Wenn Du mir, 20, polemischerweise vorwirfst, ich würde den Begriff Magie und dessen Inhalte latent nur mit Handschuhen anfassen, so gebe ich gern eine seinerseits polemische Unterstellung zurück, die nämlich, dass Du bei Deiner Betrachtung von Magie die geschichtliche Entwicklung so gut wie ausklammerst...
Wenn ich Dich recht verstanden habe, ist Magie für Dich durch die Zeiten immer dasselbe gewesen, nur die unterschiedlichen Weltbilder haben jeweils andere Erklärungsmuster hierfür herangezogen. Ich stülpe den Gedanken einmal um, ich sehe das von dem Standpunkt aus, dass es im Laufe der Menschheitsgeschichte unterschiedliche Weltbilder gab, und das, was Magie jeweils beschreibt ist sehr
abhängig von dem Weltbild und den in ihm vorausgesetzten Mechanismen. Das ist ein feiner Unterschied, der jedoch größere Differenzen bewirkt, fürchte ich.
Der von Dir hier vertretene Ansatz, Magie eher in der Psyche des Ausübenden zu verorten, passt in unser heutiges Weltbild hier - und als Mensch von heute würde ich mich darin vermutlich auch wiederfinden, hätte ich nicht die diachrone Perspektive im Hinterkopf, die mich daran erinnert, dass es Weltbilder gab, die ohne die Vorstellung einer Psyche auskamen. Magie war auch dort eingebettet, ohne jedoch mit der Idee der Psycche in Zusammenhang gebracht werden zu können.
Mehrere Schlussfolgerungen sind möglich:
- die Menschen damals wussten es nicht besser, wir sind heute mit dem Psychenbegriff näher dran an der Erklärung.
- wir sind heute mit dem Psychenbegriff weiter weg an der Erklärung als diejenigen Menschen mit anderen Weltbildern
- es gibt kein "näher dran", nur unterschiedliche Erklärungsmodelle, die alle auf ihre Weise dem Wesen der Magie in irgendeiner Form nahekommen, jedoch keines mit Vorrang oder gar umfassendem Erklärungspotential -- solltest Du mir hier zustimmen, würde das die Verortung der Magie in der Psyche in dem Sinne abwerthen, dass man sagen kann: ok, Magie in der Psyche verortet, daneben gibt es aber noch andere Erklärungen, ohne Psyche, die ebenso richtig sind...
kleiner Exkurs:
Ich will andere Weltbilder nicht verurtheilen, und weder das heutige noch damalige für richtiger halten. Ich will hier noch mal an das kurze Beispiel erinnern:
ein wichtiges Element des (nennen wir es mal so) alt-mesopotamischen Weltbildes war, dass die Götter sich in Zeichen der Welt äußern und dem Menschen durch Zeichen Informationen über die Zukunft geben; das wird weltbildimmanent vorausgesetzt. Daher schaute man sich u.a. Organe von Opfertieren an, und beobachtete auch sonst allerhand
ungewöhnliche Vorkommnisse, und deutete daraus die Entwicklungen in der Zukunft.
Ein moderner Mensch denkt sich vermutlich, wieso haben die nicht gemerkt, dass das nicht stimmt - denn für uns besteht zwischen der Ausbildung der Organe von Tieren und der Zukunft keine Zusammenhangskette. Unser Weltbild heute ist von rationalen, kausalen Zusammenhängen bestimmt, aufgrund dessen Prognosen erstellt werden (in alle Richtungen, wirtschaftliche Entwicklung bis Klimawandel) ... und hier stellt sich das gleiche Phänomen ein: Wann treffen Prognosen schon mal zu? Doch auch wir hinterfragen nicht unsere Zusammenhangsketten, genau wie die Menschen damals in dem anderen Weltbild ziehen wir den Schluss, dass die Prognosen nicht stimmen, weil noch weitere Informationen gefehlt haben.
Soviel zu weltbildabhängigen Zusammenhangsketten...
Ich muss allerdings gestehen, dass ich ganz froh bin, dass Du keinen ausgeprägt historischen Ansatz verfolgst, sondern eher den Fokus auf das hier und jetzt hast, imho. Denn was mich als Mensch von heute natürlich doch dringender interessiert, ist die Verwendung des Magiebegriffes heute.
Du versuchst in deinen letzten Abschnitten, Magie eher zu rechtfertigen, als zu definieren: Wie man die Veränderungen begründen, erklären kann. Da bist Du mir vielleicht einen Schritt voraus, denn ich hänge noch immer an der Frage, welche Vorgänge überhaupt Magie sein sollen - und warum.
Magie als alles, was "uns" "komisch" vorkommt, was überraschenderweise wirkt? Ferner kann Magie dann unserem eigenen Weltbild kaum noch sein, wenn man es so definiert, hat man es in eine Nische geschobe, in der alles zusammengefasst ist, wofür man (noch keine weitere gute Erklärung gefunden hat), bzw. es löst sich ganz auf, da magische Handlungen auf diese Weise wohl stets auch eine andere Erklärung (und damit Einordnung) erfahren können... Deswegen die Frage nach dem Unterschied zwischen Magie und Technik: Was einem spontan einfallen würde bei dem Begriff Magie, lässt sich bei Näherer Betrachtung psychologischen Effekten (eigene Psyche oder auch intersubjektiv) oder technischen Zusammenhängen zuordnen, für die "Magie" bleibt nicts mehr übrig. Das sind die beiden Bereiche, in denen sich unser eigenes Weltbild imho austobt: im Erkennen von technischen Zusammenhängen ("Naturgesetzen" etc.) und im Vordringen in das fragile Reich der Psychen. Ist Magie entweder das eine oder das andere, besteht für eine weitere Kategorie, den Begriff "Magie" keine Veranlassung mehr, damit ist die Magie raus, hm?
Ganz provokante These meinerseits - und vielleicht nur halb passend an dieser Stelle: Kulturen mt Weltbildern, die Magie verwenden, haben keinen Begriff dafür ;-)
@NoTom
Das "Anstoßen von Zusammenhängen" ist glaube ich , auch eine der wichtigeren Punkte, die cih verteidigen möchte. Magie, was auch immer es sein soll, ist, da sind wir uns glaube ich alle seltsam einig, ein Prozess.
@gestreift
Du "denkst nicht", dass Magie von Beginn an diffamiert wurde?
Nicht die Magie wurde diffamiert, ich meinte den Begriff "Magie". Magie ist ein Griechisches Wort, der Beginn des Begriffes liegt dort, als bei den Griechen die Bezeichnung Magier aufkam, entlehnt und als Bezeichnung für Menschen im alten Mesopotamien, die bestimmte Handlungen ausführten. Durch die Antike hindurch und natürlich dann auch bei dem Umgang des Christentums mit dem Begriff "Magie" stößt man immer wieder auf das Phänomen, dass "Magie" nur einen bestimmten Teil von (tja, was .. magischen?

) Vorgängen bezeichnet, die Menschen ausüben, dass diesem Begriff der Unterton "schlecht, egoistische Vorgänge, wider die Weltordnung, falsch" anhaftet. - Die Unterscheidung zwischen gottgewollten und von den Göttern (oder einem bestimmten ;-) ) abgesegneten bewussten Veränderungen und gleichartigen Vorgängen aus egoistischen Motiven heraus, mein Eindruck war, dass der Begriff "Magie" sehr oft nur ausschließlich für das letztere verwendet wurde, um "falsche" Tätigkeiten zu diffamieren. (Heute würde man vielleicht von weißer und schwarzer Magie sprechen, und unter dem Begriff "Magie" damit beides summieren). -- Ich fürchte, Du hättest es jetzt gerne, wenn ich einige Quellen auffahre, die das belegen... Das kann einige Zeit dauern, bis ich das zusammengestellt habe (Ich hoffe ja noch, dass ich hierzu noch eine Zusammenstellung von anderer Hand finden werde...).
Gut, strenggenommen ereignet sich alles unter menschlichem Zuthuen, allein dadurch dass man existiert und (Sein als Bewegung, Veränderung) handelt, wirkt man auf die Prozesse ein. Das war mir beim Schreiben schon bewusst, muss ich gestehen, und ich hatte gehofft, dass es niemand so auslegt, wie Du jetzt ;-) :schaem: Ich hätte das wohl besser jeweils als "willentlich, bewusstes menschliches Zuthuen" od. ä. spezifizieren sollen...
Gruß,
Semis