Occupy Everything

Aphorismus

Ehrenmitglied
Registriert
22. Dezember 2004
Beiträge
3.690
Weshalb ich mit diesem ganzen Haufen nichts anfangen kann...

1. Niemand weiß, was die - außer einer stärkeren Bankenkontrolle - überhaupt wollen. Stärkere Regulierung des Finanzsektors ist vollkommen unstrittig, gesamtgesellschaftlicher Konsens und dazu muss man nicht auf die Straße marschieren. Andere Ziele gibt es nicht.

2. Die Rhetorik ist absolut daneben, arrogant und absichtlich provozierend. Beginnen wir mit "Occupy" - "besetzen". Das ist ein militärischer Terminus, der absolut nichts mit Demokratie oder basisdemokratischen Prinzipien zu tun hat. Dann gibt es da noch die "99%", für mich der absolute Gipfel der Arroganz. Wie kommen die überhaupt dazu zu behaupten, sie würden 99% der Gesellschaft vertreten? Ich habe die nicht gewählt, aber anscheinend glauben die, dennoch für mich zu sprechen. Das stört mich.

3. Die Faxen stören mich auch. Wenn jemand eine gute Idee hat, dann soll er die gerne publik machen - aber muss man dazu wirklich einen Wikingerhelm aufsetzen und jonglieren? Ich kann Leute einfach nicht ernst nehmen, die für mich genau so wirken wie die Leute, denen man komplett verstrahlt um halb fünf morgens auf der Fusion begegnet.

4. Das laute Wiederholen (Stichwort: "Mic Check") von allem, was irgendjemand sagt, erinnert mich unwillkürlich an das "Sieg..." (und die Menge brüllt:) "Heil!!!" der Nazis. Ich habe mich außerdem mit Hypnose, neuro-linguistischem Programmieren und Trance-induzierenden Methoden und Sprachpatterns lange genug auseinandergesetzt um zu wissen, dass es keine bessere Methode als rhythmisches, gedankenloses Nachplappern gibt um zu garantieren, dass das Gesagte vom Zuhörer nicht vernünftig reflektiert werden kann. In China läuft nahezu sämtlicher Schulunterricht ganz genau so ab, und das ist auch der Grund, weshalb die kommunistische Partei so lange ungestört herrschen kann - kritisch denkende Individuen züchtet man so nicht heran.

5. Genau wie die Tea Party-Bewegung in den USA ist auch die Occupy-Bewegung eine gesellschaftliche Kraft, die versucht die gesellschaftlichen Entscheidungsfindungsprozesse von den demokratischen Institutionen weg und auf die Straße zu verlagern. In letzter Konsequenz führt dieses als "basisdemokratische Initiative" verpackte Konzept zu nichts anderem als einer Polarisierung der Gesellschaft, Entkräftung der demokratischen Institutionen und - das ist ein Erfahrungswert - gewaltsamen Ausschreitungen. Das hatten wir alles schon einmal in der Weimarer Republik. Erst kommt eine Finanzkrise, dann hören die Leute auf die etablierten Parteien zu wählen und gehen lieber auf die Straße, als zu wählen. Damals hieß das rechts Stahlhelm und links Rotfront. Wozu das führt sieht man ja auch (unter anderem am Erfolg der mir recht sympathischen Piraten, aber auch am Wiedererstarken der NPD): Die Leute wählen genau wie damals tendenziell eher - dabei auch radikale - Kleinparteien, als Parteien der gesellschaftlichen Mitte.

6. Alles, was ich von denen bisher mitbekommen habe, sieht für mich aus wie Kindergarten. Das Wackeln mit den Fingern und die Statements, die da gemacht werden, sind auf dem intellektuellen Niveau einer gymnasialen Mittelstufe. So kann man von mir aus einen Schülersprecher wählen, alles andere ist einfach nur, mit Verlaub, alberne Kinderkacke. Ich erspare uns jetzt die Dutzenden von youtube-Videos von geschminkten, bis unters Dach dichten Honks, die im Rahmen dieser Occupy-Geschichte kompletten Scheiß reden, ohne dass irgendjemand ihnen widerspricht. Das bringt mich dann auch zum vorerst letzten Punkt:

7. Die nehmen jeden. Egal ob es die Deppen sind, die glauben, dass die jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung das WTC an 9/11 gesprengt hat, oder Gegner von vollkommen harmloser und absolut sinnvoller Impfungen - jeder Idiot kriegt da eine Plattform. (So'n bisschen wie hier...)

Zusammenfassung: Ich verstehe nicht, was an einer Gruppe gut ist, die:

* die Gesellschaft radikalisiert und polarisiert
* zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil aus klar als solchen erkennbaren Idioten besteht
* absolut kontraproduktive Mittel einsetzt um einen wie auch immer gearteten Konsens zu finden
* und zu keinem Konsens kommt (außer, dass der Finanzsektor stärker reguliert werden muss, was so gut wie jeder Politiker - selbst in der FDP - auch so sehen wird).
 

dkR

Forenlegende
Registriert
10. April 2002
Beiträge
6.523
Aber die sind irgendwie dagegen. Das ist doch quasi gesellschaftlicher Konsens, dass es so nicht wietergehen kann.
 
G

Guest

Guest
Sowieso albern. Reine Folklore Veranstaltung.

Als ob es die Leute, die das große Rad drehen tangieren würde, daß ein paar Typen auf der Straße mit Schildern im Kreis laufen und irgendwas fordern.

1. Wer was fordern will, braucht ein Druckmittel - haben die nicht - FAIL #1

2. Glauben die allen Ernstes die großen Finanzhaie und Wallstreet Bankster würden wegen denen in sich gehen, erkennen daß sie das Falsche tun und ihr erfolgreiches Geschäftsmodell aufgeben? Warum sollten sie - siehe #1 - Fail#2.

3. Solange die Occupies die Typen ihre Banken rein und wieder raus lassen, ist das ganze sowieso ein Witz. Fail #3

Kindergarten das. Auch wenn´s gut gemeint ist, völlig ineffizient und wirkungslos.
 

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
Ich schließe mich dkr an. Ocuppy zeigt eine Unzufriedenheit an, die quer durch die Gesellschaft läuft. Das da auch Wut mitspielt, sollte niemanden verwundern. Occupy mag wieder versanden oder nicht und die Typen mögen kindisch wirken oder nicht, aber

a) sollte man diese Leute trotzdem ernst nehmen. (Mir ist im Geschichtsunterricht beigebracht worden, dass Hitler u.A. dadurch aufsteigen konnte, weil er von der Mehrheit und dem Ausland nicht ernstgenommen worden ist.) Integration statt Extegration.

b) Es kann ja durchaus sein, dass Occupy aus den Kinderschuhen wächst, einen Prozess der Selbstfindung durchläuft und lernt sich besser zu organisieren und zu artikulieren.
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.834
Aphorismus schrieb:
5. Genau wie die Tea Party-Bewegung in den USA ist auch die Occupy-Bewegung eine gesellschaftliche Kraft, die versucht die gesellschaftlichen Entscheidungsfindungsprozesse von den demokratischen Institutionen weg und auf die Straße zu verlagern. In letzter Konsequenz führt dieses als "basisdemokratische Initiative" verpackte Konzept zu nichts anderem als einer Polarisierung der Gesellschaft, Entkräftung der demokratischen Institutionen und - das ist ein Erfahrungswert - gewaltsamen Ausschreitungen.

Alles schön & gut, aber haben nicht unsere demokratischen Institutionen es bewirkt, zumindest aber billigend in Kauf genommen, dass

- die Reallöhne für die unteren und mittleren Einkommen seit Jahrzehnten kontinuierlich gesunken sind ?
- die Gehälter für Führungskräfte im selben Zeitraum exponentiell gestiegen sind ?
- Finanzprodukte geschaffen wurden, die kein Mensch mehr versteht und die keinen Bezug mehr zur realen Wirtschaft haben ?
- die große Masse, ja ihre Kinder und Enkel wieder einmal in diversen "Rettungsschirmen" die Zeche bezahlen dürfen, während die, die dafür verantwortlich sind, nach wie vor fette Saläre einstreichen ?
- die Wichtigtuer der Rating-Agenturen die Schicksale ganzer Nationen bestimmen ?

Wenn unsere demokratischen Institutionen derart versagen - was bleibt denn da den Menschen noch an - demokratischen - Methoden, als der Gang auf die Strasse ?
 

Ein_Liberaler

Forenlegende
Registriert
14. September 2003
Beiträge
9.777
Es geschehen noch Zeichen und Wunder - Aphorismus ist wieder da und schreibt Sachen, die ich komplett unterschreiben kann, insbesondere Punkt 5.
 

DrJones

Ehrenmitglied
Registriert
21. Mai 2002
Beiträge
2.172
Auch wenn ich Aphorismus in den meisten Punkten Recht gebe, ist diese
Occupy Bewegung einfach etwas, mit dem Menschen ihr Ohnmachtsgefühl ein Stückweit abbauen können.
 

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
Punkt 5: Polarisierung der Gesellschaft. Ihr macht ja fleißig mit. Ihr nennt nur Punkte, die euch von denen trennen.
 

dkR

Forenlegende
Registriert
10. April 2002
Beiträge
6.523
Die einigen sich erstmal was sie wollen und dann entscheide ich, ob ich mich damit identifizieren kann. Einverstanden?
 

agentP

Forenlegende
Registriert
10. April 2002
Beiträge
10.115
Als ob es die Leute, die das große Rad drehen tangieren würde, daß ein paar Typen auf der Straße mit Schildern im Kreis laufen und irgendwas fordern.

Es erzeugt Publicity und jede Publicity ist gute Publicity, wie man in der PR-Branche so schön sagt.
 

dkR

Forenlegende
Registriert
10. April 2002
Beiträge
6.523
dkR schrieb:
Die einigen sich erstmal was sie wollen und dann entscheide ich, ob ich mich damit identifizieren kann. Einverstanden?
Btw. kann mir bei der Gelegenheit mal jemand erklären, wieso die Banken an Staatsverschuldung schuld sind.
 

agentP

Forenlegende
Registriert
10. April 2002
Beiträge
10.115
und zu keinem Konsens kommt (außer, dass der Finanzsektor stärker reguliert werden muss, was so gut wie jeder Politiker - selbst in der FDP - auch so sehen wird).

Dann wäre vielleicht das ein Punkt, den man der Bewegung zugute halten müsste, dass sie daran erinnern, denn der erste Höhepunkt der Finanzkrise liegt mehr als 3 Jahre zurück und soweit ich das verfolge ist Maßnahmenkatalog bezüglich Reglementierung des Finanzsektor bislang recht dünn. Manche sagen so dünn, dass er gegen das Licht praktisch kaum zu sehen ist. Und das trotz des angeblichen Konsens.
 

haruc

Ehrenmitglied
Registriert
16. Dezember 2002
Beiträge
2.494
dKr schrieb:
Btw. kann mir bei der Gelegenheit mal jemand erklären, wieso die Banken an Staatsverschuldung schuld sind.

Banken, das heißt die Bankbonzen, sind schlechte Menschen, weil sie darauf bedacht sind Profit zu machen. Deswegen zwingen die dem Staat Geld auf, der davon eigentlich mehr als genug hat. Man könnte ja auch die Katholische Kirche enteignen, das sind auch stinkreiche Bonzen. Oder Bill Gates, das ist so ein Kapitalist, der schon Milliarden hat und nur daran denkt noch reicher zu werden.
Ja, das mit den Banken, die Staaten Geld leihen ist wie mit dem Heroindealer und dem dummen aber braven Kind. Und zwar genau so und nicht anders! Weil die Banken, wenn sie erstmal den Staat mit Geld angefixt haben, sind ganz unverschämt und wollen dann vom Staat wieder Geld haben! Die könnten dem das doch auch schenken! Aber dafür muss der Staat wieder Kredite aufnehmen um die Schulden, die er bei den Banken hat, zu bezahlen.

Deswegen müssen Banken zuerst enteignet und dann verstaatlicht werden! Weil dann kann der Staat sich selbst Zinsen für die Schulden zahlen, die er bei sich selbst hat, und wird dadurch unendlich reich!
Außerdem sollten wir Roboter für uns arbeiten lassen, ihnen kein Geld bezahlen (das Geld, das Privatunternehmen dadurch sparen verteilt der Staat als Grundeinkommen an alle) und den Robotern aber schreckliche Steuern aufbrummen. Mindestens 2000%. Dann müssen die nämlich Kredite aufnehmen, aber weil das keine Menschen sind, können die Banken denen nix.

So einfach ist das!
 

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
Aber es waren doch Banken, die aufgrund fauler Kredite und Wetten kurz vor dem Kollaps gestanden haben, so dass sie mit Steuergeldern gerettet werden mußten, um dann nach der Krise wie bisher weiterzumachen. Auf die bezieht sich doch der Unmut der Occupier.

Deshalb sollen die Banken doch zu einer Erhöhung des Eigenkapitals gesetzlich verpflichtet werden.

Und dann ist da doch das Argument gewesen, dass der Finanzmarkt sich schon vor über zehn Jahren von der Realwirtschaft abgekoppelt hat und deshalb die realen Verhältnisse nicht mehr korrekt wiedergibt. Der Finanzmarkt habe eine Art Eigenleben entwickelt und blöderweise schlüge sich dieses Eigenleben in großem Maße negativ auf die Realwirtschaft nieder.

Wenn alle Welt über ihre Verhältnisse lebt (damit meine ich hier gerade die Staaten) und Banken diese Verhältnisse unterstützen, wenn nicht sogar befördern, dann tragen auch die Banken schuld an den Staatsschuldenkrisen. Oder ist diese Sicht eine zu simple?
 

Ein_Liberaler

Forenlegende
Registriert
14. September 2003
Beiträge
9.777
Die Banken versuchen bloß, in dem Rahmen, den ihnen der Gesetzgeber steckt, Gewinne zu machen. Wenn dieser Rahmen verantwortungslose Opportunisten begünstigt, werden die erfolgreichsten Banken und Fonds bald diejenigen sein, die von verantwortungslosen Opportunisten geführt werden. Die konservativ wirtschaftenden Institute werden marginalisiert. Und wenn es dann die bekannten Drehtürkarrieren zwischen Weißem Haus und Großbanken gibt, dann ändert sich auch der gesetzliche Rahmen nicht.

Wenn die Fed billiges Geld in den Markt schüttet, werden immer gewagtere und unrentablere Projekte damit finanziert. Wenn der Staat sagt, he, wenn ihr nicht den Schwarzen und Hispanics Hypothekenkredite entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung gebt, dann versichere ich euch nicht mehr und schicke vielleicht auch mal die Steuerfahndung vorbei, dann werden riskante Hypothekenkredite vergeben, und dann werden gewiefte Makler dafür bezahlt, die schlechten Risiken jemand anderem anzudrehen.
 

Simple Man

Forenlegende
Registriert
4. November 2004
Beiträge
8.452
Ein Liberaler schrieb:
Die Banken versuchen bloß, in dem Rahmen, den ihnen der Gesetzgeber steckt, Gewinne zu machen.
Mhh, mal doof gefragt - wenn ich mit meinem Auto mit knapp 180 Sachen durch die Gegend brettere und dann jemanden überfahre - bin dann ich schuld oder derjenige, der das Auto gebaut hat? :gruebel:
 

agentP

Forenlegende
Registriert
10. April 2002
Beiträge
10.115
Ein_Liberaler schrieb:
Es geschehen noch Zeichen und Wunder - Aphorismus ist wieder da und schreibt Sachen, die ich komplett unterschreiben kann, insbesondere Punkt 5.

Dazu habe ich ein paar Fragen zu Punkt 5:
1.) Woran lässt sich ablesen, dass eine Tendenz hin zu (radikalen) Kleinparteien besteht? Wahlergebnisse der letzten Jahre? Gut die FDP hatte bei der letzten Bundestagswahl ein historisches Ergebnis! Aber sonst?
Und ob es die Piraten außerhalb von Großstädten bzw. auf Bundesebene packen bleibt noch abzuwarten?

2.) Woran lässt sich das angebliche Wiedererstarken der NPD festmachen? Das bisschen Zuwachs lässt sich meines Wissens ganz prima auch mit der Fusion mit der DVU un deren Wählerpotential erklären.

3.) Hat sich was geändert, seit ich mal im Sozialkundeunterricht und später im Proseminar gelernt habe, dass Bürgerinitiativen, Vereine, Verbände im Sinne unserer Verfassungsväter das (verfassungsmäßige) Recht und die (moralische) Pflicht haben, sich am demokratischen Entscheidungsfindungsprozess zu beteiligen?

3.) Oder dass das verfassungsmässig geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit ein legitimes, demokratisches Mittel der Meinungsäußerung ist?

4.) Was erinnert jetzt genau an der Occupy- oder Tea-Party-Szene stärker an Weimar, als 68 oder in den 70ern und 80ern mit Friedens- und Anti-Atombewegung und Demonstrationen und Kundgebungen, die bei weitem mehr Teilnehmer hatten, als alles was Occupy zumindest in Deutschland bisher auf die Beine gestellt hat und die uns offensichtlich auch nicht gerade zurück in die Diktatur gebracht haben?

Ich mein, mir geht die Occupy Bewegung völlig am verlängerten Rücken vorbei, aber ihnen eine derartige zentrale Bedeutung in der politischen Landschaft zuzumessen ist dann doch zuviel der Ehre.
 

Ein_Liberaler

Forenlegende
Registriert
14. September 2003
Beiträge
9.777
1. Grüne und Linke sind ebenfalls radikale Kleinparteien. Bei den Volksparteien handelt es sich um SPD und Union.

3. + zweites 3. Ich ordne die Bewegung in die gewalttätigen Proteste gegen Regierungsgipfel und gegen den Stuttgarter Bahnhofsumbau ein. Ich sehe eine klare Absicht, demokratische Strukturen durch den Druck der Straße zu ersetzen.

4. Die nehmen sich nichts.

Ein Wiedererstarken der NPD gibt es nichts. Der rechte Rand ist so tot wie eh und je.
 
Ähnliche Beiträge
Autor Titel Forum Antworten Datum
A Everything is wrong Kreativecke 0

Ähnliche Beiträge

Oben