Du verwendest einen veralteten Browser. Es ist möglich, dass diese oder andere Websites nicht korrekt angezeigt werden. Du solltest ein Upgrade durchführen oder einen alternativen Browser verwenden.
Norad war in einer ähnlichen Lage, hatte jedoch noch nicht sein Bewusstsein wiedererlangt.
So konnte er nicht mitbekommen, dass zwei Bourschis in weißen Kitteln und Gesichtsmasken, vermutlich Ärzte, das Zimmer betraten und ihn eine Weile lang wortlos anstarrten.
Irgendwann sagte einer der Beiden: "Einer von den inneren Welten, nehme ich an."
Der andere Arzt nickte nur.
"Ist er dekontaminiert worden?"
Nicken.
"Sehr schön. Wie geht es seinen Kumpanen?"
Schulterzucken.
"Nicht ihre Abteilung? Dann werde ich wohl bei der Oberaufsicht des Krankenhauses nachfragen müssen. Ärgerlich... ich kann den Kerl dort nicht ausstehen."
Abwinken.
"Ja ja. Ich weiß."
Die beiden begutachten Norad noch mal genau, überprüfen die zahlreichen, in den Wänden eingelassenen Geräte an die er angeschlossen ist und verlassen schließlich leise den Raum.
Herr Wooko war bei vollem Bewusstsein, als zwei andere Ärzte hineinkamen.
Er beschwerte sich lautstark über die schlechte Behandlung, doch die Beiden beachteten ihn überhaupt nicht und verließen ihn bald.
Wooko stöhnte. Nach einigen Stunden, die ihm wie Jahre vorkamen, in denen er erfolglos versuchte Schlaf zu finden, bekam er wieder Besuch.
Es war wieder ein Kittelträger, doch die Gesichtsmaske sah um einiges komplizierter aus und schien sich nicht allein auf den Kopf zu beschränken. Tatsächlich schien sein ganzer Körper unter dem Kittel von einer Art Schutzkleidung bedeckt zu sein, alles in reinem Weiß.
Wo normalerweise die Augen saßen, starrten Wooko nur zwei große gespiegelte Glasscheiben an, die wohl direkten Blickkontakt verhindern sollten.
Der Gesamteindruck einer Person, die was zu sagen hat, wurde durch einen schweifenden Umhang- ebenfalls in Weiß- komplettiert.
Wooko gab ihm in Gedanken den Namen "Großkotz".
Nun beugte sich Großkotz über Wookos Gesicht, packte sein Kinn mit seiner behandschuhten, kalten Hand und drehte den Kopf langsam hin und her. Herr Wooko konnte nur wenig dagegen unternehmen- er war gefesselt, und die Hände des Kittelträgers waren überraschend stark für seine eigentlich schmächtige Figur.
Abrupt ließ Großkotz Wookos Kinn los, trat einen Schritt zurück und starrte ihn lange ohne ein Wort zu sagen an.
Irgendwann sagte er: "Gut."
Es war eine kalte Stimme, ohne Emotion. Wooko war unbeeindruckt- er war mittlerweile neunundachtzig Jahre alt, und war bei genug Ärzten gewesen um zu wissen wie man mit ihnen umging.
"Na schön, Doktor oder was auch immer Sie sein mögen. Wo bin ich? Und wo stecken meine Leute? Warum halten Sie mich fest?"
Großkotz starrte ihn an. Irgendwann legte er den Kopf schräg und sagte:
"Sie sind nicht sauber. Noch nicht dekontaminiert. Unrein. Nicht sauber. Ich hasse Schmutz.
Sie sind schmutzig. Ich hasse Sie. Wenn Sie sauber sind, sind sie rein. Reinheit ist gut. Ich werde sie MÖGEN wenn sie rein sind. Keine weiteren Fragen."
Der Kopf nahm wieder seine alte Position ein, und so schnell er gekommen war, war Großkotz auch wieder verschwunden.
Wooko korrigierte sich, Großkotz war unpassend.
Eiskralle passte besser, dachte er wütend und besorgt zugleich.
Was ging hier VOR?
Besagter Eiskralle verließ Wookos Zimmer und schritt daraufhin durch einen nicht enden zu wollenden Gang, der ähnlich wie alles andere in seiner Nähe in einem sterilen Weiß gehalten war. Das Ende des Ganges bestand aus einer Schleuse, ausgestattet mit einer Desinfektionsdusche und einem Fön, der durch sanfte Schallwellen den Körper trocknete- heiße Luft hätte Keime übertragen können, so seine Meinung.
Er verließ die Schleuse so sauber und rein wie er es sich nur wünschen konnte, und betrat eine große, ebenso weiße und vor allem reine Halle, die bis auf einen Sessel in der Mitte vollkommen leer war.
Mit schnurgeraden Schritten bewegte er sich auf den Sessel zu, nahm ein kleines Desinfektionsspray aus seiner Tasche, besprühte seine nähere Umgebung und setzte sich dann sehr vorsichtig.
Erst dann ließ Helgen van Kranz, von Freunden Dr. Kranz, von Feinden Wahnsinniger, von Wooko Eiskralle genannt, den bisher angehaltenen Atem entweichen.
Bourschis!
Er schüttelte sich angeekelt bei dem Gedanken an diese Kreaturen und zog dabei die Gummihandschuhe aus, die gleich darauf in einem neben seinem Sessel im Boden versteckten Verbrennungsofen landeten.
Nachdem er sich mit Hilfe einiger komplizierter ( und vor allem desinfizierter) Geräte neue Handschuhe angezogen hatte, lehnte er sich entspannt zurück und betätigte einen winzigen Knopf an der Armlehne seines Sessels.
Sofort wurde der Sessel mit einem hydraulischen Arm aus dem Boden gefahren und Richtung Wand bewegt, an der einige Bildschirme aufleuchteten.
Die Bildschirme übermittelten ihm ein Bild der Außenwelt, die er schon vor Jahrzehnten zu fürchten gelernt hatte. Doch nun begutachtete er sie mit zufriedener Häme- denn eben diese Außenwelt begann, sich zu verändern.
Wo einst winzige Welten wie Staubkugeln herumgeschwirrt waren ( mit ebenso vielen Bakterien darauf, auch wenn diese Bakterien sich selbstbewusst "Bourschis" nannten, dachte van Kranz), zogen nun ein paar wenige, gewaltige Gesteinsbrocken ihre Bahnen um eine hübsch gelbe Sonne. Flankiert wurden die Gesteinsbrocken durch kleinere Felsen, die genauso wie die Gesteinsbrocken vollkommen luftleer und dadurch steril waren.
Na endlich, dachte van Kranz erfreut. Das war's dann wohl.
Vor einigen Tagen hatte das Wunder begonnen- ein Riss war am Rand des
Bourschiversum aufgetaucht.
Dieser Riss war erst immer größer geworden, bis er einfach ALLES umgeben hatte.
Eine Welle der Veränderung war durch das Bourschiversum gezogen, hatte Reinheit und Fröhlichkeit in van Kranz bewirkt.
Diese Fröhlichkeit war bisher nur durch das Auftauchen dieser sechs Außenweltler unterbrochen worden- überhaupt nicht gut.
Dann hatten seine Späher ihm auch noch berichtet, dass irgendwo in der Nähe der Sonne noch drei andere dieser Spinner auf einem winzigen Felsbrocken die Massenvernichtung überlebt hatten- wahrscheinlich war der Felsbrocken zu klein, um vom Riss bemerkt zu werden, oder so was in der Art. Ein weiteres Rätsel.
Van Kranz HASSTE Rätsel.
Der Sessel fuhr zurück in seine Bodenposition, und van Kranz schnellte aus ihm hoch.
Außer dem Alten, dem Wehleidigen und dem Schwarzgekleideten waren auch noch drei andere Kerle in dem Holzraumschiff gewesen. Leider waren sie extrem kontraproduktiv gewesen, und hatten versucht sich zu wehren. Drei seiner Hilfsärzte waren schwer beschädigt worden, und so etwas machte van Kranz richtiggehend wuschig. Was "wuschig" genau zu bedeuten hat, verliert sich in den kalten Gehirnwindungen van Kranz', doch so oder so weiß jeder allein schon beim Klang dieser Worte, dass sie nichts Gutes zu bedeuten haben.
Er betrat einen weiteren dieser furchtbaren weißen und auch endlosen Gänge, an dessen Anfang und Ende die bereits erwähnte Schleuse wartete.
Schließlich betrat er einen ebenfalls weißen, doch durch fehlende Beleuchtung sehr düsteren Raum. Das einzige Licht stammt von einigen gewaltigen Tanks in der Wand, in denen eine grünliche Flüssigkeit fluoreszierte.
Einige Schemen schwammen darin.
Bei genauerem Hinsehen erkannte man in dem einen oder anderen Schemen Dinge, die man normalerweise in der Auslage beim Metzger vermutete.
Wären sie doch nicht so kontraproduktiv gewesen, dachte van Kranz bekümmert beim Anblick eines vorbeitreibenden Augapfels.
"Das wär's" meinte eine tote Bourschi-Seele zufrieden. "Alle Welten weg.
Na los, lass die Kröten rüberwachsen, Nathan!" Der genannte Nathan grummelte, steckte die metaphysischen Hände in die ebenso nichtstofflichen Taschen und holte ein durchsichtiges Geldstück hervor.
Eric sah fassungslos zu.
Dieses Spielchen wiederholte sich seit Tagen, seit die ersten Welten von der Welle aus Realität erfasst worden waren, und mehr und mehr Scharen aus Bourschiseelen erschienen waren- ehemalige Bewohner der nun öd und leer herumtreibenden Welten.
Nach einer Weile waren Wetten abgeschlossen worden, welcher Planet als Nächstes erfasst werden würde. Doch richtig große Freude war aufgekommen, als die wirklich GROSSEN Steinkugeln plötzlich erschienen.
Sie waren gewaltig. Mehrere tausend Kilometer im Durchmesser, mindestens.
Genau vier von ihnen umkreisten nun langsam die Sonne, und tausende ehemaliger Bourschi-Welten hatten einen Kreis zwischen der dritten und der vierten Welt gebildet- "Asteroidengürtel" kam Eric in den Sinn. Er hatte es noch nie zuvor gehört, doch er wusste instinktiv um was es sich handelte.
Irgendwann waren keine Seelen mehr nachgekommen, bis auf drei Okkelianer, die stinksauer etwas von einem total ausgetickten Arzt erzählten und sich dann ihrem Haufen hinzugesellten. Auch die ehemaligen Bewohner Tamees waren hier, doch sie kümmerten sich wenig um Eric- sie waren zuviel damit beschäftigt, mit den ehemaligen Okkelianern zu streiten.
Merkwürdig, dass ich immer das Wort "ehemalig" dazudenke, dachte Eric.
Als wären wir alle gleich im Tod.
Er schüttelte den Kopf und schaute sich um.
Es war wirklich alles weg. Einfach alles.
Bis vor wenigen Tagen hatte dieses kleine, in sich abgeschlossene Sonnensystem friedlich vor sich hingelebt. Milliarden Bourschis hatten auf ihren winzigen Welten geliebt, gehasst, geschlafen, gegessen, gekämpft, gehandelt... eben alles, was man als Mitglied einer Spezies so tut.
Nun waren sie allesamt tot, und von ihrer Zivilisation waren nicht einmal Ruinen geblieben- alles war wie weggeweht, zu Staub zerfallen, als wäre die Vernichtung ihres Universums Jahrtausende her. Ihr Sonnensystem war nun eines unter vielen Myriaden anderen in einem vollkommen ödem Universum.
Obwohl... ALLE waren sie nicht tot. Noch nicht, jedenfalls.
Er blickte zur Sonne, und sah drei winzige Leuchtfeuer- noch lebende Seelen.
Noch vor wenigen Stunden hatte er diese kleinen Flammen zu Hunderten kurz aufflackern, dann erlöschen, dann in Form wütender Geister neben sich fluchen sehen.
Drei in der Nähe der Sonne, überlegte er. Leider allesamt männlich, und der Felsbrocken, auf dem sie sich befanden, konnte sich auch nicht mehr lange gegen die Realität erwehren, was die Chancen auf eine Wiedergeburt der Bourschheit ziemlich gegen Null tendieren ließ.
Bislang hatte er nur überlebt, weil ein ausgebildeter Würstchenverkäufer- ein RICHTIGER ausgebildeter Würstchenverkäufer, keiner dieser Scharlatane- auf ihm stand, und die hatten wie jeder wusste besondere magische Fähigkeiten oder so was.
Sein Blick schweifte in die andere Richtung. Erst hatte er sich über die Scheibenstadt gefreut- irgendjemand schien sie vor einiger Zeit so erbaut zu haben, dass sie selbst in einem noch so übergenauen und realistischen Universum überleben konnte.
Leider waren all diese Hoffnungen zunichte gemacht worden, als er nur eine einzige Seele darin entdeckt hatte. Zwar waren vor kurzem sechs weitere dazugekommen- welche genau, konnte er nicht sagen; die Entfernung war zu groß- doch von diesen sechs waren drei gestorben, und die restlichen Seelen waren leider eindeutig männlich, soviel konnte er sogar aus dieser Entfernung erkennen.
Vier noch lebende Bourschis. Alle männlich.
Viel Spaß, dachte Eric bekümmert. Viel Spaß, Jungs.
Wooko war allein, und ihm war langweilig. Seit Stunden war niemand mehr aufgetaucht, was er als gutes Zeichen wertete- vielleicht hatten sie ihn vergessen, und er konnte endlich in Ruhe über dies und das nachdenken.
Die Eingeschränktheit an Bewegung ermöglichte ihm denkerische Höhen, wie er sie noch nie zuvor erreicht hatte- obwohl er, wie er zugeben musste, wohl auch das eine oder andere Beruhigungsmittel bekommen hatte, und diese sein Denken beflügelten.
Trotzdem keine Erklärung dafür, warum das schwarze Einhorn an der Wand sich dauernd im Kreis drehte.
Die Tür öffnete sich, und van Kranz/Eiskralle kam herein, gefolgt von einigen Ärzten.
Merkwürdiger Vogel, dachte Wooko benommen.
Van Kranz musterte Wooko genau. Dann fragte er mit seiner üblichen kalten Stimme, wie viel Beruhigungsmittel der Patient bekommen habe.
"Genau dreißig Milliliter HauMichUm, Herr" war die freudige Antwort eines Arztes.
Van Kranz nickte.
Plötzlich zuckte sein Kopf schnell nach links, dann nach rechts, gefolgt von einem kurzen Zittern des ganzen Körpers.
"Oh nein..." sagte van Kranz benommen. Der Tonfall war nun anders, passte eher zu einer Person, die sich sicher war, dass die gesamte Schuld der Welt allein auf ihren Schultern ruhte- womit sie sogar Recht haben mochte.
"Geht es Ihnen nicht gut, Herr?" fragte einer der Ärzte vorsichtig.
Van Kranz eilte auf Wooko zu und löste seine Fesseln fast panisch, gab dabei die ganze Zeit Töne wie "Das ist ganz falsch" und "Wieso immer ICH?" von sich.
Schließlich war Wooko befreit, und van Kranz half ihm vorsichtig auf die Beine.
"Dieser verfluchte Helgen mit seinen verdammten Experimenten" fluchte er, offenbar nicht mehr ganz er selbst- was diesmal sogar wörtlich zu nehmen war.
Einer der Ärzte schien schneller zu denken als der Rest.
"Moment mal... das ist nicht mehr der Herr!" rief er laut aus.
Van Kranz schien zu überlegen. "Doch, bin ich. Und als euer Herr... äh... befehle ich euch, sofort abzuhauen, ihr verdammten... äh... Blechschädel. Weil ich euer Herr bin, müsst ihr gehorchen. Stimmenerkennung und alles. Na los, haut schon ab."
Die Ärzte blickten zu Boden, gaben ein einstimmiges "Ja, Herr" von sich und trotteten unglücklich davon.
Van Kranz sah ihnen kopfschüttelnd hinterher.
"Also wirklich... was sich Helgen nur dabei gedacht hat, als er diese Mistkerle gebaut hat... Arschkriecher, allesamt. Genau wie er. Oh, Entschuldigung" sagte er, als Wooko ihm entglitt und dieser, immer noch von dreißig Milliliter HauMichUm benebelt, auf dem Boden aufschlug.
"Mein Name ist Marcus van Kranz, entschuldigen Sie mich dass ich mich nicht früher vorgestellt habe" plapperte er weiter, während er Wooko vorsichtig hochhob und wieder auf sein Bett legte- für jemanden mit so einer schmächtigen Gestalt eher verwunderlich.
"Wissen Sie, ich bin Helgens Bruder, und, wie soll ich sagen... na ja, mein Bruder hat da dieses kleine Problem mit Schmutz, wissen Sie? Traurige Sache, das. Naja, es ist ja keiner zu Schaden gekommen bis jetzt."
Kurz hielt er inne, als Erinnerungsfetzen durch sein Gehirn transportiert wurden, die eigentlich für seinen Bruder bestimmt waren.
"Das heißt... es ist keiner zu Schaden gekommen bis auf die neunhundertsiebenundneunzigtausenddreihundertsiebenundvierzig Personen, die aufgrund schmutzigen Verhaltens von meinem Bruder dekontaminiert wurden. Außerdem wären da wohl noch die dreiundsiebzig Welten zu erwähnen, die er bei seinem alljährlichen Frühlingsputz desinfizierte, indem er sie mit Atombomben bewarf. Aber abgesehen davon...
Nun ja. Ihnen geht es doch gut, oder?" fragte Marcus van Kranz besorgt, als Wooko sich aus dem Bett lehnte um sich hingebungsvoll zu übergeben- die Beruhigungsmittel hatten aufgehört zu wirken und verabschiedeten sich nun geräuschvoll.
"Jedenfalls sollten Sie lieber aufstehen und ein wenig herumlaufen, glauben Sie mir, das hilft wahre Wunder wenn einem schlecht ist- hält den Kreislauf in Schwung und alles. Ja, genau so. Einfach an mir vorbeilaufen, so ist es richtig, auf die Tür zu, weiterlaufen... Nein Moment, das war der Türrahmen, macht nichts, kann selbst den Besten passieren. Ja, genau! Weiterlaufen! Sie sind schon auf dem Flur! Nur weiter! Sie sind bereits aus meiner Sichtweite! Guter Patient" lobte Marcus van Kranz zufrieden.
Eine Weile stand er im Raum, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt, und pfiff ein Liedchen. Die Melodie wurde jäh unterbrochen, als sein Kopf sich wieder schnell von rechts nach links bewegte, ein neuerliches Zittern durch ihn ging und er nach vorne kippte.
Ein herbeieilender Arzt, der sich nach dem Grund des Lärms erkundigen wollte, wurde von dem nun sehr zornigen Helgen van Kranz in seine mechanischen Einzelteile zerlegt.
Wie ein desinfizierter und vor allem weißer Blitz rannte van Kranz los, auf der Jagd nach diesem Mistkerl, der es möglicherweise wagte, seine blitzblanken Flurwände mit seinen Patschehändchen zu beschmieren.
Bei dem Gedanken an Fingerabdrücke begann van Kranz wie ein verletztes Tier aufzuheulen, was den immer noch leicht benebelten Wooko veranlasste, nur noch schneller zu rennen.
Wookos Weg führte ihn an Alexejs Krankenzimmer vorbei, der es sich bedeutend besser gehen ließ: Einige Krankenschwestern fütterten ihn mit Trauben. Dass die Krankenschwestern die gleichen Masken wie die Ärzte und van Kranz aufhatten, störte ihn dabei nur wenig, immerhin hatte er die doppelte Dosis HauMichUm bekommen.
Wooko steckte den Kopf in das Zimmer hinein, schrie "Feueralarm! Alles raus hier, schnell!"
Eine Krankenschwester drehte sich zu ihm um. "Was für ein Feueralarm? Ich höre nichts."
In dem Moment ertönte van Kranz' ohrenbetäubendes Geschrei.
"Das ist der Feueralarm! Noch Fragen? Nein? Dann lauft! Und nehmt die Patienten gefälligst mit, oder sollen die etwa einfach hier herumliegen und verbrennen?"
Die Krankenschwestern sahen sich an, befreiten Alexej schnell und trugen ihn so schnell es ging nach draußen, immer Herrn Wooko hinterher- der Erste in einer Reihe aus rennenden Leuten weiß immer, wo es hingeht. Alte Lemmingregel Nummer Eins.
Norad hatte bisher in aller Ruhe geschlafen, von Beruhigungsmitteln unbeeinflusst- die Ärzte hatten gemeint, ein gesunder Schlaf wäre besser als ein künstlicher, und ihn einfach mal liegen lassen.
Darum reagierte er äußerst gereizt, als sich plötzlich einige Hände an ihm zu schaffen machten und mit sich zerrten. Er wollte bereits etwas Intelligentes erwidern in der Art von "Lasst eure kalten Griffel von mir, ihr Mistkerle", doch in dem Moment hörte er Herrn Wookos Stimme Befehle erteilen, also musste alles in Ordnung sein.
Er schlief wieder ein, und träumte von einem langen weißen Gang, in dem hunderte vollkommen gleich aussehender Ärzte und Krankenschwestern mit so etwas wie Gasmasken statt Gesicht hektisch Herrn Wooko und Alexej hinterher rannten. Ganz hinten im Gang schien ein gewaltiges brüllendes Ungeheuer Jagd auf sie alle zu machen, aber da das alles sowieso nur ein Traum war...
Schnaufend machten Wooko und Alexej Halt. Irgendwann, in den letzten vier oder fünf Gängen, war Alexej endlich aufgewacht, und durch einen markerschütternden Schrei van Kranz' waren die Nebenwirkungen des HauMichUm wie weggeblasen.
"Das war's," meinte Alexej, "Ich kann nicht mehr. Soll er mich doch kriegen. Er ist Arzt, und das heißt, er darf mir nicht weh tun, höchstens aus Versehen wenn er mich operiert oder so was. Oder wenn er mit einem scharfen Skalpell herumläuft und stolpert, oder wenn er mir Blut abnimmt, oder wenn er-"
"Klappe" schnauzte Wooko ihn wütend an und keuchte mit ihm. Anscheinend war er zu alt für so was, Schande aber auch. Aber Alexej hatte Recht- ein Arzt durfte niemanden töten.
"Mir fällt noch was ein. Ein Arzt darf jemanden auch verletzen, wenn er schlecht bezahlt ist und keine Lust hat, dauernd dem Gewäsch dämlicher Patienten zuzuhören."
"Ach, halt doch einfach die Klappe" wollte Wooko Alexej wütend anfahren, verstummte jedoch als er in van Kranz' roboterhaftes Gesicht blickte.
"Haben... Sie das gerade gesagt?" fragte Alexej vorsichtig.
"Jawohl, habe ich" antwortete van Kranz mit beinahe näselnder Stimme.
"Maria van Kranz, zu ihren Diensten. Wissen Sie, mein Bruder Helgen nimmt es ein wenig ernst mit der Sauberkeit, und was Marcus angeht... ein Waschlappen wie er im Buche steht. ICH wollte ja Tierärztin werden, aber Mama meinte..."
Ein Zucken ging durch den schizophrenen Körper van Kranz', und eine schrille Stimme verkündete: "WAS habe ich gemeint, du dämliches Gör? Ich wollte nur das Beste für dich, du verzogenes Stück! Jahrelang habe ich mich abgeschuftet, seit euer Vater sich verdrückt hat, und alles was ich von euch Bälgern bekommen habe waren Beleidigungen und Schelte! Es steht mir bis hier, verdammt noch mal! Von nun an könnt ihr eure Klamotten selber waschen! ICH rühre keinen Finger mehr!"
Wieder zuckte van Kranz' Körper. Die hängenden Schultern sagten deutlich, dass nun Marcus an der Reihe war.
"Tut mir leid, die Sache mit Mama. Manchmal hat sie ihre kleinen Ausraster, und... Hallo?
Wo seid ihr denn alle? Ach, da hinten, hinter dem umgekippten Tisch. Wolltet ihr vielleicht irgendwo hin?" fragte Marcus in der sicheren Überzeugung, an einem Spiel teilzunehmen, bei dem er eigentlich nicht mitmachen durfte.
Norad wachte schmatzend und laut gähnend auf.
"Der Hangar" meinte er geistesabwesend.
Alexej drehte sich zu ihm um. "Hast du mich gerade beleidigt oder so was?"
Norad streckte sich, und schien die Situation um sich herum erst richtig wahrzunehmen.
"Äh... Guten Morgen" verkündete er unsicher lächelnd.
Marcus strahlte plötzlich.
"Ach, ihr wollt zum Hangar? Da komm ich gerne mit! Wisst ihr, ich wollte hier eigentlich schon immer weg, aber die Verwandtschaft... sie hängt an einem, wisst ihr. Als würde sie einen überall hinverfolgen. Nervige Sache, das. Ich schlage vor, wir nehmen den persönlichen Raumkreuzer von Helgen, das Ding ist groß genug um jeden mitzunehmen, der diesen hässlichen Klumpen Weltraumschrott verlassen will! Andererseits... Ja!"
Er zeigte mit dem Finger auf einen der Ärzte. "Du!"
Erschrocken schaute der Arzt Marcus an und machte den Fehler zu antworten "Wer, ich?"
"Genau du! Trommel alle Ärzte, Krankenschwestern, Hausmeister und anderen Roboter der Scheibenstadt zusammen! Wie viele seid ihr ungefähr? Drei Millionen? Und wie viele Raumschiffe warten in den Hangars? Auf jeden Fall genug für alle, oder nicht?"
"Äh... ich denke schon" antwortete der Arzt nervös.
"Sehr schön!" Marcus grinste bösartig.
"Mal sehen, wie die bucklige Verwandtschaft ohne ihre ganzen Helferlein zurechtkommt."
Wenn man einmal berücksichtigt, dass der gewöhnliche Roboter außer sich selbst nichts im Leben besitzt und damit eher wenig Reisegepäck bei sich trägt,
wird es wohl kaum überraschen wie schnell die zwei Millionen Bewohner der Scheibenstadt aufbruchbereit waren.
Die Scheibenstadt war vollständig von Trockendocks umgeben, in denen tausende Raumschiffe und Transporter auf ihren Einsatz warteten. Es gab Dutzende verschiedener Schiffsklassen, von denen ein Großteil mit Massenvernichtungswaffen bestückt waren-
eine einzige gewaltige Flotte der Zerstörung und des Todes.
Daher mag es etwas unpassend erscheinen, dass in den meisten der mit Robotern vollgestopften Raumschiffen schnell Lieder der Sorte "Ein Hoch auf unseren Busfahrer/Raumschiffpilot" erklangen.
Als letztes Raumschiff hob Helgen van Kranz' persönlicher Raumkreuzer ab- ein regelrechtes Prachtstück, mit schnittigem Design und eigentlich vollkommen nutzlosen Chromstreifen.
"Wisst ihr, Jungs... eigentlich gehört das Raumschiff Helgen gar nicht. Jedenfalls hat er es nie benutzt. Das Ding gehörte meinem Vater, ein guter Mann, im Ernst. Ich wünschte, ihr hättet ihn kennen gelernt, unter seiner Leitung war das Krankenhaus noch was wert... nicht dass ich Helgens Führungsstil kritisieren möchte, aber..."
Wooko, Alexej und Norad befanden sich zusammen mit dem hochgradig nervigen Marcus auf der Kommandobrücke von Helgens Raumkreuzer, und wünschten sich sehr schnell den wahnsinnigen Helgen zurück.
Marcus' Problem war, dass er einfach alles zum Anlass für ein Gespräch nahm. Wenn jemand auch nur hustete, ließ er sich sofort über Vorteile verschiedener Erkältungsbäder aus und zögerte nicht, dem armen Kerl, den er voll laberte, eine ganze Fuhre seines Lieblingshustensaftes in die Arme zu drücken.
Daher waren die drei ehemaligen Bourschonauten sehr erleichtert, als Maria wieder die Kontrolle über van Kranz' Körper übernahm.
Maria sah sich um, seufzte und zeigte mit dem Finger auf Alexej.
"Du! Sag mir sofort: Sind wir noch in der Scheibenstadt?"
Alexej- der sich wie ein Gefängnisflüchtling im Suchscheinwerfer fühlte- schluckte.
"Nein, Madam. Marcus..."
"Marcus? Was ist mit Marcus?"
"Marcus hielt es für eine gute Idee... einen Ausflug zu unternehmen" antwortete Alexej krächzend. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Norad und Wooko sich verdrückten.
"Einen Ausflug unternehmen." Mit Marias Tonfall hätte man Diamanten zerschneiden können. "Marcus wollte sich also ein wenig die Beine vertreten, eh? Unser Zuhause ist ihm also zu klein, oder? Wo steckt dieser Mistkerl überhaupt?"
"Äh... gerade eben war er noch hier..." antwortete Alexej wahrheitsgemäß.
Maria seufzte. "Dann suche ich ihn eben. Vermutlich versteckt er sich wieder auf der Toilette, so wie damals, wenn Helgen Doktor spielen wollte..." meinte sie und stapfte von der Brücke.
Als alle sicher waren, dass sie weg war, wagten Wooko und Norad es, ihr Versteck zu verlassen.
"Also schön. Maria... oder Marcus... oder wer auch immer ist gerade nicht da. Das sollten wir ausnutzen. Vielleicht gelingt es mir, dieses Raumschiff hier unter Kontrolle zu bekommen, und dann könnten wir..." Wooko dachte nach.
Eigentlich hatte er nicht die allergeringste Ahnung, was er jetzt tun sollte.
"...nach Hause gehen?" beendete Alexej den Satz voller Hoffnung.
Wooko ging noch einmal die Geschehnisse der letzten Tage in Gedanken durch.
Erst war der Riss aufgetaucht...
...dann der Spion, den er zum Glück unschädlich gemacht hatte...
...sein Riesenkürbis war explodiert...
...sein Raumschiff ebenso, als er eine gewaltige Scheibenstadt gefunden hatte...
...diese hatte ihn und seine zwei Freunde ( die drei Sklaven nicht zu vergessen, wo steckten die überhaupt?) irgendwie aufgesammelt...
...und zu guter Letzt saß er nun im Raumschiff eines wahnsinnigen Arztes, der so viele verschiedene Persönlichkeiten hatte, dass sie wahrscheinlich Nummern ziehen mussten um überhaupt mal dranzukommen.
Wooko grübelte.
Da musste sich doch irgendwo ein roter Faden durch die ganze Geschichte schlängeln... oder?
Roter Faden... an was erinnert mich das, dachte Wooko.
"Wir könnten nach Hause fliegen, Herr Wooko" wiederholte Alexej laut und deutlich.
"Wir könnten auch zur Sonne fliegen und dich reinschmeißen, Al" meinte Norad müde.
Roter Faden... Roter Faden... irgendwas Wichtiges... Verdammt, ich komm nicht drauf.
"Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist... riesengroß, rötlich und rund."
"Der Felsbrocken links von dir, Petjew" antwortete Patrikc gelangweilt.
Seit einer Ewigkeit- ungefähr anderthalb Tagen- steckten Patrikc, Stan und Petjew nun schon auf dem winzigen Felsbrocken fest, welcher außer Herrn Wookos Hütte und dem wahrscheinlich letzten Kürbis im Bourschiversum nichts weiter beherbergte.
Inzwischen hatten sie "Ich sehe was...", "Ich packe meinen Koffer", "Klopf-Klopf" und sogar "Wahrheit oder Pflicht" gespielt, um sich abzulenken.
Hätte jemand, der die erforderlichen Mittel besaß um diesen kleinen Brocken im Nirgendwo zu besuchen, gefragt, wovon sie sich ablenkten, hätten sie vermutlich einstimmig geantwortet: Frag nicht so blöd, sondern nimm uns lieber mit. Oder sag uns, was klein, grün und dreieckig ist. Was denn, eine Bohne? Tatsächlich, sie IST dreieckig...
Und so weiter.
Vermutlich wäre das noch einige Jahre so weitergegangen- Patrikcs Würstchenwagen hatte einen scheinbar unerschöpflichen Vorrat an Würstchen und einer eigenartigen Flüssigkeit, die Patrick "Krabbensaft" nannte- wäre nicht die Atemluft weniger geworden.
Petjew und Patrikc machten sich nicht allzu große Sorgen- Petjew war überzeugt davon, "dass Herr Wooko schon bald wieder da ist, und dann wird alles gut". Und Patrikc... nicht einmal das Ende seiner Welt hatte in beunruhigt. Vermutlich eine der besseren Eigenschaften von Würstchenverkäufern.
Stan steckte das alles nicht so gut weg.
"Okay, das findest du nicht heraus, Patrikc. Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist in embryonaler Haltung zusammengekrümmt, leichenblass und wiederholt ständig 'Ich wollte das alles nicht ich wollte das alles nicht ich wollte das alles nicht'. Na?"
Patrikc winkte ab, seufzte und ging zu Stan rüber, der nun in einer Ecke der Hütte residierte.
"Stan?" fragte Patrikc auf fröhliche Weise vorsichtig.
"Ich bin unschuldig."
"Das wissen wir doch, Stan. Wir wissen nur nicht, was du nicht getan hast. Willst du vielleicht darüber reden?"
Stan hob seinen Kopf und sah Patrikc mitten ins Gesicht. Er schien nun stinkwütend zu sein- auf jeden Fall eine Verbesserung zu seinem vorherigen Zustand.
"Dieser Mistkerl von Eric ist an allem schuld! An ALLEM! Nur wegen ihm stecke ich hier, mitten im Nirgendwo, auf einem winzigen Stück Dreck, in einer baufälligen Hütte, fest!
Eigentlich sollte ich gar nicht hier sein! Wenn ich nicht da bin, wer soll sich denn dann von Frau Garns Haus stürzen? Denken die Leute etwa, das macht mir Spaß? Es geht darum, die Quote zu erfüllen, sagte Eric immer! Welche Quote, fragte ich ihn dann. Die Selbstmordquote, antwortete dieser verdammte..."
Eine Ohrfeige vom immer noch lächelnden Patrikc beendete den wirren Wortschwall Stans und bescherte diesem einen nun sehr überraschten Gesichtsausdruck.
"Ich schlage dir was vor, Stan. Du hältst die Klappe..." Patrikc zog ein Würstchen hinter seinem Rücken hervor. "...und ich gebe dir dafür dieses Würstchen. Ein gutes Geschäft, oder?"
Stan griff nach dem Würstchen, begutachtete es vorsichtig und meinte dann:
"Das esse ich nicht, das ist ja ganz schmutzig. Schau, es hat sich sogar ein roter Faden darum gewickelt..."
Jawoll, auch hier gehts mal weiter. Noch jemand da?
Dieser besondere rote Faden hatte sich wirklich angestrengt. Obwohl mehr violett als rot, hatte er allen Unkenrufen zum Trotz niemals aufgegeben.
Nach Jahren der Qual und des ständigen Mobbings ( besonders die Nadel im Heuhaufen hatte ihm zugesetzt) war er nun endlich am Ziel.
"Entschuldigung?" wisperte er unsicher.
Drei aus seiner Sicht gewaltige Augenpaare starrten ihn an.
Der rote Faden atmete tief durch, und sammelte all sein Selbstbewusstsein.
Viel war das nicht.
"Guten Tag! Ich bin froh Ihnen mitteilen zu können, dass Sie von nun an im Besitz eines roten Fadens sind, der Sie durch alle Eventualitäten und die Geschichte im Allgemeinen führt.
Weiterhin können Sie ein Abo abschließen, mit dem Sie auch andere Sprichwörter anwerben können, wie zum Beispiel den Elefanten im Porzellanladen- ein Spaß für die ganze Familie!
Oder wie würde es Ihnen gefallen, Eulen nach [Hier Ort einfügen] zu tragen?"
Erleichtert seufzte der rote Faden. Alles richtig vorgetragen, wie im Lehrbuch!
Zwar hatte er ein wenig Schuldgefühle, weil er es "vergessen" hatte, die Nadel im Heuhaufen zu erwähnen; andererseits hatte dieses Miststück damals Dinge mit ihm angestellt, die nicht einmal druckfähig sind ( wenn auch nur deswegen, weil einige Fremdwörter, die in einer Beschreibung benötigt werden würden, Sonderzeichen enthalten die leider nur auf koreanischen Tastaturen aus indischer Herstellung zu finden sind).
Der rote Faden lächelte mit voller textiler Kraft seine Kundschaft an.
"Du bist gar nicht rot. Mehr violett" merkte Patrikc an.
Irgendetwas zerbrach im roten Faden- eine Glanzleistung, denn eigentlich ist in so einem kleinen dünnen Faden gar nicht genug Platz für was Zerbrechliches.
Heiße Tränen stiegen ihm auf, was für ein Textilprodukt ohne Augen wirklich ganz erstaunlich ist.
Das Beste war allerdings das Schluchzen- ohne Lungen, stellen Sie sich das mal vor!
Das Universum.
Ein so großer Ort, dass überall, wo man hingeht, nur noch mehr ist.
Oder so ähnlich.
Sehen wir in die eine Richtung, da wo dieser rote Nebel irgendwo am galaktischen Horizont wabert- ja, genau der, der Nebel mit der wirklich interessanten Form- sehen wir nicht nur
diese gewaltige Produktionsstätte für Sterne, sondern fremde Galaxien, Sterne, Planeten...
Vorausgesetzt, man hat gute Augen.
Sehen wir nun in die gegenüberliegende Richtung...
Wir sehen auch hier Sterne, so unglaublich viele, dass man meint, das Lichtermeer wolle gar nicht mehr aufhören.
Ach, geben Sie's doch zu... die Gegend ist saulangweilig.
Moment.
Richten wir den Blick mal eben auf die Gegend um diesen kleinen braunen Stern.
Nicht den. DEN. Himmelherrgott noch mal, muss man denn... DA, der da ist gemeint.
Jetzt ist es wieder weg, na herrlich. Ah, da haben wir's ja wieder.
Was zu sehen ist?
Stellen Sie sich ein beliebiges kleineres Sternbild vor, und nehmen Sie die Anzahl der Sterne mal tausend. Nun bewegen Sie diese gewaltige Anzahl an Lichtpunkten an einem schwarzen Vorhang ( weiß gesprenkelt) vorbei.
Selbst dann haben Sie noch überhaupt keine Ahnung davon, wie die vorbeiziehende Flotte
der Scheibenstadt aussieht- außer, Sie kaufen sich die DVD.
Herr Wooko hatte sich am Ende dazu entschieden, nicht nach Hause zu fliegen, auch wenn Alexej daraufhin einen solchen Aufstand gemacht hatte, dass er auf sein Zimmer gehen musste. Ohne Abendessen.
Als Grund für diese Entscheidung hätte Herr Wooko wohl angegeben, es hätte keinen Sinn an einen Ort zu fliegen, der sowieso nur noch ein Felsbrocken im All sein könnte- so wie all die anderen Bourschi-Welten.
Also hatte man sich entschieden, in die entgegengesetzte Richtung zu fliegen- nur noch weg von diesem gewaltigen Mausoleum, dieser stillen Erinnerung, was Physik und Realität mit einer so chaotischen und leicht wahnsinnigen Spezies wie den Bourschis anzurichten vermochten.
Zwar hatte Herr Wooko keinerlei Ahnung davon, wohin es genau gehen sollte...
Andererseits hatten sie einige Millionen Roboter bei sich, untergebracht in Tausenden von bis an die Zähne bewaffneten Raumschiffen.
Und zu irgendwas MUSSTE das doch nütze sein, zum Beispiel um eine im Weg stehende Galaxie zu beseitigen.
Wie sich herausstellte, brauchten sie die Flotte wirklich schon bald.
Während Wooko, Norad und Alexej sich von Marcus/Maria/AufjedenFallnichtHelgen
erklären ließen, wie die Heimkinoanlage zu bedienen war ( Wooko hatte
die Fernbedienung instinktiv als Erster an sich gerissen) rannte ein kleiner Roboter herbei.
"Käptn! LAND IN SICHT!"
Eine Weile lang reagierte niemand- alle waren zu sehr damit beschäftigt, sich die vierzehntausendste Folge von "Unser Doktor Helgen" anzuschauen.
Irgendwann drehte Wooko den Kopf und fragte "Hä?"
"Käptn, wir haben Land entdeckt! Einen Planeten, und zwar einen von der richtig
grünen Sorte, also Sie wissen schon, mit Bergen und Schnee und Polkappen und Meeren und Seen und Bächen und Flüssen und Bäumen und Gras und Büschen und Farnen und Palmen und Wolken und Regen und Gewittern und-"
Zum Glück brannte der Sprachchip des kleinen Roboters durch, bevor er die komplette Tierwelt des Planeten auflisten konnte, woraufhin der arme Kerl irgendetwas mit den Händen nachzumachen versuchte.
Wooko ging nicht darauf ein und stapfte auf die Brücke des Schiffes, um nach dem Rechten zu sehen.
Das Erste was er sah war irgendeine wirklich große, blaugrüne Kugel, die ihn dumm durchs große Panoramafenster der Brücke anzuglotzen schien.
"Also schön. Ich dachte eigentlich, meine Ansicht über diese Plüschdinger mit Saugnäpfen an den Füßen wäre mittlerweile klar. Dieser fette Kater ging ja noch, aber was DAS da soll geht über meinen Horizont, mal ehrlich."
"Das waren wir nicht, Boss" erwiderte ein Roboter, der Alexej erstaunlich ähnlich sah, mal abgesehen von der metallischen Karosserie und den Schweißnähten.
"Wir fliegen einfach so unseres Weges, als plötzlich dieses Mistding vor uns auftaucht, immer größer wird, und uns dann mit irgendwelchen Strahlen beschießt."
"Strahlen?"
"Nichts Schlimmes, hauptsächlich Töne und Bilder. Moment, ich könnte mal eben..."
Alexej-002 ( so der Name des Roboters, wie Wooko später erfuhr) drückte ein paar Knöpfe.
Für den Rest ihres Lebens würde sich die auf der Brücke versammelte Besatzung voller Schrecken an eine Folge "Carlsson vom Dach" erinnern.
In Dolby Surround.
Schon merkwürdig: Nicht ein einziges Radioteleskop, nicht ein einziger Satellit, nicht mal ein einziger Hobbyastronom hatte die sich herannahende außerirdische Flotte bemerkt- zu gut war die Tarnkappentechnik, die mittlerweile zum guten Ton gehört im Raumflottengeschäft.
Genaugenommen war die einzige Warnung an die nahezu schutzlose Bevölkerung des Planeten Erde eine Mikrowelle die wie wild lospiepte, als sie die Gravitationsfluktuationen innerhalb der Raumzeit bemerkte die sich langsam der Erde näherten.
Der Besitzer- ein Journalist in mittleren Jahren bei einer kleinen Zeitung, die im Großraum Stuttgart hauptsächlich aktiv ist- verfluchte das Mistding und steckte es nach einer Weile aus. Dämlicher ausländischer Schrott, überlegte er auf dem Weg zur Arbeit.
Unterwegs wurde er von einer Straßenbahn angefahren und hätte wohl nicht überlebt, hätte ein ausländischer Arzt mit furchtbar schlechter Aussprache ihn nicht operiert.
Wer sagt, dass das Schicksal keinen Humor hat?
Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten. Durch die Nutzung unserer Webseite erklärst du dich damit einverstanden.