Grundeinkommen für alle

Booth

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Kynokrates schrieb:
die Anzahl derjenigen aus den unteren Etagen, die nicht gediggt haben, dass inadäquates Vergleichsdenken einer der größten mentalen Defekte überhaupt ist
Dasselbe könnte man einer hinreichenden Anzahl aus den "oberen Etagen" vorwerfen :)

Vergleichsdenken als Defekt zu bezeichnen, halte ich für wenig sinnvoll, da die menschliche Gesellschaft letztlich darauf basiert.

Was Du wohl als Defekt bezeichnen möchtest, ist die Erwartungshaltung, selber auch soviel "besitzen" zu wollen, die aus dem Vergleichsdenken resultiert, richtig?
Wenn ja, wäre Dein diagnostizierter "Defekt" letztlich mangelnde Beischeidenheit. Doch wieso dies nur bei den "unteren Etagen" einfordern?

gruß
Booth
 

agentP

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Was Du wohl als Defekt bezeichnen möchtest, ist die Erwartungshaltung, selber auch soviel "besitzen" zu wollen, die aus dem Vergleichsdenken resultiert, richtig?
Dran ist ganz sicher nichts falsch, selber auch so viel besitzen zu wollen, solange das nicht mit Neid einhergeht.
Ich hätte auch gerne ein paar Millionen auf dem Konto, aber ich nehme niemandem übel, daß er sie hat und ich nicht.
 

agentP

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Niemand soll abgehalten werden, keinesfalls.
Ich hatte nur das Bild des typischen Arbeiters im Kopf der
den ganzen Tag in der Fabrik arbeitet.
...den es allerdings bei uns kaum noch gibt. Ich kann zuhause mal nachsehen wie hoch der Anteil der Industrie an der Wirtschaft in Deutschland noch ist, aber ich fürchte recht viel mehr als 30% werden dabei nicht herauskommen. Immerhin sind wir schon seit geraumer Zeit eine Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft und keine Industriegesellschaft mehr. Dazu kommt noch, daß der klassische Industriearbeiter doch ohnehin eine Wochenarbeitszeit (z.B. immer noch 35h in vielen Metallbetrieben) hat, von der der IT-Consultant, der Buchhändler, der KFZ-Mechaniker (so er nicht in einer großen Vertragswerkstatt arbeitet und von der IG-Metall vertreten wird) oder der Bankkaufmann nur träumen können. Vielleicht sollte man solche "Bilder im Kopf" ab und zu auch mit der Realität gegenchecken und das ist nun wirklich überhaupt nicht böse gemeint, ich schliesse mich da durchaus ein.
 

Booth

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Neid ist aber stark verbreitet. Hinzu kommt ja das Bewusstsein, daß die beneideten Personen oftmals einen gewaltigen Einfluß haben, und man diesen Einfluß ebenfalls des öfteren negativ bewertet.

Ich erinnere mich hier nur daran, wie ich vor ein paar Tagen in einem Schreibwaren-Lotto-Laden war. Da standen drei alte Herren, die über die "schlimmen Zeiten" palaverten, und eine sagte sinngemäß "den Ackermann müsste ich mal zwischen die Finger bekommen..."

Den Boris Becker würde kaum jemand auf diese aggressive Art beneiden. Es kommt sicher nicht nur auf den Reichtum, sondern auch auf die Funktion an.

Aber um zu Deiner Kernaussage zurückzukommen:
Dran ist ganz sicher nichts falsch, selber auch so viel besitzen zu wollen
Ich rede ungerne in Kategorien von "falsch" oder "richtig", aber ich persönlich kritisiere diesen Wunsch in mir.

gruß
Booth
 

agentP

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Ich rede ungerne in Kategorien von "falsch" oder "richtig", aber ich persönlich kritisiere diesen Wunsch in mir.
Das steht dir doch frei. Problematisch würde ich es finden, wenn du ihn in anderen kritisieren würdest und vor allem wenn du der Kritik auch noch Sanktionen folgen lassen würdest.
Ich habe auch keine grossen Ambitionen "stinkreich" zu werden, ich sehe das aber alleine als eine Frage meiner persönlichen Prioritäten.

Da standen drei alte Herren, die über die "schlimmen Zeiten" palaverten, und eine sagte sinngemäß "den Ackermann müsste ich mal zwischen die Finger bekommen..."
Ich denke hier geht es darum, wie der Mann an sein Geld gekommen ist und damit um moralische Grundsätze.
Es gibt auch Leute, die finden reiche Sportler scheisse, weil man für etwas das Spaß macht, wie Fußball- oder Tennisspielen nicht so viel Geld bekommen sollte. In Deutschland, wo der Profisport noch bis in die 70er hinein verpöhnt war auch kein Wunder.
 

Kynokrates

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Booth schrieb:
Kynokrates schrieb:
die Anzahl derjenigen aus den unteren Etagen, die nicht gediggt haben, dass inadäquates Vergleichsdenken einer der größten mentalen Defekte überhaupt ist
Dasselbe könnte man einer hinreichenden Anzahl aus den "oberen Etagen" vorwerfen :)

Vergleichsdenken als Defekt zu bezeichnen, halte ich für wenig sinnvoll, da die menschliche Gesellschaft letztlich darauf basiert.

Was Du wohl als Defekt bezeichnen möchtest, ist die Erwartungshaltung, selber auch soviel "besitzen" zu wollen, die aus dem Vergleichsdenken resultiert, richtig?
Wenn ja, wäre Dein diagnostizierter "Defekt" letztlich mangelnde Beischeidenheit. Doch wieso dies nur bei den "unteren Etagen" einfordern?

gruß
Booth

Hast wahrscheinlich recht, was die oberen Etagen angeht. Ansonsten meinte ich inadäquates Vergleichsdenken als "Defekt" oder sagen wir besser kognitive Verzerrung (weil irreal), nicht Vergleichsdenken an sich.

Ich würde sagen, jegliche Form von Neid ist ein Resultat inadäquaten Vergleichdenkens. Wenn man sich mit Leuten vergleicht, die völlig unterschiedliche Biographien haben und auch insgesamt völlig unterschiedlich strukturiert sind und sich an deren Erfolgen misst, dann ist das inadäquat, weil, mit diesen Leuten hat man nicht das geringste zu tun. Man kann sich wohl mit seines gleichen ver-gleichen und sich ggf. inspirieren lassen. Doch viele vergleichen sich völlig undifferenziert mit Leuten, mit denen sie rein gar nichts gemeinsam haben. Das sind dann oft solche, die jede Woche Lotto spielen. Ich betonte deshalb die unteren Etagen, weil genau diese Art von irrealem Denken die Machtpositionen derjenigen in den oberen Etagen absichert.
 

Booth

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Ansonsten meinte ich inadäquates Vergleichsdenken als "Defekt" oder sagen wir besser kognitive Verzerrung (weil irreal), nicht Vergleichsdenken an sich.
Du sagst also "normales Vergleichsdenken" ist OK, und "inadäquates Vergleichsdenken" wäre ein "defekt" (was ist denn eigentlich kaputt?), und gibst dann eine so unschlüssige Beschreibung von dem, was inadäquat ist, wie da unten?
Und was ist an inadäquaten Vergleichsdenken irreal? Ein Vergleich impliziert doch nicht automatisch eine Haltung, die ich bei diesem Vergleich einnehme?
Es gibt Menschen, die vergleichen sogar die Gene der unterschiedlichsten Spezies miteinander. Alles völlig inadäquat, weil ein Flussotter ja eine völlig andere Biografie hat, als ein afrikanischer Elefant?

Ich glaube, Du implizierst fläschlicherweise, daß ein Vergleich automatisch eine bestimmte Haltung und eine bestimmte Wertung des vergleichenden Individuums bedeutet. Das halte ich für abwegig. Ich glaube sogar im Gegenteil, daß jegliche Vergleiche angestellt werden müssen. Vergleichen bedeutet nachfragen. Und Vergleiche als "defekt" bezeichnen zu wollen, also quasi verbieten zu wollen, bedeutet für mich, Menschen verbieten zu wollen, Fragen zu stellen. Diese Sichtweise ist für mich eine Gedankenzensur.

Ich halte es ebenfalls für sehr wichtig, in welcher Art und Weise Vergleiche angestellt werden. Aber für mich ist der Vergleich eine der wesentlichen Grundlagen des menschlichen Denkens.

Wenn man sich mit Leuten vergleicht, die völlig unterschiedliche Biographien haben und auch insgesamt völlig unterschiedlich strukturiert sind und sich an deren Erfolgen misst, dann ist das inadäquat, weil, mit diesen Leuten hat man nicht das geringste zu tun
Aha - unterschiedliche Biografien, und Leute mit denen ich nichts zu tun habe... nun... aber mit meinem Vater habe ich verdammt viel zu tun, aber wir haben völlig unterschiedliche Biografien, sind vom Schlage her völlig unterschiedliche Menschen - und nun? Ist es "inadäquat" mich mit ihm zu vergleichen? Ist es ein defekt, wenn ich mich mit ihm vergleiche? Oder behauptest Du, daß es inadäquat sei, wenn ich mich mit Leuten vergleichen würde, mit denen ich sowohl nichts zu tun habe, als auch völlig unterschiedliche Biografien hätte?
Ach... da fällt mir ein - woher weiss ich überhaupt, wie unterschiedlich Biografien sind, wenn ich diese nicht miteinander vergleiche? Nur an Hand des Ergebnisses?
Man kann sich wohl mit seines gleichen ver-gleichen und sich ggf. inspirieren lassen.
Oh - dann ist es falsch, alle Menschen als "meines gleichen" zu betrachten, da wir alle Menschen sind?
Doch viele vergleichen sich völlig undifferenziert mit Leuten, mit denen sie rein gar nichts gemeinsam haben.
Na - wenn Du vor allem die indefferenzierte Art zu vergleichen als "defekt" bezeichnen würdest, hätte ich nur noch am Wort "defekt" Kritik geübt. Aber Du wertest pauschal alle "inadäquaten" Vergleiche als defekt, mit einer ziemlich schwammigen und unschlüssigen Erklärung, was "inadäquat" in diesem Zusammenhang überhaupt ist.
Das sind dann oft solche, die jede Woche Lotto spielen.
Macht mein Vater auch immer. Soll das ein heraustellendes Kriterium zur Bewertung von Personen sein?
Ich betonte deshalb die unteren Etagen, weil genau diese Art von irrealem Denken die Machtpositionen derjenigen in den oberen Etagen absichert.
Welche Art von irrealem Denken - Lotto zu spielen? Lotto zu spielen ist "irreales Denken"? Wieso das? Irreal wäre es, wenn ich eine irreale Erwartungshaltung hätte - aber woher willst Du die Erwartungshaltung von jedem Menschen kennen, der jede Woche Lotto spielt?
Und... spielt niemand aus den "oberen Etagen" Lotto? Hast Du da eine empirische Studie drüber?

gruß
Booth
 

Ein_Liberaler

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Kynokrates schrieb:
Grundsicherung für alle?

Was das momentane System angeht, gut gemeint, aber utopisch. Das wäre eine Art "sozialer Kapitalismus", doch wird die Welt von einem Kapitalismus regiert, der von der Wurzel her asozial ist. Das wird sich nicht vereinbaren lassen, ehe das System vollends zusammengestürzt ist.

Vom Wortlaut her völlig richtig, wenn auch anders gemeint. Freie Marktwirtschaft wäre der soziale Kapitalismus, und unser politkapitalistisches/sozialdemokratisches System ist tatsächlich zum Untergang verdammt.
 

DrJones

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@ AgentP

Dort wo ich her komme gibts das schon noch, mehr oder weniger
ausgeprägt. Ich komme aus der Nähe von Stuttgart.
Das heißt eben Daimler, Märklin und Schuler
und die ganzen Zuliefererbetriebe die da dranhängen.
Hab ja selber Ferienjobs gemacht.
Ansonsten stimmt das natürlich, den typischen Industriearbeiter
oder Kumpel findet man immer seltener und mehr wie 30% sinds sicher
nicht.
Aber auch die Leute im Callcenter oder dem übrigen
Dienstleistungssektor wären vielleicht über Extrazeit froh.
(nehme ich mal an...)
Aber die von uns besprochene Thematik, das die Leute vom arbeiten
abgehalten werden obwohl sie arbeiten wollen, ist denke ich wohl
nur ein Nebenschauplatz und wohl noch das kleinste Problem
wenn man dieses Grundgehalt verwirklichen will.

@ Sent by God:

Über so ein Mammutprojekt mit der man der Gesellschaft
mehr Sinn geben könnte hab ich auch schon anchgedacht.
Wie wärs mit einer intergalaktischen Casinokette? :wink:
Aber die Besiedelung des Mars klingt auch nicht schlecht.
 

agentP

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Aber die von uns besprochene Thematik, das die Leute vom arbeiten
abgehalten werden obwohl sie arbeiten wollen, ist denke ich wohl
nur ein Nebenschauplatz und wohl noch das kleinste Problem
wenn man dieses Grundgehalt verwirklichen will.

Ich bezog mich eigentlich konkret darauf:

Aber wenn eben jeder nur noch ein bisschen arbeitet....
(Damit eben kein Neid aufkommt und sich keine 2 Klassenbevölkerung
bildet
)

Die hast du doch in dem Moment, wo einige mehr arbeiten wollen und damit mehr verdienen. Diese Leute häufen mehr Wohlstand an und damit ist es doch schon Essig mit der Idee von der klassenlosen Gesellschaft.
 

morgenroth

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agentP schrieb:
Mich interessiert eher, wie du in unserer längst globalisierten Welt denn den Unternehmer davon abhalten willst, dann endgültig seine Produktion in maschinensteuerfreie Länder wie Polen, China oder meinetwegen auch in die USA zu verlegen.

Zwar hinkt der folgende Vergleich ein wenig aber diese ganzen Sprüche wie z.B. "Dafür ist dieses System schon zu weit fortgeschritten" oder "Dafür ist es schon zu spät" oder "Das geht nicht"... erinnern mich sehr an die geistige Haltung der Bevölkerung im 3.Reich - auch da konnte man nichts mehr machen.

Fakt ist nun mal, dass sich ein Paar wenige an der Mehrheit bereichern - und das in einer immer dreisteren und hemmungsloseren Form. Diese Sichtweise hat tatsächlich etwas mit Vergleichsdenken zutun aber ganz sicher nichts mit Neid - eher mit einer gesunden Portion Gerechtigkeitssinn.
Wie schon an anderer Stelle beschrieben, ist dieser Raubtierkapitalismus nun einmal asozial. Er fördert Triebe in uns, die man an anderer Stelle unter moralischen Gesichtspunkten zu unterdrücken versucht .
Er wird m.E. ganz sicher keine goldenen Jahre über die Welt bringen.
Aber ich bin mir sicher, dass das auch nicht das letzte System ist, dass die Menschen zu regulieren versucht.
 

Ein_Liberaler

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Nun, dann gründet doch eine Marsbesiedlungsgesellschaft. Aber zu einer finanziellen Beteiligung gezwungen werden möchte ich nicht, und das ist doch die Idee dahinter, oder?

Die Regierung soll nicht mehr Arbeitslose finanzieren, sondern so viele Superhirne mit einer tollen neuen Aufgabe betrauen, daß die schlechtqualifizierten Arbeitslosen auf die freigewordenen sinnvollen Arbeitsplätze nachrutschen, in der Hoffnung, daß der Bürger lieber für eine Marsexpedition bezahlt als für Arbeitslose. Im Ergebnis wären wir schlechter dran. Wir hätten eine Marsexpedition, aber weniger Autos und Kühlschränke, wie die polnischen Adligen, die nach Bismarck einen Zobelpelz, aber kein ganzes Hemd besaßen.



Ergänzung:

Fakt ist nun mal, dass sich ein Paar wenige an der Mehrheit bereichern - und das in einer immer dreisteren und hemmungsloseren Form. Diese Sichtweise hat tatsächlich etwas mit Vergleichsdenken zutun aber ganz sicher nichts mit Neid - eher mit einer gesunden Portion Gerechtigkeitssinn.
Wie schon an anderer Stelle beschrieben, ist dieser Raubtierkapitalismus nun einmal asozial. Er fördert Triebe in uns, die man an anderer Stelle unter moralischen Gesichtspunkten zu unterdrücken versucht .
Er wird m.E. ganz sicher keine goldenen Jahre über die Welt bringen.
Aber ich bin mir sicher, dass das auch nicht das letzte System ist, dass die Menschen zu regulieren versucht.

Mit Raubtierkapitalismus meinst Du unser jetziges System?
 

Simple Man

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Ein Liberaler schrieb:
Oh, in einer freien Marktwirtschaft ginge es uns viel besser.

Ich habe dich das, glaube ich, schon mal gefragt (ohne jedoch eine Antwort zu erhalten), und tue es jetzt wieder:
Wie genau stellst du dir eine freie Marktwirtschaft vor, von der du so absolutistisch überzeugt bist, dass es uns mit ihr besser ginge?

(Gerne kannst du mir diese Frage auch per PN beantworten, da es ja eher OT ist - ich würde es einfach gerne mal wissen ...)
 

Ein_Liberaler

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Jedermann sollte die Verträge abschließen dürfen, die er für richtig hält, ohne daß ein Dritter ihm hineinredet. Ihre Befolgung sollte durchgesetzt werden. Steuern und Eingriffe des Staates in die Wirtschaft sollten auf ein Minimum reduziert werden. Wohltaten des Staates für die breite Masse sollte es nicht mehr geben, ebensowenig für Wohlhabende. Hilfe für Arme, soweit sie nicht von privat erfolgt, sollte so organisiert sein, daß diese Armen nicht dafür bestraft werden, etwas an ihrer Armut zu ändern.
 

Kynokrates

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Booth schrieb:
Ansonsten meinte ich inadäquates Vergleichsdenken als "Defekt" oder sagen wir besser kognitive Verzerrung (weil irreal), nicht Vergleichsdenken an sich.
Du sagst also "normales Vergleichsdenken" ist OK, und "inadäquates Vergleichsdenken" wäre ein "defekt" (was ist denn eigentlich kaputt?), und gibst dann eine so unschlüssige Beschreibung von dem, was inadäquat ist, wie da unten?
Und was ist an inadäquaten Vergleichsdenken irreal? Ein Vergleich impliziert doch nicht automatisch eine Haltung, die ich bei diesem Vergleich einnehme?
Es gibt Menschen, die vergleichen sogar die Gene der unterschiedlichsten Spezies miteinander. Alles völlig inadäquat, weil ein Flussotter ja eine völlig andere Biografie hat, als ein afrikanischer Elefant?

Ich glaube, Du implizierst fläschlicherweise, daß ein Vergleich automatisch eine bestimmte Haltung und eine bestimmte Wertung des vergleichenden Individuums bedeutet. Das halte ich für abwegig. Ich glaube sogar im Gegenteil, daß jegliche Vergleiche angestellt werden müssen. Vergleichen bedeutet nachfragen. Und Vergleiche als "defekt" bezeichnen zu wollen, also quasi verbieten zu wollen, bedeutet für mich, Menschen verbieten zu wollen, Fragen zu stellen. Diese Sichtweise ist für mich eine Gedankenzensur.

Ich halte es ebenfalls für sehr wichtig, in welcher Art und Weise Vergleiche angestellt werden. Aber für mich ist der Vergleich eine der wesentlichen Grundlagen des menschlichen Denkens.

Wenn man sich mit Leuten vergleicht, die völlig unterschiedliche Biographien haben und auch insgesamt völlig unterschiedlich strukturiert sind und sich an deren Erfolgen misst, dann ist das inadäquat, weil, mit diesen Leuten hat man nicht das geringste zu tun
Aha - unterschiedliche Biografien, und Leute mit denen ich nichts zu tun habe... nun... aber mit meinem Vater habe ich verdammt viel zu tun, aber wir haben völlig unterschiedliche Biografien, sind vom Schlage her völlig unterschiedliche Menschen - und nun? Ist es "inadäquat" mich mit ihm zu vergleichen? Ist es ein defekt, wenn ich mich mit ihm vergleiche? Oder behauptest Du, daß es inadäquat sei, wenn ich mich mit Leuten vergleichen würde, mit denen ich sowohl nichts zu tun habe, als auch völlig unterschiedliche Biografien hätte?
Ach... da fällt mir ein - woher weiss ich überhaupt, wie unterschiedlich Biografien sind, wenn ich diese nicht miteinander vergleiche? Nur an Hand des Ergebnisses?
Man kann sich wohl mit seines gleichen ver-gleichen und sich ggf. inspirieren lassen.
Oh - dann ist es falsch, alle Menschen als "meines gleichen" zu betrachten, da wir alle Menschen sind?
Doch viele vergleichen sich völlig undifferenziert mit Leuten, mit denen sie rein gar nichts gemeinsam haben.
Na - wenn Du vor allem die indefferenzierte Art zu vergleichen als "defekt" bezeichnen würdest, hätte ich nur noch am Wort "defekt" Kritik geübt. Aber Du wertest pauschal alle "inadäquaten" Vergleiche als defekt, mit einer ziemlich schwammigen und unschlüssigen Erklärung, was "inadäquat" in diesem Zusammenhang überhaupt ist.
Das sind dann oft solche, die jede Woche Lotto spielen.
Macht mein Vater auch immer. Soll das ein heraustellendes Kriterium zur Bewertung von Personen sein?
Ich betonte deshalb die unteren Etagen, weil genau diese Art von irrealem Denken die Machtpositionen derjenigen in den oberen Etagen absichert.
Welche Art von irrealem Denken - Lotto zu spielen? Lotto zu spielen ist "irreales Denken"? Wieso das? Irreal wäre es, wenn ich eine irreale Erwartungshaltung hätte - aber woher willst Du die Erwartungshaltung von jedem Menschen kennen, der jede Woche Lotto spielt?
Und... spielt niemand aus den "oberen Etagen" Lotto? Hast Du da eine empirische Studie drüber?

gruß
Booth

Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen, ich halte auch den Vergleich auch für eine wesentliche Grundlage des menschlichen Denkens. Nur die Art des Vergleiches, die ich inadäquates Vergleichsdenken genannt habe, verdient das Wort "Vergleich" nicht, es ist kein Vergleichsdenken. Es ist eine Art des Denkens, die ich besonders häufig in "unteren Kreisen" beobachtet habe (mit "oberen Kreisen" hab ich bisher nicht allzu viel Bekanntschaft gemacht, daher kann ich das da nicht beurteilen).

Profanes Beispiel: Jemand kommt bei Frauen aus irgendwelchen Gründen nicht so an. In seinem Umfeld gibt es eine andere Person, die ständig bei Frauen ankommt. Zudem sieht er draußen ständig Pärchen "rumknutschen". Daraufhin kommt er "runter". Es geht ihm schlecht beim Anblick dieser Bilder. Warum? Weil er sich mit diesen Menschen, die da das ausleben, was er selber gerne machen würde, vergleicht. Doch was haben diese Leute mit ihm selber zu tun? Sie haben sich auf irgendeine Weise gefunden und kommunizieren, aber sie haben doch wohl nichts mit ihm selber zu tun. Weil er sich aber nun dennoch mit diesen Leuten vergleicht, wird er neidisch auf sie und sendet von da an negative Gedanken in ihre Richtung. Doch was können diese Leute dafür, dass er nicht bei Frauen ankommt? Es ist also ein völlig unsinniges Vergleichsdenken, das zudem unnötige Klangfeldstörungen verursacht.

Und genau diese Art des Denkens, vom Grundprinzip her, also auch auf allen anderen weltlichen Ebenen präsent, meine ich zumindest beobachtet zu haben, ist sehr weit verbreitet. "Warum hat där das, was ich nicht habe?" wird gebellt. Verstehst du das, zum einen wird hier nicht wirklich gefragt bzw. hinterfragt, es wird gebellt. Was de facto niemandem etwas nützt. Und zum anderen, selbst, wenn man fragt, sollte man sich darüber gewahr werden, dass diese Frage von der Wurzel her völlig weltfremd ist, da in ihr die Tendenz zur Verneinung des Status Quos wohnt.

Um das ganze wieder in Richtung on topic zu bringen, meine Grundthese war, solange diese unqualifizierte Art des Vergleichdenkens noch so weit verbreitet ist, wird sich die an sich sehr soziale Idee der "Grundsicherung für alle" nicht durchsetzen können, denn die Fraktionen, die noch so unmathematisch hierarchisch denken, werden sich niemals einigen.

Die Frage wäre natürlich, wo liegt die Wurzel dieser falschen Denkart und warum ist sie so weit verbreitet?
 

Angel of Seven

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Ein_Liberaler schrieb:
Hilfe für Arme, soweit sie nicht von privat erfolgt, sollte so organisiert sein, daß diese Armen nicht dafür bestraft werden, etwas an ihrer Armut zu ändern.

Ich hoffe das der Umkehrschluß, nämlich das Arme die nicht bereit -oder in der Lage sind- etwas an ihrer Armut zu ändern, bestraft werden- nicht deinem Interesse entspringt. :roll:


LG

AoS
 

DrJones

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Also so wirklich ernst nehme ich die Idee vom Grundgehalt schon seit
einigen Posts nicht mehr.
Das es nicht wirklich funktioniert hatte ich schon von Anfang
an befürchtet, und auf den letzten Seiten hat man mir das ja
ziemlich deutlich vor Augen geführt.
Schade, wieder eine schöne Idee futsch!

[Sarkasmus]Etwas mehr Enthuasiasmus hätte ich schon erwartet.
Es ist eben einfacher Ideen einzureisen, vor allem,wenn
die Idee sogar von selber einstürzt, als dabei zu helfen aus
ihr etwas tragfähiges zu bauen und das bisher Ungedachte
zu denken.[/Sarkasmus]

Wie schon mit Sentbygod besprochen ist es mehr oder weniger
Philosophie.
 

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