Grundeinkommen für alle

morgenroth

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Ein_Liberaler schrieb:
[...] wer würde denn heute noch dafür arbeiten?

Wer könnte denn heute noch davon leben?....in dieser Gesellschaft?...Du? :wink:

Im Übrigen hat sich das Streben nach Profit in den letzten 200 Jahren nicht gerade verlangsamt. Und ob der Fortschritt die Knechterei abgeschafft oder nur verlagert hat, ist auch noch fraglich.
 

Ein_Liberaler

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Dachkammer und frei essen. Wer könnte davon nicht leben, Du Scherzkeks? So lebte die halbe Bevölkerung über Jahrhunderte, und seit die Industrialisierung Fahrt aufgenommen hat immer weniger.
 

Aphorismus

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ein_Liberaler schrieb:
Wie ist es denn die letzten zweihundert Jahre gelaufen? Da hat der Fortschritt allen genützt. Mein Großvater hatte noch einen Knecht, der hatte eine Dachkammer und frei essen und ein Taschengeld, wer würde denn heute noch dafür arbeiten?

Nenn mich ruhig ebenfalls ein humoriges Knabbergebäck, aber die Aussage bleibt mir verschlossen. Dass der Fortschritt allen genützt hat, sieht man am Beispiel des Knechts deines Großvaters und dass für Unterkunft und Verpflegung heute keiner mehr arbeiten würde, oder wie jetzt? :gruebel:

Der Fortschritt hat allen genützt, sicher. Aber ebenso hat er den onehin schon Privilegierten immer mehr genutzt als dem Rest. Dass innergesellschaftliche Gefälle ist imho bei steigendem Standard weitestgehend unverändert geblieben.
 

racingrudi

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wenn wir schon nicht die lastenträger zu innovatoren schulen können, dann sollten wir doch diejenigen fördern, die das zeug zum innovator haben, die wiederum etwas neues aus dem boden stampfen und dafür wieder die lastenträger brauchen. da hakt's wohl schon mit auch daran.
 

morgenroth

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racingrudi schrieb:
da hakt's wohl schon mit auch daran.

Ich denke, dass es daran hakt, weil Innovationen -sprich Fortschritt- die menschliche Arbeitskraft immer weiter überflüssig macht. Innovationen haben m.E. den Sinn die Erträge zu erhöhen und nicht die menschliche Arbeitskraft zu fördern.

Und ob bspw. eine reine Dienstleistungsgesellschaft diese systemimmanente Tendenz aufhalten kann, wage ich zu bezweifeln - auch diese Bereiche sind schon jetzt von starken Rationalisierungsmaßnahmen betroffen.

Es ist nunmal Fakt, dass Menschen in diesem System eine Investition darstellen, die sich rentieren muss - egal zu welchem Preis...

Ich glaube, dass man diesem Dilemma nur so entkommen kann, wie es der Name dieses Threads schon besagt. Auch wenn dieses System nicht mehr alle Menschen braucht..so brauchen die Menschen aber ein System, in dem ein menschwürdiges Leben möglich ist.
 

racingrudi

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@morgenroth

Ich denke, dass es daran hakt, weil Innovationen -sprich Fortschritt- die menschliche Arbeitskraft immer weiter überflüssig macht.
hm, naja, es wird immer wieder aufgeworfen: es ist dieselbe diskussion, die die schlesischen weber dereinst dazu veranlasst hatte, die innovationen zu zerstören. geholfen hat es ihnen nicht. und sei doch mal ehrlich: genau diese innovationen haben durchaus auch arbeitsplätze geschaffen und den wohlstand und die fetten bäuche genährt und uns ermöglicht, hier und jetzt über zauberhafte weise miteinander zu kommunizieren.

Innovationen haben m.E. den Sinn die Erträge zu erhöhen und nicht die menschliche Arbeitskraft zu fördern.
innovationen erfüllen mehrere ziele. klar: unternehmen versuchen durch neue produkte einen gewissen vorsprung gegenüber ihren konkurrenten zu schaffen. dass ein produkt aber nicht nur aus freien briezen auf den markt geworfen wird ist auch klar, was bedeutet, dass zuvor der unmittelbare bedarf ausgelotet wurde. wenn's niemand braucht, dann verschwindet die sache recht schnell wieder. also: innovation sind auch dazu da, dem menschen einen nutzen zuzuführen. und was nutzt einem menschen? alles, was es ihm ermöglicht, ein noch bequemeres leben zu führen. sehr, sehr viele, die allermeisten quasi, erfindungen dienen in erster linie dazu, das leben zu vereinfachen (was mitunter ja ein trugschluss darstellt, da man stattdessen studieren muss, um betriebsanleitungen zu kapieren). insofern sind wir ja schon ein ganzes stück weiter. inwieweit sich dieses rad in die unendlichkeit drehen lässt ist die bange frage: womöglich muss es erst einen großen schlag tun, damit das spiel von vorne beginnen kann. zuvor muss allerdings die automation überall auf der welt einen gewissen grad erreicht haben. zu teil zwei der aussage: innovationen waren noch nie dazu da, die menschliche arbeitskraft zu fördern. wir arbeiten ja nicht um des arbeitens willen (gut, manche vielleicht schon) sondern um unsere dienste gegen geld zu tauschen.

Und ob bspw. eine reine Dienstleistungsgesellschaft diese systemimmanente Tendenz aufhalten kann, wage ich zu bezweifeln
die zweifel sind berechtigt, denn dienstleistungen schaffen eigentlich keine werte, die aus meiner sicht grundlegend für wohlstand sind. klar kann man auch sagen: ich putz dir die schuhe, wenn du mir die haare fönst. das ist auch tauschhandel, allerdings kein nachhaltiger. der träger ist schon der produktionsbereich, dienstleistungen eigentlich nur eine randerscheinung so wie die ganzen zeckenpicker, die sich auf dem rücken der nashörner gütlich tun. nur: ohne nashorn keine zeckenpicker. also brauchen wir innovatoren, die danach schauen, dass wir genügend nashörner haben. irgendwo wird schon eine art break-even-point sein, ab dem die quote zu ungunsten der gesamtwirtschaft verläuft, allerdings bin ich mir absolut nicht sicher, wo sich der befinden könnte (und ich befürchte, die volkswirte wissen's auch nicht).

Es ist nunmal Fakt, dass Menschen in diesem System eine Investition darstellen, die sich rentieren muss - egal zu welchem Preis...
wenn sie sich rentieren soll, dann ist der preis eben nicht egal ... :wink:

Ich glaube, dass man diesem Dilemma nur so entkommen kann, wie es der Name dieses Threads schon besagt. Auch wenn dieses System nicht mehr alle Menschen braucht..so brauchen die Menschen aber ein System, in dem ein menschwürdiges Leben möglich ist.
die "große" grundeinkommenslösung ist de facto nicht finanzierbar, eine "kleine" würde wohl in etwa so aussehen, wie es jetzt schon gängige praxis ist, denn finanzielle zuwendungen bei arbeitslosigkeit gibt's heute schon. dann lieber den zustand prä-hartz wiederherstellen.


uns cleverle, doktor h. c. späth, hat dereinst in einem (für den organisatoren sauteuren) vortrag einen wesentlichen zug der deutschen kritisiert: soundsoviel prozent der deutschen studenten würden einen sicheren job, am besten im gehobenen beamtenstatus, anstreben, während ein gehobener prozentsatz der amerikanischen absolventen unternehmertum anstreben würden. inwieweit die damals geäußerten zahlen auf fundierten quellen basierten weiß ich nicht, aber lothar glaube ich (fast) alles ... 8) da ist schon was dran: wir haben keine gründergeneration mehr wie sie es um die wende 19./20. jhdt. oder unmittelbar nach WK2 gab. ich vermisse die große welle an boschs, siemens' und ottos, die durch innovationen glänzen und den lastenträgern wieder hoffnung auf tauschhandel geben könnten. was ich eigentlich nicht will: börsenorientierte, nicht-regionale investoren (acrididae pecunia).

fazit: schaunmermal :?

gruß
rg
 

morgenroth

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racingrudi schrieb:
zuvor muss allerdings die automation überall auf der welt einen gewissen grad erreicht haben. zu teil zwei der aussage: innovationen waren noch nie dazu da, die menschliche arbeitskraft zu fördern.

Da beist sich doch der Hund in den Schwanz.
Steigende Automatisierung = weniger benötigte Arbeitskräfte
weniger benötigte Arbeitskräfte = weniger Einkommen in Teilen der Gesellschaft
weniger Einkommen = weniger Nutzen der innovativen Erleichterung

Nochmal: Ich bin kein militanter Fortschrittsgegner aber: Der Fortschritt sollte nicht nur einem elitären Teil der Gesellschaft dienen sondern allen.


morgenroth schrieb:
racingrudi schrieb:
Es ist nunmal Fakt, dass Menschen in diesem System eine Investition darstellen, die sich rentieren muss - egal zu welchem Preis...
wenn sie sich rentieren soll, dann ist der preis eben nicht egal ... :wink:

Ich meinte damit nicht den finanziellen Preis :wink:

die "große" grundeinkommenslösung ist de facto nicht finanzierbar, eine "kleine" würde wohl in etwa so aussehen, wie es jetzt schon gängige praxis ist, denn finanzielle zuwendungen bei arbeitslosigkeit gibt's heute schon. dann lieber den zustand prä-hartz wiederherstellen.

Finanzierbar wäre das ganze schon. Die Frage ist nur inwieweit die Leute bereit sind, den erwirtschafteten Kuchen gerecht aufzuteilen.
Ich halte diese Idee eher für eine soziale aber evtl. unumgängliche Zukunftsvision, zu denen die Menschen heute noch nicht bereit sind.
 

Ein_Liberaler

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Aphorismus schrieb:
Nenn mich ruhig ebenfalls ein humoriges Knabbergebäck, aber die Aussage bleibt mir verschlossen. Dass der Fortschritt allen genützt hat, sieht man am Beispiel des Knechts deines Großvaters und dass für Unterkunft und Verpflegung heute keiner mehr arbeiten würde, oder wie jetzt? :gruebel:

Exakt. Das war ja nur einer von Millionen.

Der Fortschritt hat allen genützt, sicher. Aber ebenso hat er den onehin schon Privilegierten immer mehr genutzt als dem Rest. Dass innergesellschaftliche Gefälle ist imho bei steigendem Standard weitestgehend unverändert geblieben.

Das könnte ich so nicht sagen. Wir leben heute nicht luxuriöser als die Nachkommen des Knechts. Ich bin der Meinung, daß sich die Unterschiede eher nivelliert haben.

morgenroth schrieb:
Innovationen haben m.E. den Sinn die Erträge zu erhöhen und nicht die menschliche Arbeitskraft zu fördern.

Es gibt zwei Arten Innovation. Die eine erlaubt es, das bisherige Warenangebot mit weniger Arbeit zu erzeugen. Dadurch fallen Arbeitsplätze weg, aber die übriggebliebenen werden besser bezahlt, weil sie produktiver sind. außerdem werden die Waren billiger.

Die andere Art Innovation ist die Einführung eines neuen Produktes, die natürlich Arbeitsplätze schafft. Ohne freiwerdende Arbeiter infolge der ersten Art der Innovation ist sie nicht möglich.

racingrudi schrieb:
die zweifel sind berechtigt, denn dienstleistungen schaffen eigentlich keine werte, die aus meiner sicht grundlegend für wohlstand sind.

Dienstleistungen geben aber eventuell einem "produktiven" Arbeiter mehr Zeit für seine "werteschaffende" Arbeit. (Sich gegenseitig die Schuhe zu putzen, bläht natürlich nur das Bruttoinlandsprodukt auf.)

morgenroth schrieb:
Da beist sich doch der Hund in den Schwanz.
Steigende Automatisierung = weniger benötigte Arbeitskräfte
weniger benötigte Arbeitskräfte = weniger Einkommen in Teilen der Gesellschaft
weniger Einkommen = weniger Nutzen der innovativen Erleichterung

Nein, tut er eben nicht, der Hund. Die freigesetzten Arbeitskräfte sind eben wirklich frei für andere Aufgaben - nur diese Aufgaben finden sich zur Zeit nicht, denn Unternehmensneugründungen haben es aus vielfältigen Gründen reichlich schwer in Deutschland. Außerdem darfst du nicht glauben, daß es ohne Innovationen besser aussähe.
 

Woppadaq

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Aphorismus schrieb:
Der Fortschritt hat allen genützt, sicher. Aber ebenso hat er den onehin schon Privilegierten immer mehr genutzt als dem Rest.

Was willst du eigentlich: Als Nichtshabender so leben wie der Privilegierte oder den Privilegierten zum Nichtshabenden wie dich machen ?

Mich jedenfalls interessiert nicht, ob und wie hoch jemand an mich verdient, solange ich auch dabei das verdiene, was ich verdienen will.

morgenroth schrieb:
Ich denke, dass es daran hakt, weil Innovationen -sprich Fortschritt- die menschliche Arbeitskraft immer weiter überflüssig macht.

Nein, es sind eben nicht "die Innovationen" und auch nicht die Innovatoren. Es sind auch nicht die "gierigen" Geldleute, auch nicht die viel zu teuren, uneinsichtigen Arbeiter, die zuwenig Geld haben, um sich Luxusartkel zu kaufen, die sie eigentlich häßlich finden.

Es ist vielmehr so, daß jede einzelne Gruppe davon, die Geldleute, die Visionäre, die Arbeiter und die Kunden, völlig verschiedene Interessen haben und immer wieder aufs neue vor ihrem Idealfall gebremst werden müssen.

Der Idealfall des Geldmenschen heißt: kleinstmöglicher Einsatz, höchstmögliche Rendite, alles andere egal.
Der Idealfall des Visionärs heißt: Geld und Arbeiter (oder Opfer) spielen keine Rolle, das gesetzte Ziel wird erreicht. Rendite egal.
Der Idealfall des Arbeiters: Ziel und Rendite egal, Sicherheit von Arbeitsplatz und hohem Einkommen absolute Priorität.
Der Idealfall des Kunden: Rendite der anderen egal, hauptsache günstig. Arbeiter egal, Hauptsache Ziel errreicht.

Es sollte klar sein: jede Gruppe ist von der anderen abhängig und muß deswegen Kompromisse eingehen. Und jede Gruppierung versucht natürlich, dem Kompromissemachen zu entgehen. Und jede Gruppe macht mindestens eine der anderen Vorwürfe, weil diese es auch tut.

Rationalisierungsmaßnahmen werden häufig in Firmen gemacht, die sich vorher mit Hilfe von Visionären aufgebläht haben. Allerdings würden diese Firmen ohne die Visionäre gar nicht existieren. Die Visionäre haben den Geldmenschen überredet, Geld für ihre Vision zu geben, und das geht selten ohne Renditeversprechen. Aber in der Anfangszeit können manche Firmen ihre Renditeversprechen durchaus halten. Dann stehen sie vor der Frage: Machen wir jetzt das Gleiche noch eine Spur größer oder bleiben wir so, wie wir sind ? Beide Entscheidungen können richtig oder fatal falsch sein. Was nun aber, wenn man beschließt, zu expandieren, was mehr Arbeitsplätze bedeutet, und am Ende bedeutet diese Expansion (zu hoher) Verlust ? Selbst im günstigsten Fall muß der Geldmensch irgendwann dann die Reißleine ziehn. Meistens sieht es dann so aus,daß derjenige, der die Firma einst gegründet hat oder sie großgemacht hat, durch jemand ersetzt wird, der BWL studiert hat und Wert darauf legt, nicht jeden Arbeiter mit Namen zu kennen, aber rechnen kann. Dieser kann richtig liegen mit seinem Kurs, muß es aber nicht. Apple hat sich einst mithilfe 3 solcher aufeinander folgenden Chefs ins Milliardendefizit gewirtschaftet, bevor sie beschlossen, dann doch wieder ihren Firmengründer Steve Jobs in die Firma zu integrieren. Seitdem gehts mit der Firma aufwärts: so innovativ wie seit seinem Einstieg war die Firma zuletzt vor seinem Ausstieg.
 

morgenroth

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Woppadaq schrieb:
Der Idealfall des Geldmenschen heißt: kleinstmöglicher Einsatz, höchstmögliche Rendite, alles andere egal.
Der Idealfall des Visionärs heißt: Geld und Arbeiter (oder Opfer) spielen keine Rolle, das gesetzte Ziel wird erreicht. Rendite egal.
Der Idealfall des Arbeiters: Ziel und Rendite egal, Sicherheit von Arbeitsplatz und hohem Einkommen absolute Priorität.
Der Idealfall des Kunden: Rendite der anderen egal, hauptsache günstig. Arbeiter egal, Hauptsache Ziel errreicht.

Eben. Und um einen Weg durch diesen Dschungel der Interessen zu finden, gilt es eine Institution zu finden, die es schafft an dieser Stelle für Ausgleich zu sorgen. Ein Gesetzeskatalog wie ihn Ein_Liberaler auf Seite 3 beschrieben hat, klingt wie die Forderung eines Anachisten in der stärkeren Position.
 

Aphorismus

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ein_Liberaler schrieb:
Aphorismus schrieb:
Nenn mich ruhig ebenfalls ein humoriges Knabbergebäck, aber die Aussage bleibt mir verschlossen. Dass der Fortschritt allen genützt hat, sieht man am Beispiel des Knechts deines Großvaters und dass für Unterkunft und Verpflegung heute keiner mehr arbeiten würde, oder wie jetzt? :gruebel:

Exakt. Das war ja nur einer von Millionen.

Es gibt aber auch heute noch genug Leute, die mit ihrem Gehalt gerade mal eine kleine Wohnung und das nötigste zu essen bezahlen können. Was unterscheidet diese Leute von dem Knecht deines Großvaters außer im Grunde austauschbaren "Luxus"-Artikeln? Was hat denen der Fortschritt schon gebracht? Vielleicht hat so jemand heute einen halb-kaputten Fernseher und damals wäre es nur ein halb-kaputtes Radio gewesen. Ich sehe da schon einen Fortschritt, aber eben nur einen allgemeinen, technischen. Den "humanitären Fortschritt" des Sozialstaates bauen wir ja gerade fleissig wieder ab, der geht imho eher zurück.

ein_Liberaler schrieb:
Aphorismus schrieb:
Der Fortschritt hat allen genützt, sicher. Aber ebenso hat er den onehin schon Privilegierten immer mehr genutzt als dem Rest. Dass innergesellschaftliche Gefälle ist imho bei steigendem Standard weitestgehend unverändert geblieben.

Das könnte ich so nicht sagen. Wir leben heute nicht luxuriöser als die Nachkommen des Knechts. Ich bin der Meinung, daß sich die Unterschiede eher nivelliert haben.

Dass der Fortschritt den Privilegierten prinzipiell mehr nützt als den Armen, das kannst du so nicht sagen? Was bringt einem denn, dass das Auto erfunden wird, wenn man kein Geld hat um sich eins zu kaufen?

Und dass du der Meinung bist, dass das Gefälle nicht auseinandergeht, verstehe ich auch nicht. Als ich klein war, waren die allermeisten Obdachlosen entweder Alkis oder Punks, die hauptsächlich durch Gelalle, ihr ungepflegtes Äußeres oder ihren Geruch aufgefallen sind. Inzwischen sehe ich immer öfter Obdachlose, die man erst auf den zweiten Blick aus der Nähe als solche erkennt. Vorgestern erst habe ich ein Gespräch zwischen zwei Obdachlosen zufällig mitangehört. O-Ton: "Ach so, wohnen Sie denn dann auch in einem Heim?" "Nein, da war wegen der Kälte auch alles voll. Was ist mit Ihnen?" Nix mit Gelalle, keine Punks oder klar als solche erkennbaren Alkis, das waren kultivierte Menschen. Wo sind wir denn hier, in Russland vielleicht, wo der Taxi-Fahrer Atomphysik studiert und mit 1,2 abgeschlossen hat? Wer nicht merkt, dass etwas faul ist im Staate Dänemark, der möge warten, bis es auch seine Schicht erreicht.

Meiner Meinung nach ist das Prinzip immer das gleiche. Die Reichen haben fast das ganze Geld und machen fast gar keine Arbeit. Die Mittelklasse macht die ganze Arbeit und kriegt nur ein klein bisschen was vom Geld ab. Die Armen sind nur dazu da, um die Mittelklasse in ihre Arbeiterbienen-Rolle hinein zu ängstigen.

Woppadaq schrieb:
Aphrosimus schrieb:
Der Fortschritt hat allen genützt, sicher. Aber ebenso hat er den onehin schon Privilegierten immer mehr genutzt als dem Rest.

Was willst du eigentlich: Als Nichtshabender so leben wie der Privilegierte oder den Privilegierten zum Nichtshabenden wie dich machen ?

Erstmal bin ich eher privilegiert als nichts-habend. :wink: Und darüber hinaus will ich keines von beidem. Ich will nur, dass der Fortschritt zum Vorteil der Benachteiligten als ausgleichendes Element genutzt wird. Wenn man etwas billig herstellen kann, was fette Gewinne abwirft, wieso dann nur Mindestlohn zahlen? Oder gar das Werk schliessen und nach Indonesien umverlegen, wo Kinder die Arbeit billiger machen? Weil es für die Welt so besser ist? Das ist genau das gleiche, wenn ein Unternehmen satte Gewinne macht und seinen Arbeiten auf Grund einer fiktionalen martktwirtschaftlichen Theorie dennoch die Gehälter kürzt. Das hat mit freier Marktwirtschaft nur dann etwas zu tun, wenn man damit auch "frei von common sense und jeglichem menschlichen Mitgefühl" meint.

Woppadaq schrieb:
Mich jedenfalls interessiert nicht, ob und wie hoch jemand an mich verdient, solange ich auch dabei das verdiene, was ich verdienen will.

Schön. Mich unter bestimmten Umständen schon. Mal ganz abgesehen davon, dass die wenigsten Leute das verdienen, was sie gerne verdienen würden.
 

Ein_Liberaler

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morgenroth schrieb:
Woppadaq schrieb:
Der Idealfall des Geldmenschen heißt: kleinstmöglicher Einsatz, höchstmögliche Rendite, alles andere egal.
Der Idealfall des Visionärs heißt: Geld und Arbeiter (oder Opfer) spielen keine Rolle, das gesetzte Ziel wird erreicht. Rendite egal.
Der Idealfall des Arbeiters: Ziel und Rendite egal, Sicherheit von Arbeitsplatz und hohem Einkommen absolute Priorität.
Der Idealfall des Kunden: Rendite der anderen egal, hauptsache günstig. Arbeiter egal, Hauptsache Ziel errreicht.

Eben. Und um einen Weg durch diesen Dschungel der Interessen zu finden, gilt es eine Institution zu finden, die es schafft an dieser Stelle für Ausgleich zu sorgen. Ein Gesetzeskatalog wie ihn Ein_Liberaler auf Seite 3 beschrieben hat, klingt wie die Forderung eines Anachisten in der stärkeren Position.

Eine solche Institution kann es nicht geben. Wie soll sie an die nötigen Informationen kommen? Bisher ist jeder Versuch, einen "Ausgleich" zu finden, mehr oder weniger katastrophal gescheitert. Wir haben "nur" eine gewaltige arbeitslosigkeit, wo sich so eine Institution noch mehr als bei uns eingemischt hat, herrscht heute richtige Armut.

In Wirklichkeit kann den Ausgleich nur der Markt schaffen. Der Kunde, der alles möglichst billig will, ohne Rücksicht auf Rendite und Löhne, wird eben auf dem Markt ganz einfach kein entsprechendes Angebot finden. Dann steht er da und muß zu einem kostendeckenden Preis kaufen, fertig.

Jedenfalls, wenn mein liberales Nichtaggressionsprinzip gilt.

Wenn er sich an eine Institution wenden kann, die für einen "Ausgleich" abseits vom Marktergebnis sorgt, geht alles den Bach runter. Bestes Beispiel ist immer der Brotpreis. Im Ersten Weltkrieg wurde in Rußland der Brotpreis gedeckelt, also boten die Bauern einfach kein Korn mehr an und es kam in den Städten zu einer fürchterlichen Hungersnot. Alle weiteren Maßnahmen der Regierung waren nur geeignet, sie noch zu verschlimmern.

[quote0"Aphorismus"]Es gibt aber auch heute noch genug Leute, die mit ihrem Gehalt gerade mal eine kleine Wohnung und das nötigste zu essen bezahlen können. Was unterscheidet diese Leute von dem Knecht deines Großvaters außer im Grunde austauschbaren "Luxus"-Artikeln?[/quote]

Nur diese Luxusartikel. Auto, Spülmaschine, Bad, Elektroherd und was des überflüssigen Luxus mehr ist.

Vielleicht hat so jemand heute einen halb-kaputten Fernseher und damals wäre es nur ein halb-kaputtes Radio gewesen.

Hoho, ein zweites Radio im Haus? Ein Volksempfänger für alle reichte, und dann kamen noch Leute von der Straße rein, weil sie gesetzlich verpflichtet waren, die Führerrede zu hören.


Ich sehe da schon einen Fortschritt, aber eben nur einen allgemeinen, technischen. Den "humanitären Fortschritt" des Sozialstaates bauen wir ja gerade fleissig wieder ab, der geht imho eher zurück.

Ich halte den Sozialstaat für keinen humanitären Fortschritt. Er hat die traditionellen Bindungen zerschlagen, das Verhältnis der Menschen zueinander ökonomisiert und völlig falsche Anreize gesetzt.

Dass der Fortschritt den Privilegierten prinzipiell mehr nützt als den Armen, das kannst du so nicht sagen? Was bringt einem denn, dass das Auto erfunden wird, wenn man kein Geld hat um sich eins zu kaufen?


Der Fortschritt hat das Auto so billig gemacht, daß sich heute fast jeder eins leisten kann, sogar Studenten. Was haben wirklich reiche Leute heute, was sie vor fünfzig Jahren nicht hatten? Was haben Arbeiter heute, was sie vor fünfzig Jahren nicht hatten? Da kann man eher behauptren, daß die Schere sich schließt.

Und dass du der Meinung bist, dass das Gefälle nicht auseinandergeht, verstehe ich auch nicht. Als ich klein war, waren die allermeisten Obdachlosen entweder Alkis oder Punks, die hauptsächlich durch Gelalle, ihr ungepflegtes Äußeres oder ihren Geruch aufgefallen sind. Inzwischen sehe ich immer öfter Obdachlose, die man erst auf den zweiten Blick aus der Nähe als solche erkennt. Vorgestern erst habe ich ein Gespräch zwischen zwei Obdachlosen zufällig mitangehört. O-Ton: "Ach so, wohnen Sie denn dann auch in einem Heim?" "Nein, da war wegen der Kälte auch alles voll. Was ist mit Ihnen?" Nix mit Gelalle, keine Punks oder klar als solche erkennbaren Alkis, das waren kultivierte Menschen.

Ist mir bisher nicht aufgefallen. Wenn das so ist, hat es jedenfalls nichts mit dem Fortschritt zu tun. Das ist eher eine Folge des Sozialstaates, der Arbeit bis zum Gehtnichtmehr besteuert und Vermögensbildung ungeheuer erschwert.

Wer nicht merkt, dass etwas faul ist im Staate Dänemark, der möge warten, bis es auch seine Schicht erreicht.

Staat ist das Schlüsselwort.


Meiner Meinung nach ist das Prinzip immer das gleiche. Die Reichen haben fast das ganze Geld und machen fast gar keine Arbeit. Die Mittelklasse macht die ganze Arbeit und kriegt nur ein klein bisschen was vom Geld ab. Die Armen sind nur dazu da, um die Mittelklasse in ihre Arbeiterbienen-Rolle hinein zu ängstigen.

Das ist ja mal eine veritable Verschwörungstheorie.
 

dkR

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Meiner Meinung nach ist das Prinzip immer das gleiche. Die Reichen haben fast das ganze Geld und machen fast gar keine Arbeit. Die Mittelklasse macht die ganze Arbeit und kriegt nur ein klein bisschen was vom Geld ab. Die Armen sind nur dazu da, um die Mittelklasse in ihre Arbeiterbienen-Rolle hinein zu ängstigen.
Weil das ganze geld der Mittelschicht der Saat kassiert und die (finanzielle, nicht soziale) Unterschicht sich trotzdem noch darüber aufregt, dass die "Reichen" zu viel Geld haben - wobei sie lustigerweise die Mittelschicht mit einbeziehen. Arbeit lohnt sich bei den Abgaben einfach nicht.
 

morgenroth

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Ein_Liberaler schrieb:
Ich halte den Sozialstaat für keinen humanitären Fortschritt. Er hat die traditionellen Bindungen zerschlagen, das Verhältnis der Menschen zueinander ökonomisiert und völlig falsche Anreize gesetzt.

Das halte ich aber für ein Gerücht, dass ein Sozialstaat für Armut sorgt und und menschliche Verhältnisse ökonomisiert. Das ist wohl eher die Folge einer (freien) Marktwirtschaft .

Und was für "traditionelle Bindungen" meinst du denn???

In Wirklichkeit kann den Ausgleich nur der Markt schaffen. Der Kunde, der alles möglichst billig will, ohne Rücksicht auf Rendite und Löhne, wird eben auf dem Markt ganz einfach kein entsprechendes Angebot finden. Dann steht er da und muß zu einem kostendeckenden Preis kaufen, fertig.

"Zum kostendeckenden Preis kaufen" hört sich gut an. Aber um wieder zu einem alten Thema zurückzukehren: Wenn beispielsweise der Spargelarbeiter für einen Euro die Stunde arbeitet, so das der Bauer fette Gewinne einfährt und der Spargel günstig ist, kann man doch wohl beim Spargelpreis nicht von Kostendeckend reden.
 

Ein_Liberaler

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morgenroth schrieb:
Das halte ich aber für ein Gerücht, dass ein Sozialstaat für Armut sorgt und und menschliche Verhältnisse ökonomisiert. Das ist wohl eher die Folge einer (freien) Marktwirtschaft .

Nein, freie Markwirtschaft sorgt für Wohlstand, indem sie immer mehr und immer billigere Güter bereitstellt. Der Sozialstaat sorgt für Armut, indem er Nichtarbeit subventioniert und Arbeit besteuert, indem er Ressourcen falsch verteilt und Initiative hemmt. Wir beobachten das gerade. Die Verhältnisse der Menschen werden ökonomisiert, indem der Staat sie ökonomisch bewertet und belohnt oder bestraft. Beispiele sind das kindergeld oder das Ehegattensplitting. Der Staat versucht, eine für richtig gehaltene Lebensweise zu erkaufen.

Und was für "traditionelle Bindungen" meinst du denn???

Ehe und Familie.

"Zum kostendeckenden Preis kaufen" hört sich gut an. Aber um wieder zu einem alten Thema zurückzukehren: Wenn beispielsweise der Spargelarbeiter für einen Euro die Stunde arbeitet, so das der Bauer fette Gewinne einfährt und der Spargel günstig ist, kann man doch wohl beim Spargelpreis nicht von Kostendeckend reden.

Wieso nicht, wenn die Kosten gedeckt werden?
 

morgenroth

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Natürlich...du wirst schon wissen wie ich das gemeint habe. Aber ich schätze mal da werden wir uns im Kreis drehen. Ich denke eher das eine freie Marktwirtschaft grosse Teile der Bevölkerung in Armut stürzen wird, da sie um des Profit willens die Leute immer schlechter bezahlt oder ganz entlässt. Die Folge ist Armut. Und das Menschen "ökonomisiert" werden ist auch ganz klar eine Folge der Marktwirtschaft da es ihr nicht um den Mensch an sich geht sondern um seinen Wert und vieviel man mit ihm verdienen kann.
 

racingrudi

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@liberaler

tjo, dass marktwirtschaft für wohlstand sorgt ist unbestritten, dass allerdings komplett freie, von allen sozialen prämissen losgelöste marktwirtschaft das non-plus-ultra schlechthin sei, diese ansicht kann und will ich nicht teilen. vor allem ist es auch eine glaubensfrage, denn wie du selbst schon festgestellt hast gibt es nirgends auf der welt die komplett freie marktwirtschaft, zumal wenn du den staat als liberalen-dämon weghaben willst. ein staat ist teilnehmer am wirtschaftskreislauf und greift insofern immer ins geschehen ein. ansonsten lässt sich freie MW nur im labor beobachten.

wenn du etwas genauer hinsiehst, dann stammen aussagen wie "zeit ist geld" nicht vom angeprangerten "sozialstaat", sondern aus der wirtschaft. dann kommt der schrei nach flexibilität aus der ökonomenecke, was gerade die von dir angesprochenen traditionellen werte torpediert. ich male mir ein szenario aus, das die kinderzeugungsrate weiter schrumpfen lässt, sobald der staat sich aus der sache raushält und keine finanziellen anreize mehr schafft. frauen werden sich dann noch mehr überlegen, opportunitätsgewinne in form von verdienst durch karriere auszulassen.

du stellst die marktwirtschaft in den absoluten mittelpunkt des lebens. logisch: tauschhandel ist ein wesentlicher teil davon, und wohlstand soll er ja auch bringen. OK. aber eigentlich geht's schon um mehr als um warentausch, oder? genau die sozialen themen werden eben nicht und niemals von der marktwirtschaft belegt werden. ist auch nicht sinn der sache. da geht's wirklich nur ums schachern. der soziale part MUSS in meinen augen der staat übernehmen. ich hab's öfter schon angesprochen: der staat als klammer für die ganzen binären einheiten namens familie. wer sorgt in einer staatenlosen vermarktwirtschaftlichten welt für die innere sicherheit? muss man sich dann security guards einkaufen? oder muss die die nachbarschaft selbst übernehmen? ich bin stark skeptisch, dass das so außerhalb des labors überhaupt funktionieren kann. der (finanziell) stärkere hat das recht, wie es ja jetzt schon deutlich zu sehen ist. hauen und stechen.

sozial-marktwirtschaftlicher gruß
rg
 

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ein_Liberaler schrieb:
Nein, freie Markwirtschaft sorgt für Wohlstand, indem sie immer mehr und immer billigere Güter bereitstellt. Der Sozialstaat sorgt für Armut, indem er Nichtarbeit subventioniert und Arbeit besteuert, indem er Ressourcen falsch verteilt und Initiative hemmt. Wir beobachten das gerade. Die Verhältnisse der Menschen werden ökonomisiert, indem der Staat sie ökonomisch bewertet und belohnt oder bestraft. Beispiele sind das kindergeld oder das Ehegattensplitting. Der Staat versucht, eine für richtig gehaltene Lebensweise zu erkaufen.

Das ist die staatliche Ebene, was ist mit der internationalen Ebene, der Globalisierung? Wenn denn freie Marktwirtschaft tatsächlich zu einer Nivellierung und Ökonomisierung der Verhältnisse führen würde, ja gerade dann müssten doch wir hier in Deutschland immer weniger durch unsere Arbeit verdienen, weil irgendwelche armen Kinder in Südostasien die Turnschuhe billiger herstellen können, oder nicht? Und ist nicht genau das - und eben nicht, dass keine Gewinne eingefahren werden - Ursache für das Abwandern vieler Unternehmen, was wiederum die zurückbleibenden Unternehmen u.a. in ihrer Verhandlungsposition gegenüber Arbeiterschutzbünden und Gewerkschaften stärkt? Damit hier freie Marktwirtschaft für irgendjemanden außer dem Shareholder Value profitabel ist, müsste ja auch die Bezahlung in Indonesien fair sein. Ist sie aber nicht. Deswegen ist das, was du da an Hand von vernünftigen Beispielen auf staatlicher Ebene zu Recht verteidigst auf makro-ökonomischer Ebene eine humanitäre Sackgasse. Perspektivfrage.

ein_Liberaler schrieb:
Hoho, ein zweites Radio im Haus? Ein Volksempfänger für alle reichte, und dann kamen noch Leute von der Straße rein, weil sie gesetzlich verpflichtet waren, die Führerrede zu hören.

Wie interessant. Mir ging es darum, dass es damals wie heute ein Gros an Menschen gibt, die sich lediglich eine Grundversorgung leisten können. Ob ein Volkempfänger im Block, das erste Spülklosett in der Strasse, oder die erste Playstation im Plattenbau ist mir da herzlich fumpe.

ein_Liberaler schrieb:
Der Fortschritt hat das Auto so billig gemacht, daß sich heute fast jeder eins leisten kann, sogar Studenten. Was haben wirklich reiche Leute heute, was sie vor fünfzig Jahren nicht hatten? Was haben Arbeiter heute, was sie vor fünfzig Jahren nicht hatten? Da kann man eher behauptren, daß die Schere sich schließt.

Wieder so ein Perspektiv-Ding. In Deutschland vielleicht. Auf internationaler Ebene mit Sicherheit nicht. Und imho wird dort auch die freie Markwirtschaft als Begründung herangezogen, siehe das Beispiel mit Unternehmen, die ins Ausland abwandern. Da geht der Schuß nämlich dann auch auf nationalstaatlicher Ebene für uns in Deutschland nach hinten los - und genau deswegen haben wir jetzt schon Obdachlose auf den Straßen, die sich 'Siezen'.
 

Booth

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1.951
Ein_Liberaler schrieb:
Ich halte den Sozialstaat für keinen humanitären Fortschritt. Er hat die traditionellen Bindungen zerschlagen, das Verhältnis der Menschen zueinander ökonomisiert und völlig falsche Anreize gesetzt.
Das halte ich für stark einseitig, da in Ländern ohne so ausgeprägten Sozialstaat ebenfalls traditionelle Bindungen zerschlagen wurden und das Verhältnis der Menschen ökonomisiert ist.

Ich denke sogar, daß die "traditionellen Bindungen" in der Vergangenheit sehr stark von "ökonomischen" Motiven geprägt waren.

Zudem gibt es viele andere Gründe, die "traditionelle Bindungen" ge-/zerstört haben. Von der Innovation der Verhütung (wie die meisten Innovationen sicherlich von Dir, aber definitiv von mir hochgeschätzt) bis hin zur Ökonomisierung der kleinsten Privatsphäre durch Werbefernsehen. Auch darf man sozio-kulturelle Entwicklungen, wie die Gleichberechtigung der Frauen nicht unterschlagen.

Alles in allem halte ich Deine Argumentation weiter oben nicht für realitätsnah.

Auch würde ich an einen Satz zwei wesentliche Verbesserungen einbringen wollen:
freie Markwirtschaft sorgt [langfristig] für Wohlstand, indem sie immer mehr und immer billigere Güter bereitstellt. Der Sozialstaat sorgt [langfristig]für Armut,
Denn kurzfristig sorgt der Sozialstaat für Wohlstand bei denen, die kurzfristig durch die Martkwirtschaft von Armut bedroht sind (weil sie bspw den Job verlieren, oder den Job durch eine Behinderung nicht mehr ausüben können, etc). Aber selbst mit dieser Verbesserung stehe ich der allgemeinen Form dieser Aussage kritisch gegenüber. Es gibt einfach bislang in der Geschichte der Menschheit keine Phase wirklich freier Marktwirtschaft - eine längere schon gar nicht. Von daher ist die Aussage eine These, nichts weiter.

Und zum Thema Innovationen:
Man sollte Innovationen nicht nur in Form von Auto, Computer und Fernseher sehen, sondern gerade auch in Form von Heizung, Warmwasser, günstige Reinigungsmittel (und damit einhergehende Hygiene), medizinische Versorgung, und anderes.

gruß
Booth
 

Woppadaq

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Aphorismus schrieb:
Meiner Meinung nach ist das Prinzip immer das gleiche. Die Reichen haben fast das ganze Geld und machen fast gar keine Arbeit. Die Mittelklasse macht die ganze Arbeit und kriegt nur ein klein bisschen was vom Geld ab. Die Armen sind nur dazu da, um die Mittelklasse in ihre Arbeiterbienen-Rolle hinein zu ängstigen.

Du bist also der Meinung, der Sozialismus in der Sowjetunion oder der DDR hat funktioniert ? Dies muß ich jedenfalls deiner Logik entnehmen.
 

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