Hat Sarrazin nicht ev. doch Recht?

dkR

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Also werden Integrationsprobleme und auch die rechte Szene deiner Meinung nach von Soziologen am Leben erhalten, um Geld abzuschöpfen? Das klingt für mich vollkommen logisch, ja.
Zum Teil. Integrationsprobleme werden am Leben gehalten, angeblich ausländerfeindliche Tendenzen herbeigeredet, ja.
Soziologie auf dieser Ebene ist ein rein akademisches Konstrukt, das mit der Realität nicht das geringste zu tun hat.

Die rechte Szene sind halt einfach Vollpfosten, die linke auch, so what? Kamma nix machen.
 

hives

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dkR schrieb:
Also werden Integrationsprobleme und auch die rechte Szene deiner Meinung nach von Soziologen am Leben erhalten, um Geld abzuschöpfen? Das klingt für mich vollkommen logisch, ja.
Zum Teil. Integrationsprobleme werden am Leben gehalten, angeblich ausländerfeindliche Tendenzen herbeigeredet, ja.
Aha, da werden dann Umfragen gefälscht, oder wie stellst du dir das vor?
 

dkR

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Man muß doch sowas nicht fälschen. Man kann sie erst entsprechend formulieren und anschließend zielorientiert auswerten.

Btw. was haben die Umfragen für einen Effekt? Die Medien regen sich 5 Minutne auf, die Berufsempörten sind empört, vielleicht streut sich irgendein Politiker zwei Krümel Asche aufs Haupt.
Interessiert keinen.
 

hives

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dkR schrieb:
Man muß doch sowas nicht fälschen. Man kann sie erst entsprechend formulieren und anschließend zielorientiert auswerten.
Da bin ich ja froh, dass du die Wissenschaft auf diese Probleme hinweist, die ja generell nicht in der entsprechenden Fachrichtung diskutiert werden. ;)

Btw. was haben die Umfragen für einen Effekt? Die Medien regen sich 5 Minutne auf, die Berufsempörten sind empört, vielleicht streut sich irgendein Politiker zwei Krümel Asche aufs Haupt.
Interessiert keinen.
Ja, dass Ergebnisse der Integrationsforschung selten in der Politik oder den Medien adäquat rezipiert werden, ist für mich nix neues und wird ja auch im aktuellen Fall mal wieder deutlich. Dies ist jedoch in anderen Fachgebieten ähnlich und kann nicht, oder nur in begrenztem Maß, den Wissenschaftlern zugeschrieben werden. Nebenbei bemerkt: Dass auch in der Integrationsforschung sehr kritikwürdige Arbeiten erscheinen, würde ich nie bezweifeln, aber die Integrationsforschung an sich abzulehnen steht für mich auf einer ähnlichen Ebene wie die grundsätzliche Ablehnung der Schulmedizin in der Esoszene.
 

Goatboy

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Was stand denn nun eigentlich wirklich in dieser Studie? Irgendwie werde ich aus all der Empörung nicht schlau. Ist es denn nun so, dass gemäß der Untersuchung ein Fünftel (oder ein Viertel?) der Moslems in Deutschland die Integration verweigert? Oder bezieht sich die Fraktion auf eine bestimmte Subgruppe? Oder ist der Wert völlig erfunden? Ich habe leider nicht die Zeit, die 760 Seiten zu lesen und wäre wirklich dankbar, wenn jemand, der das durchblickt, seine Erkenntnis teilen könnte.
 

hives

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Da ich die 760 Seiten nicht vollständig, sondern nur auszugsweise gelesen habe, finden sich in meiner Darstellung sicher ein paar Fehler:

Die Studie besteht aus mehreren Teilstudien, die unterschiedliche Daten, Fragestellungen und Erhebungs- sowie Analyseverfahren beinhalten. Was ich bisher so gelesen habe, zeugt zumindest davon, dass die Autoren sich Gedanken über kausalanalytische Fragestellungen gemacht haben, auch wenn ich von manchen verwendeten Verfahren nicht begeistert bin.

Die eigentliche Fragestellung lautete jedenfalls nicht einfach "wieviel Prozent der Muslime in Deutschland lehnen Integration ab?" im Sinne einer repräsentativen deskriptiven Auswertung, sondern es ging um die Entwicklung von theoretisch und empirisch fundierten Kriterien für die Bewertung von Radikalität:

Welche Kriterien lassen sich empirisch begründen, um junge Muslime in Deutschland auf der Grundlage ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen als integriert beziehungsweise radikalisiert und unter Umständen extrem islamistisch beurteilen zu können.
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/D...2012/junge_muslime.pdf?__blob=publicationFile
(S. 595)

Zu diesem Zweck wurden auch "Akkulturationsziele" untersucht, u.a. in einer Clusteranalyse, die bei den deutschen Muslimen u.a. zu einem Cluster mit 21,7 Prozent der Befragten führte, dem "starke Separationsneigungen" zugeschrieben wurden, da dem Bewahren der Herkunftskultur eine große Rolle zugeschrieben wurde, die Übernahme der deutschen Kultur jedoch eher abgelehnt wurde (bei den nichtdeutschen Muslimen umfasste dieser Cluster fast 50% der Befragten). Ohne es weiter geprüft zu haben, vermute ich, dass diese durch Custeranalyse gebildete Gruppe die Basis der Meldungen ist, da sie auch prominent in der Zusammenfassung auftaucht.

Dieser Befund belegt m.E. nicht direkt, inwiefern sich Muslime integrieren wollen oder die Integration verweigern, denn hier geht es m.E. um den Teilaspekt Akkulturation, aber die Autoren interpretieren es teils selbst in dieser Weise, denn sie schreiben an der Stelle von "Integration befürworten" - aber eben auch von einer "die eigene Herkunftskultur betonenden Haltung", was es m.E. besser trifft. Das hört sich vielleicht ein wenig nach Neusprech an, doch viel mehr steckt m.E. in den relevanten Items der Fragebögen nicht drin, wenn mein kurzes Querlesen mich nicht getäuscht hat. "Ablehnung von Akkulturation" wäre vllt. passend. Das alles sagt jedenfalls m.E. nichts darüber aus, ob die Leute als gesetztestreue arbeitende Bürger in Deutschland leben möchten.

[edit]: siehe unten
 

antimagnet

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damn, war hives schneller...

das hier sind die prozentzahlen der studie, die so gerne von den ̶s̶̶c̶̶h̶̶r̶̶e̶̶i̶̶h̶̶ä̶̶l̶̶s̶̶... medien übernommen wurden:

muslime.jpg


die rötlich eingefärbten werden dabei je nach präferierter lautstärke zusammengezählt.

im schon verlinkten bildblog steht's zwar auch, aber ich kann den hinweis der autoren auch gerne hier noch einmal wiederholen:

das autorenteam der [url=http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2012/junge_muslime.pdf?__blob=publicationFile schrieb:
studie[/url]]Hinweis: Wichtig ist an dieser Stelle, noch einmal darauf hinzuweisen, dass diese und die folgenden Prozentangaben keinesfalls weder auf alle in Deutschland lebenden Muslime im Allgemeinen noch auf alle in Deutschland lebenden jungen Muslime im Alter von 14 bis 32 Jahren hochgerechnet werden können und dürfen.

auch in dem dort verlinkten interview mit wolfgang frindte, einem der autoren der studie, finden sich ein paar sätze zur aussagekraft der gehypten ergebnisse.
 

hives

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Mir ist gerade aufgefallen, dass bei einer der Clusteranalysen auch die Radikalisierungstendenzen als diverse Indikatoren einbezogen wurden - was ich weiter oben über Akkulturation geschrieben habe, gilt jedoch nur für die Ergebnisse der Clusteranalyse, die sich ausschließlich auf Akulturationsziele bezog. Bei einer der anderen war neben diversen Vorurteilsindikatoren u.a. religiöser Fundamentalismus und ideologisch fundierte Gruppengewalt dabei - das geht dann teilweise schon deutlich weiter als die Form der Akkulturation, die ich weiter oben im Sinne hatte, aber ob es sich bei dem Gesamtbild der betreffenden Cluster um Intergrationsverweigerung handelt, kann wohl totzdem bezweifelt werden, weshalb das Ganze m.E. trotzdem nicht unbedingt als "x% der Befragten lehnen Integration ab" gelesen werden sollte, was die Autoren jedoch offenbar mehr oder weniger tun. Naja, ansonsten siehe anti ;)
 

Goatboy

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Ich danke euch für die Darstellungen. Wenn man nun von Interpretationsversuchen bezüglich der Integrationsverweigerung absieht (denn das scheint im gegebenen Fall ja nicht völlig deutlich zu sein) und den ersten Balken aus dem von antimagnet aufgeführten Diagramm betrachtet, dann sieht man unter den deutschen Muslimen mit der Beschreibung "streng religiöse mit starken abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz" mehr als 15%, was ich für die genannten Attribute für einen sehr hohen Anteil halte. Lassen wir die 24% der nichtdeutschen Muslime, auf die das zutreffen soll, hier einmal beiseite, die 15% finde ich genug. Gestehen wir der Studie (spekulativ) ein nicht ganz optimales Design und einen Erhebungsfehler von rund einem Drittel zu und nehmen an, dass der wahre Wert irgendwo bei 10% liegt. Dann wäre immer noch jeder zehnte deutsche Moslem dem Westen gegenüber abgeneigt, würde Gewalt tendenziell akzeptieren und hätte kein Interesse an Integration. Dies öffentlich zu bemängeln, finde ich nun nicht unbedingt falsch. Der Stil der Bild ist ein anderes Thema, aber der ist ja nicht nur Moslems gegenüber unfein. Warum sollte sie sich hier also mehr zurückhalten als gegenüber Blondinen, Börsenmaklern oder Griechen?

Ich erinnere an eine andere Studie, die vor gar nicht langer Zeit erschien und aussagte, bei 20% aller Deutschen bestünden antisemitische Tendenzen. Nun hat das keine so hohen Wellen geschlagen, aber von denjenigen, die darüber berichteten, hielt es niemand für nötig, demonstrativ empört zu erklären, die anderen 80% seien ja aber anständig und über Antisemitismus in Deutschland zu reden würde alle Deutschen diskriminieren und überhaupt und der deutsche Busfahrer und Müllmann und Bäcker seien ja so nette Leute. Die Frage ist ernst gemeint: täusche ich mich oder findet hier wieder eine Gängelung der Moslems statt? Ich habe es irgendwann schon einmal geschrieben und wiederhole es gerne, wäre es nicht toll, wenn die Verteidiger das täten, was sie selbst fordern, nämlich Moslems so zu behandeln wie alle anderen auch? Das bedeutete nämlich auch, sich nicht nach jedem Zeitungsartikel schützend vor sie zu stellen - das können die Moslems durchaus selbst, wenn sie es für richtig halten. Es bedeutete weiterhin, sie zu kritisieren, wenn Kritik angebracht ist, und wenn Unklarheit darüber besteht, ob sie angebracht ist, eine Diskussion darüber zu ermöglichen, ohne sie mit Geschichten über Busfahrer und Müllmänner im Keim ersticken zu wollen.
 

erik

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Das problem sind doch hier bereits die Zuschreibungen.

"Moslem"
"Deutscher"
"deutscher Moslem"

Obwohl ich goatboys Ausführungsen ausnhamsweise mal prinzipiell zustimmen muss sind solche (statistischen) Verallgemeinerungen immer Blödsinn.

Sonst ist ganz schnell nachgewiesen dass die 10% integrationsunwilliger deutscher Moslems und die 20% anitsemitischer Deutscher möglicherweise eine Schnittmenge bilden...*hust*

Auch wenn wir da bei Religion schon wieder ein heikles Thema ankratzen, wieso werden diese Menschen ob integriert oder nicht, nach ihren Religion kategorisiert? Das ist der Fehler.
 

dkR

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Weil das einfacher ist, als nach "Herkunft". Und politisch korrekter, außerdem tun sie es selbst. :egal:
 

erik

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Aber das ist doch so, als würde man Statistiken immer noch "Christen", "Atheisten", "sonstige" aufschlüsseln.
Klar, dass sich da die "normalen Gläubigen" nicht besonders freuen und distanzieren wollen, wenn sie nur aufgrund ihrer Religion mit anderen in einen statistischen Topf geworfen werden.
 

hives

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@goatboy: da stimme ich dir grundsätzlich durchaus zu. Natürlich muss man auf existierende Probleme hinweisen können. Aber dass es Integrationsprobleme gibt, ist doch keine unterdrückte Wahrheit, die jetzt endlich in einer Studie belegt wurde. Auch von der eigentlichen Zielsetzung der Studie abgesehen gab es recht interessante Ergebnisse der kleineren Teilprojekte und Exkurse (siehe etwa S. 574ff.), ebenso wie "praktische Anregungen" (S. 644ff.), über die man eigentlich viel schreiben könnte, gleich ob kritisch oder wohlwollend. Öffentlich wird das meiste m.W. kaum diskutiert - m.E. auch deshalb, weil es nicht so gut zu den liebgewonnenen Stereotypen passt wie die einfache Feststellung, dass es einige nicht-integrierte Muslime gibt. Letzteres kann man gerne jeden Tag 5x wiederholen, aber man verbessert die Situation dadurch nicht wirklich. Nur die Problemfälle immer wieder durch's Dorf zu treiben, kann der Debatte m.E. massiv schaden, vor allem dann, wenn auf beiden Seiten schon Skepsis und Ablehnung existiert.

@erik: Naja, die Gruppe wird ja nicht von Statistikern erfunden, und ich vermute auch, dass Vorurteile gegenüber der spezifischen Gruppe nicht durch entsprechende Statistiken entstehen, sondern auch durch die zielgerichtete Aufbereitung von Ergebnissen in diversen Medien in erster Linie "nur" verstärkt werden. Ein Ignorieren der öffentlich verwendeten und mit Stereotypen versehenen Kategorien und Gruppierungen durch Statistiker würde m.E. nur dazu führen, dass Vorurteile vollkommen ohne Gegenpart in den Medien breitgetreten werden. So fragt sich vielleicht sogar der ein oder andere Bild-Leser "naja, aber was ist denn nun mit den 80%?" - ohne Statistik wäre wohl auch vor allem von "Integrationsverweigerung" die Rede, dann eben ganz ohne Prozentangaben...
[edit] Auch sollte man an dieser Stelle nochmal erwähnen, dass es bei der Studie ja eben gerade um die Entwicklung von Kriterien ging, "um junge Muslime in Deutschland auf der Grundlage ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen als integriert beziehungsweise radikalisiert und unter Umständen extrem islamistisch beurteilen zu können" (S. 595, s.o.), was eben bedeutet, dass normale Gläubige nicht mehr "nur aufgrund ihrer Religion mit anderen in einen statistischen Topf geworfen werden" sollen, sondern verschiedene Untergruppen ihren eigenen Cluster bekommen ;)
 

Goatboy

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hives schrieb:
Aber dass es Integrationsprobleme gibt, ist doch keine unterdrückte Wahrheit, die jetzt endlich in einer Studie belegt wurde.
Das nicht. Aber die Unterscheidung zwischen Integrationsproblemen im Allgemeinen und der Betrachtung dessen, wer Integrationsprobleme hat, im Speziellen, wird ungern vorgenommen. Denn gerade da kommen Moslems in Deutschland deutlich schlechter weg als andere. Wann hat man schon einmal von Integrationsproblemen von jugoslawischen Einwanderern gehört? Oder von vietnamesischen? Hatten die es etwa leichter, wurde vor ihnen der rote Teppich ausgerollt?

Die Zeit schrieb:
Angeworben Mitte der achtziger Jahre, erlebten die Arbeitsmigranten aus dem sozialistischen Bruderland nach der Wende in Ostdeutschland häufig den Absturz in Arbeitslosigkeit und Armut, sie waren isoliert, wurden zum Opfer von Fremdenhass. Ihre Kinder jedoch sind nun dabei, mit ungeheurem Fleiß und Bildungsdrang die deutsche Gesellschaft zu erobern. [...] Wer etwa meint, dass Bildungsarmut stets soziale Ursachen hätte, sieht sich durch das vietnamesische Beispiel widerlegt. Auch die These, Migranteneltern müssten selbst gut integriert sein, damit ihr Nachwuchs in der Klasse zurechtkomme, trifft auf die ostasiatischen Einwanderer nicht zu. Gewiss, vietnamesische Eltern der ersten Generation hatten – anders als die Türken oder Italiener – oftmals selbst einen höheren Schulabschluss. Aber auch sie sprechen meist kaum Deutsch, leben in einer Nische unter sich und bilden so etwas wie eine Parallelgesellschaft.
Nein, für sie gab es keine Integrationsbeauftragten, keine deutsch-vietnamesische Konferenz, niemand hat verlangt, kroatische Feiertage in Deutschland einzuführen, kein Bundespräsident sprach, die bosnische Kultur gehöre zu Deutschland, um die Migranten milde zu stimmen. Ist es denn also wirklich so, dass Deutschland den Moslems zu wenig entgegenkommt?

Hier mal ein spekulativer Gedanke, der aus meiner Feder niemanden überraschen wird, und ich möchte betonen, dass es an dieser Stelle erst einmal Spekulation ist. Könnte es denn sein, dass ein wesentliches Problem für die Integration in diesem Zusammenhang die Religion darstellt? Wir sehen, so auch in der aktuellen Studie, dass bei Moslems Gewaltbereitschaft und Abneigung gegenüber dem Westen mit strenger Religiosität zusammenhängen. Auf der anderen Seite sind Ex-Jugoslawen selten religiös (trotz der grausamen Zwangsbekehrungen durch die Ustascha und den Vatikan), mehr als 80% aller Vietnamesen sind Atheisten. Ist das reine Korrelation oder steht dahinter womoglich eine Kausalität?
 

antimagnet

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Goatboy schrieb:
Könnte es denn sein, dass ein wesentliches Problem für die Integration in diesem Zusammenhang die Religion darstellt?

wie wäre es mit religiösem fanatismus statt der bloßen religionszugehörigkeit?


gugge mal, grad gefunden: "Einsicht aller Beteiligten in die Relativität der eigenen Kulturstandards, Werte und Normen" - das ist doch mal eine schöne - potentielle - kausalursache für nicht-integration...
 

hives

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Goatboy schrieb:
Könnte es denn sein, dass ein wesentliches Problem für die Integration in diesem Zusammenhang die Religion darstellt?

Nicht vollkommen abwegig, aber ganz so einfach ist es m.E. auch wieder nicht. Grundsätzlich wird der Religiosität teils eine positive Rolle bspw. bei der Verarbeitung von Akkulturationsstress und auch bei der sozialen Integration von Migranten in ein Aufnahmeland zugespochen. Religiosität an sich ist nicht per se integrationsschädigend - es hängt bspw. auch davon ab, welche Stellung die entsprechende Religion und Religiosität insgesamt im Aufnahmeland einnimmt. Angehörige einer diskriminierten Glaubensgemeinschaft werden natürlich bei stärkerer Religiosität nicht unbedingt integrationswilliger sein, aber bei Glaubensgemeinschaften, die eher von der Mehrheit akzeptiert oder gar geteilt werden, ist das eher der Fall. Die Feststellung, dass Religiosität ein eher integrationshemmendes Merkmal darstellt, wenn die entsprechende Religion in einem Land, das vielleicht auch noch säkularer ausgerichtet ist als die Herkunftsgesellschaft, mehrheitlich abgelehnt wird, ist ja erstmal nicht allzu überraschend. In religiöseren Aunahmekontexten stellt eben u.U. Säkularismus oder Atheismus ein Integrationshindernis dar.
Der Forschungsstand in dem Bereich ist insgesamt nicht sehr beeindruckend, wenn man die Relevanz der Thematik in der öffentlichen Diskussion bedenkt. Für einen positiven Einfluss von Religiosität sprechen bspw. Studien zum Schulerfolg, gesellschaftlicher Partizipation u.ä., wobei es bei positiven Effekten eben i.d.R. um mehrheitsfähige Religionen geht, siehe bspw.:
http://eric.ed.gov/ERICWebPortal/contentdelivery/servlet/ERICServlet?accno=ED476003
 

haruc

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Dass Religion per se nicht "integrationsschädigend" ist, ist imho offensichtlich, handelt es sich dabei doch nur um ein individuelles Attribut unter vielen. Integrationsförderlich ist Religiösität dann, wenn die religiöse Grundprägung des Migranten mit der religiösen Prägung der aufnehmenden Gesellschaft kompatibel ist, da Religion ja auch immer ein Werte- und Normensystem transportiert. Anders siehts freilich aus, wenn Religion des Migranten in keiner Weise kompatibel mit der kulturellen Prägung der aufnehmenden Gesellschaft ist. Dies ist zb. bei Einwanderern muslimischen Glaubens in moderne westliche Länder der Fall. Hier stoßen einfach zwei Welten aufeinander, die Paradigmen gehorchen, die sich einander gegenseitig im Weg stehen. Zumal viele westliche Länder mittlerweile ja nichtmehr nur Christlich, sondern zu allem Unheil auch noch Säkular/atheistisch sind, was aus islamischer Sicht (je nach Grad der Gläubigkeit) ein fürchterliches Unding ist. Das führt im Umkehrschluss dazu, dass diese neue Lebensrealität in höchstem Maße befremdlich, wenn nicht gar beängstigend auf den Einwanderer wirken kann. Eine Folge ist dann wohl auch die Abwendung vom "Fremden" hin zum Wohlbekannten - was wiederum Integration erschwert.

Wenn zb. ein gläubiger katholischer Spanier nach Rosenheim zieht, dann wird ihm diese neue Lebensumwelt mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger fremd vorkommen, als wenn ein gläubiger Schiit aus dem Nordirak nach Rosenheim zieht. Gemeinsame kulturelle Grundlage und gemeinsame Interessen schaffen Berührungspunkte, über die Kontakte geknüpft werden, über die wiederum Integration stattfindet. Das ist ja bei der Sozialisation (so nennt man die gesellschaftliche Integration von Menschen, die keinen Migrationshintergrund haben) nicht anders. Ein Atheist wird sich in einer säkular-christlichen Gesellschaft wahrscheinlich etwas schwerer einfinden können, als ein Katholik in einer katholischen Gesellschaft, aber das hängt wiederum von den Interessen ab. Gläubig im religiösen Sinne bedeutet ja letztendlich auch, dass man dem Glauben in seinem Leben einen hohen Stellenwert einräumt, und das wirkt sich auch auf die Gruppenidentifikation aus. Metalfans z.b. können sich überall auf der Welt mit anderen Metalfans verbrüdern, weil die gemeinsame Schwerpunktsetzung identisch ist.
Fazit: Religion kann eine integrationsschädigende Wirkung haben, wenn die religiöse Prägung (=kulturelle Grundlage) des Einwanderers mit der religiösen Prägung der aufnehmenden Gesellschaft wenig bis gar keine Berührungspunkte aufweist.
 

antimagnet

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haruc schrieb:
Fazit: Religion kann eine integrationsschädigende Wirkung haben, wenn die religiöse Prägung (=kulturelle Grundlage) des Einwanderers mit der religiösen Prägung der aufnehmenden Gesellschaft wenig bis gar keine Berührungspunkte aufweist.

und das passt noch mit den 60% integrierten/integrationswilligen muslime zusammen?
 

haruc

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antimagnet schrieb:
und das passt noch mit den 60% integrierten/integrationswilligen muslime zusammen?

Aber sicher, die Tatsache, dass muslimische Einwanderer überhaupt die einzige Gruppe sind (aber bei Weitem nicht die Größte), bei der sich dieses Problem stellt, spricht doch Bände. Abgesehen davon ist nicht jeder, der auf dem Papier muslimischen Glaubens ist, tatsächlich ein strenggläubiger Muslim. Daher schrieb ich ja in meinem vorherigen Post, dass mit dem Grad der Verinnerlichung der kulturellen Grundregeln, die eine Religion zwangsläufig transportiert, also in gewisser Hinsicht auch mit dem Grad der "Gläubigkeit", die Integration in eine "fremde" Gesellschaft entweder befördert oder erschwert werden kann, je nach dem, inwiefern die jeweiligen Grundregeln kompatibel zueinander sind.

Mir gehts ja gar nicht darum, die Integration von Muslimen zu verhindern. Ich hab nur was dagegen, wenn man aus falsch verstandener P.C. oder ideologischer Verblendung Problemursachen und damit Lösungsmöglichkeiten von vorn herein ausschließt, weil man sie nicht sehen will, und stattdessen lieber im Nebel herumstochert, bis man am Ende bei abstrusen Erklärungen landet, die keinen weiteren Zweck erfüllen, als das eigene Weltbild zu rechtfertigen.

Was bedeutet denn Integration? Doch wohl ganz offensichtlich die Einbindung von Menschen in eine Gesellschaft (so ist der Begriff zumindest in der Soziologie definiert). Eine Gesellschaft muss aber einen Konsens von Regeln haben, aufgrund derer das Gemeinleben stattfindet. Eine je mehr eine Gesellschaft sich über die Regeln einig ist, und umso mehr theoretisch mögliche Berührungspunkte zwischen den Individuen, die eine Gesellschaft konstituieren, existieren, umso homogener ist, sie. Je gringer der Konsens, und folglich je weniger theoretische Berührungspunkte, umso heterogener. Die Integrationsforderung läuft demnach auch auf eine Homogenisierung der Gesellschaft hinaus. Die rein räumliche Eingliederung von Individuen oder einer Gruppe von Individuen in eine Gesellschaft ohne Teilhabe am sozialen Leben (=wenig Berührungspunkte) spricht eher für eine heterogene Gesellschaft, oder das, was euphemistisch auch als "Multikulturelle Gesellschaft" beschrieben wird. Dieser Konsens an Regeln kann man auch "Kultur" nennen. Natürlich sind diese Regeln nicht unabänderlich auf alle Zeiten starr festgelegt, sondern sie unterliegen einem kontinuierlichen Wandel, das heißt: Sie sind anpassungsfähig. Wenn nun jemand, dessen kulturelle Prägung nur wenig Übereinstimmung mit der "Kultur" der aufnehmenden Gesellschaft aufweist, in ebendiese Gesellschaft sich zu integrieren versucht, entstehen nunmal eine Reihe von Konflikten, die die Eingliederung in die Gesellschaft erschweren.
 
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