Terroristen und Schattenkrieger
Die Abwehr benötigt höhere Effizienz, die Verhinderung bedarf einer neuen Politik - von Gerfried Sperl
Nach der Terrorattacke von Madrid war es wieder einmal so weit: In ganz Europa wurden "die Sicherheitsvorkehrungen verschärft". Da dies ein Stehsatz der Politiker nach jedem Terrorschlag ist, lässt sich nur ein einziger Schluss ziehen: Wenn das Medieninteresse abebbt, wird die Sicherheit wieder zurückgefahren. Auch in Österreich, wo in Wirklichkeit bei der Exekutive nicht aufgerüstet, sondern gespart wird. Und wo man es zulässt, dass die Flughafenkontrolle wie in anderen Ländern mit immer strikteren Dienstplänen und immer schlechterer Bezahlung betrieben wird.
Die Sicherheitspolitik in den EU-Staaten ist über weite Strecken eine Propagandapolitik. Das ist der eine Aspekt. Der andere ist, dass dem modernen Terror nur mit militärischen Mitteln nicht beizukommen ist. Er kann höchstens gebremst, aber nicht eliminiert werden, wie das israelische Beispiel zeigt. Mehr Know-how und mehr Geldeinsatz (um den Preis enormer ökonomischer Probleme) sind kaum noch vorstellbar. Der dritte Aspekt: Es gibt Regierungen, dazu gehört die Administration Bush, die in keinen anderen als in militärischen Machtkategorien denken können.
Erinnern wir uns: Der 11. September 2001 hätte anders verlaufen können, wenn man in Washington die Warnungen der Geheimdienste ernst genommen hätte. Frage Nr. 1: Wird die Welt sicherer, wenn man die Geheimdienste aufrüstet? Erinnern wir uns: Geheimdienstberichte sprachen in den letzten Wochen von der Gefahr eines Terrorüberfalls in Europa. Spanien gehörte zu den meistgenannten Zielen. Daher Frage Nr. 2 und Frage Nr. 3: War damit zu rechnen, dass El-Kaida ihre Bomben in Vorortezügen zünden wird? Wie schützt man in Großstädten tagtäglich U-Bahnen und Pendlerstrecken?
Machen wir uns nichts vor: Staatliche Terrorabwehr ist eine territoriale Abwehr. Terroristische Netze agieren grenzenlos im Untergrund. Klassisch organisierte Armeen haben gegen Guerillagruppen immer schon einen schweren Stand gehabt. Die El-Kaida scheint sich zu vermehren wie eine Hydra. Für einen abgeschlagenen Kopf wachsen zwei wieder nach.
Deshalb forciert der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld neuerdings so genannte "Schattenkrieger", die sich um die Souveränität von Nationalstaaten nicht kümmern müssen. Die aber (und das ist der Schluss aus einem Artikel in Foreign Affairs) selbst in Österreich agieren können, ohne dass der Innenminister etwas weiß. Daraus resultieren enorme demokratiepolitische und völkerrechtliche Probleme. Und enorme Gefahren für die Zivilbevölkerung. Weil sich ein "Schattenkrieg" entwickeln könnte, der plötzlich in ein Licht tritt, das Tausenden Menschen ins Grab hinunterleuchtet.
Natürlich wird niemand einer Abrüstung das Wort reden. Eine Aufrüstung ohne Effizienzsteigerung macht aber genauso wenig Sinn. Und ein europäischer Geheimdienst? So aus dem Ärmel geschüttelt? Wer soll ihn befehligen? Welche Befugnisse hätte er? Zumal man befürchten muss, dass unter dem Titel "Terror" die Bürgerüberwachung verschärft wird, die eigentlichen Täter aber nicht behindert werden.
Denn zu einer nachhaltigen Schwächung von Drahtziehern und Organisatoren sind ganz andere Maßnahmen nötig - dass arabische Potentaten ihre Hilfe für Terrorzellen einstellen. Was übrigens auch eine Bedingung für eine Nahost-Lösung wäre.
Letztlich geht es auch um Zukunftsfragen. Beispielsweise um jene des Beitritts der Türkei zur EU. Nur eine Vollmitgliedschaft wird den Ambitionen Ankaras gerecht. Zwar sind die finanziellen Probleme auf den ersten Blick schier unüberwindlich. Einen Staat mit einem moderaten Islam zu einem gleichberechtigten Partner Europas zu machen hätte enorme Wirkungen auf die gesamte islamische Welt. Schlaue Köpfe könnten Modelle des Übergangs erarbeiten. Die Kosten wären trotz allem geringer als neue Kriege und immer grausamere Anschläge. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.3.2004)
Die Abwehr benötigt höhere Effizienz, die Verhinderung bedarf einer neuen Politik - von Gerfried Sperl
Nach der Terrorattacke von Madrid war es wieder einmal so weit: In ganz Europa wurden "die Sicherheitsvorkehrungen verschärft". Da dies ein Stehsatz der Politiker nach jedem Terrorschlag ist, lässt sich nur ein einziger Schluss ziehen: Wenn das Medieninteresse abebbt, wird die Sicherheit wieder zurückgefahren. Auch in Österreich, wo in Wirklichkeit bei der Exekutive nicht aufgerüstet, sondern gespart wird. Und wo man es zulässt, dass die Flughafenkontrolle wie in anderen Ländern mit immer strikteren Dienstplänen und immer schlechterer Bezahlung betrieben wird.
Die Sicherheitspolitik in den EU-Staaten ist über weite Strecken eine Propagandapolitik. Das ist der eine Aspekt. Der andere ist, dass dem modernen Terror nur mit militärischen Mitteln nicht beizukommen ist. Er kann höchstens gebremst, aber nicht eliminiert werden, wie das israelische Beispiel zeigt. Mehr Know-how und mehr Geldeinsatz (um den Preis enormer ökonomischer Probleme) sind kaum noch vorstellbar. Der dritte Aspekt: Es gibt Regierungen, dazu gehört die Administration Bush, die in keinen anderen als in militärischen Machtkategorien denken können.
Erinnern wir uns: Der 11. September 2001 hätte anders verlaufen können, wenn man in Washington die Warnungen der Geheimdienste ernst genommen hätte. Frage Nr. 1: Wird die Welt sicherer, wenn man die Geheimdienste aufrüstet? Erinnern wir uns: Geheimdienstberichte sprachen in den letzten Wochen von der Gefahr eines Terrorüberfalls in Europa. Spanien gehörte zu den meistgenannten Zielen. Daher Frage Nr. 2 und Frage Nr. 3: War damit zu rechnen, dass El-Kaida ihre Bomben in Vorortezügen zünden wird? Wie schützt man in Großstädten tagtäglich U-Bahnen und Pendlerstrecken?
Machen wir uns nichts vor: Staatliche Terrorabwehr ist eine territoriale Abwehr. Terroristische Netze agieren grenzenlos im Untergrund. Klassisch organisierte Armeen haben gegen Guerillagruppen immer schon einen schweren Stand gehabt. Die El-Kaida scheint sich zu vermehren wie eine Hydra. Für einen abgeschlagenen Kopf wachsen zwei wieder nach.
Deshalb forciert der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld neuerdings so genannte "Schattenkrieger", die sich um die Souveränität von Nationalstaaten nicht kümmern müssen. Die aber (und das ist der Schluss aus einem Artikel in Foreign Affairs) selbst in Österreich agieren können, ohne dass der Innenminister etwas weiß. Daraus resultieren enorme demokratiepolitische und völkerrechtliche Probleme. Und enorme Gefahren für die Zivilbevölkerung. Weil sich ein "Schattenkrieg" entwickeln könnte, der plötzlich in ein Licht tritt, das Tausenden Menschen ins Grab hinunterleuchtet.
Natürlich wird niemand einer Abrüstung das Wort reden. Eine Aufrüstung ohne Effizienzsteigerung macht aber genauso wenig Sinn. Und ein europäischer Geheimdienst? So aus dem Ärmel geschüttelt? Wer soll ihn befehligen? Welche Befugnisse hätte er? Zumal man befürchten muss, dass unter dem Titel "Terror" die Bürgerüberwachung verschärft wird, die eigentlichen Täter aber nicht behindert werden.
Denn zu einer nachhaltigen Schwächung von Drahtziehern und Organisatoren sind ganz andere Maßnahmen nötig - dass arabische Potentaten ihre Hilfe für Terrorzellen einstellen. Was übrigens auch eine Bedingung für eine Nahost-Lösung wäre.
Letztlich geht es auch um Zukunftsfragen. Beispielsweise um jene des Beitritts der Türkei zur EU. Nur eine Vollmitgliedschaft wird den Ambitionen Ankaras gerecht. Zwar sind die finanziellen Probleme auf den ersten Blick schier unüberwindlich. Einen Staat mit einem moderaten Islam zu einem gleichberechtigten Partner Europas zu machen hätte enorme Wirkungen auf die gesamte islamische Welt. Schlaue Köpfe könnten Modelle des Übergangs erarbeiten. Die Kosten wären trotz allem geringer als neue Kriege und immer grausamere Anschläge. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.3.2004)