... die Tür zu einem Dachboden öffnet, auf dem sich Manches angesammelt hat: Ängste, Falschinformationen, Mutmaßungen und jede Menge Projektionen.
Man kann aber evtl. zeigen, dass die Betrachtung des Durchschnitts und eine Ableitung von möglichen Handlungsalternativen (z.B. zur Nivellierung dieses Durchschnitts) aus Statistiken in Bereichen, in denen es um Menschen und Individuen, mit all ihren Emotionen, Vorurteilen, Ängsten etc., geht, schlicht der falsche Ansatz ist und unter Umständen zu falschen Schlüssen führt ...Man kann nicht mit Einzelfällen gegen einen Durchschnitt argumentieren.
Nun ja, geht mir ähnlich, bei mir lief das auch nur im Hintergrund, d.h. ich habe nur mal hin und wieder hingeschaut und nur mit halbem Ohr zugehört ... hatte da aber nicht unbedingt den Eindruck, dass keiner dem Sarrazin das Wasser reichen konnte ... mir ist allerdings auch nicht klar, warum man nicht z.B. Elsbeth Stern, Mario Peucker oder andere (führende) Integrationsforscher eingeladen hat ...wegen solcher Typen wie diesen dreien habe ich jahrelang keinen politischen Talk mehr angehört.
Genau das meinte ich. Danke.Man kann aber evtl. zeigen, dass die Betrachtung des Durchschnitts und eine Ableitung von möglichen Handlungsalternativen (z.B. zur Nivellierung dieses Durchschnitts) aus Statistiken in Bereichen, in denen es um Menschen und Individuen, mit all ihren Emotionen, Vorurteilen, Ängsten etc., geht, schlicht der falsche Ansatz ist und unter Umständen zu falschen Schlüssen führt ...
warum man nicht z.B. Elsbeth Stern, Mario Peucker oder andere (führende) Integrationsforscher eingeladen hat ...
So wie ich das mitbekommen habe bzw. wie ich das hier lese, scheint sie es am lebenden Beispiel gezeigt zu haben ... (dass das bewusst erfolgt ist, kann wahrscheinlich bezweifelt werden)Ein_Liberaler schrieb:Das könnte man vielleicht zeigen, das hat Frau Sevindim aber nicht getan.
Themis schrieb:Ist denn seine jetzige Methodik richtig?
Was kann man denn erwarten, wenn man eine ganze Volksgruppe im Kollektiv abstraft?
Natürlich soll man nicht die Fehlentwicklungen und Unzulänglichkeiten ausklammern oder beschönigen, aber was man mit der pauschalen Erklärung aller Moslems zu Freiwild bezwecken will vertehe ich auch nicht.
Und was meinst Du damit, dass das Wahlvolk sich nicht mehr mit Schaumschläger und Dampfplauderer abspeisen lässt? Was will es denn Deiner Meinung nach hören?
allerdings ist es - sei es auch nur indirekt - als betroffener trotzdem schwer, sich bedingungslos darauf einzulassen.
Märtyrer der Meinungsfreiheit
Weil Sarrazin, von einer Woge der Unterstützung aus dem breiten Volk getragen, seinen hohen Richtern nicht den Gefallen tun und sich selbst als Problem aus der Welt schaffen wollte, haben jetzt auch diese eines mehr. Als Märtyrer der Meinungsfreiheit und Kronzeuge der Anklage breiter Bevölkerungsschichten wird Sarrazin sie noch lange verfolgen.
Entrüstete Äußerungen wie die des Innenministers, die von Sarrazin beschriebenen Defizite seien der Politik doch längst bekannt, klingen in den Ohren vieler Bürger wie der blanke Hohn: Wenn man die Missstände schon so lange kennt, warum wurde dann so wenig zu ihrer Beseitigung getan?
Und warum wird dann derjenige aus Amt und Parteimitgliedschaft gejagt, der nur alte Hüte aufträgt, wenn auch mit Provokationen geschmückt - während die Protagonisten einer verfehlten Einwanderungspolitik weiter durch die Institutionen marschieren und ungeniert behaupten können, sie seien schon immer dafür gewesen, dass Ausländerkinder als erstes Deutsch lernen müssen?
Der Brandgeruch, den manche Sarrazin zuschreiben, hat eine andere Quelle: Es liegt mehr als nur ein Hauch von Rebellion gegen Beschönigung und Bevormundung in der Luft. Wenn die „Volksparteien“ die von Sarrazin aufgegriffenen Sorgen und Ängste nicht schnell ernstnehmen, werden die sich andere Fürsprecher suchen, deren Mäuler sich nicht mit einem Antrag beim Bundespräsidenten stopfen lassen.
Das Gütesiegel für jede populistische Debatte ist der Satz: "Endlich sagt's mal einer."
Was Sarrazin anspricht, das sind die Ängste des Bildungsbürgertums. Er ist auch mitnichten der erste, der diese Ängste anspricht. "Deutschland schafft sich ab" führt letztlich die Debatte fort, die der Philosoph Peter Sloterdijk im vergangen Jahr mit seinem Essay "Aufbruch der Leistungsträger" angestoßen hat. Der entscheidende Unterschied zwischen Sloterdijk und Sarrazin liegt in der Rhetorik und im Denken.
Was Thilo Sarrazin in seinem Buch konstruiert, ist ein in sich stimmiges Weltbild, das von der verführerischen Logik der Demagogie getragen wird. Das ist als solches keine ideologische Domäne der Rechten. Der dezidiert linke amerikanische Dokumentarfilmer und Buchautor Michael Moore beherrscht diese Technik beispielsweise wie nur wenige. Was solch eine Logik zunächst einmal schafft, ist eine unumstößliche Souveränität, denn es zwingt jeden Debattengegner, in diese Logik von außen hinein zu sticheln. Wer souverän ist, der kann sich dazu noch den Luxus des Humors leisten. Da mag Sarrazin seine Defizite haben, doch wer Souveränität und Humor gegen Moral und differenzierte Argumentation ins Feld führen kann, ist rhetorisch im Vorteil. Kein Wunder, dass die moralische Seite der Debatte als Gegenargumente nur Ausschluss und Rauswurf ins Feld führt
Unterdrückte "Wahrheiten"?Auch die gegenwärtige Debatte erhält durch die Frage, ob sein Arbeitgeber - respektive die SPD - ihn feuern sollte, einen besonderen Kick. Aber die Tickets Bundesbank oder SPD braucht Sarrazin nicht mehr; er spielt längst in der Liga derer, die dafür berühmt sind, berühmt zu sein. Als Betriebsnudel wird er den Talkshows und dem Boulevard auch erhalten bleiben.
Nicht aus Sicht der Bank, aber umso mehr aus politischer Sicht ist es nicht die klügste oder wenigstens geschickteste Idee, dem Fehler seiner Ernennung den Fehler seiner Kündigung folgen zu lassen. Als Vorstandsmitglied einer Institution, deren altehrwürdiger Name in keinem Verhältnis zu ihrer gegenwärtigen Bedeutung steht, kann Sarrazin kaum Schaden anrichten. Warum sollte er also nicht Aufgaben wahrnehmen wie zerknitterte Geldscheine aus dem Verkehr zu ziehen?
Ihn jetzt zu feuern bedeutet hingegen, ihn zum Märtyrer zu machen...
Wer sich auf den Vorwurf des Rassismus und des Populismus beschränkt, bestärkt für viele eher den Eindruck, hier spreche jemand unterdrückte "Wahrheiten" aus.
Zur argumentativen Auseinandersetzung bedarf es der Einsicht, dass es in der Politik kaum Wahrheiten gibt. Der Handlungsspielraum ist immer offen. Die Figur des prekariatsfeindlichen Sozialdemokraten (Sarrazin) oder des intellektuellen und homosexuellen Rechtspopulisten (Pim Fortuyn) bietet zudem wenig Angriffsfläche für eine Kritik, die sich nur überkommener Schubladen bedient. Häufig ist der Vorwurf des Populismus nicht mehr als ein stumpfer Ersatz für die alte Unterscheidung zwischen "guten" Demokraten und "bösen" Extremisten. Gruppenbezogenen Ressentiments in der Bevölkerung ist damit nicht beizukommen. Die allzu oft nonargumentative Selbstvergewisserung und Abgrenzungslogik der "politischen Klasse" ist vielmehr kontraproduktiv und kann bei vielen das Gefühl verstärken, es mit einem Machtkartell zu tun zu haben.
Der jüdische Publizist Ralph Giordano („Die Bertinis“) hat die geplante Abberufung Sarrazins aus dem Vorstand der Bundesbank scharf kritisiert. Im Hamburger Abendblatt sagte Giordano mit Blick auf die Front der Sarrazin-Gegner: „Da bläst eine schrille Kakafonie zum moralinsauren Halali, unbeeindruckt, dass die Kluft zwischen öffentlicher Meinung und Deutungsanspruch der politischen Klasse so weit auseinanderliegt wie selten zuvor.“ Immer wieder werde Sarrazins Ausspruch von den jüdischen und baskischen Genen kritisiert. „Der Kern des Buches aber, seine Botschaft wird dabei großzügig ausgespart: das enorme Integrationsdefizit der muslimischen Minderheit in Deutschland, die kulturell bedingten Hemmnisse, die dabei aus ihr selbst kommen und zu heillosen, haarsträubenden Zuständen in den Parallelgesellschaften geführt haben.“
Der geschasste Bundesbanker hat nach Ansicht von Giordano mit seinem Buch einen wichtigen Beitrag zur Integrationsdebatte geleistet: „Sarrazin hat mit scharfer Feder das Thema Nummer eins der deutschen Innenpolitik, Migration/Integration, auf eine neue Ebene des öffentlichen Bewusstseins katapultiert. Und das wider eine Political Correctness, die es unverantwortlicherweise nur allzu lange behandelt hat wie eine multikulturelle Idylle mit kleinen Schönheitsfehlern, die durch sozialtherapeutische Maßnahmen behoben werden könnten.“
Sarrazins Thesen wabern trotz des angekündigten Rauswurfs weiter in der Debatte um Integration. „Ich rate dringend dazu, die offenkundige Besorgnis in der Bevölkerung ernst zu nehmen und darauf Antworten zu finden“, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU).
Malakim schrieb:@Gilga,
ohne Dir jetzt zu nahe treten zu wollen, aber ggf. gab es auch ganz andere Gründe das so zu machen.
Gilgamesh schrieb:Die da wären?
wenn Du "in allen Schulen und Klassen beliebt" warst, wie Du schreibst, dann verstehe ich nicht wer Dich ausgrenzte, und wieso und weshalb Du dann ausgerenzt wurdest, oder Du Dich ausgegrenzt gefühlt hast.Gilgamesh schrieb:Ausserdem war ich in allen Schulen und Klassen beliebt. Der typisch "gemeine Ausländer" ware ich nicht. > Wurde aber trotzdem ausgegrenzt!