Darum geht es. Es sollte eigentlich von jedem denkenden Menschen verlangt werden können, ein System, das auf Angst, Lügen und Drohungen einerseits und auf Wunschdenken, Engstirnigkeit und Realitätsleugnung andererseits beruht, abzulehnen und eben nicht zu akzeptieren. Diese Vorstellung eines Gottes, der dich einerseits liebt und dir andererseits ewiges, ich wiederhole: ewiges Leid androht, wenn du seine Gebote missachtest, nicht zu akzeptieren.erik schrieb:Naja... ein polemischer Vortrag, der halt nicht akzeptieren kann, dass bereits die Grundfundamente von Religion auf etwas anderem beruhen als seine Argumentationskette.
Welche Maßstäbe sollte man als Mensch denn sonst anlegen, wenn nicht menschliche? Ein Hund würde hündische Maßstäbe anlegen, ein Fisch fischige und ein Mensch eben menschliche. Außerdem spricht nichts dagegen, an eine Vorstellung, die vom Menschen geschaffen wurde, menschliche Maßstäbe anzulegen.Wer permanent versuchen will, menschliche Maßstäbe an göttliches Wirken anzulegen, tut sich dann natürlich leicht, Widersprüche aufzudecken.
Da irrst du. Eben weil Religion kein unabhängiges Konstrukt ist, sondern Menschen zwingend involviert, spielt sie eine so große Rolle.Außerdem machen es sich die Gegner von Religionen immer sehr einfach, indem sie versuchen, Religionen als etwas zu betrachten, was als unabhängiges Konstrukt irgendwie existieren würde (ohne die Menschen) als eine Art Korsett, was dann irgendwo drübergestülpt würde.... "die Religion" sei verantwortlich für das und das.... "die Religion" mache uns glauben, so und so...
Lesen sie deswegen jahrtausendelang dieselben Schriften, weil Religion so lebendig und anpassungsfähig ist? Sieh dir den Papst an, der die beispiellose AIDS-Epidemie in Afrika wohlwollend hinnimmt und Kondome verbietet. Sieh dir die islamische Welt an, in der seit dem Ende des letzten Kalifats insgesamt weniger Bücher ins Arabische übersetzt wurden als jedes Jahr ins Spanische übersetzt werden. Sieh dir das orthodoxe Judentum an, in dem der Mohel einem einwöchigen Säugling grundlos die Vorhaut abschneidet und anschließend das Blut von dessen Penis mit dem Mund lutscht - sind das etwa die Folgen eines lebendigen, anpassungsfähigen Gemeinwesens oder doch eher Auswüchse altertümlicher, barbarischer Gegebenheiten?Das sit aber auch schon vom Grundverständnis falsch. Religion ist ja dem Wesen nach lebendig, eine Gemeinschaft der Gläubigen und daher ein hoch komplexes anpassungsfähiges Gemeinwesen, das nicht einheitlich betrachtet werden kann.
Tatsächlich? Meinst du etwa den Kommunismus? Der nichts anderes war als der Ersatz überweltlicher durch weltliche Gottheiten? In Russland war das Volk, ähnlich wie in Europa, jahrhundertelang darauf dressiert worden, dass der Herrscher, einst der Zar, nicht bloß ein regierender Mensch war, sondern von Gottes Gnaden eingesetzt. Die Bereitschaft zu dieser Haltung war also vorhanden und konnte ausgenutzt werden. Die Rolle des Zaren übernahmen die kommunistischen Herrscher, Lenin und Stalin mussten unter Androhung hoher Strafen gottgleich verehrt werden - wie Gott in den monotheistischen Religionen und wie etwa der Kim-Clan im heutigen Nordkorea. Ich bitte zu bedenken: das Staatsoberhaupt Nordkoreas ist nicht Kim Jong-Il, sondern auch heute noch Kim Il-Sung. Kim Jong-Il ist bloß der Parteivorsitzende; der amtierende Präsident des Landes ist ein Toter. Der Kommunismus war und ist keine atheistische Staatsform, sondern eine säkulare Religion. Schau dich um, es gibt umfangreiche Literatur zu diesem Thema. Und meinst du weiterhin den Nationalsozialismus? Dessen Führer in Mein Kampf auf Seite 70 schrieb: "So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn"? Dessen Soldaten auf ihren Gürtelschnallen die Worte "Gott mit uns" trugen? Wirklich erik, wirklich?Also mir fallen da zwei atheistische Staatsformen ein, die im alleine im vergangenen Jahrhundert vermutlich mehr Leid und Terror über die Welt gebracht haben, als alle religiös motivierten Konflikte in den Jahrhunderten zuvor.
Das ist doch das Befreiende am Atheismus: man braucht sein Dasein nicht zu rechtfertigen. Man darf einfach Leben, ohne einem Fabelwesen Rechenschaft schuldig zu sein. Und das Wort Atheismus hat nichts mit Existenz zu tun; ich weiß nicht, wie du darauf kommst. Es leitet sich vom griechischen ἄθεος ab und bedeutet schlicht "ohne Gott".Aber ich kann das schon verstehen - es ist schon schwer, sich als Atheist irgendwie für sein Dasein zu rechtfertigen so ohne Feindbild, wenn ja allein schon das beschreibende Wort A-Theist ausdrückt, dass man ohne Gott eigentlich nicht existiert, selbst wenn das Wort die Existenz Gottes negiert.
Wieder ein Missverständnis. Religionen sind erst duch die Abgrenzung zu anderen Religionen das, was sie sind. Eine Religion kann nicht ohne Anspruch auf die absolute Wahrheit existieren, mit welcher die Aussage einhergeht, dass sich alle anderen Religionen irren. Eine härtere Abgrenzung ist schwierig. Wenn man als Atheist nicht in einer erzwungenen Weltsicht leben muss, sondern seine eigenen Anschauungen entwickeln darf, ist man weniger abgegrenzt und offener gegenüber anderen Menschen.Vielleicht sollten "die Atheisten" mal lieber drüber nachdenken was sie ausmacht, ohne sich über Abgrenzung zu definieren. Das tun die Religionen nämlich normlaerweise nicht - die schaffen zuerst ein stark anziehendes verbindendes Identifikationsmuster.