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Ehrenmitglied
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Du hast es unten schon erwähnt. Es ist schwierig, sich gegen etwas zu wenden, dass als Wille Gottes/Wille der Götter verkündet wird. Für jemanden, der sich aus dieser festen Klammer lösen will, bedeutet es meist einen großen Akt mit manchmal ganz schwierigen Folgen, da sich die Person meist auch aus der Gemeinschaft löst. Von einer Stammesgesellschaft würde er ausgestoßen. Die Kirche hat ebenso mit Ausschluss reagiert, tut sie heute noch. Ebenso hat sich oft auch die Familie abgewendet.Telepathetic schrieb:Aber mit neuen Erkenntnissen, wie Hygiene sinnvoller betrieben wird, werden alte Techniken der Hygiene durch neue ersetzt. Allerdings erschwert ein simples Einüben von Geboten, "wie Gott will, dass Hygiene betrieben wird" eine Verbesserung auf diesem Gebiet, weil ein mentaler Konflikt, nämlich das schlechte Gewissen, zwischen Anerzogenem und neu gewonnener Erkenntnis, entsteht. Wenn dazu noch die Angst vor Strafe, oder sogar tatsächliche Strafe z.B. durch Schläge, kommt, dann ist es nur logisch, wenn ein Mensch sich nicht vom Ursprung lösen kann oder zurück zu den Ursprüngen will.
Aber was ich meinte: es existieren immer wieder Bewegungen, die nach dem Ursprünglichen suchen, christliche Gemeinschaften, die eine Lehre wie die Urgemeinde gefunden haben wollen. Nur: sie kommen um eine eigene Interpretation nicht herum. Und: was ist überhaupt ein Anfangspunkt des Christentums? Auch wenn man einen Blick in die Bibel wirft, egal welche, stellt man fest, das gerade am Anfang um die Lehre regelrecht gestritten worden ist. Der Salafismus im Islam wird ebenso verstanden, als eine Richtung, die zurück zu den Ursprüngen möchte. Ursprünge - da kommt auch im Islam einiges zusammen. Zu Zeiten seines Beginns gab es einiges an monotheistischen Lehren und Erwartungen, die seiner Entstehung den Boden bereitet haben. Und gleich zu Beginn gab es Auseinandersetzungen.
Wie entsteht so eine Religion? Ihre Protagonisten müssten von Beginn an mit einer Haltung versehen sein, die ihre Kenntnisse nicht als Weisheit letzten Schluss sehen. Eher wäre ihre Art von Weisheit die, dass sie eine Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen, neuem Wissen, neuen Erkenntnissen an den Tag legen, sich aber Prinzipien unterordnen, die hilft, diese neuen Erkenntnisse einzuordnen und diese zu nutzen.Telepathetic schrieb:Im Gegensatz dazu eine Religion, die sich offen hält, auf jedem Gebiet den erkannten göttlichen Willen neu und anders zu erkennen, so dass ein als grundsätzlich gut erkannter Weg (z.B. der der Hygiene) weitergegangen werden kann. Anders gesagt: auf dem Bewährten aufbauen lassen anstatt es zu bekämpfen.
Ja, es wäre ungewöhnlich, wenn jemand eine "Offenbarung erlebt", die persönlich ist, und sie dann auch tatsächlich für sich behält. Offenbarungen scheinen aus den Protagonisten eie überhebliche und ziemlich rücksichtslose Personen zu machen.Telepathetic schrieb:Göttliche Offenbarungen sind ohnehin primär zur Legitimierung der eigenen Religion gedacht. Denn was hat mehr Nachdruck als "Gott persönlich hat mit mir/uns gesprochen".
Das ist eine ganz andere Lesweise, die wir überhaupt nicht gewohnt sind. Nur durch die Übersetzungen sind diese Texte einigermaßen festgeklopft worden (und diese Übersetzungen können ein ganz falsches Bild abgeben). Aber dann würde es bedeuten, dass man stets Übersetzungsmöglichkeiten bekommen müsste, also kommentierte Versionen einer (möglichen) Übersetzung geben Eindruck davon, wie der Text zum Beispiel verstanden werden kann.Telepathetic schrieb:Es ist möglich, dass die originale Zusammenstellung der Buchstaben und Sätze in der Tora nicht den Regeln der für uns gewohnten logisch erscheinenden Ordnung von Text erfolgt ist, woraus sich die immensen Textverständnis-Probleme ergeben könnten. Das griechisch-römisch-trainierte Hirn sucht nach für es als sinnvoll erscheinenden Mustern, die sich aus der Aneinanderreihung von Sätzen innerhalb eines Absatzes ergeben sollen. Aber die Tora-Rollen sind so nicht geschrieben, sie eine ununterbrochene Aneinanderreihung von bedeutungtragenden Buchstaben und Worten. Tora-Auslegung folgt auch nicht unbedingt den für uns üblichen Regeln der Auslegung von Text, sondern eigenen Regeln, die scheinbar willkürlich sind, aber dafür immer neue Bedeutungen hervorbringen.
Neuerdings habe ich auch einen Artikel gelesen, die die These vom "Edlen Wilden" widerlegt. Ich würde vermuten, dass die Stammesgesellschaften von früher, zumindest einige, nicht alle, auch mal den Schritt nicht gescheut haben, einen anderen Stamm völlig auszulöschen. Dass diese Gesellschaften ganze Dörfer geplündert haben, Frauen und Kinder geschunden und/oder mitgenommen, ist heute nachgewiesene Sache, und zwar an ganz verschiedenen Orten der Welt.Telepathetic schrieb:Jedenfalls ist mein Hauptkritikpunkt an dem Zeit-Artikel, dass es so klingt, als wären die Jäger- und Sammler-Gemeinschaften ganz dufte und mit der Seßhaftwerdung sind plötzlich nur noch Probleme aufgetaucht. Das hat so ein bißchen den romantisierenden Touch der guten alten Zeit, in der alles Friede, Freude, Eierkuchen gewesen ist. Sicherlich hatten auch die Jäger und Sammler Regeln, die für alle gegolten haben. Auch die Jäger und Sammler mußten arbeiten. Und wieso sollten machtgierige Menschen (die ja heute als Psychopathen/Soziopathen identifiziert werden) nicht auch schon damals Mittel und Wege gefunden haben können, um den Stamm zu beherrschen?
Der Artikel: Die Mär vom edlen Wilden
Die Sesshaftwerdung führt natürlich ganz neue Möglichkeiten mit sich: die Errichtung von Städten. Mit ihr kam die Bevölkerungsexplosion in die Gänge.
Es ist eine Sicht, die heute wieder stärker an Popularität gewinnt. Der Mensch steht nicht über der Natur, sondern ist höchstens ein Teil von ihr. Er kann sie sich auch nicht unterordnen. Er kann einiges von ihr zerstören. Doch letztendlich kommt es auf ihn selbst zurück. Die Natur überlebt ihn nicht, sondern existiert sich verändernd, die Geschichte des Menschen kann zu Ende gehen.Ich habe aber auch neulich einen Artikel gefunden, der die These, dass die eigentliche Sünde des Menschen gewesen ist, sich von der natürlichen Ordnung der Dinge entfernt zu haben, um sein eigenes Ding durchzuziehen, unterstützt. Der Mensch sollte ja den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse meiden, um sich nicht wie Gott zu wähnen und Allmachtsphantasien zu entwickeln.
Das ist vielleicht für damals eine paradiesische Vorstellung. Es braucht für die eigene Nahrung nicht getötet werden. Auch keine Tiere oder Pflanzen. Die Nahrung ist einfach da, genug, und braucht nur gepflückt zu werden. Aller Biologie zum Trotz.Noch kurz zur anthropologischen Sichtweise der Paradies-Geschichte: eigentlich müßte die Vertreibung aus dem Paradies noch vor der Zeit der Jäger und Sammler stattgefunden haben, weil Gott in 1. Mose 1.28-29 zwar die Herrschaft über die Fische des Meeres, , die Vögel des Himmels und alle Tiere der Erde gibt, aber nur jeden Baum, an dem Samen tragende Baumfrucht ist zur Nahrung. (Ich benutze die Elberfelder-Bibel von 2006). Die Menschen wären dementsprechend höchstens Sammler gewesen, wenn sie denn überhaupt sammeln mußten. Vielleicht haben die Bäume ganzjährig Frucht gegeben, bzw. sind die Bäume ganzjährig essbar gewesen. Essbare Bäume, wie der Ausdruck "Baum [...] zur Nahrung" suggeriert.
Ich finde es auch interessant, dass zum Beispiel keine Bodenfrüchte, Knollen, etc. erwähnt werden, auch keine Kräuter (denen heilende Kräfte zugewiesen werden könnten). Die werden in anderen Sagen anderer Stammesgesellschaften in anderen Teilen der Welt durchaus genannt.