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Ehrenmitglied
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agentP schrieb:Finde ich nicht. Natürlich kommt es darauf an, woran man den Begriff "Sozialismus" festmacht, aber Parallelen gibt es doch zuhauf.Beide Systeme waren zweifellos totalitär - die Verwendung des Prädikats "sozialistisch" ist in Bezug auf den "Nationalsozialismus" der Nazis allerdings sehr problematisch.
Der Punkt ist jedoch m.E., dass die Parallelen nicht die sozialistischen Prgrammpunkte betreffen, sondern die Aspekte der totalitär- militaristischen Umsetzung der verschiedenen Ideologien (sowie ähnlicher Punkte wie Führerprinzip etc.).
Kann sein, dass ich mich täusche, aber hast du nicht mal die Bezeichnung "kapitalistisch" für gegenwärtige Systeme abgelehnt, weil überall noch Versatzstücke der sozialen Marktwirtschaft zu finden sind? Doch den Nationalsozialismus kann man ruhig als "sozialistisch" bezeichnen, auch wenn er wesentliche Punkte sozialistischer Ideologie nicht umgesetzt hat - und die Führungskräfte diese Punkte nicht einmal umsetzen wollten?
agentP schrieb:Was ist denn der Nationalsozialismus letzendlich anderes gewesen als ein Sozialismus, der den Klassenfeind durch den Rassenfeind und die Arbeiterklasse durch die Rasse ersetzt hat. Gerade die Wirtschaftspolitik des 3. Reichs war doch klassisch sozialistisch: Umverteilen, staatliche Investitionen um die Probleme zu kaschieren und Planwirtschaft.
Zweifellos gab es ein paar planwirtschaftliche Elemente - doch einige planwirtschaftliche Elemente machen noch keinen Sozialismus.... und selbst eine vollständige Planwirtschaft wäre an sich noch kein "Garantie" für ein sozialistsiches System...
Industries and trusts were not nationalised in Nazi Germany, with the exception of private rail lines (nationalised in the late 1930s to meet military contingencies). The only private holdings that were expropriated were those belonging to Jews. These holdings were then sold or awarded to businessmen who supported the Nazis and satisifed their ethnic and racial policies. Military production and even film production remained in the hands of private industries whilst serving the Nazi government, and many private companies flourished during the Nazi period. The Nazis never interfered with the profits made by such large German firms as Krupp, Siemens AG, and IG Farben.
Für deine Sichtweise sprechen immerhin einige Maßnahmen:
Nevertheless, efforts were made to coordinate business's actions with the needs of the state, particularly with regard to rearmament, and the Nazis established some state-owned concerns such as Volkswagen. The Nazis also engaged in an extensive public works program including the construction of the Autobahn system. Independent trade unions were outlawed, as were strikes, much like the labour practices of State Communism.
Daraus würde ich folgern, dass in der Wirtschaftspolitik keine sozialistischen Grundsätze verfolgt, sondern lediglich ein paar gezielte Eingriffe vorgenommen wurden - ohne das "arische" Privatkapital anzutasten...
agentP schrieb:Man könnte natürlich dem Sozialismus zugute halten, daß er im Gegensatz zum Nationalsozialismus alle Proletarier beglücken will und nicht nur die Herrenrasse, aber ehrlichgesagt bezweifle ich, daß es für mich einen Unterschied machen würde, ob ich im Namen der Arbeiterschaft oder der arischen Rasse unterdrückt, eingesperrt oder gar ermordet werde.
Was du hier ins Lächerlich- Unbedeutende zu ziehen versuchst, ist m.W. ein wesentlicher Punkt sozialistischer Ideologie: die Egalität.
Sozialismus bezeichnet egalitäre, politische und ökonomische Theorien, die die Produktion und Verteilung von Leistungen unter gemeinschaftlicher oder staatlicher Lenkung befürworten.
Den von dir verlinkten Text finde ich übrigens nicht unpassend:
In der Tat. Es handelt sich um zwei revolutionäre Diktaturen, die jeden Bereich des Lebens verändern und die Zukunft Europas formen wollten. Sie basierten auf der Bereitschaft, sich im Namen der jeweiligen Utopie über alle traditionellen Werte des Zusammenlebens hinwegzusetzen. Beide Regime verachteten den Rechtsstaat und glaubten, dass für das Kollektiv alle Mittel gerechtfertigt seien, um die utopischen Ziele zu erreichen.
Overy fügt hier m.E. (auch im folgenden) der allgemein bekannten Totalitarismus-These nichts neues hinzu. Es geht nicht um die Frage, ob der Nationalsozialismus als "sozialistisch" zu betrachten ist, sondern - vereinfacht gesagt - um die totalitären Aspekte beider Systeme.
Aussagen wie "Sie basierten auf der Bereitschaft, sich im Namen der jeweiligen Utopie über alle traditionellen Werte des Zusammenlebens hinwegzusetzen" könnte man übrigens durchaus auch auf wirtschaftsliberalistische Ideologien anwenden...
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Was mich an einen Artikel erinnnert :
http://www.ask1.org/redaktion-63.html"(...) Dazu gehört die eigentümliche Staatsfeindlichkeit totalitärer Ideologien, die sich nicht zufällig lieber als Bewegung denn als Partei verstehen. Alles irgend durch Regeln Gebundene, Kontrollierbare und darum Statische muss verdampfen vor dem dynamischen Prinzip der Bewegung. Alles Individuelle, Traditionsbestimmte, kulturell Besondere und Widerständige soll durch den Kapitalismus wie durch ein reinigendes Fegefeuer, an dessen Ende die eine, gleichförmige und erlöste Welt steht." Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1955)
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Winston_Smith schrieb:Alles im allen gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.
Das ist m.E. eine Frage der persönlichen Bewertung, durch deren Beantwortung sich vor allem der persönliche Blickwinkel offenbart.