
Und ehe alles Gesträuch des Feldes auf der Erde war, und ehe alles Kraut des Feldes sproßte; und kein Mensch war da, um den Erdboden zu bebauen.
Ein Dunst aber stieg auf von der Erde und befeuchtete die ganze Oberfläche des Erdbodens. (Hier fehlt meiner Meinung nach ein Teil)
Und Jahwe Gott bildete den Menschen, Staub von dem Erdboden, und hauchte in seine Nase den Odem des Lebens; und der Mensch wurde eine lebendige Seele.

Die 6 Tage Version wurde also erst relativ spät eingefügt. Wobei es auch hier eigentlich immer nur einzelne Einschübe am Ende des jeweiligen Abschnittes sind, die formelhaft (und wahrscheinlich später) dazu gekommen sind :
Und es ward Abend und es ward Morgen: erster Tag
Und es ward Abend und es ward Morgen: zweiter Tag
Und es ward Abend und es ward Morgen: dritter Tag
usw.

Wir haben also einen Urtext, mit seinen Ägyptischen Anleihen, ohne 6 Tage, wo Gott zwar "irgendwie" Himmel und eine trockene, leere Erde macht, weder Bäume noch Tiere. Anscheinend ohne Gottes Zutun steigt zu einem unbestimmten Zeitpunkt ein Dunst auf und befeuchtet die Erde.

Und dann haben wir die neuere Version, wo er alles selbst gemacht hat, mit ihren Babylonisch/Sumerischen Anleihen, die später zusätzlich die 6 Tage Formeln hinzugefügt bekommen hat.
 

Angel of Seven

Ehrenmitglied
Registriert
23. Juli 2002
Beiträge
3.560
@shechinah

Ich habe vor kurzem noch die Genesis mit den neusten Erkenntissen der Astrophysik verglichen. Da stimmt so gut wie nichts überein. Wie will man da die "Realität" rauslesen wenn die Angaben schlichtweg falsch sind?
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.862
shechinah schrieb:
Das ist ein gutes Beispiel für das was ich früher schon sagte, wir haben es mit Textfragmenten aus allen möglichen Quellen zu tun, die mehr oder weniger wild zusammengestellt wurden, und nicht mit einem kohärenten Text. Wenn wir anfangen das wie ein "normales Buch" zu lesen, führt das zu nichts.
Gibt es denn eine Ausgabe z.B. der Bücher Mose, in welcher die Fragmente in gewisser Weise sichtbar gemacht werden?
Bibeln habe ich schon genug besessen, auch kommentierte, aber sagen wir mal so, weil ich eine Entwicklung durchgemacht habe, bin ich die erstmal ganz losgeworden. Es gibt ja auch das WWW.

Stell dir vor, ich nehme gekürzte Auschnitte aus Zeitungsartikeln, Romanen und Gedichten über die Stadt München aus den letzten 200 Jahren, und ordne sie in einer, nicht chronologischen Reihenfolge aneinander - klar ist das dann verwirrend und widersprüchlich, wenn man es am Stück ließt.
Was den aufmerksamen Leser dann vielleicht fragen lässt: warum machen die das denn so - warum so eine Flickschusterei? Es wurde sich quasi nie um Kohärenz bemüht.

Die "6 Tage Schöpfung" Gen 1.1. bis 2.3, ist ein ziemlich moderner Teil (Priesterschrift) der erst nach relativ spät, nach dem Exil hinzugebastelt wurde.
War das Exil und die Zeit nach dem Exil nicht die Zeit, in der man wieder nach Identität gesucht hatte?

[Bibelstelle s.o.]

Darauf folgt eine Lagebeschreibung von Eden, und die Ermahnung an den Menschen nicht von den beiden Bäumen zu naschen.

Erst dann kommt die Nummer mit der Rippe und Eva ins Spiel, während in der ersten Erzählung die Menschen in einem Rutsch "als Mann und Frau" geschaffen wurden, und ihnen auch erlaubt war von allen Bäumen zu essen "und jeden Baum, an welchem samenbringende Baumfrucht ist: es soll euch zur Speise sein".
Ok, das ist somit eine komplett andere Story, denn demnach gab es bei der Urversion nicht nur kein Verbot, sondern auch keine Verstoßung.


[vermutete Urtext]
Dies ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden .
Und ehe alles Gesträuch des Feldes auf der Erde war, und ehe alles Kraut des Feldes sproßte; und kein Mensch war da, um den Erdboden zu bebauen.
Ein Dunst aber stieg auf von der Erde und befeuchtete die ganze Oberfläche des Erdbodens. (Hier fehlt meiner Meinung nach ein Teil)
Und Jahwe Gott bildete den Menschen, Staub von dem Erdboden, und hauchte in seine Nase den Odem des Lebens; und der Mensch wurde eine lebendige Seele.

Die 6 Tage Version wurde also erst relativ spät eingefügt. Wobei es auch hier eigentlich immer nur einzelne Einschübe am Ende des jeweiligen Abschnittes sind, die formelhaft (und wahrscheinlich später) dazu gekommen sind :
Und es ward Abend und es ward Morgen: erster Tag
Und es ward Abend und es ward Morgen: zweiter Tag
Und es ward Abend und es ward Morgen: dritter Tag
usw.

Wir haben also einen Urtext, mit seinen Ägyptischen Anleihen, ohne 6 Tage, wo Gott zwar "irgendwie" Himmel und eine trockene, leere Erde macht, weder Bäume noch Tiere. Anscheinend ohne Gottes Zutun steigt zu einem unbestimmten Zeitpunkt ein Dunst auf und befeuchtet die Erde.

Und dann haben wir die neuere Version, wo er alles selbst gemacht hat, mit ihren Babylonisch/Sumerischen Anleihen, die später zusätzlich die 6 Tage Formeln hinzugefügt bekommen hat.
Hier stehen wir also wie Dilettanten da; denn woran erkennt man an einem deutschen Text "ägyptischen" und "sumerischen" Einfluss. Sieht man es zum Beispiel an der Macht, die Gott zugestanden wird (da zum Beispiel nicht alles, was wird oder geschieht, von ihm ausgeht)? Kennt man in den beiden Kulturen Geschichten, die ziemlich analog sind (wie zum Beispiel der Sonnengesang, der einem Psalm, ich weiss jetzt nicht welchen, ähnlich ist)? Es wird sicherlich auch mit den Örtlichkeiten zusammenhängen, die beschrieben sind.

Sind zum Beispiel die Geschichten über Abraham auch beiden Einflüssen unterworfen? Ich hätte ja erstmal sumerischen Einfluss vermutet.
 

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
shechinah schrieb:
Das Problem dabei ist, daß du so tust, als ob das die Realität wäre (die du zu erkennen Versuchst), und nicht das, was es tatsächlich ist: irgendwas, daß du dir nur einfach so ausgedacht hast.
Das ist Dein Problem, nicht meines. Offensichtlich haben andere in diesem Thread nicht nur kein Problem damit, andere Interpretationen zuzulassen, sondern steuern auch eigene Gedanken bei.

Wenn ich ein "Gegner der Bibel" wäre, hätte ich mich nicht mein Leben lang so intensiv damit beschäftigt - wie kannst du so was sagen?
Ich habe in Erinnerung, dass Du sowas in der Art gesagt hast. Wenn nicht, mein Fehler. EDIT: Ein Gegner von etwas würde dieses etwas studieren, um Argumente dagegen zu haben.

Wieder was, das du dir ausgedacht hast.
Natürlich ist das Gegenteil der Fall. Ich bin hier der einzige, der versucht über solche Texte die Realität zu erfassen. Du hingegen bist derjenige, der sich sein eigenes LalaLand schafft, indem er alles möglich in die Texte hinein interpretiert, was da gar nicht steht. Zumal du noch nicht mal die Originaltexte zu rate ziehst, sondern dich an der deutschen Version hochziehst.
Natürlich. Der einzige. Im Original steht doch gar nicht "Rippe" sondern "Seite", das sollte Dir doch geläufig sein. Außerdem sagst Du selbst, dass die Texte nicht einheitlich durchgestaltet und was von nicht kohärent und dann sagst Du mir was von, "was da nicht steht". Es ist doch durchaus möglich, dass, wie streicher schon bemerkt hat, Kohärenz nicht wirklich angestrebt worden ist. Ein Argument, dass ich ein, zwei Beiträge vorher so ähnlich bereits vorgebracht habe.

Ich habe hier bei mir zehn Modellanalysen zu Kafka's Urteil erschienen im Reclam-Verlag. Das Urteil ist knapp 12 Seiten lang. Die zehn Modellanalysen nehmen dann einen Raum von knapp 238 Seiten ein. Mit den zehn Modellanalysen ist das Material zum Urteil gewiß nicht erschöpft. Das Urteil ist wesentlich verständlicher geschrieben als die biblischen Texte der Genesis. Und da willst Du mir schräg damit kommen, dass ich mir sinngemäß was aus den Fingern sauge.

Texte haben die Eigenschaft, dass sie selbst bei den größten Bemühungen von seiten des Autors so genau wie möglich die Gedanken des Autors auszudrücken, dem Autor zu entgleiten. Das heißt, dass der Autor keine 100%ige Kontrolle über die Interpretation der Leser hat.

Ich weiß nicht, ob Du versuchst Dich mir gegenüber aufzuspielen oder ob Du Deine Trollseite mir gegenüber zeigst oder ob Du mich nicht leiden kannst oder ob Du lediglich versuchst den Thread an Dich zu reißen, aber ich wäre Dir sehr verbunden, mich hier nicht herauszupicken und meine sämtlichen Beiträge abfällig zu beurteilen.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.862
Angel of Seven schrieb:
Telepathetic schrieb:
Der jüdische und der christliche Teufel sind nicht gleich.

Nach der klassischen jüdischen Lehre ist Satan kein selbständiges Geistwesen und es gibt keine Verkörperung des Bösen. Die meisten späteren Religionen sehen das komplett anders.
Was ist er dann im Buch Hiob? Kommt er dort also lediglich seiner Aufgabe nach und ist nicht selbständig?

Bei den späteren Religionen würde ich zuerst mal an die christliche denken. Die nimmt nämlich einfach mal das AT in den Kanon, vier Evangelien, einige Briefe, die doch wohl auch zeigen, dass es um Richtungsstreitereien ging (Wo sind eigentlich die Antworten zu finden?), und die Offenbarung. Der "Teufel" erweist sich dort als Endgegner, verliert natürlich. Da mag man sich schon fragen, in welchem Grad der bewussten Verfälschung der alten Lehre der Schreiberling schon gesteckt hat (und sich selbst Johannes benennt).
 

Ähnliche Beiträge

Oben