Sehr interessant, was in samhains Artikeln geschrieben steht:
Die Zeit schrieb:
Müller und andere Dissidenten fordern kräftige staatliche Investitionen zur Ankurbelung der Konjunktur, weiter den Ausbau der Bildung, eine stärkere Besteuerung der kapitalintensiven Exportindustrie, höhere Löhne zur Belebung des Binnenmarktes. Schließlich: eine Rückkehr zur Politik der Arbeitszeitverkürzung, mit der bis in die siebziger Jahre hinein die technologisch bedingte Arbeitslosigkeit erfolgreich aufgefangen wurde. Das klingt vernünftig und vertraut. Aber genau dies sei nicht praktikabel, sagen Politiker wie Wolfgang Clement: »Die räuberische Weltwirtschaft kann nicht in die nationale Kiste zurückgelegt werden.«
Bei diesem Widerspruch kann ich doch nur noch lachen ... einerseits fordert er höhere Löhne, andererseits Arbeitszeitverkürzung; was denn nun bitte? Aber egal, besteuern wir einfach 'mal die Exportindustrie - die floriert doch grade so dolle. Dass die dadurch verteuerten Produkte dann vielleicht nicht mehr so gut ankämen und das weitere Durststrecken zur Folge hätte, daran denkt der gute Mann natürlich nicht. Die "kräftigen staatlichen Investitionen zur Ankurbelung der Konjunktur" werden übrigens schon so gut wie möglich getätigt; Beispiel sei die Steuerreform ... ich habe hier weiter hinten schon einmal einen Link gepostet, in dem man sieht, wer wie viel mehr bekommt in 2005; das IST, auch wenn es den "Fuck tha system"-Gegnern nicht gefällt, eine staatliche Investition zur Ankurbelung der Konjunktur ...
Außerdem frage ich mich gerade, wie Herr Müller die Löhne gesetzlich erhöhen wollte. Wir könnten zwar Mindestlöhne einführen, das käme aber immer noch keiner Lohnerhöhung gleich. Und: Mindestlöhne beschwören oft auch einen Wettkampf mit der Schwarzarbeit herauf. Das hat man im Baugewerbe gesehen, wo oft billige Arbeiter aus Osteuropa angeheuert werden und "Freundschaftsdienste" erbracht werden dürfen. Die Polizei hat natürlich nicht genug Einheiten zur Verfügung, um dem im großem Maße auf die Schliche zu kommen. So gehen rechtschaffene Unternehmen pleite und der Schattenmarkt floriert.
Wie wäre es, wenn wir die Wirtschaftspolitik aus den 70ern genau da stecken lassen und folgendes probieren: eine De-Liberalisierung des Strommarktes, der Bahn und des Telefonnetzes, eine Subventionspolitik für Unternehmen, die langfristige Arbeitsverträge für deutsche Arbeiter ausgibt und eine Besteuerung von Aktiengesellschaften, die sich an deren Gesamtgewinn orientiert. Also nicht nach dem Motto "Bochum macht Verlust, deswegen kriegt ihr nix", sondern ein bestimmter Prozentsatz des Gesamtgewinnes, der global erwirtschaftet wird, muss an den Staat übergeben werden. Denn wer deutsche Arbeitskraft nutzt, muss auch dem deutschen Volke ein Wohl tun. Strukturschwache Regionen wie der Osten oder das Ruhrgebiet müssten mit anziehenden Faktoren ausgestattet werden; also beispielsweise den Versuchskernreaktor nicht in Garching bauen, sondern in Zwickau oder in Essen. Das lockt Forschung und neue Industriezweige in Regionen, die genau das brauchen. Universitäten oder staatliche Einrichtungen wären auch hilfreich in solchen Gegenden (und wer mir nicht glaubt, der schaue sich einfach mal die Stadt München an !).
Die Zeit schrieb:
Und sie bringt die Bürokratenlogik der »Bedarfsgemeinschafts«-Kriterien für Alg-II-Bezieher auf den Punkt: »Hartz IV favorisiert einen Menschentyp, der als Einzelkämpfer durchs Leben läuft … Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Binden Sie sich an niemanden, vor allem teilen Sie nie eine Wohnung mit einem anderen Menschen. Irgendwann entpuppt sich Ihr Partner als Versagermodell
Jawoll, einmal den kanadischen Rundumschlag ausgeführt und schon ist die Welt wieder in Ordnung. Früher hat man weniger verdient als das, was heute so eine Hartz IV-Familie heimbringt, und man ist durchgekommen. Kommt allerdings auch drauf an, wie man seine Prioritäten steckt. Muss ich für 2000 Euro in den Urlaub? Muss ich jede Woche "shoppen" gehen? Muss ich meinem Kind jeden Mist kaufen, weil es meint, man brauche das heutzutage, oder sollte ich ihm vielleicht doch beibringen, dass Mami und Papi es herzlich wenig interessiert, was man heute brauche, da man das in spätestens einem Jahr nicht mehr tue? Aber ich vergaß ja - dann wird das Kind zum Außenseiter ! Aber natürlich. Das arme Kind, nun, eher die armen Eltern, wenn sie ihre Erziehung nicht darauf ausrichten konnten, dass das Kind seine Stärken außerhalb der materiellen Werte zeigen kann.
Stimmt schon, wir haben hierzulande eine Solidargemeinschaft aufgebaut. Aber wie weit muss Solidarität gehen? Muss ich mit meinen Steuergeldern den Urlaub eines Arbeitslosen bezahlen, wenn ich mir selbst keinen nehme? Ist das Gerechtigkeit? Muss ich wirklich dafür sorgen, dass der Arbeitssuchende "Lebensstandard" genießt, oder ist es meine Aufgabe, ihm das Überleben zu sichern? Aber es ist ja nicht so, dass der Arbeitslose keine Möglichkeit hätte, sich ein Taschengeld zu besorgen. Er kann durch die neuen Betreuungsmöglichkeiten leichter in eine Arbeit finden, er kann sich einen Minijob besorgen, er kann ein Unternehmen gründen (Ich-AG), er kann eine Weiterbildung antreten, er kann ein Praktikum starten, er kann im Notfall sogar ins Ausland gehen und arbeiten; "aber ich vergaß ja" - so was sollte man doch nicht erwarten. Wenn jemand Maurer gelernt hat, dann bleibt er Maurer, auf Gedeih und Verderb ! Lang lebe Genosse Lenin?
FTD schrieb:
Der Verbandschef warf der Bundesregierung vor, die Auswirkungen der Reform schön zu reden, wenn sie diese Schätzung als zu hoch ansehe. Schließlich sei ein Ziel der Reformen gewesen, Unterkunftskosten zu sparen. Rips äußerte die Befürchtung, dass Arbeitslosengeld-II-Empfänger künftig nur in Stadtbezirken mit Billigmieten unterkämen. Dann drohe in vielen Regionen eine "Gettoisierung".
Damit drückt dieser nette Herr vornehm aus, alle Arbeitslosen würden zu Pennern. Sicherlich ist so ein Wohnblock, der allein dem Ziel dient, sozial schwache Gesellschaftsmitglieder aufzufangen, keine Schönheit. Aber die Bewohner eines solchen Wohnblocks könnten ja eine draus machen. Wenn sie schon arbeitslos sind und die Hoffnung aufgegeben haben, eine Arbeit zu finden, wie man hier öfter propagiert, könnten sie ja ihr Viertel verschönern. Ich höre schon das Klappern der Tastaturen, das sei doch vollkommen realitätsfern, die BFA solle sich lieber um Arbeit kümmern und so weiter. Aber wenn immer von "Gettoisierung" die Rede ist, frage ich mich schon, wie sich mancher "Verbandschef" das Leben eines Arbeitslosen vorstellt. Es kommt immer drauf an, was man aus sich macht. Joschka Fischer wäre heute vielleicht auch ein Hartz IV-Fall, aber da er was aus seinen Überzeugungen gemacht hat und eine Partei mitbegründete, stellt er nun unseren Außenminister; mit einer abgebrochenen Buchhändlerlehre.
Natürlich habe auch ich die vielen Sendungen gesehen, in denen über das tragische Schicksal von den bemitleidenswerten Langzeitarbeitslosen berichtet wurde, die ja schon so viele Bewerbungen geschrieben haben, ohne Erfolg, die völlig deprimiert über ihre zahlreichen Qualifizierungen erzählten und die Krönung war natürlich immer die Mutter, die am Schluss in Tränen ausbricht, weil sie ihren Kindern keine teuren Geschenke mehr machen kann. Na, jetzt haltet ihr mich wahrscheinlich für einen gefühllosen Raffzahn, wenn ihr das nicht schon tatet. Und genau hier greift Hartz IV, die ach so verhasste Reform des Bösen; wer seinen Kindern Geschenke machen möchte, kann einen Minijob annehmen. Wer qualifiziert ist, kann seine Qualifizierungen erweitern. Gerade junge Leute stehen sogar unter Druck, diese Qualifizierngsmöglichkeiten anzunehmen, oder ihnen wird die Stütze gestrichen. Durch diese Qualifizierungen eröffnen sich auch Möglichkeiten für andere Berufszweige, in denen sich der Betroffene bewerben könnte. Das System reißt also nicht die Armen in den Abgrund, wie man so oft hört, sondern reicht ihnen die Hand. Raffzahn? Nein, bloß kein Fan von melodramatischen Einlagen einiger Alt- und Neu-Kommunisten.
Die jungen Menschen in der Schuldenfalle wollen wir natürlich auch nicht außer Acht lassen.
Süddeutsche Zeitung schrieb:
Die Versorgungslücke ist erst jetzt aufgefallen. Frankfurt will über den Städtetag eine Gesetzesänderung vorschlagen.
Das muss samhain wohl "rein zufällig" aus dem Zitat gerutscht sein ...
Süddeutsche Zeitung schrieb:
Nicht alle jedoch sind so viel schlechter gestellt. Mark S., er ist an der gleichen Schule, hat nur rund hundert Euro weniger als bisher. Als 21-jähriger bekommt er noch Kindergeld, und er wohnt billiger. Jahrelang nahm er Heroin. Jetzt ist er clean – und sagt: „Ich zieh die Schule auf jeden Fall durch.“
Positive Meldungen?! Das darf es in unserer pessimistischen Welt wohl auch nicht geben, wie?
Süddeutsche Zeitung schrieb:
Ein anderes Problem sind die unverheirateten Partner von Gutverdienern. Sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) II und müssen sich deshalb privat krankenversichern. „Da bleibt nur zahlen oder ausziehen – oder heiraten“, hieß es in Kreisen der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Ich weiß gar nicht, was hieran falsch sein soll. Wenn die Partner heiraten, wurde wieder eine heilige Gemeinschaft geschlossen, die Vorbildfunktion für weitere Eheschließungen haben könnte, und das bringt, auch finanziell gesehen, Vorteile für beide. Hier wird es geradezu als "Marter" dargestellt, in den Druck zu geraten, eine Ehe einzugehen - wenn sich die zwei Partner mögen, sehe ich da das Problem nicht ganz. Der Staat muss die geschlossene Ehe der "wilden Ehe" vorziehen, das ist nur gerecht.
Und im Übrigen sehe ich von vielen (nicht allen !) Gegnern seit Langem nichts mehr als Polemik, Schwarzmalerei und Trotzhaltung. Samhain postet nebenher noch ein paar Artikel, die manchmal derart provozierend und überspitzt verfasst sind, dass es fast schon keinen Spaß mehr macht. Irgendwas stimmt daran doch nicht, oder?