Weniger Plastik Wagen oder wie man Müll wirklich los wird

haruc

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Giacomo_S schrieb:
Es geht nicht ohne einen gewissen Rest an Müllkippen.

Dem möchte ich widersprechen.

Müllkippen sind die Form der Abfallentsorgung, die am schlechtesten kontrolliert werden kann und von der die größten Risiken ausgehen.

Noch heute leiden wir an den Müllkippen der 50er und 60er Jahre. Mein Vater hat nach der Wende Müllkippen in Ostdeutschland saniert - in einem weggeworfenen Trabbi waren noch Öl und 10 Liter Benzin. Es mussten zehntausende Kubikmeter Erdreich ausgekoffert und komplett ersetzt werden, weil der Boden so stark kontaminiert war. Modernere Müllkippen haben zwar einen versiegelten Boden, allerdings lässt sich die Versiegelung im Falle einer Beschädigung nicht mehr so einfach reparieren und außerdem kann auch trotz intakter Versiegelung allerhand Schadlast in den Boden und somit ins Grundwasser gelangen.

Die bessere Alternative zur Müllkippe ist die thermische Verwertung (im Müllheizkraftwerk). Dort wird der Müll sortiert (zb wertvolle ROhstoffe werden herausgefiltert) und dann verbrannt. Dabei kann Elektrische Energie und/oder Fernwärme erzeugt werden. Ein klarer Vorteil, den die Mülldeponie nicht hat.

Die eigentliche Stärke der thermischen Verwertung (die nur am Ende eines Rohstoffkreislaufes liegen sollte) liegt allerdings darin, dass die Giftstoffe gebündelt an einem Ort anfallen und somit auch kontrolliert abgeschieden werden können. Deswegen sind die Filteranlagen in Müllverbrennungsanlagen der teuerste Teil einer solchen Anlage. Dabei ist es möglich, bis zu 98% der Giftstoffe kontrolliert aus dem Abgas zu entfernen und in Form von Filterstaub und Flugasche gesichert zu deponieren.
Bei der Mülldeponie entweichen entstehende Gase einfach unkontrolliert und ungefiltert in die Atmosphäre, andere giftige Stoffe sickern ins Erdreich ein oder sammeln sich am Boden der Deponie an und müssen dann irgendwie in 50-100 Jahren entsorgt werden.
 

streicher

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Giacomo_S schrieb:
streicher schrieb:
Verpackung auf Milchgrundlage - das könnte in naher Zukunft in die Märkte kommen. Die Alternative zu den bisherigen Plastikverpackungen wäre sogar essbar und könnte sich in Wasser auflösen. Bio-Plastik nennt sich die Lösung.

Von solchen Konzepten halte ich gar nichts.
1. Will das Zeug sowieso keiner fressen.
2. Sollte man nicht vergessen, dass eine Produktverpackung gerade die Aufgabe hat, nicht gleich zu verrotten. Denn sonst verrottet sie gleich in der Lagerung.
Je länger ich über Bioplastik nachdenke, desto weniger gefällt sie mir. Sicher, man bewegt sich bei der Produktion weg vom Erdöl. Und dass herkömmliches Plastik, egal wo es landet - leider überall auf der Welt - sehr langsam verrottet, wissen wir alle. Bioplastik wird auf Stärkebasis aus zum Beispiel Mais oder Kartoffeln hergestellt und kann nicht ohne Weiteres in den Kompost geworfen, sondern sollte "industriell" kompostiert werden. Ob das bei Bioplastik "aus Milch" ebenso ist, bleibt eine offene Frage, zu jung ist das Forschungsprodukt.
Jedoch tut die Produktion neuartiger Plastik der Wegwerfgesellschaft keinen Abbruch. Und das sollte wohl das erste Ziel sein, nämlich, dass weniger erzeugt Verpackung wird, was irgendwo im Müll landen kann.
Zudem stellen sich noch weitere Fragen: braucht es noch mehr Anbaufläche für den bodenauslaugenden Mais? Muss für Bioplastik noch mehr billige Milch produziert werden? Die Verpackungen aus Plastik sind doch Unmengen. So gesehen könnte man Bioplastik vielleicht doch eher als Notlösung oder sogar Scheinlösung bezeichnen.
 

haruc

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Zunächst mal halte ich es für moralisch verwerflich, wenn Ressourcen, die für die Produktion von Lebensmitteln aufgewandt werden können für "banale" Dinge wie Verpackungen o.Ä. genutzt werden, ganz einfach deswegen, weil die Produktion von Kunststoffen in Konkurrenz zu Lebensmitteln tritt.

Dinge wie Biodiesel oder Milchplastik sind zwar in der Theorie schöne Ideen, aber ehrlich gesagt halte ich ein "gutes Gewissen" beim Autofahren und "wegwerfbare Plastikfolien" für extreme Luxusbedürfnisse, die in keiner Weise den gleichen Stellenwert wie Lebensmittelversorgung haben.

Es gibt aber auch Kunststoffe aus nachwachsenden Ressourcen, die nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion treten Die Firma Tecnaro stellt beispielsweise Kunststoffe für alle möglichen Anwendungen aus Holz her - und benutzt dabei als Grundstoff nur das Lignin, das bei der Papierherstellung anfällt.

Ein Besuch der Website (tecnaro.de) ist durchaus interessant und lohnt sich.
 

Giacomo_S

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haruc schrieb:
Die bessere Alternative zur Müllkippe ist die thermische Verwertung (im Müllheizkraftwerk). Dort wird der Müll sortiert (zb wertvolle ROhstoffe werden herausgefiltert) und dann verbrannt. Dabei kann Elektrische Energie und/oder Fernwärme erzeugt werden. Ein klarer Vorteil, den die Mülldeponie nicht hat.

Das ist richtig, auf die Müllverbrennung geht der Autor auch ein (Die Amerikaner sind uns in Sachen Müll sowieso noch Jahrzehnte hinterher).

Die Müllverbrennung reduziert das Müllaufkommen auf einen Bruchteil und es lässt sich auch noch Energie daraus gewinnen. Die verbleibende Asche muss allerdings auch irgendwo bleiben - und das ist dann der "Rest Müllkippe".

Wichtig für die Müllverbrennung ist allerdings auch, dass das Papier abgetrennt wird, idealerweise schon, wo es anfällt (beim Verbraucher nämlich). Tatsächlich gibt es keine (ökonomische) Nachfrage nach Altpapier in den Dimensionen, wie es anfällt (und wenn, dann nur für bestimmte Sorten von Altpapier).

In der Müllverbrennung hat man mit schwankenden Müllqualitäten zu tun. Der Müll ist mal feuchter, mal trockener - und dementsprechend muss Brennstoff zugeführt werden (Öl), wenn er zu feucht ist. Liegt das Papier getrennt vor, dann kann es entsprechend der Müllfeuchte mehr oder weniger zugeführt werden und ggf. kommt man in der Müllverbrennung ohne zusätzliche Brennstoffe aus.

Das Recycling von Kunststoffen ist offenbar auch noch nicht wirklich gelöst. Es wäre sicherlich diesem förderlich, wenn sich die Hersteller mal auf eine bestimmte Auswahl von Kunststoffen beschränken würden.

In meiner Küche verwende ich sowieso viele Kunststoff-Behälter so lange immer wieder (beliebt: Eisdosen, da rechteckig und mit Deckel), bis sie auseinander fallen. :D
 

haruc

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Giacomo_S

Für die von Dir angesprochenen Probleme gibt es doch schon Lösungen :)

Ich hab bezüglich der Filterleistung nochmal nachgehört. Die in Deutschland betriebenen Anlagen schaffen eine Schadstoffabscheidung von 99,9%, d.h. die Luft, die bei der Müllverbrennungsanlage aus dem Schornstein kommt, ist meist sauberer als die Umgebungsluft. Das dafür notwendige Investment in die Filtertechnologie ist entsprechend hoch (wie bereits erwähnt) was sich in langen Amortisationszeiten niederschlägt - ein Grund, weshalb viele Länder lieber bei der Müllkippe bleiben, weil diese kurzfristig günstiger ist.

Die verbleibende Asche muss allerdings auch irgendwo bleiben - und das ist dann der "Rest Müllkippe".

Die Flugasche darf nicht einfach so in die Natur gekippt werden. In konzentrierter Form ist sie hochgiftig und wird als Sondermüll behandelt. In Großbritannien hat man ein Verfahren entwickelt, in dem die Flugasche Beton begemischt wird, in so niedriger Dosierung, dass die Schadstoffbelastung im "Grundrauschen" untergeht. Weiterer Vorteil: Die Schadstoffe sind im Beton gebunden und können nicht freigesetzt werden.

Alternativ benutzt man ausgediente Bergwerke (Salzstöcke) um Flugasche zu lagern.

In der Müllverbrennung hat man mit schwankenden Müllqualitäten zu tun. Der Müll ist mal feuchter, mal trockener - und dementsprechend muss Brennstoff zugeführt werden (Öl), wenn er zu feucht ist. Liegt das Papier getrennt vor, dann kann es entsprechend der Müllfeuchte mehr oder weniger zugeführt werden und ggf. kommt man in der Müllverbrennung ohne zusätzliche Brennstoffe aus.

Dem Problem der schwankenden Brennstoffqualität versucht man durch eine intelligente Vorsortierung des Mülls zu begegnen. Der Kranführer, der den Brennofen bestückt kann dann den Müll entsprechend dem jeweiligen Bedarf zuführen. Damit lässt sich die Beifeuerung von externem Brennstoff minimieren.

Neben Papier werden übrigens auch gerne gelbe Säcke verheizt. IMmer dann, wenn in den Recyclingstellen des Dualen Systems die Lagerplätze voll sind. Eigentlich eine Verschwendung, aber billiger, als Öl oder Gas zuzukaufen.

Eines der größten Probleme in Müllverbrennungsanlagen ist übrigens, wenn tierisches Material im Müll ist, insbesondere Fleisch. Dabei entstehen nämlich bei der Verbrennung extreme Spitzenwerte bei bestimmten Schadstoffen, auf die die Filteranlagen nicht ausgelegt waren bzw immer noch sind.

Bei einer Stichprobenkontrolle hat man im Müllbunker eines MHKW unter anderem auch schonmal Schweinehälften gefunden.

Nicht gefunden hingegen hat man eine Gasflasche, die dann erst in der Brennkammer zerplatzt ist...
 

Giacomo_S

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haruc schrieb:
Alternativ benutzt man ausgediente Bergwerke (Salzstöcke) um Flugasche zu lagern.

Rein prinzipiell müsste es doch auch möglich sein, aus der Flugasche wieder die darin enthaltenen Elemente zu gewinnen. Dem im Prinzip dürfte sie ja fast nur aus Mineralsalzen bestehen.
 

haruc

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Giacomo_S schrieb:
Rein prinzipiell müsste es doch auch möglich sein, aus der Flugasche wieder die darin enthaltenen Elemente zu gewinnen. Dem im Prinzip dürfte sie ja fast nur aus Mineralsalzen bestehen.

Technisch ist das kein Problem, die Frage ist nur, wer das bezahlen will. Im Moment wird eigentlich nur Phosphor zurückgewonnen, weil die Phosphorvorkommen der Welt in etwa 20-25 Jahren so erschöpft sein werden, dass der Bedarf der Landwirtschaft nicht mehr gedeckt werden kann. Bereits 2007 war die globale Nachfrage erstmals größer als das Angebot.

Die Bedeutung von Phosphor für die gesamte Welt dürfte klar sein. Hier noch ein Artikel, der diese Thematik einrahmt: [url="Welt: Am Phosphor hänge das Schicksal der Menschheit]http://www.welt.de/dieweltbewegen/article13585089/Am-Phosphor-haengt-das-Schicksal-der-Menschheit.html[/url]

Lässt man den Müll auf Müllkippen vergammeln, ist jede Chance auf eine effektive Rückgewinnung verloren und vertan - auch in der Zukunft. Erst durch die Verbrennung wird es überhaupt möglich, in einem einigermaßen wirtschaftlichen Rahmen Phosphor aus Müll wieder zu "recyclen". Gerade die Verbrennung des Klärschlamms liefert recht viel Phosphor. Es ist zu erwarten, dass auch die Rückgewinnung anderer Elemente in den nächsten Jahren wirtschaftlich werden wird.
 

streicher

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haruc, du hattest bei deinem Link nur url und Titel vertauscht: ich setze ihn nochmal: "Welt: Am Phosphor hänge das Schicksal der Menschheit
Spannender Artikel...

Zur Rückgewinnung von Elementen aus Flugasche: die Firma Flurec gewinnt Zink. Sie erklärt ihr Verfahren, jedoch läuft das Video nicht, schade eigentlich - FLUREC - Flugaschenrecycling.

Wie steht es eigentlich mit den Überlegungen, Müllkippen wieder zu öffnen (wenn nötig) und aus ihnen Rohstoffe zurückzugewinnen? Wird es immer noch als zu teuer eingestuft?
 

haruc

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Streicher, vielen Dank für die Korrektur :)

Streicher schrieb:
Wie steht es eigentlich mit den Überlegungen, Müllkippen wieder zu öffnen (wenn nötig) und aus ihnen Rohstoffe zurückzugewinnen? Wird es immer noch als zu teuer eingestuft?

So weit ich weiß, wird das seit Jahren diskutiert, in der Praxis aber noch nicht umgesetzt, weil sich das noch nicht rentiert. DEponierückbau findet nur dort statt, wo von der Deponie eine Gefahr für die Umwelt ausgeht.

Ansonsten ist noch genügend "frischer" Müll vorhanden. So hat beispielsweise das Müllheizkraftwerk in Neunkirchen/Saar gestern einen Vertrag mit einem französischen Abfallverband in Lothrigen geschlossen. Künftig wird die Fernwärme für einige tausend Neunkircher mit französischem Müll erzeugt.

Ich gehe allerdings davon aus, dass wir langfristig den Rückbau aller Deponien erleben werden. Gerade in den Ostasiatischen Ländern entwickelt sich der Wohlstand rasant, was sich in jährlich steigender Abfallproduktion pro Kopf niederschlägt, ohne dass sich dort bereits ein ausreichendes Umweltbewusstsein entwickelt hat.

Ich gehe daher davon aus, dass vielleicht schon in 5-10 Jahren der Rückbau von alten Deponien zwecks Rohstoffgewinnung lukrativ werden wird. Sehr viel länger wird es wohl nicht dauern.


Mal noch eine andere Thematik bezüglich Müllvermeidung und Umweltschutz.

Ich stand heute im Getränkemarkt vor der Wahl, Mineralwasser in PET-Einwegflaschen, PET-Mehrwegflaschen oder Normbrunnenflaschen aus Glas zu kaufen.

Dabei stellte sich mir die Frage, welche Verpackung die umweltfreundlichere ist. Die Glasflasche ist schwer und nutzt den Raum nicht sehr effizient aus. Daher wird pro Liter Mineralwasser viel Totlast herumtransportiert. Die Einweg-PET Flasche ist sehr leicht und lässt sich auch zerschreddern oder komprimieren.

Daher habe ich mir ein Modell gebastelt und nachgerechnet.

Anmerkung: Der Vergleichbarkeit halber beziehen sich alle Werte auf die Kosten für die "Verpackung" pro Liter Mineralwasser.

Beim Transport alleine schlägt die PET-Einwegflasche die Normbrunnenflasche aus Glas deutlich. Fallen bei letzterer pro konsumiertem Liter Wasser CO2-Emissionen von ca. 30g/100Km an, so sind es bei der PET-Einwegflasche nur etwas mehr als 11g CO2/100km.

Rechnet man allerdings die Herstellungskosten rein, so hat ein Liter Mineralwasser (inkl Transportweg von je 100km vom/zum Brunnen) in der Glasflasche einen Verpackungsbedingten CO2 Footprint von etwa 70g CO2/100km, die Einweg PET-Flasche aber knapp 210g CO2/100Km.

Über die Lebenszeit von 35 Zyklen (der Berechnung zugrunde gelegt) spart die Glasflasche trotz der dreifach höheren Transportbedingten Emissionen 4,9 Kilogramm CO2 gegenüber der Einweg PET ein.

Das Ergebnis ist eindeutig und sollte dazu mahnen, Einweg PET zu vermeiden!

Aber es gibt ja auch noch Mehrweg-PET Flaschen. Wie sieht es hier aus?
Nun, die Herstellung einer 1,5L Mehrweg PET Flasche verursacht einen CO2 Ausstoß von 1,11 Kg, allerdings hält eine solche Flasche auch 25 Lebenszyklen durch, wodurch sich der Anteil pro Zyklus und Liter auf 44,1g CO2 vermindert. Zwar liegen die Transportkosten der Mehrwegflaschen über denen der Einwegflaschen, allerdings sind sie niedriger als die der Glasflaschen. In der Summe verursacht so eine PET-Mehrwegflasche Kosten von etwa 55g CO2/Liter pro Zyklus was deutlich unter den Kosten der Glasflasche liegt.

Somit sind in der Gesamtbilanz Mehrweg-PET Flaschen die "günstigere" Alternative. Zumindest während der Lebensdauer einer Flasche gesehen.

Aber sind sie auch besser?

Immerhin ist es bekannt, dass bei der Herstellung von PET ungeheure Mengen an schwer verschmutztem Abwasser anfallen, von denen eine große Gefahr für die Umwelt ausgeht. Außerdem sind die PET Flaschen physiologisch nicht unbedenklich.

Und letztlich muss auch bedacht werden, dass die an sich umweltfreundlichere Mehrweg PET Flasche am Ende ihres Lebens recyclet werden muss, was wiederum mit dem Verlust von knapp 70% des PET verbunden ist. Glasflaschen können nahezu verlustfrei Recyclet werden.

Sind die Normbrunnenflaschen auf lange sich also doch die günstigere Alternative?
 

streicher

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haruc schrieb:
Ich gehe daher davon aus, dass vielleicht schon in 5-10 Jahren der Rückbau von alten Deponien zwecks Rohstoffgewinnung lukrativ werden wird. Sehr viel länger wird es wohl nicht dauern.
Ich vermute auch, dass bald alte Deponien geöffnet werden. Zu Forschungszwecken geschieht dies schon seit Jahren, oder auch wenn sie leckgeschlagen war oder die Planung für die Fläche eine andere Nutzung vorsah. Es wird von Milliardenschätzen in den Deponien ausgegangen. Und weil du es vorher schon angesprochen hast: ein großer Schatz an Phosphor wird ebenfalls allein nur in den deutschen Deponien vorhanden sein. Dazu ein Artikel: Der Milliardenschatz unter alten Mülldeponien. Daraus: "Ein Beispiel ist das Mineral Phosphor, es steht uns weltweit nur noch knapp 100 Jahre zur Verführung. Phosphor ist ein wichtiger Dünger, ohne den Pflanzen nicht wachsen können. Schätzungen zeigen, dass Phosphor aus Deponien den deutschen Jahresbedarf einmalig für bis zu dreieinhalb Jahre decken kann", sagt Fricke. Auch Metalle werden in der feinkörnigen Fraktion vermutet, "in jüngeren Ablagerungen vielleicht einige der sehr wertvollen Seltenen Erden, die für die Elektronikindustrie lebensnotwendig sind."

Sind die Normbrunnenflaschen auf lange Sicht also doch die günstigere Alternative?
Das ist echt eine schwierige, und wie du gezeigt hast, eine echt komplexe Frage. Wir hatten diese Frage schon einmal, und es wurden ähnliche Argumente ins Feld geführt. Irgendeine Umweltinstitution des Bundes hat sich auch mit der Frage befasst - und zugunsten der Glasflasche (Normbrunnenflasche) entschieden, nach ähnlichen Überlegungen und vielen Seiten Bericht mit vielen Zahlen.

Wie bist du auf deine Zahlen gekommen, insbesondere die CO²-Emissionen? Gibt es da eine Übersicht?
 

haruc

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Streicher schrieb:
Wie bist du auf deine Zahlen gekommen, insbesondere die CO²-Emissionen? Gibt es da eine Übersicht?

Ich habe zunächst die Totlast, die für einen Liter MIneralwasser anfällt, für Glasflaschen (mitsamt Kasten), PET-Einwegflaschen und PET Mehrwegflaschen (auch mit Kasten) berechnet.

Diese Totlast liegt bei einem Liter Mineralwasser in Glasflaschen bei etwa 950g, für PET-Einweg bei 40g und für PET-Mehrweg bei etwa 120g (die Zahlen für PET-Mehrweg sind aber etwas wackelig...)

Sodann habe ich berechnet, wieviel Liter Mineralwasser je nach Verpackungsart in einem 7,5 Tonner transportiert werden können und die THG-Emissionen des LKW pro 100km auf einen Liter MIneralwasser umgelegt.

Dabei habe ich einen kompletten Zyklus angenommen, also den Transportweg (Vollgut) vom Hersteller zum Verkäufer und den Rücktransport des Leergutes. Diese Wege habe ich modellhaft mit je 100Km veranschlagt. Zur BErechnung der Emissionen je nach LKW-Typ, Ladezustand und KRaftstoffart gibt es eine Handreichung, die man im Internet findet.

Da viel mehr PET-Einwegflaschen als Glasflaschen transportiert werden können, ist der Anteil der Treibhausgase pro Liter in PET-Einwegflaschen natürlich geringer. Sie verursachen pro Zyklus und Liter Wasser 11,1g CO2. Glasflaschen entsprechend etwa das Dreifache. Mehrweg-PET liegt zwischen beiden Verpackungen.

Das war relativ einfach. Schwieriger wurde es, die Treibhausgasemissionen der Herstellung zu berechnen. ZUm Glück hat das die Stadt Wien mal gemacht: 1 Tonne Glasflaschen kostet 1/10 der Emissionen die 1 Tonne PET-Flaschen kostet. Da Einweg_PET nur einen Zyklus haben, ist der Anteil entsprechend hoch.
Zum Glück haben die Wiener damals den Energiebedarf in MJ angegeben, nicht direkt die resultierenden CO2 emissionen. Den Energiebedarf habe ich in Megawattstunden umgerechnet und den anteil einer jeden Flasche mit den durchschnittlichen CO2 Emissionen einer KWh im Jahre 2015 im deutschen Strommix (535g CO2/KWh) verrechnet.
 

streicher

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Muss gestehen: bin beeindruckt. :)

Bei so "einfachen Erzeugnissen" lässt sich noch recht leicht berechnen und vergleichen. Aber man beantworte mal die Frage, ab wann der Kauf eines Elektroautos ökologisch sinnvoll ist (wenn man es ernsthaft erwägt; es muss ja erst einmal produziert werden...). Allein schon der Vergleich des CO²-Aufkommens für die Produktion eines herkömmlichen Smarts mit der eines Elektrosmarts fänd ich spannend. Aber wie soll man die Produktionskette plus -matrix nachvollziehen?

Es gibt ein Unternehmen, dass die Produktion des eigenen Produkts offengelegt hat: NAGER IT. Und so schaut die Lieferkette (pdf) aus.

Gerade bei der Gewinnung der Rohstoffe sollten einem die Haare zu Berge stehen. Fairphone probiert in der Hinsicht ein Zeichen zu setzen. Das Smartphone soll länger haltbar sein und der Nutzer es selbst reparieren können, und insbesondere sollen die Rohstoffe konfliktfrei gewonnen werden - ein schöner Ansatz.
Allerdings könnte man hier wieder auf die CO²-Bilanz zurückkommen: wie viel Energie verbraucht jeder <Click>? Die Rechner von facebook und google verbrauchen so viel wie mittlere Großstädte an Strom. Bei der Smartphoneclickerei (nebst allen anderen Rechenmaschinen) kein Wunder.
In Sachen Energie- und Ökobilanz werden jedoch solche Zahlen immer wichtiger, gerade dann, wenn der Verbrauch immer undurchsichtiger wird. Berücksichtigt man die Internetnutzung, so hat ein Smartphone einen größeren CO²-Fußabdruck wie zum Beispiel manch Großgerät im Haushalt.

Und wenn wir schon bei CO²-Berechnungen sind: es haben sich zwei Wissenschaftler mit dem CO²-Verbrauch für die Herstellung von einer Flasche Wein beschäftigt. Und: ist Bierherstellung ökologischer? :cheers:
 

Giacomo_S

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haruc schrieb:
Ich stand heute im Getränkemarkt vor der Wahl, Mineralwasser in PET-Einwegflaschen, PET-Mehrwegflaschen oder Normbrunnenflaschen aus Glas zu kaufen.

Es ist mir ein Rätsel, warum sich Konsumenten das Geschleppe mit Mineralwasser überhaupt antun. Gerade stilles Mineralwasser halte ich für ein Kunstprodukt, im Grunde Geldschneiderei der Hersteller.

Ich trinke Leitungswasser. Die Qualität unseres Leitungswassers ist in Deutschland im Allgemeinen hervorragend. Hier in München gibt es auch keine Bleirohre - denn die hat man hier von Anfang an gar nicht erst verbaut.
Außerdem lässt man's ja sowieso ne Weile laufen, allein schon, damit's schön kalt ist. Auch gut: Leitungswasser einfach in eine alte Weinflasche abfüllen und im Kühlschrank kühlen. Dann hast Du kaltes, stilles Wasser.

Bevorzugt man Britzelwasser, dann kann ich den Kauf von Mineralwasser in der Flasche ja noch einsehen. Andererseits würde ich mir dann einen klassischen Syphon kaufen. Leitungswasser, CO2-Patrone, fertig. Kannst du sofort trinken, bei einer Lagerung über Nacht im Kühlschrank wird es feinporiger.
Syphon kostet neu so um die 50,-, es gibt sie aber schon mal als Schnäppchen oder vom Flohmarkt. Außerdem macht's was her. Die Patronen können dann in den Altmetall-Container und gut ist's.
Auf Dauer ist das sogar billiger und die Schlepperei hast Du auch nicht.

Die Einweg-PET Flasche ist sehr leicht und lässt sich auch zerschreddern oder komprimieren.

Die PET ist mir unheimlich, ich vermeide sie, wo es nur geht. Deshalb kaufe ich Produkte aus der PET meist nicht. Das mag eine emotionale und weniger rationale (Stichwort: Weichmacher) Entscheidung sein. Ich finde die PET aber unästhetisch und auch unpraktisch. Produkte, bei denen ich die PET nicht vermeiden kann (Speiseöle) fülle ich nach Kauf sofort in Glasflaschen um.

Bier aus der PET geht gar nicht. Das ist mir zu unkultiviert, zu Bier gehört einfach eine Glasflasche (Pfandflasche!). Dann lass' ich's lieber!
 

haruc

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Giacomo_S schrieb:
Es ist mir ein Rätsel, warum sich Konsumenten das Geschleppe mit Mineralwasser überhaupt antun. Gerade stilles Mineralwasser halte ich für ein Kunstprodukt, im Grunde Geldschneiderei der Hersteller.

Ich trinke Leitungswasser.

Das tue ich wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin auch - die benutzen seit 15 Jahren eine "Sprudelmaschine".

Aber an meinem jetzigen Wohnort traue ich den Wasserleitungen nicht - es handelt sich um ein Haus mitten im Nirgendwo, das irgendwann 1930 mal einen Wasseranschluss bekommen hat... Dann lieber drei Mal die Woche eine Kiste Mineralwasser schleppen.

Stilles Mineralwasser ist in der Tat großer Humbug, zumindest in Deutschland. In Frankreich kann ich es verstehen, dass die Leute dort ihr stilles Wasser lieber aus Flaschen trinken, so verchlort wir das Wasser bei denen ist. Trinkwasser in Mineralbrunnenqualität aus dem Hauswasseranschluss ist ein verdammter Luxus, den viele Leute gar nicht zu schätzen wissen.
 

streicher

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Kaum vorstellbar, diese Zahl: elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen alleine in Deutschland in der Mülltonne. Nach einer Umfrage wünschen sich viele eine Spendepflicht für abgelaufene Lebensmittel.
Reduzierung von Lebensmittelabfällen: Fast jeder Bürger unterstützt dieses Ziel
Mit ihrer Initiative gegen die Verschwendung von Lebensmitteln will die Bundesregierung erreichen, dass die Menge der weggeworfenen Lebensmittel deutlich reduziert wird. Dieses Ziel wird von nahezu jedem Bürger in Deutschland unterstützt (95 Prozent). Die Initiative mit dem Motto "Lebensmittel - zu gut für die Tonne!" verfügt über eine beachtliche Bekanntheit in der Bevölkerung: Jeder zweite Deutsche (51 Prozent) hat davon schon einmal gehört. Davon gibt jeder Vierte (26 Prozent) an, in den vergangenen Monaten bewusster mit Lebensmitteln umgegangen zu sein.


Auch interessant: Ein Start-Up-Unternehmen hat eine App entwickelt, die Lebensmittel vor dem Mülleimer retten soll.
Gute Lebensmittel landen tonnenweise im Müll. Für Restaurants gibt es jetzt eine Alternative: Take-Away statt Mülleimer.

In der EU wirft im Schnitt jeder Bewohner 123 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr in den Müll – das entspricht 16 Prozent aller Lebensmittel, die uns Konsumenten erreichen. Doch nicht nur zu Hause landen oft Lebensmittel im Müll, auch in der Gastronomie werden viele Reste einfach entsorgt. Abhilfe will das Startup Too Good To Go mit einer App bieten: Restaurant können ihre Speisen kurz vor Ladenschluss günstig in Boxen an Selbstabholer verkaufen, anstatt die Lebensmittel wegzuwerfen.

Too Good To Go
 

Ein_Liberaler

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Ich sehe die Schlangen der Armen und Verhärmten schon vor mir, abends um zehn an den Hintereingängen der Restaurants... Dazu würde ich gern mal Giacomo hören, aber ich finde das Szenario wenig realitätsnah.
 

haruc

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In Trier haben wir seit 2012 eine Foodsharing Gruppe, die über Facebook organisiert ist. Wer was hat, was er/sie nicht braucht, stellt bei Facebook ein Bild ein und legt die Modalitäten der Übergabe fest. Interessenten können sich dann melden. Hat prima funktioniert.

Die Gruppe hat dann auch eine Art "öffentlichen Kühlschrank" (kein richtiger Kühlschrank, nur eine Kiste) aufgestellt, in dem man ablaufende Lebensmittel abstellen kann. Wer was findet, das er braucht, darf es mitnehmen. Dafür stellt man irgendwann mal selbst was rein. Niemand kontrolliert das. Diese Dinger werden spassigerweise "Fairteiler-Kasten" genannt. Und es funktioniert richtig gut.
 

streicher

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Ja, das ist eine tolle Sache. Ich weiss nicht, wie viele Fair-Teiler wir in München haben - es waren zumindest mal vier, einer davon im EineWeltHaus.

Zwei Food-Saver kenne ich, die in Betrieben Abholungen machen können. Die Erfahrung scheint nicht immer positiv zu sein: es kommt wohl auf den Betrieb an und auf die Personen, an die weiter verteilt wird. An großen Weiterverteilungsaktionen kommt der "Food-Saver" durchaus mit einem vollgepackten Kombi: die Kisten werden dann auf den Boden in Reihe ausgelegt, so dass das Nehmen der Produkte nicht in Stress ausartet. Nur angemeldete Personen können dann Lebensmittel mitnehmen.

Kritikpunkt ist, dass die Unternehmen nicht viel lernen: sie produzieren weiterhin viel Lebensmittelabfall, profitieren jedoch davon, dass sie nicht mehr so viel entsorgen müssen.

Eine interessante Lösung bietet die Hofpfisterei. Eine halbe Stunde vor Ladenschluss werden die Produkte billiger angeboten, eine Viertelstunde vor Ladenschluss nochmals billiger. Freilich bilden sich dann auch Schlangen. Aber die Regale werden ziemlich leer. An der Lösung könnten sich einige Betriebe, auch Restaurants, orientieren.
 

Giacomo_S

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Ein_Liberaler schrieb:
Ich sehe die Schlangen der Armen und Verhärmten schon vor mir, abends um zehn an den Hintereingängen der Restaurants... Dazu würde ich gern mal Giacomo hören, aber ich finde das Szenario wenig realitätsnah.

Ist es auch nicht.

Wenn man einen ordentlichen Gastronomiebetrieb führt, dann sollte es sowieso praktisch kaum (unnötige) Lebensmittelabfälle geben. Und das, was man wegzuwerfen hat - das gehört da auch in den Abfalleimer!

Zum Betriebsschluss habe ich die Schnauze voll und will fertig werden: Aufräumen, saubermachen, Feierabendbier! Und mich nicht mit irgend welchen Kaspern abgeben ...

Erzeuger und Handel schmeißen Lebensmittel in ganz anderen Zuständen und Mengen weg. Dagegen ist das Aufkommen in der Gastro Peanuts, außerdem ist es dann eben auch hinüber.
Bestimmte Waren muss ich aus gesetzlichen Gründen sowieso zwingend wegwerfen: Alles, was der Gast mit seinem Besteck und Händen selbst berührt hat.

In so manchem kleineren Gastrobetrieb wie auch Privat führe ich eher einen gegensätzlichen Kampf: Endlich einmal aufhören, Lebensmittel als "heilig" anzusehen. Auch mal LM wegwerfen und nicht alles bis zum St. Nimmerleinstag aufheben (und dann wegwerfen), Peanuts und nicht wiederverwertbare LM von anderen unterscheiden. Aufhören, eine sinnlose oder zumindest übertriebene Lagerhaltung zu betreiben. Sparen, Konservieren und Horten nur dann, wenn es auch Sinn macht.

Was Kosten betrifft:
Es wird um LM immer so ein lächerlicher Affentanz gemacht, oft ist das völlig kontraproduktiv, selbst aus ökonomischen Gründen. Es wird sich an Peanuts, die nichts kosten, zu Tode gespart - dem Knödel, der Kugel Eis - anstatt sich mal auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist: Der Gast nämlich. Und der ist leichter und kostengünstiger gehalten als neu gewonnen.
Bei den wirklichen Kostenfallen aber - der Energie z.B., wo es um Geld in ganz anderen Dimensionen geht - da glauben sie dann immer alle, die seien gottgegeben und unabänderbar.
 

Giacomo_S

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Ach und noch was ...

Die Gerichte und Backwaren, die bei Geschäftsschluss übrig bleiben, können nun über Too Good To Go per App und Internetplattform verkauft werden. Die Kunden bezahlen online, bekommen eine Bestätigung aufs Handy und holen sich das Essen dann direkt beim Betrieb ab.

... man könnte vielleicht auf die Idee kommen, dass die Zielgruppe, die das essen möchte, was andere übrig lassen, nicht unbedingt über ein Smartphone & Bankkonto verfügt.
 

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