Booth schrieb:
Nehmen wir nicht alle ständig Einschränkungen zum Glück anderer Menschen hin?! Ist es nicht das grundlegende Prinzip eines sozialen Systems, daß der Einzelne sich öfters mal einschränken muss, da einige seiner Bedürfnisse sonst zu starke Nachteile für andere darstellen?!
Das tun wir. Und freiwillig. Für mich sind Ehe und Familie klassische "soziale Systeme", in denen wir nach genau diesem Prinzip handeln. Ein weiteres ist die Gemeinde, sowohl die Kirchengemeinde wie die "Gebietskörperschaft", die Stadt oder das Dorf.
Für mich ist der "schlimmere" Vorwand nicht allgemein "die Menschheit", sondern irgendwelche extremen Ziele, die damit verbunden sind - sei es grösstmöglicher Individualismus/Liberalismus oder grösstmögliche Gerechtigkeit/Sozialismus - für mich sind beides Extreme.
Aber die schlimmste Vorwand für Tyrannei in der Geschichte ist meines Erachtens Gott.
Es ging mir aber nicht um den schlimmsen Vorwand, sondern um die schlimmsten Tyrannen. Die haben alle das Glück der gesichtslosen "Menschheit" auf das Unglück beliebig vieler Einzelner gründen wollen.
Das sehe ich anders, da es den Ausschluß anderer Menschen bedeuten kann. Jedes Individuum hat auch eine Verantwortung gegenüber denjenigen, mit denen es sich nicht freiwilig zusammenschließen will.
Ja.
Bringt uns diese Grundsatzdiskussion jedoch in der Debatte um Erziehung weiter?!
Nein, es ist eine Abschweifung.
Nicht wirklich - denn letztlich hängt es immer an den einzelnen Menschen, wie schon mehrfach geschrieben. Eine Krippe für Kleinkinder mit reichlich Personal, wo die Erzieher sich intensiv, liebevoll und dennoch konsequent um die Kinder kümmern und ihnen möglichst viel Unterstützung in ihrer geistigen, wie körperlichen Entwicklung geben - da hätte ich nix gegen. Ist aber in der Masse zur Zeit genauso utopisch, wie das elterliche Ehepaar, welches sich intensiv, liebevoll und dennoch konsequent um die eigenen Kinder kümmert, und ihnen möglichst viel Unterstützung ihrer geistigen, wie körperlichen Entwicklung zukommen lässt.
Sehr richtig. Ich halte es für unmöglich, diese Utopie per Gesetz zu erreichen, und den Versuch für tyrannisch. Man muß sich nur unsere Schulen ansehen. Gut gedacht, schlecht gemacht. Jedes Jahr eine Reform. Jedesmal für alle. In NRW schreiben die Kinder jetzt zwei Jahre nach Gehör, damit sich Fehler richtig einschleifen können. Kann es eine Lösung sein, die Kinder noch früher, noch länger, den "Profis" zu überlassen? Wie immer ist der Staat der einzige, der die Frechheit aufbringt, sein Scheitern damit heilen zu wollen, da0ß man ihm mehr Geld und mehr Zeit gibt und weitermachen läßt, wo ein privater Anbieter vom Markt verschwinden würde.
Zu viele Erwachsene sind recht starke Egoisten... man könnte auch sagen... Extrem-Liberale... sie setzen ihr Individuum weit über alle anderen, auch über die eigenen Kinder. Daß die Kinder solcher Eltern sich dann ziemlich ungeliebt vorkommen, ist wohl klar.
Liberle Denker sehen das völlig anders. Sie betonen, daß Freiheit und Verantwortung untrennbar zusammengehören, während die weniger liberalen politischen Systeme die Menschen gerade von ihrer Verantwortung entbinden. Sie sehen dieselbe Verführung zu unverantwortlichem Egoismus, wenn ein Mensch nicht vorsorgt, weil es ja die Rente gibt, wenn eine Bank gewagt spekuliert, weil sie zu groß ist, um nicht gerettet zu werden, und wenn Eltern die Erziehung schleifen lassen, weil es ja die staatliche Pflichtschule gibt.
Schließt Liberalismus/Individualismus die starke Liebe (und das Handeln danach) zu den eigenen Kindern aus?! Natürlich nicht... aber der Individualismus schließt diese Liebe auch nicht automatisch ein.
Als wenn
irgendeine Ideologie oder
irgendein politisches System Elternliebe erzwingen könnte. Elternliebe fußt auf den Genen, und auf Sitten und Gebräuchen.
Nein - so war das nicht gemeint. Ich setze voraus, daß GRÖSSTMÖGLICHER Individualismus zu Gerechtigkeit im Widerspruch steht, da es für mich dem Umstand des "Recht des Stärkeren" ziemlich nahe kommt.
Liberalismus und sogar kapitalistischer Anarchismus betonen aber die Herrschaft des Rechts und verurteilen Gewalt und Drohung mit Gewalt explizit. Das ist geradezu die Grundlage eines Denkgebäudes, das den Staat mehr oder weniger für eine gewalttätige Verbrecherbande hält und verurteilt. Wie Friede und Recht garantiert werden können, ist da Gegenstand lebhafter Diskussionen.
Sozialismus und Gerechtigkeit habe ich... sagen wir mal... vom utopischen Fernziel des Kommunismus in der Tat gleichgesetzt... zumindest ist das Ziel des Kommunismus die Gerechtigkeit. Dummerweise geht da jegliche Individualität bei flöten, und im Prinzip wären alle Menschen Roboter...
Nach dem utopischen Fernziel, wie es Marx formuliert, wären die Menschen gerade keine Roboter. Bekanntlich würden sie tun, was ihnen gerade gefällt. Morgens jagen oder fischen, nachmittags Motorblöcke gießen. Der
Weg zu diesem Ziel hat bisher immer über den Ameisenstaat führen sollen.
Zum Thema:
Eine allgemeine Diskussion, ob Eltern selber entscheiden können, was mit ihren Kindern zu geschehen hat, oder nicht, hilft meines Erachtens wenig weiter, solange sowohl Eltern, als auch Behördenmitarbeiter viel zu oft sich mehr (oder gar ausschließlich) um sich selber kümmern, und weniger (oder sogar gar nicht) um das Wohl von Kindern.
Viel wichtiger halte ich die Diskussion, wie man dafür sorgen kann, daß wir Erwachsenen liebevoller und respektvoller (und dennoch konsequent in Erziehung) mit den Kindern umgehen können - ganz gleich, wo und wie wir mit Kindern in Kontakt kommen.
Ich bin entgegengesetzter Ansicht. Ich halte es für vermessen, den Versuch wagen zu wollen, die Erwachsenen (alle Erwachsenen) zu guten Eltern zu erziehen. Zumindest, um das einzuschränken, wenn man einen Ansatz für ganz Deutschland und amtlicherseits wagen will.
Individuell und kleinteilig mag das angehen. Man engagiere sich dementsprechend in der Gemeinde oder gründe eine Hilfsorganisation, oder kümmere sich einfach um Verwandtschaft und Nachbarschaft.