Wann ist man ein Sozialist?

agentP

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Vom Individuum her und seinen Rechten, die es erstmal hat und die es dem Staat freiwillig abtreten kann oder von einem "Gemeinwohl" her, dessen Wächter der Staat ist, der dann dem Individuum Rechte gewährt.

Wenn ich´s mir recht überlege, dann würde ich auf einer abstrakten Ebene grundsätzlich hier sogar die Unterscheidung festmachen, ganz unabhängig davon, wie ausgeprägt dann Individualrechte inklusive das Recht auf Privateigentum, etc. dann ausgeprägt sind.
 

Mr. Anderson

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Später schreibe ich vielleicht noch genauers; bin im Moment etwas beschäftigt.

Aber kurz erstmal folgendes:
Die Unterscheidung von wirtschaftlicher und persönliche Freiheit ist imho im Denken der überwiegenden Mehrheit der Leute vorhanden. Meine Position ist aber durchaus nicht, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat; siehe auch mein Beispiel mit der Alkoholsteuer. Ich bin aber der Meinung, dass es sich lohnt, dazwischen zu differenzieren.
Diskutieren muss man übrigens durchaus darüber; es ist keinesfalls alles "klar".

Die Frage, aus welcher Richtung man das Pferd aufzäumt, ist davon imho aber unabhängig. Ein Liberaler würde den Staat als Werkzeug benutzen, um bestimmte Rechte des Individuums zu schützen, und - glaube ich - auch damit argumentieren, dass das Allgemeinwohl durch die Wirtschaftspolitik verbessert wird. Ein Sozialist (ich meine jetzt nicht Stalin) könnte der gleichen Meinung sein, den Staat aber dazu benutzen, die Stellschraube der wirtschaftlichen Freiheit anders einzustellen, weil er meint, das Gemeinwohl so besser zu fördern.
 

agentP

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Die Unterscheidung von wirtschaftlicher und persönliche Freiheit ist imho im Denken der überwiegenden Mehrheit der Leute vorhanden.

Mich würde ehrlich gesagt interessieren, wie du darauf kommst. Meine persönliche Erfahrung und Einschätzung sieht da nämlich anders aus, zumindest insofern, als ich eine ganze Menge Leute kennen die die Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Freiheit durchaus als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit empfinden. Da brauche ich wie gesagt nur mal mit Kollegen im Büro über Steuern, Sozialabgaben, etc. reden dann kommt das ziemlich deutlich durch.
Auf mehr kann ich mich da, abgesehen von klassischen liberalen Denkern nicht stützen, deshalb kann ich deine Ansicht da auch nicht verwerfen, aber genau darum würde mich interessieren, wie du drauf kommst, dass eine überwiegende Mehrheit diese Unterscheidung so klar vornimmt, wie du annimmst.

Die Frage, aus welcher Richtung man das Pferd aufzäumt, ist davon imho aber unabhängig. Ein Liberaler würde den Staat als Werkzeug benutzen, um bestimmte Rechte des Individuums zu schützen, und - glaube ich - auch damit argumentieren, dass das Allgemeinwohl durch die Wirtschaftspolitik verbessert wird. Ein Sozialist (ich meine jetzt nicht Stalin) könnte der gleichen Meinung sein, den Staat aber dazu benutzen, die Stellschraube der wirtschaftlichen Freiheit anders einzustellen, weil er meint, das Gemeinwohl so besser zu fördern.
Verstehe ich nicht. Wo wäre denn dann der Unterschied? Stellschrauben einstellen IST doch Wirtschaftspolitik.
 

Winston_Smith

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@HunabKu
Ja, du hast schon recht und diese Argumentation ist typisch. Man nenn in Verbindung mit dem Sozialismus halt immer nur die schlimmen Dinge, die aufgrund der falschen Rangehensweise und des Egoismusses bzw der Habgier einzelner geschehen sind. Ich gebe dir Recht, dass der Sozialismus aufgrund der eben genannten menschlichen Eigenschaften nicht durchführbar ist und sein wird.

Nene. Der Sozialismus scheint nicht aufgrund irgendwelcher menschlichen Schwächen zu scheitern, sondern weil er einfach nicht hinhaut. Immer und immer wieder. Das Du jetzt die Idee vom Sozialismus über den Menschen stellst, ist natürlich ein geschickter Schachzug. Man kann dann immer sagen: "Ja, der Sozialismus ist gescheitert. Aber das lag an den Menschen, nicht am System." So hat man die Legitimation, das Experiment noch 100mal zu versuchen. Wenn es scheitert, lag es ja an den Menschen und deren Egoismus oder so.

Wenn Dich die "schlimmen Dinge" stören, kannst Du natürlich gerne Gegenbeispiele für Erfolgsgeschichten geben.

ws
 

Mr. Anderson

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agentP schrieb:
Die Unterscheidung von wirtschaftlicher und persönliche Freiheit ist imho im Denken der überwiegenden Mehrheit der Leute vorhanden.
Mich würde ehrlich gesagt interessieren, wie du darauf kommst.
Weil ich diese Unterscheidung überall antreffe. Ich habe sie mir schließlich nicht ausgedacht, sondern sie schwirrt in unserem alltäglichen Leben herum. Du kennst sie doch auch, sonst wüsstest Du gar nicht, wovon ich rede, wenn ich die Begriffe "wirtschaftliche" und "persönliche" Freiheit benutze.
Und nocheinmal: Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass das eine auf das andere keinen Einfluss hat. Und ich weiß durchaus, dass es staatliche Maßnahmen gibt, die definitiv beides betreffen.
Es ist aber auch nicht so, dass irgendein ein Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit auch automatisch einer in die persönliche ist.
Ich habe den Eindruck, dass Du gegen eine These argumentierst, die etwa lautet "Das sind zwei getrennte Bereiche und das eine hat nichts mit dem anderen zu tun". Es ist mir aber nichts daran gelegen, so eine These hier aufzustellen oder zu verteidigen.
Was ich behaupte ist, dass es eine Unterscheidung gibt. Eine Unterscheidung bedeutet nicht, dass es keinen Zusammenhang gibt.
Ein PKW-Fahrer in einem PKW ist etwas anderes als ein Fußgänger. Beide sind Verkehrsteilnehmer. Beide können sich beeinflussen. Es ergibt aber Sinn, beide zu unterscheiden.

agentp schrieb:
Verstehe ich nicht. Wo wäre denn dann der Unterschied? Stellschrauben einstellen IST doch Wirtschaftspolitik.
Ich bin mir nicht sicher, worauf Du damit hinauswillst. Ich hatte auf folgendes geantwortet:
Für mich ist die Frage wie gesagt aber eher von welcher Seite man das Pferd aufzäumt: Vom Individuum her und seinen Rechten, die es erstmal hat und die es dem Staat freiwillig abtreten kann oder von einem "Gemeinwohl" her, dessen Wächter der Staat ist, der dann dem Individuum Rechte gewährt. Erstere Auffassung ist meiner Meinung nach eine Kernidee des Liberalismus, letzteres eine des Sozialismus (und anderer Ideologien).
 

HunabKu

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an Winston_Smith

Ich stelle die Idee des Sozialismus nicht über den Menschen (weil das völlig unmöglich ist) sondern setze sie mit ihm gleich. Die Idee stammt ja schließlich von Menschen und da diese Fehler haben, ist auch die Idee nicht durchführbar. Du Verstehst...?

ich möchte, abgesehen davon, auch keine weiteren "Versuche" diesbezüglich und mich "stört" auch die Erwähnung der "schlimmen Dinge" nicht, weil die wirklich schlimm waren. Gegenbeispiele brauche ich auch nicht, weil ich das Gegenteil auch nicht behauptet habe.
Trotzdem sollten wir uns eingestehen, dass wir Menschen nicht in der Lage sind, unsere eigenen, von uns selbst erdachten Formen einer Gesellschaftsordnung auch zu leben. Das betrifft sowohl den Sozialismuns als auch den Kapitalismus und alles was davor war, wie wir gerade alle am eigenen Leib erfahren und spüren. Alles was wir Gesellschaftsordungen nannten, lief irgendwann aus dem Ruder oder war irgendwann in irgendeiner Form einfach nicht weiter durchführbar (an diesem Punkt sind wir gerade jetzt!)
Sich nun hinzustellen und zu versuchen, alles wieder ins Lot zu bringen und nach Möglichkeit alles wieder in die Bahnen zu lenken, in der wir vor der "Krise" gefahren sind, ist der absolut falsche Weg. Wer logisch denken kann, der hat das sicher längste schon festgestellt.
Es ist völlig absurd zu glauben, man könne dieses System retten, indem man genau das wieder (oder weiter) anstrebt und "rettet", was zu eben dieser Situation die wir heute haben geführt hat. Welchen Sinn sollte das bitte schön machen? Machen wir uns doch nichts vor sondern schalten wir unser Hirn endlich ein. Das wäre ein guter erster Schritt.

HunabKu
 

agentP

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Ich habe den Eindruck, dass Du gegen eine These argumentierst, die etwa lautet "Das sind zwei getrennte Bereiche und das eine hat nichts mit dem anderen zu tun". Es ist mir aber nichts daran gelegen, so eine These hier aufzustellen oder zu verteidigen.

Das mag sein. Vermutlich habe ich das aus dem Satz herausgelesen:

Würde ich so nicht sagen. Komplett widerspricht es notwendigerweise nur den Ideen der wirtschaftlichen Freiheit, der persönlichen aber nicht.

Was ich behaupte ist, dass es eine Unterscheidung gibt. Eine Unterscheidung bedeutet nicht, dass es keinen Zusammenhang gibt.
Es gibt aber nunmal in der Ideengeschichte auch den (typisch liberalen) Ansatz wirtschaftliche Freiheit nicht als andere Form der Freiheit in Abgrenzung zur persönlichen Freiheit zu sehen, sondern schlicht als Teilmenge derselben. Darauf wollte ich hinweisen.
Wenn man diesen Gedanken zugrunde legt, dann wird man folgendes anders sehen:

Es ist aber auch nicht so, dass irgendein ein Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit auch automatisch einer in die persönliche ist.
 

Mr. Anderson

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agentP schrieb:
Vermutlich habe ich das aus dem Satz herausgelesen:
Würde ich so nicht sagen. Komplett widerspricht es notwendigerweise nur den Ideen der wirtschaftlichen Freiheit, der persönlichen aber nicht.
Dann war das eventuell mißverständlich. Ich versuch's mal umzuformulieren:

Ein Liberaler würde etwa so argumentieren:
"Ich halte folgende Freiheiten für naturgegeben, und der Staat darf darin zunächst nicht, oder kaum eingreifen:
A1, A2, A3, B1, B2.
In "B3" darf er etwas mehr eingreifen.
Denn: für folgende Rechte muss der Staat garantieren: C1, C2, C3.
Dem Staat ist zwar grundsätzlich eher zu mißtrauen, aber für C1, C2, C3 brauchen wir ihn nunmal."

Ein Sozialist könnte (sofern es sich nicht gerade um Stalin o. ä. handelt) analog argumentieren:
"Ich halte folgende Freiheiten für naturgegeben, und der Staat darf darin zunächst nicht, oder kaum eingreifen:
A1, A2, A3.
In B1, B2, B3 darf er etwas mehr eingreifen.
Denn: für folgende Rechte muss der Staat garantieren: B4, B5, B6, C1, C2, C3
Dem Staat ist zwar grundsätzlich eher zu mißtrauen, aber für C1, C2, C3 und für B4, B5, B6 brauchen wir ihn nunmal."

Daher meine ich, dass es zwar (mehr oder weniger gravierende) Diskrepanzen zwischen beiden gibt, aber nicht wirklich einen "kompletten" Widerspruch.
 

agentP

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Jetzt verstehe ich, was du meinst.



Ein Sozialist könnte (sofern es sich nicht gerade um Stalin o. ä. handelt) analog argumentieren:
"Ich halte folgende Freiheiten für naturgegeben, und der Staat darf darin zunächst nicht, oder kaum eingreifen:
A1, A2, A3.

Dann müssen wir uns allerdings vermutlich darüber unterhalten, was für dich ein Sozialist überhaupt ist, denn in den gängigen sozialistischen Denkschulen von Marx bis Bloch, etc. wird ja eben in der Regel die Existenz eines naturgegebenen Rechts in der Regel vehemnt verneint.

Das liest sich bei Bloch so
Zudem zeigt sich, dass auch vermeintlich natürliche Rechte in politischen Auseinandersetzungen erkämpft werden müssen. 1961 schreibt Ernst Bloch, einer der großen Neomarxisten, in seinem Buch Naturrecht und menschliche Würde: „Nicht haltbar ist, dass der Mensch von Geburt an frei und gleich sei. Es gibt keine angeborenen Rechte, sie sind alle erworben oder müssen im Kampf noch erworben werden. (...)
http://db.swr.de/upload/manuskriptdienst/aula/au20041029_2771.rtf

Manche Rechtsphilosophen sehen im Rechtspositivismus eine zwingende Folge marxistischer Lehren.
Diese Sicht auf den Staat als "Gewährer von Rechten" scheint also schon irgendwie ein Kernelement des Sozialismus, wie er in der Regel verstanden wird, zu sein, genau wie unter liberalen Denkern hingegen eben das Naturrecht seine zahlreichen strammen Befürworter hat. Das wars was ich oben meinte mit meiner Unterscheidung:
Vom Individuum her und seinen Rechten, die es erstmal hat und die es dem Staat freiwillig abtreten kann oder von einem "Gemeinwohl" her, dessen Wächter der Staat ist, der dann dem Individuum Rechte gewährt.
und das erstere Sicht nich gerade typisch für "Sozialismus" ist.

Vielleicht sollte man für die Vorstellung von einem Sozialismus, der natürliche Menschen-, Bürger- und Freiheitsrechte aller Menschen zugrunde legt, aber wirtschaftlich auch mal klassisch sozialistische Umverteilungsgedanken pflegt, dann lieber einen ganz neuen Begriff finden.
Ich frage mich, ob man in Deutschland diesen Ansatz nicht sogar mal sozial-liberal nannte, ein Terminus, der heute meinem Eindruck nach nur noch für Gerhard Baum aus der Schublade geholt wird. ;-)
 

Simple Man

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Womit wir dann ja aber doch wieder bei dem Punkt wären, dass die persönliche Freiheit des Einzelnen untrennbar mit dem Recht auf Privateigentum verbunden ist ... und damit wieder die wirtschaftliche Seite berührt. Wobei es natürlich richtig ist, dass der Staat die individuelle Freiheit des Privateigentums schützen muss ... so das die liberale Denkschule selbst bei einer seiner Grundsäulen selber auf den Staat verweist ...

Anarchokapitalisten lassen wir mal außen vor, wir orientieren uns da eher an John Locke ... :mrgreen:
 

Ein_Liberaler

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Ich nenne mich ja liberal... Meiner Ansicht nach ist es die eigentliche Aufgabe und Rechtfertigung des Staates, wenn es denn einen gibt, die Freiheit des Einzelnen, oder altmodisch ausgedrückt Friede und Recht zu schützen. Ob ein Leben in Freiheit auch ohne Staat möglich wäre, ist meines Erachtens eine nicht uninteressante, aber rein akademische Frage.
 

Mr. Anderson

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agentP schrieb:
Dann müssen wir uns allerdings vermutlich darüber unterhalten, was für dich ein Sozialist überhaupt ist
Eigentlich ist das ziemlich genau die Frage, die der Titel dieses Threads indiziert ;)

Allerdings würde ich behaupten, dass es zumindest in der westlichen Welt keine größere zeitgenössische Bewegung gibt, ob sie sich nun "sozialistisch" nennt oder nicht, die sich dieses Zitat von Bloch zu Eigen machen würde: "Es gibt keine angeborenen Rechte, sie sind alle erworben oder müssen im Kampf noch erworben werden".
 

agentP

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Allerdings würde ich behaupten, dass es zumindest in der westlichen Welt keine größere zeitgenössische Bewegung gibt, ob sie sich nun "sozialistisch" nennt oder nicht, die sich dieses Zitat von Bloch zu Eigen machen würde: "Es gibt keine angeborenen Rechte, sie sind alle erworben oder müssen im Kampf noch erworben werden".

Da muss ich dann aber schon fragen, warum die Leute z.B. in der Linkspartei, die sich auch sonst nach wie vor zum Marxismus bekennen ausgerechnet diesen einigermassen fundamentalen Punkt verneinen?
Das ist doch sogar in der laufenden Diskussion um den "Unrechtsstaat DDR" immer wieder ein Punkt: Die Apologeten sagen (ganz rechtspositivistisch dedacht), dass die DDR kein Unrechtsstaat war, weil ja alles was passiert ist durch gültige Gesetze gedeckt war, die anderen argumentieren, dass das wurscht ist, weil ein höheres Naturrecht verletzt wurde. Genau diese letztere Begründung, die auch der BGH seinerzeit im Grenzerurteil zugrunde gelegt hat, seit damals in der Linken zumindest hochgradig umstritten.

Die Neomarxisten von Bloch bis Marcuse, die grade eben noch die 68er-Bewegung massiv beeinflusst haben, sollen in den Bewegungen der 68er-Enkel plötzlich überholt sein? Ich weiss das nicht, aber wenn dem so ist, dann würde mich zumindest interessieren, wann dieser Bruch vollzogen worden sein soll.
 

Mr. Anderson

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Die Apologeten sagen (ganz rechtspositivistisch dedacht), dass die DDR kein Unrechtsstaat war, weil ja alles was passiert ist durch gültige Gesetze gedeckt war, die anderen argumentieren, dass das wurscht ist, weil ein höheres Naturrecht verletzt wurde.
Hierbei sehe ich aber ehrlich gesagt nicht den Zusammenhang zu der Frage, ob man gewisse Rechte von bereits Geburt an hat, oder ob man sie erst erwerben muss. Auch die DDR-Verfassung hat allen Bürgern von vornherein gewisse Rechte garantiert (auf dem Papier zumindest). In der von Dir genannten Frage geht es doch eher darum, wann und wie man in diese Rechte eingreifen darf.
 

agentP

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Das mit dem Erwerben ist nochmal eine andere Sache, der Kern um den sich die Diskussion dreht war "Es gibt keine angeborenen Rechte", also die Verneinung eines "Naturrechts". Und da sehe ich sehr wohl einen Zusammenhang von Marx über Bloch bis hin zu dem Rechtspositivismus in der DDR und hin zu deren Apologeten. die auf der Schiene argumentieren.

Und da schliesst sich für mich auch der Kreis zum Anfang dieser Teil-Diskussion, die mit meiner These:

Für mich ist die Frage wie gesagt aber eher von welcher Seite man das Pferd aufzäumt: Vom Individuum her und seinen Rechten, die es erstmal hat und die es dem Staat freiwillig abtreten kann oder von einem "Gemeinwohl" her, dessen Wächter der Staat ist, der dann dem Individuum Rechte gewährt.

edit: So ganz abwegig und unüblich scheint meine Auffassung jedenfalls nicht zu sein, denn:

Unter Kollektivismus wird - meist abwertend - ein Werte- und Moralsystem verstanden das ein menschliches Kollektiv höher wertet als die Individuen . Der Gegensatz dazu ist der Individualismus .
[...]
Als politische Ideologien des Kollektivismus gelten insbesondere Sozialismus und Nationalismus .
http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Kollektivismus.html
 

Mr. Anderson

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Da sehe ich jetzt einige Probleme anrollen, die in der Art der Formulierung stecken. (sowie in der Interpretation derselben)
Wenn ein Staat sagt: "Ich garantiere Ihnen diese und jene Rechte." Behauptet er dann damit implizit, dass diese Rechte vorher nicht da waren? Oder: Was, wenn er sagt: "Sie haben das Recht auf [so-und-so]." Heißt dies dann: "Ich gewähre Ihnen dieses Recht", oder "Ich erkenne dieses Recht an?"
Und wenn er sagt: "Jeder hat von Geburt an diese und jene Rechte", bedeutet das, dass er Rechte von Geburt an anerkennt, oder gerade, dass er sie nicht anerkennt und sich das lediglich ausdenkt?
Oder kann es dem Staat vielleicht egal sein, wo das Recht herkommt, da er sich sowieso dran halten muss, solange es in der Verfassung steht? Und welcher Staat argumentiert bei seinen Rechtsentscheidungen mit Rechten, die nicht in der Verfassung stehen und sich auch nicht daraus ableiten lassen?

Und wenn der Staat der Meinung ist, dass das Recht von "außerhalb" kommt, also nicht von ihm selbst, bedeutet dies dann möglicherweise, dass er
- ein "Naturrecht" anerkennt,
- ein gewisses ethisches Minimum anerkennt, oder
- eine Grundsatzentscheidung der Gesellschaft anerkennt?

Aber wie dem auch sei, der Staat kann solche Rechte nur im Zusammenhang mit seiner eigenen Existenz betrachten, wenn er denn eine Rolle dabei spielen soll, sie umzusetzen oder sie zu garantieren. Er muss sich etwas davon zu eigen machen. Ansonsten würde es keinen Sinn ergeben, sich an den Staat zu wenden, wenn man ein Recht geltend machen will. Andererseits muss der Bürger dann natürlich wiederum anerkennen, dass der Staat der Schiedsrichter hierbei sein soll, wenn er (der Bürger) ein Recht gegenüber jemand anders geltend machen- und den Staat hierfür als Schnittstelle oder als Vollstreckungsorgan benutzen will.

Wahrscheinlich schweife ich gerade ab bzw. komme durcheinander.
Mal zurück zum Beispiel mit den Mauerschützen: Das Schießen in diesem Zusammenhang zu legitimieren, ist vermutlich "typisch" rechtspositivistisch. Allerdings ist es von der Tatsache, dass das BGH-Urteil in der "Linken" umstritten ist (ich habe ehrlich gesagt kein gutes Bild davon, inwiefern dies der Fall ist), imo noch ein weiter Weg dahin zu sagen, dass "Die Linke" sich den Satz "Es gibt keine angeborenen Rechte" zu eigen macht.

agentP schrieb:
Und da schliesst sich für mich auch der Kreis zum Anfang dieser Teil-Diskussion, die mit meiner These:
Das ist für mich jetzt vermutlich etwas weniger schlüssig als möglicherweise für Dich.
Der Hinweis auf den Kollektivismus liefert hier m. E. auch keine Entscheidung in der Frage, ob ein Sozialist kein "Naturrecht" anerkennt. Man kann ebensogut die Auffassung vertreten, dass "im Naturrecht" die Gemeinschaft über dem Individuum steht, wie umgekehrt.
 

agentP

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Der Hinweis auf den Kollektivismus liefert hier m. E. auch keine Entscheidung in der Frage, ob ein Sozialist kein "Naturrecht" anerkennt. Man kann ebensogut die Auffassung vertreten, dass "im Naturrecht" die Gemeinschaft über dem Individuum steht, wie umgekehrt.

Ja gut, nur gemeinhin werden unter Naturrecht(en) in der Literatur in erster Linie Individualrechte verstanden (Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, gegebenenfalls auf Eigentum).
Und auch du hast den Begriff im Prinzip doch so auch verwendet.
Das steht durchaus im Gegensatz zum Kollektivismus, was noch deutlicher wird, wenn man z.B. die Definition von Koll. im Fremdwörterduden heranzieht:
Kol|lek|ti|vis|mus der; -:

1. Anschauung, die mit Nachdruck den Vorrang des gesellschaftlichen Ganzen vor dem Individuum betont u. Letzterem jedes Eigenrecht abspricht.

Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. Mannheim 2007 [CD-ROM]

Der Hinweis auf den Kollektivismus liefert hier m. E. auch keine Entscheidung in der Frage, ob ein Sozialist kein "Naturrecht" anerkennt. Man kann ebensogut die Auffassung vertreten, dass "im Naturrecht" die Gemeinschaft über dem Individuum steht, wie umgekehrt.
Um das schlüssig zu argumentieren, müsste man vermutlich ernsthaft Forschung betreiben. Ich kann nicht mehr leisten, als Beispiele und Zitate liefern, die belegen, dass so mancher prominente sozialistische Vordenker mit dem dem Konzept so seine Probleme hatte und dass man bestimmte real existierende Phänomene durchaus aus dieser Tradition ableiten kann. Ich kann ebenfalls belegen, dass diese Auffassung nicht in meinem verwirrten Geist entstanden ist, sondern dass man diese Auffassung in der Literatur durchaus ebenfalls wiederfindet.
Und ich bin persönlich ebenfalls der Meinung, dass auch die jüngsten Tiraden eines Oskar Lafontaine gegen den "Individualismus" durchaus in dieser Tradition stehen.
Das kannst du natürlich anders sehen. Ich denke auch nicht, dass wir da zusammenkommen. Let´s agree to disagree.

Eine muss ich aber glaube ich noch anmerken: Für mich steckt darin auch keine Wertung, weil ich mit dem Konzept des Naturrechts durchaus so meine Probleme habe. Ich bin ja schliesslich "links" sozialisiert worden. ;-)
Von der Idee eines überpositiven Naturrechts ausgehend, ist man nämlich auch ganz schnell mit seinen Truppen im Irak oder Afghanistan um einen Diktator zu stürzen, der solches Recht verletzt.
Was ich sagen will: Auch wenn ich für mich das Konzept Naturrecht recht eindeutig der liberalen Denktradition (sieht man z.B. schön, wenn man bei wiki die Liste der Philosophen ansieht die zu dem Thema gearbeitet haben und seine Existenz vertreten haben. Neben Scholastikern ein who-is-who der Geschichte des Liberalismus) und die Ablehnung desselben der sozialistischen zuordne, kann ich beim besten Willen nicht sagen, dass ich mit dem einen oder anderen Ansatz völlig übereinstimme. Beide haben Vorteile und beide bergen immense Gefahren. Ich persönlich stecke da absolut in einem Dilemma.
 

Mr. Anderson

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agentP schrieb:
Das steht durchaus im Gegensatz zum Kollektivismus, was noch deutlicher wird, wenn man z.B. die Definition von Koll. im Fremdwörterduden heranzieht:
Kol|lek|ti|vis|mus der; -:
1. Anschauung, die mit Nachdruck den Vorrang des gesellschaftlichen Ganzen vor dem Individuum betont u. Letzterem jedes Eigenrecht abspricht.
Wobei sich das allerdings schon etwas anders liest als die Beschreibung aus dem Lexikon von uni-protokolle.de . Dort war ja lediglich von einem Wertungsunterschied die Rede (also nicht von einem kompletten Absprechen des Individualrechts), und wurde als Beispiel u. a. der Satz "Eigentum verpflichtet" herangezogen, der sich wiederum auch in unserer Verfassung wiederfindet.
Von der Idee eines überpositiven Naturrechts ausgehend, ist man nämlich auch ganz schnell mit seinen Truppen im Irak oder Afghanistan um einen Diktator zu stürzen, der solches Recht verletzt.
(...)Beide haben Vorteile und beide bergen immense Gefahren. Ich persönlich stecke da absolut in einem Dilemma.
Naja, das sehe ich jetzt weniger problematisch. Es ist ja nicht so, dass man jetzt gezwungen wäre, eine der beiden Richtungen extrem zu interpretieren und sich ihr dann auch noch anzuschließen. Im Fall des Irakkriegs wurde imo eher eine Art "Legitimationslabor" beauftragt, das an verschiedenen Stellen (sagen wir Philosophien) nach Rechtfertigungen gesucht hat, als dass diese Philosophien von sich aus nun zum Irakkrieg geführt hätten (von der Bush-Doktrin mal abgesehen). Außerdem steht die Kriegführung an sich ja auch bereits mit etlichen Individualrechten auf Kriegsfuß.
Let´s agree to disagree.
Könnte darauf hinauslaufen, muss aber nicht ;) (oder sagen wir: partly agree to partly disagree :gruebel:)
 

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