Sprach ich von den Gründervätern? Ich wüsste nicht wo. Ich sprach von den Menschen, die den Staat gegründet haben und soweit ich weiss ist in einer Demokratie der Souverän das Volk und nicht der Gründervater
In einer Demokratie, hä? Meinst du die Demokratie, die erst durch die
Verfassung gewährleistet wird, welche wiederum von den genannten Säkularisten geschrieben wurde? Und... Hmm... Lass mal überlegen, warum die Herren
Gründerväter genannt werden. Was können sie denn ge
gründet haben... weiß nicht, fällt mir nichts ein. Na ja, vielleicht meintest du ja auch die Unabhängigkeitserklärung? Mal nachdenken, eine der führenden Figuren der Unabhängigkeitsbewegung war Thomas Paine (Hauptwerke: Common Sense, The Age of Reason), der aufgrund seiner deistischen, das Christentum kritisierenden Schriften derart in Ungnade gefallen ist, dass zu seiner Beerdigung ganze sechs Menschen kamen. Und wer war der Hauptverfasser der Unabhängigkeitserklärung? Denk, denk, denk... Thomas Jefferson! Der Thomas Jefferson, der sich weigerte, die Rolle des Taufpaten zu übernehmen, weil er nicht an die Trinität glaubte. Der Thomas Jefferson, der eine eigene Version des Neuen Testaments schrieb, weil er nicht an Wunder glaubte und die Göttlichkeit Jesu ablehnte. Im eigentlichen Neuen Testament sah er "so much untruth, charlatanism and imposture". Wahrlich, das waren christliche Fundamentalisten...
Dein politischer Säkularismus wurde auch schon früh genug mit Mk 12,13-17 begründet.
Süß. Hättest du dir die Mühe gemacht, wenigstens etwas darüber nachzulesen, wärest du zum Beispiel auf
diese (christliche!) Seite gestoßen, auf der die Bibelstelle ganz gut erklärt wird. Dass es da um eine, aus jüdischer Sicht, heidnische Regierung ging. Und dass kein Jude diese mit dem eigenen Gott in Verbindung bringen wollte, dürfte einleuchten. Meine Güte, die katholische Kirche hat sich sage und schreibe 1962 dazu durchgerungen, ihren Anspruch auf absolute politische Herrschaft aufzugeben. Und das gegen heftigen Protest mancher Katholen. Wenn das mal nicht säkular ist!
Und womit haben die englischen Kolonisten nochmal begründet, dass sie das Recht haben frei und selbstbestimmt zu leben?
Jetzt mal unter uns, eine ernst gemeinte Frage jenseits der sonstigen Diskussion: Glaubst du
ernsthaft, diese Menschen wären nie auf die Idee gekommen, frei sein zu wollen, wenn sie nicht an den geliebten Führer geglaubt hätten? Moment, darauf hast du schon geantwortet:
Ich würde auch nie behaupten, dass man ohne Christentum nicht auch zu ähnlichen Werten kommen kann. Ich bezweifle nur, dass unsere abenländischen Denker aus dem luftleeren Raum heraus und nicht aus ihrer Tradition heraus diese Werte entwickelt haben sollen.
Warum luftleerer Raum? Unsinn! Wenn man die Religion wegnimmt, bleiben da die Vernunft, die Kreativität, die Intelligenz und die Solidarität des Menschen. Das ist alles andere als ein luftleerer Raum! Und ich bin mir sicher, dass du mir im Grunde darin zustimmst, dass man für diese Eigenschaften keine Religion braucht, auch nicht das Christentum, und dass du hier mit immer schwächeren und, wie wir gesehen haben, oft genug schlichtweg falschen Argumenten etwas zu verteidigen versuchst, woran du selbst nicht glaubst. Denkt man weiter, was du hier schreibst, dass nämlich das Christentum die oben genannten Eigenschaften des Menschen hervorbringt, kommt man irgendwann zum Gedanken, dass wir all das ohne Gott nicht hätten. Und da bricht deine Argumentation zusammen, weil du Atheist bist.
Mit einer Idee des Kismet oder mit den fernöstlichen Vorstellungen von Loyalität und Kollektivismus im Hinterkopf, wird man bei weitem grössere dialektische Volten schlagen müssen, um beim abendländischen Individualismus mit seinen persönlichen Freiheitswerten, usw. zu landen.
Kommen wir, rein exemplarisch, zu Konfuzius zurück. Es ist schwer zu sagen, ob er tatsächlich Atheist war, aber für seine Lehren hat er keinen Gott, keine Religion, nichts Übersinnliches benötigt. Schon gar nicht das Christentum. Und dennoch sprach er stets für das Individuum und vermutlich keine seiner Lehren würden wir heute, 2500 Jahre später, ablehnen (übrigens im Gegensatz zu manchen Lehren des Christentums). Hier haben wir also ein Beispiel dafür, dass man ganz ohne Gott, ganz ohne Christentum kultiviert, vernünftig, freundlich und gut sein kann. Natürlich wirst du, wenn du andere Religionen betrachtest, immer etwas finden, das den Idealvorstellungen eines Zusammenlebens aus heutiger Sicht widerspricht. Aber ebenso im Christentum. Und wenn es denn wirklich das Christentum gewesen sein soll, das die Aufklärung hervorgebracht hat, warum zum Teufel hat es eineinhalbtausend Jahre gedauert, in denen es nicht einmal jemanden gab, der die christliche Position ernstzunehmend bedroht hat? Das ergibt alles keinen Sinn.
Spar dir deine albernen Küchentischpsychoanalysen.
Was war denn im Zeitalter der Aufklärung die etablierte christliche Haltung, wenn nicht die Haltung der katholischen bzw. später der katholischen und der Reformkirchen? Dass die Aufklärer sich von den Doktrinen der Amtskirchen abgewendet haben oder Säkularisten waren, belegt doch in keiner Weise, dass sie nicht aus den Denktradtionen christlicher Philosophie und Theologie geschöpft haben und in ihrem Denken durch diese Traditionen geprägt waren. Wie hätten sie sich -was du selber andeutest- dem zu der Zeit auch entziehen können. Anzunehmen, dass das keinen massiven Einfluss auf sie hatte, müsste selbst einem antireligiösen Fundamentalisten wie dir unwahrscheinlich erscheinen.
Merkst du, wie du hier nach und nach ein Dogma konstruierst? "Wer einmal einen Priester zum Lehrer hatte, hat einen christlichen Hintergrund. Damit hat er seine gesamte Fähigkeit zum Denken dem Christentum zu verdanken. Alles, was er von nun an tut, wird dem Christentum geschuldet sein." Dagegen kann man nicht argumentieren. Das ist so absolut formuliert, dass es eine sachliche Diskussion verweigert. Du würdest vermutlich selbst die Loorbeeren für Nietzsche dem Christentum angedeihen lassen, für seine Aussage, das Christentum sei der eine unsterbliche Schandfleck der Menschheit das Christentum preisen. Würde ich dir etwas über mich erzählen, würdest du all das, was ich sage, vermutlich auf meinen christlichen Hintergrund zurückführen. Über die Korrektur grundfalscher Aussagen, etwa über den Kategorischen Imperativ, schweigst du dich aus, weil sie dein Dogma bedrohen. Dabei könntest du so viel klüger diskutieren, wenn du nur deine Hausaufgaben machen würdest. Du hättest zum Beispiel John Locke aufführen können, der seine Ideen von Toleranz aus dem Christentum herauslas. Statt dessen gefällst du dir in deinen unwiderlegbaren dogmatischen Äußerungen. Siehst du es? Man kann nicht dagegen argumentieren, weil deine Argumentation ein in sich geschlossenes Konstrukt ist. Die christliche Kirche war dominant, ergo hatte jeder einen christlichen Hintergrund, ergo hat das Christentum die Aufklärung hervorgebracht. Das ist fundamentalistisch.