Trestone
Großmeister
- Registriert
- 12. April 2002
- Beiträge
- 887
Hallo,
nicht nur Philosophen suchen nach der Wahrheit,
auch wenn uns nur intuitiv klar zu sein scheint, was Wahrheit überhaupt ist.
Ähnlich liegt der Fall bei dem Begriff Zeit.
Hier gibt es das berühmte Zitat von Augustinus:
„Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich's, will ich's aber einem Fragenden erklären, weiß ich's nicht.“
Lange hatte man die Vorstellung von einer absoluten und universellen Zeit
(„jetzt“, „vorher“, „nachher“ gelten überall im ganzen Universum),
die Relativitätstheorie brachte diese Vorstellung zu Fall
und machte die Reihenfolge „vorher – nachher“ von Bezugssystemen abhängig.
Auch der klassische Wahrheitsbegriff ist absolut und universell
(Aussagen sind entweder wahr oder falsch und eine als wahr erkannte Aussage bleibt für alle stets wahr
– für alle (logisch) denkenden Wesen im Universum).
Ähnlich wie bei der Zeit ist diese Universalität und Absolutheit sehr nützlich,
da einmal erkannte Wahrheiten nicht mehr abhanden kommen können
und man mit der Wahrheit ein eindeutiges Ziel und eine Richtschnur hat.
Leider kann es aber sein, dass es, analog zur Zeit, eine solche absolute Wahrheit gar nicht gibt.
Auch die Wahrheit könnte von Bezugssystemen abhängig sein.
Und es könnte Aussagen geben, die vom einen Bezugssystem aus wahr und vom anderen Bezugssystem aus falsch erscheinen.
Gerade philosophische Grundfragen habe ich in diesem Verdacht, denn z. T. Jahrhunderte oder gar Jahrtausende lange Bemühungen konnten viele dieser Fragen nur stets neu beleuchten aber nicht an ein Ziel bringen.
Das Zusammenwirken von Geist und Materie ist so eine Grundfrage.
Wir erleben einerseits unseren Geist als Ursache von Körperbewegungen
(z.B. willentliche Bewegung eines Fingers),
andererseits zeigt sich die physikalisch materielle Welt in Experimenten stets als abgeschlossen.
Wären unser geistiges Erleben und physikalische Experimente zwei unterschiedliche Bezugssysteme,
so könnte die Aussage „die Bewegung des Fingers hat ausschließlich physikalisch materielle Ursachen“
in dem einen System wahr und in dem anderen System falsch sein,
ohne dass es eine absolute Wahrheit dazu geben müsste.
Zugegebenermaßen wäre eine solche Lösung etwas unbefriedigend,
da sie uns nicht eine eindeutige Antwort liefert,
sondern wir entweder mehrere Bezugssysteme betrachten oder uns für eines entscheiden müssen.
Und zumindest ich bin nicht in der Lage, beim Argumentieren auf absolute Aussagen zu verzichten.
Denn fast alle meine Aussagen hier erheben den Anspruch auf Wahrheit, ohne dass ich jeweils ein Bezugssystem angebe, ja ich weiß noch nicht einmal genau, was denn ein Bezugssystem ist.
Etwas hilft ein technischer Trick:
Ich nehme einfach alle Metaaussagen (das sind Aussagen über Aussagen bzw. Aussagen über die Wahrheitswerte von Aussagen) von der Relativierung aus,
diese sollen weiter absolut wahr oder falsch sein.
Aber die Frage bleibt, ob man eine Relativierung der Wahrheit überhaupt akzeptieren würde.
In der Praxis haben wir uns ja längst damit abgefunden, dass unsere Erkenntnisse meist relativ sind,
aber für die Theorie (und in unseren Grundüberzeugungen?) halten wir die absolute Wahrheit weiterhin hoch.
Gottesbeweise sind zwar außer Mode, aber die Antwort „ „Es gibt Gott“ ist in Bezugssystem A wahr und in System B falsch“ wäre wohl auch kaum hilfreich.
Allerdings zeigt dieses Beispiel, das die Bezugssysteme hier eine entscheidende Rolle spielen würden,
auch wenn ich nicht glaube, dass man durch geeignete Wahl des Bezugssystems jede Aussage als „wahr“ oder „falsch“ nach Belieben drehen könnte.
Die Wahrheit von Aussagen wäre also ein Zusammenspiel der Aussage mit dem Bezugssystem.
Manche Aussagen (wie die Metaaussagen) sind unabhängig von Bezugssystemen,
manche im Wahrheitswert unterschiedlich je nach Bezugssystem.
Leider kann ich den zentralen Begriff „Bezugssystem“ nicht ausreichend definieren,
ich vermute dass er mit Sprachebenen, Metastufen etc. zu tun hat.
Denn die klassische Aussage „dieser Satz ist nicht wahr“ erscheint je nach Meta-Betrachtungsebene als wahr oder falsch.
Einen technisch operativen Weg bin ich in meiner Stufenlogik gegangen ( http://www.ask1.org/fortopic20575.html ),
dort habe ich einfach die Bezugssysteme als Stufen 0,1,2,3,… eingeführt und Bearbeitungsregeln aufgestellt,
ohne den Begriff „Stufe“ letztlich zu klären.
Immerhin zeigte sich dieser Weg als bisher in sich konsistent,
d.h. eine Logik und Wahrheit mit Bezugssystemrelativität scheint möglich zu sein.
Und wenn die Welt tatsächlich so kompliziert sein sollte,
dann hilft uns der Wunsch nach absoluter einfacher Wahrheit wohl auf Dauer auch nicht weiter
und wir müssen in den saueren Apfel beißen …
Gruß
Trestone
nicht nur Philosophen suchen nach der Wahrheit,
auch wenn uns nur intuitiv klar zu sein scheint, was Wahrheit überhaupt ist.
Ähnlich liegt der Fall bei dem Begriff Zeit.
Hier gibt es das berühmte Zitat von Augustinus:
„Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich's, will ich's aber einem Fragenden erklären, weiß ich's nicht.“
Lange hatte man die Vorstellung von einer absoluten und universellen Zeit
(„jetzt“, „vorher“, „nachher“ gelten überall im ganzen Universum),
die Relativitätstheorie brachte diese Vorstellung zu Fall
und machte die Reihenfolge „vorher – nachher“ von Bezugssystemen abhängig.
Auch der klassische Wahrheitsbegriff ist absolut und universell
(Aussagen sind entweder wahr oder falsch und eine als wahr erkannte Aussage bleibt für alle stets wahr
– für alle (logisch) denkenden Wesen im Universum).
Ähnlich wie bei der Zeit ist diese Universalität und Absolutheit sehr nützlich,
da einmal erkannte Wahrheiten nicht mehr abhanden kommen können
und man mit der Wahrheit ein eindeutiges Ziel und eine Richtschnur hat.
Leider kann es aber sein, dass es, analog zur Zeit, eine solche absolute Wahrheit gar nicht gibt.
Auch die Wahrheit könnte von Bezugssystemen abhängig sein.
Und es könnte Aussagen geben, die vom einen Bezugssystem aus wahr und vom anderen Bezugssystem aus falsch erscheinen.
Gerade philosophische Grundfragen habe ich in diesem Verdacht, denn z. T. Jahrhunderte oder gar Jahrtausende lange Bemühungen konnten viele dieser Fragen nur stets neu beleuchten aber nicht an ein Ziel bringen.
Das Zusammenwirken von Geist und Materie ist so eine Grundfrage.
Wir erleben einerseits unseren Geist als Ursache von Körperbewegungen
(z.B. willentliche Bewegung eines Fingers),
andererseits zeigt sich die physikalisch materielle Welt in Experimenten stets als abgeschlossen.
Wären unser geistiges Erleben und physikalische Experimente zwei unterschiedliche Bezugssysteme,
so könnte die Aussage „die Bewegung des Fingers hat ausschließlich physikalisch materielle Ursachen“
in dem einen System wahr und in dem anderen System falsch sein,
ohne dass es eine absolute Wahrheit dazu geben müsste.
Zugegebenermaßen wäre eine solche Lösung etwas unbefriedigend,
da sie uns nicht eine eindeutige Antwort liefert,
sondern wir entweder mehrere Bezugssysteme betrachten oder uns für eines entscheiden müssen.
Und zumindest ich bin nicht in der Lage, beim Argumentieren auf absolute Aussagen zu verzichten.
Denn fast alle meine Aussagen hier erheben den Anspruch auf Wahrheit, ohne dass ich jeweils ein Bezugssystem angebe, ja ich weiß noch nicht einmal genau, was denn ein Bezugssystem ist.
Etwas hilft ein technischer Trick:
Ich nehme einfach alle Metaaussagen (das sind Aussagen über Aussagen bzw. Aussagen über die Wahrheitswerte von Aussagen) von der Relativierung aus,
diese sollen weiter absolut wahr oder falsch sein.
Aber die Frage bleibt, ob man eine Relativierung der Wahrheit überhaupt akzeptieren würde.
In der Praxis haben wir uns ja längst damit abgefunden, dass unsere Erkenntnisse meist relativ sind,
aber für die Theorie (und in unseren Grundüberzeugungen?) halten wir die absolute Wahrheit weiterhin hoch.
Gottesbeweise sind zwar außer Mode, aber die Antwort „ „Es gibt Gott“ ist in Bezugssystem A wahr und in System B falsch“ wäre wohl auch kaum hilfreich.
Allerdings zeigt dieses Beispiel, das die Bezugssysteme hier eine entscheidende Rolle spielen würden,
auch wenn ich nicht glaube, dass man durch geeignete Wahl des Bezugssystems jede Aussage als „wahr“ oder „falsch“ nach Belieben drehen könnte.
Die Wahrheit von Aussagen wäre also ein Zusammenspiel der Aussage mit dem Bezugssystem.
Manche Aussagen (wie die Metaaussagen) sind unabhängig von Bezugssystemen,
manche im Wahrheitswert unterschiedlich je nach Bezugssystem.
Leider kann ich den zentralen Begriff „Bezugssystem“ nicht ausreichend definieren,
ich vermute dass er mit Sprachebenen, Metastufen etc. zu tun hat.
Denn die klassische Aussage „dieser Satz ist nicht wahr“ erscheint je nach Meta-Betrachtungsebene als wahr oder falsch.
Einen technisch operativen Weg bin ich in meiner Stufenlogik gegangen ( http://www.ask1.org/fortopic20575.html ),
dort habe ich einfach die Bezugssysteme als Stufen 0,1,2,3,… eingeführt und Bearbeitungsregeln aufgestellt,
ohne den Begriff „Stufe“ letztlich zu klären.
Immerhin zeigte sich dieser Weg als bisher in sich konsistent,
d.h. eine Logik und Wahrheit mit Bezugssystemrelativität scheint möglich zu sein.
Und wenn die Welt tatsächlich so kompliziert sein sollte,
dann hilft uns der Wunsch nach absoluter einfacher Wahrheit wohl auf Dauer auch nicht weiter
und wir müssen in den saueren Apfel beißen …
Gruß
Trestone