Mein Glaube

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9. Juni 2002
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Mein Glaube

Auf dieser Walstatt blut'ger Meinungskriege,
Wo Wahrheit und Vernunft begraben liegt,
Auf dieser Kugel, wo von Sieg zu Siege
Das Ungeheuer der Verfolgung fliegt;
In diesem Reich der Finsternis und Lüge,
Wo man die Menschheit in den Traum gewiegt,
Hier will ich meinen Glauben treu bekennen,
Mag's auch die Welt dann, wie sie Lust hat, nennen.


Nicht jenen Gott, den man Jehova nannte,
Der heute schafft und morgen schon bereut,
Dess' roher Blutdurst kein Erbarmen kannte,
Den Feind des Mitleids und der Menschlichkeit;
Der wilde Löwen in die Hütten sandte,
Weil man ihm keine´Tempel noch geweiht,
Der nicht errötet, Diebstahl zu befehlen,
Und hinterher gebeut: "Du sollst nicht stehlen!"


Auch das Phantom nicht, das dem kranken Hirne
Des Mönchleins Athanasius entsprang,
Und dem ein Pontifex mit frecher Stirne
Von blinden Irrenden Respekt erzwang;
Wie der gesunde Menschensinn auch zürne,
Das ungeheure Wagestück gelang.
Das Schwert muß die Vernunft darniederhalten,
Bis man den Gott, den Einigen, zerspalten.


Ach! tausende von Scheiterhaufen brannten
Dem Zerrbild, das aus solcher Stelle stammt,
Für alle, die sich nicht zu ihm bekannten,
In denen noch ein Gottesfunke flammt.
Und nicht genug, Daß sie den Leib verbrannten,
Die Seele war zur Höllenglut verdammt
Von jenem Pfäfflein, das die Welt verblendet,
Das heiligste der Rechte ihr entwendet.


Nur Dich, der ewig über Wolken thronet,
Und den kein sterblich Auge je erkannt,
Dich, der in jedem reinen Herzen wohnet,
Den jeder, der Dich ernstlich suchte, fand;
Dich, der die Wahrheit liebt, den Irrtum schonet,
Und den kein Tempel schließt, kein heilig Land,
Dich will ich glauben, Deinen Lohn erwerben,
Dein will ich sein im Leben und im Sterben.


Dich wollten jene alten Forscher finden,
In ihren Hallen hat Dein Licht gewohnt;
Dich wollt' uns einst Marias Sohn verkünden,
Die Mit- und Nachwelt hat es ihm gelohnt ---.
Wo Priesterwut und Irrtum sich verbünden
Wird keiner, der Dich laut bekennt, geschont.
Zu allen Zeiten kannten Dich die Weisen,
Doch ehrten sie Dich still in enger'n Kreisen.


Da waren sie vereint, Dein Buch zu lesen,
Dein großes Buch, die herrliche Natur.
Es predigt Dich, Du Wesen aller Wesen,
Auf jedem Blatt ist Deines Waltens Spur.
Was je zu schauen uns vergönnt gewesen,
Es fand sich stets in diesem Buche nur,
Dem einzigen, das Du allein geschrieben,
Dem einzigen, das unverfälscht geblieben ---.


Auch mir hast Du vergönnt hineinzublicken,
Wie Du den Sonnen zeigtest ihre Bahn,
Mit ihrem Glanz die Erden zu erquicken
Im unermeß'nen Himmelsozean.
Und Monde sah ich um Planeten rücken
Nach weisem, ewig unverrückten Plan;
Ein Band umschlingt das mächtige Getriebe:
Das große, allgemeine Band der Liebe.


Doch nicht allein in sonnenfernen Sphären
Im Gange Deiner großen Weltenuhr
Darf Dich der Mensch, der Erde Sohn, verehren,
Denn rings um ihn ist Deiner Güte Spur.
Und jede Blume, jeder Wurm kann lehren,
Wie herrlich Du bist, Schöpfer der Natur!
Uns gönntest Du, mit Einsicht Dich zu lieben ---.
O, wäre doch der Mensch Dir treu geblieben!


Der Du die rollenden Planeten lenkest,
Der Du die Haare meines Haupts gezählt,
Der Du des niedrigsten Geschöpf gedenkest,
Dich, ew'ger Vater, hab ich mir erwählt.
Dank Dir für alles Gute, das Du schenkest ---!
Du sorgst, daß nichts an meiner Wohlfahrt fehlt.
Wie, wann und wo mein Erdenleben ende,
Ich gebe meinen Geist in Dein Hände!


( Joh. Heinrich v. Mädler )
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