Kritik an meinem Schreibstil

deLaval

Erleuchteter
Registriert
13. März 2003
Beiträge
1.161
14. Kapitel


„I know the one who waits
Satan is his Name
Across the Bridge of death
There he stands in flames“
(Manowar, Bridge of death)

Ein Sturm aus Haß und Gewalt erfüllte die Gegenwart Jeshayahs. Er war der Wind, der die Erde erzittern ließ und der Regen war das Blut seiner Widersacher. Blitze teilten den Nachhthimmel und erschlugen das Licht der Sterne, Donner erschütterte die zornschwangere Luft. Er spürte einen alten Haß in sich aufsteigen, eine lang vergessene Fehde.
Die Dornen der Krone auf Jeshayahs Kopf schnitten tief in sein Fleisch. Das brennende Schwert des Glaubens versengte ihn. Die Erlösung war nah, der Hunger verschlang die Hitze der Nacht. Seine Hände waren blutgetränkt, seine Augen brannten.
Schreie des Entsetzens hallte in seinen Ohren. Dunkelheit peitschte die Seelen derer, die ihm erschienen waren.
Diese Narren, wie konnten sie es wagen ihm zu widerstehen. Die Vergeltung wird kommen, fürchtet mich, denn ich bin die Rache.
Welche Verachtung empfand Jeshayah für diese anmaßenden Kreaturen, welche die Lehre der Ewigkeit so grotesk in Frage stellten. Die Rache für ihre Freveltaten wird kommen. Das Blut war schwach geworden und die Boten des Infernos hinterließen ihre Spuren auf den Leibern der Toten.
Eine alte Macht drohte das Tor zu Luzifers Reich aufzustoßen. Die Seelen der Verdammten erhoben sich. Das Feld der Verdammnis würde wieder erblühen, wenn die, die einst Haß säten, nun Blut ernteten.
Die Befreiung vom Schmerz der Zeit, die Vergebung des Erstgeborenen würde die Wunden im Fleische des Glaubens heilen und das brennende Schwert all jene erschlagen, deren Pfad vom Weg des Gerechten abwich. Es wird kommen, dachte Jeshayah, sein Wille geschehe.





15. Kapitel

Josef war sich nicht sicher, wie er mit seinem Wissen umgehen sollte. Der Fluch, wie alle die Vorkommnisse nannten, hatte seinen Ursprung hier in Alexandria. Hier lebte ein diabolisches Wesen namens Grieves, der in direktem Kontakt mit den Dämonen der Hölle stand. Ein Mitglied einer geheimen Randgruppe eines mysteriösen alten Todeskultes.
Josef war nicht gewohnt solches Wissen zu haben. Seine Ambitionen waren bisher immer nur persönlicher Natur gewesen.
Außerdem war er mit hundertunddreizehn Jahren noch ein sehr junges Mitglied der Gesellschaft der Unsterblichen.
Er hatte versucht seinen Mentor Harris in San Francisco zu erreichen, um ihn um Rat zu fragen, aber das war ihm bisher nicht gelungen.
Aber die Sache duldete keinen Aufschub, er mußte etwas tun. Dabei war er nur zufällig über dieses Wissen gestolpert.
Einer seiner Spione, die er geschickt hatte, um Nefala, eines Kinder von Ishem, zu beschatten, da er Geschäfte mit ihr gemacht hatte, und befürchtete, das sie ihn betrog, was übrigens stimmte, hatte ihm diese Informationen geliefert.
Außer einem Alten Spanier namens El Paco, kannte er nicht viele Vampire in der Stadt, die er für vertrauenswürdig hielt. Aber auch El Paco war unauffindbar. Es hieß, er sei von einer Frau, einer misteriösen Erscheinung mit infernalen Kräften, vernichtet worden.
Josef wußte, das El Paco dem selben alten Todeskult angehörte,wenn auch eher der Hauptströmung, die dafür bekannt war, von Zeit zu Zeit ihre eigenen unloyalen Mitglieder zu erschlagen.
Die Geschichte von El Pacos Vernichtung klang plausibel und es gab keinen Grund, daran zu zweifeln.
Josef saß in seiner Villa am Rande der Stadt, und überlegte, was er tun solle. Natürlich hatte er Harris eine Nachricht hinterlassen, aber er hatte nicht gewagt, dem Ansprechpartner alles zu erzählen. Wenn er in seinem kurzen Dasein etwas gelernt hatte, war das niemandem zu
trauen.
Josef stand auf und ging zum Fenster seines Wohnzimmers. Der Mond stand hoch am ägyptischen Nachthimmel. Eine leichte Brise frischte die schwere Luft ein wenig auf.
Ein Schatten huschte an Josefs Fenster vorbei. Josef schreckte auf.
Sie wissen, das ich es weiß, dachte er und lief die Treppe hinauf in sein Arbeitszimmer.
Dort ging er zu der Wand, an der sein alter Kavaleriesäbel hing, und nahm ihn herunter. Es war ein sehr beruhigendes Gefühl, diese vertraute Klinge in Händen zu halten. Sie hatte ihm gute Dienste geleistet, als er gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts unter Bismarck gegen die Franzosen gekämpft hatte.
Damals war er ein hochrangiger Offizier gewesen und hatte sich großen Ruhm erfochten, doch jetzt nutzte ihm das wenig.
Wenn sein Verdacht korrekt war, schlich ein Meuchelmörder im Auftrag dieses verdammten Geheimordens um seine Villa herum, um ihn zu ermorden. Möglicher Weise die selbe Person, die auch El Paco vernichtet hatte.
Es klingelte an der Tür. Josef öffnete die unterste Schublade seines Schreibtisches und nahm seinen Revolver heraus, der ihm bei vielen Verhandlungen bisher als schlagendes Argument gedient hatte. Dann griff er zum Telefon.
Er mußte sicher stellen, das sein Wissen nicht verloren ging. Es klingelte erneut. Harris Nummer war natürlich eingespeichert. Er drückte den Schnellwahlknopf. Niemand hob am anderen Ende der Leitung den Hörer ab.
Josef bekam Angst. Er war möglicherweise paranoid, aber das war ihm hundert mal lieber als tot zu sein.
Er wartete.
Von unten her hörte er wie eine Tür leise ins Schloß fiel. Ein sehr leises Geräusch, das er nicht gehört hätte, wenn seine Sinne sich nicht enorm geschärft hätten, seit er in der Dunkelheit wandelte. Jemand war also schon im Haus. Er stellte im Arbeitszimmer das Radio an und lief so leise er konnte in das benachbarte Gästezimmer. Sicher durch die laute Musik des Radios würde er den Eindringling nicht mehr hören, aber der ihn auch nicht. Und der Fremde könnte glauben, er sei noch immer im Arbeitszimmer, und ihm so einen Vorteil verschaffen.
Josef wußte es besser, als sich darauf zu verlassen.
Er öffnete das Fenster des Gästezimmers und kletterte auf das Fensterbrett. Von dort aus sprang er mit einem leichten Satz auf den kleinen Balkon des Arbeitszimmers, stieg über das Gitter und lehnte sich neben dem Fenster an die Wand.
Er spähte kurz über seine Schulter durch das Fenster und sah wie eine ganz in schwarz gekleidete, junge sehr hübsche Frau in diesem Moment das Radio abstellte.
Sie hatte ihre dunklen Haare hinterm Kopf zusammen gebunden und war vermutlich europäischer Herkunft. Keine sehr geübte Assasinin, dachte Josef, als er sah wie die Frau in den Schubladen seines Mahagonischreibtisches herumstöberte.
Auch schien sie unbewaffnet zu sein, aber darauf wollte er sich lieber nicht verlassen.
Angriff war bekanntlich die beste Verteidigung. Josef zielte sorgfältig mit seinem Revolver, beschloß dann aber doch nicht zu schießen, da in dieser Gegend nur selten geschossen wurde, und er wenig Interesse daran hatte sich mit der Polizei, die zweifellos jemand rufen würde, auseinanderzusetzen.
Blitzschnell drehte er sich wieder vom Fenster ab, als er sah wie sie darauf zu kam. Er hob den Säbel, während das Fenster sich langsam öffnete.
Ja streck nur deinen Kopf raus, damit ich ihn dir abhauen kann, dachte Josef.
Es erschien ihm fast zu einfach. Diese Frau mußte entweder eine miserable Mörderin sein, oder so mächtig, das sie sich derartige Unachtsamkeit leisten konnte.
Gleich würde Josef es wissen. Egal welche von beiden Möglichkeiten zutraf, er wollte unter gar keinen Umständen zulassen, das jemand so mir nichts dir nichts in seine heilige Zuflucht eindrang.
Plötzlich wurde es Dunkel um ihn herum. Stockfinster, so das er die Hand vor Augen nicht mehr sah.
Infernale Kräfte, dachte Josef, sie hat El Paco getötet, und jetzt holt sie mich.
Er hieb mit einem mal wild um sich. Eine verzweifelte Tat, provoziert durch das plötzliche Aufsteigen einer Todesangst, die er noch nie so gespürt hatte. Ihm war klar geworden wer diese Frau war. Mit ziemlicher Sicherheit war es die Selbe, die auch El Paco vernichtet hatte. Die Kräfte die sie einsetzte verrieten sie. Nur Mitglieder dieses Todeskultes konnten die Dunkelheit beherrschen.
Sein erster Hieb ging ins Leere, der zweite zerschmetterte das Glas des Fensters. Dann traf er das Gitter des Balkons, während sein Mund die übelsten Flüche ausstieß.
„Beruhigen Sie sich, Herr von Maienau,“ sagte eine tiefe sinnliche Frauenstimme hinter Josef in deutsch mit einem leicht französischen Akzent, „Ich habe nicht vor ihnen etwas zu tun. Legen Sie die Waffe weg, und ich garantiere ihnen, Sie werden diese Nacht überleben.“
Irgend etwas war in dieser Stimme, dem Josef nicht widerstehen konnte. Er ließ die Klinge fallen.
Das Licht der Nacht kehrte zurück.
Josef drehte sich um. Die Frau stand direkt hinter ihm. Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie ihn ohne größere Schwierigkeiten töten können.
„Mein Name ist Elaine,“ sagte sie ruhig, „vielleicht reden wir besser drinnen weiter.“
Sie deutete mit der Hand einladend ins Innere des Hauses und Josef folge dieser Geste, nachdem er seinen Säbel von Boden aufgehoben hatte. Sie gingen beide ins Arbeitszimmer und setzten sich dort hin.
„Sie können ihre Pistole getrost wieder in der Schublade verschwinden lassen,“ sagte Elaine, als sie sich dort an Josefs Schreibtisch gegenüber saßen, „wie gesagt, Sie haben von mir nichts zu befürchten.“
Josef tat wie ihm geheißen. Er konnte Elaine nicht widerstehen, ebensowenig, wie die meisten Sterblichen ihm widerstehen konnten. Ihre Augen waren wild und schienen direkt in seine Seele zu blicken.
„Ein sehr geschmackvolles Haus haben Sie,“ begann Elaine die Unterhaltung erneut.
„Danke,“ sagte Josef trocken, „sind Sie in mein Heim eingedrungen, um mir zu sagen, wie schön Sie mein Haus finden?“
Sie lächelte.
„Sie hätten mir ja auch die Tür öffnen können, vermutlich wäre Ihre Fensterscheibe dann noch ganz,“ bemerkte Elaine spitz, „aber Spaß beiseite.
Ein alter Freund hat mir von Ihnen erzählt. Er hat gesagt, das es niemanden in Alexandria gibt, der die Stadt so gut kennt wie Sie. Außer natürlich die Herren der Stadt.“
Josef war stolz und ließ sich das auch anmerken. In der Tat war er schon länger in Alexandria, als alle anderen Nichtägypter. Er war nach Alexandria gekommen, als in Europa der erste Weltkrieg tobte und verweilte seit dem in der Stadt. Für einen Außenstehenden hatte er enormen Einfluß gewonnen, seit seiner Ankunft.
„Könnte schon sein,“ gab er zu, „aber das berechtigt Sie noch lange nicht in mein Haus einzubrechen.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust.
„Sie haben Recht,“ stimmte Elaine ihm zu, „das hätte ich nicht tun sollen, ich bitte um Entschuldigung, aber in meinem Alter vergißt man schon mal die Regeln der Etikette, wenn etwas wichtig ist.“
„Warum haben Sie El Paco vernichtet?“ wollte Josef wissen.
„Gerüchte verbreiten sich schnell in dieser Stadt,“ stellte Elaine fest, „ein wenig zu schnell. Aber wenn Sie es genauer wissen wollen, El Paco war eine nichtswürdige Kreatur, die es nicht besser verdient hatte als im Feuer zu Grunde zu gehen. Sie sollten mir dankbar sein, das Sie nun nicht mehr unter seinem Einfluß stehen.“
Josef war empört über diese Aussage, aber irgendwie spürte er, das es die Wahrheit war. Wie hatte er sich so in jemandem täuschen können? Warum hatte er nicht die Stärke, solche Dinge zu durchschauen?
„Und was wollen Sie nun von mir?“
„Ich will, das Sie mir erzählen,“ sagte Elaine mit einer Kraft in ihrer Stimme, die Josef durch Mark und Bein fuhr, „was Sie über diese Vorkommnisse wissen.“
 

deLaval

Erleuchteter
Registriert
13. März 2003
Beiträge
1.161
16. Kapitel

Tief in den geheimen Katakomben unter Edinburghcastle saß Lilly vor dem Bildschirm des Computers, den Duncan ihr vor einigen Jahren besorgt hatte. Das Gerät war inzwischen bestimmt zwanzig mal aufgerüstet worden. Lilly legte großen Wert darauf, das ihre Hauptinformationsqelle stets auf dem neusten Standart war. Das stellte auch kein großes Problem dar, da Duncan über enorme Ressourcen verfügte.
Lilly war Duncans engste Vertraute. Er wachte über Lilly, die alte Nonne des Blutes, wie er sie nannte, wie ein Vater über ein schlafendes Kind. Und Sie wachte über ihn.
Lilly war vor fünfhundert Jahren wegen ihres Wissensdurstes zu einem Vampir geworden und hatte seitdem in ihren Katakomben eine der größten Bibliotheken der Welt angesammelt.
Duncan, der in den oberen Teilen der Burg seine Zuflucht hatte, profitierte sehr von seiner geheimen Beraterin. Wann immer er nicht weiter wußte, wandte er sich an sie. Das machte Lilly zu einer der wichtigsten Personen ganz Schottlands.
Über ihren Computer stand sie in ständigem Kontakt zu vielen anderen Vampiren, welche sie für vertrauenswürdig hielt, und die sie mit Informationen versorgte.
Der Fluch, der die Vampire weltweit heimsuchte, beschäftigte Lilly sehr. Es hatte bereits Hunderte dahingerafft, und es schien in Edinburgh begonnen zu haben. Sie stand vor einem Rätsel, ebenso wie viele andere.
In den früheren Abendstunden hatte Hendrik Meier, ein enger Freund den sie selbst in die Dunkelheit gezogen hatte aus Hamburg, sie angerufen und um ein paar Auskünfte gebeten. Aber sie hatte nur wenig Zeit gehabt und hatte ihn daher gebeten, sie später noch einmal zurückzurufen.
Sie wußte gut, das der Kontakt zu ihr für Hendrik sehr gefährlich war, denn Pervill, der Herr über Hamburg, haßte Ducan, und hatte Hendrik nur aufgenommen, weil dieser seiner dunklen Mutter abgeschworen hatte. Aber Hendrik würde schon auf sich aufpassen können.
Lilly hatte erfahren, das die Mitglieder des geheimen Ordens, welchem Pervill angehörte überhaupt nicht unter dem Fluch litten. Zumindest war ihr noch kein Fall zu Ohren gekommen. Ein seltsamer Zufall, wenn man an Zufälle glaubte, was Lilly schon seit Jahrhunderten nicht mehr tat.
Und es war auch kein Zufall, das überall auf der Welt der Verdacht gegen die Kinder der alten Mystik wuchs. Lilly konnte sich bei diesem Gedanken ein Lächeln nicht verkneifen, warum auch, es hätte eh niemand gesehen.
Wirklich zu dumm, das Miroslaw, einer der Ältesten von Prag, seinem Diener Voitila, der auch ein enger Freund Lillys war, alles glaubte. Und Miroslaw war einer der stärksten Verbreiter dieser Information. Er hatte wiederum seinem Darius Adenev Prag von seinem Verdacht erzählt, wohl wissend, das dieser die Kinder der alten Mystik noch mehr haßte, als er selbst.
Voitila hatte Lilly erzählt, das Darius verdeckte Kampftruppen nach London, dem Hauptsitz der Kinder der alten Mystik, geschickt hatte, die dort ihre Unternehmungen sabotieren sollten. Daraufhin war ein regelrechter Krieg zwischen London und Prag entbrannt, wobei Prag von Edinbourgh unterstützt wurde. Auch Sixtilius Grachus, der Herr von Rom half Prag in diesem Konflikt. Zum Glück hielten beide Seiten sich an das oberste Gesetz, den Sterblichen die Existenz der Unsterblichen nicht zu enthüllen.
Lillys Telefon klingelte. Der Name Hendrik erschien in dessen Display. Lilly nahm den Hörer ab.
„Was kann ich für Dich tun, Hendrik?“ fragte sie mit ihrer zischenden krächzenden Stimme.
„Ich habe vor zwei Tagen mit angesehen, wie eine Neugeborene an dem Fluch zu Grunde gegangen ist,“ begann Hendrik, „sie hatte aus allen Körperöffnungen geblutet, und in dem Blut waren seltsame weiße Würmer.“
„Das ist sehr sonderbar,“ entgegnete Lilly, „bisher hieß es, es sei der Hunger, der die Opfer des Fluchs zu Grunde richtete.“
„Die Frau schien großen Hunger gehabt zu haben, sie wirkte sehr schwach und konnte kaum aufrecht gehen,“ bemerkte Hendrik, worauf Lilly fragte:
„Was geschah mit der Leiche?“
„Sie wurde von den Kindern der alten Mystik aus der Pathologie geholt, zu Untersuchungszwecken,“ antwortete Hendrik, „sie bewahren die Leiche in ihrem hiesigen Hauptquartier in Eppendorf auf.“
Wie überaus passend, dachte Lilly, die Kinder der Alten Mystik scheinen zu wollen, das sich dieser Verdacht gegen sie erhärtet. Wer bin ich, dem im Wege zu stehen? Das Vertrauen, welches dem Orden weltweit entgegen gebracht wurde, war ohnehin schon sehr gering, aber seit der Fluch begonnen hatte, traute ihnen niemand mehr.
„Was sagt denn unser Freund Benedikt dazu?“ fragte Lilly den jungen Verborgenen.
„Ich habe nicht mit ihm gesprochen, er hat in der letzten Zeit sehr häufig Besuch von einem Mitglied der Ordens, welches sich Guevara nennt.“
Lilly lächelte bei der Erwähnung dieses Namens. Sie kannte Guevara. Er war einer der Inquisitoren des inneren Zirkels. Eine Art Überwacher der Gesetze der Vampire. Der innere Zirkel war die Gruppe alter Vampire, welche die Gesetze geschaffen hatten, nach denen die Vampire seit Jahrtausenden lebten.
Guevaras Aufgabe war es die Kinder der alten Mystik zu infiltrieren und zu überwachen. Von Ihm hatte Lilly über die Jahre viele nützliche Informationen über den Orden erhalten, und im Gegenzug hatte sie ihn ebenfalls mit Informationen versorgt, die sie selbst allerdings für unwichtig hielt.
Er hat also Kontakt mit Benedikt aufgenommen, dachte Lilly, sehr interessant.
„Halte Dich von diesem Individuum fern,“ riet sie Hendrik, „er ist sehr gefährlich.“
Das Gespräch ging noch kurz weiter, aber die beiden tauschten keine wichtigen Informationen mehr aus.
Als Hendrik aufgelegt hatte, verließ Lilly ihre Katakomben, um Ranulf aufzusuchen. Lilly hatte einen Verdacht, den sie mit ihm besprechen wollte.
Ranulf war ein Däne, der mit dem ersten Kreuzzug nach Konstantinopel gekommen, und dann im arabischen Raum geblieben war. Dort war er zu einem Vampir geworden und hatte sich in die Arabische Kultur verliebt, sosehr, das er begonnen hatte, die Kultur Europas zu verachten, ebenso wie das nordische Wetter. Über achthundert Jahre war er in der Region geblieben, bis er, einer alten Schuld wegen, nach Edinbourgh geschickt wurde.
Ranulf haßte Schottland und er haßte es, dort sein zu müssen. Deshalb haßte er auch Duncan, der ein absoluter Patriot war.
Lilly öffnete die geheime Tür, welche die Katakomben mit den alten Kerkerräumen der Burg verband, und glitt lautlos hindurch. Kurze Zeit später ging sie die Royal Mile, die bis zum Schloß hinauf führte, vor den Blicken anderer verborgen, entlang. Sie war nicht besonders schnell, da sie nur einen Fuß hatte und sich auf eine hölzerne Krücke stützen mußte.
Wie so häufig in Schottland regnete es. Nicht sehr stark, nur sehr kleine Wassertropfen fielen vom Himmel und waren bereits größtenteils verdampft, ehe die nächsten den Boden erreichten.
Die Royal Mile war um diese Zeit noch immer einigermaßen belebt. Es gab in der Gegend eine Menge Pubs und Clubs, so wie einige Restaurants und Hotels. Das edelste dieser Hotels war das Ballmorral, in dem Ranulf residierte. Wenn schon in einem miserablen Land, dann wenigstens in einem guten Hotel.
Von Edinburgh aus hatte sich der Fluch über die ganze Welt verbreitet. Das war eine Tatsache. Mehrere jüngere Vampire hatten in letzter Zeit die Stadt verlassen, Personen, die erst kurz zuvor in die Stadt gekommen waren.
Lilly vermutete, das diese die Träger des Fluches waren. Auch Ranulf war vor einiger Zeit kurz außer Landes gewesen. Und nun wollte Lilly herausfinden, was er wußte, oder was er damit zu tun hatte.
 

deLaval

Erleuchteter
Registriert
13. März 2003
Beiträge
1.161
17. Kapitel

Eine dicke Wolkendecke bedeckte den Nachthimmel über San Francisco. Die sturmschwangere Luft war schwer und drückend und es wehte nicht der geringste Windhauch.
In der Stadt war für einen Mittwoch nicht besonders viel los, aber in einigen Clubs tobte dennoch das Leben.
„The Gate“ war einer dieser Clubs. Er lag in einem der schlechteren Viertel der Stadt und war ein Treffpunkt für Rocker und Motorradfahrer.
Vor dem Club befand sich ein recht großer Parkplatz, auf dem eine Bikergang ihre Chopper abgestellt hatten.
„I got nowhere to call my home, hit the gas and here I go,“ dröhnten die krachenden Guitarrenriffs von Iron Maidens „running free“ aus dem Inneren des Clubs.
Um den Eingang stand ein kleineres Grüppchen von Männern in Jeans und Lederkleidung zwischen zwanzig und vierzig, die billiges Dosenbier schlürften und über dreckige Witze grölten.
Die Front des Gebäudes war mit einer Menge Graffiti beschmiert, die hauptsächlich Logos irgendwelcher Gangs und Banden waren. Dieser Parkplatz hatte schon einige Bandenkriege gesehen.
Vorherrschend in dieser Gegend (oder eigentlich in der ganzen Stadt) war eine Gang, die sich „Hounds of Walhalla“ nannten. Diese Gang war fast jeden Abend im „Gate“ und nicht selten in Schlägereien verwickelt, die das Mobiliar des Clubs in Mitleidenschaft zogen.
Der Anführer der „Hounds of Walhalla“ war ein riesenhafter Mann mit einer rotblonden Mähne, der wegen seiner gewaltigen Körperkräfte von den meisten die ihn kannten Steel genannt wurde, dessen richtiger Name aber Olaf Erikson lautete. Er war ein Vampir, der älteste Bewohner der Stadt.
Das erste Mal war er vor sehr langer Zeit mit seinem Bruder Leif nach Amerika gekommen, war aber dann in die alte Welt zurückgekehrt, weil er die ewigen Kämpfe mit den Eingeborenen nicht führen wollte. Im Gegensatz zu dem Ruf, der die Wickinger seiner Zeit begleitete, war er ein sehr friedliebender Mann, was nicht hieß, das er feige oder unehrenhaft war.
Nach San Francisco war er in der Zeit des großen Goldrausches gekommen. Hier hatte er endlich gefunden, wonach er immer gesucht hatte. Einen Ort, an dem er in Ruhe gelassen wurde, und er die Last der Sünden, die ihm im Laufe der Jahrhunderte nachgetragen wurden, vergessen konnte.
Das Innere des Clubs war eher spärlich eingerichtet. Der Besitzer hatte sich nicht sehr viel Mühe gemacht, die alte Lagerhalle besonders gastlich zu gestalten. Der Boden war immer noch der blanke Beton, auf dem hier und da ein paar alte billige Tische und Stühle standen. An einer Wand war eine lange metallene Theke, hinter der ein paar junge Frauen in enger Lederkleidung Getränke ausschenkten.
Olaf saß am hinteren Ende der Theke und unterhielt sich mit Roger Clayton, dem dickleibigen Besitzer des Clubs, der einer der wenigen war, die unter Olafs persönlichem Schutz standen. Egal, wie heftig die Schlägerei im Club war, Roger anzufassen wagte niemand.
Ein Mann betrat den Club. Er war groß und kräftig, nicht so wie Olaf, aber doch beeindruckend. Sein dichtes schwarzes Haar fiel in wilden Strähnen bis auf seine Schultern. Seine Füße steckten in alten abgetretenen Turnschuhen, die sicher schon viel von der Welt gesehen hatten. Sein dunkles Gesicht war wettergegerbt und hatte markante indianische Züge. Die mandelförmigen Augen des Mannes hatten die Farbe von Honig und loderten vor Wildheit. Er trug eine blaue Jeans, ein graues T-Shirt und eine abgewetzte schwarze Lederjacke, deren rechter Ärmel vier tiefe Rißspuren, wie von der Pranke eines Tigers, aufwies. Sein Blick wanderte durch den Raum, als ob er etwas oder jemanden suchte, und blieb dann an Olaf hängen.
Der Mann kam auf die Theke zu. Olaf stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Blicke der beiden Männer trafen sich und hielten einander fest.
„Ich bin John Blackhawk,“ sagte der Neuankömmling, als er bis auf ein bis zwei Schritte an Olaf heran getreten war, „ich wandere über das Land der Wölfe und trinke ihr Blut.“
„Ich bin Olaf Erikson,“ erwiderte Olaf, „Ich wurde geboren in der alten Welt und kämpfte in tausend Schlachten als die Nordmänner das Land in Blut ertränkten.“
Blackhawk zog eine Augenbraue hoch, ehe er den Blick abwandte.
„Was führt Dich hierher, John Blackhawk?“ fragte Olaf.
„Ich bin hier, um etwas über die mysteriösen Todesfälle unserer Art in Erfahrung zu bringen,“ antwortete Blackhawk, „und um mein Wissen darüber auszutauschen.“
„Die Familie DiCara,“ begann Olaf bestimmt, „hat diese Vorfälle zu verantworten. Sie müssen vernichtet werden.“
Blackhawk überlegte kurz, und fragte dann:
„Weißt Du, ob es hier eine Niederlassung der DiCaras gibt?“
Olaf nickte.
„Es gibt hier einen, der Pablo heißt, und die Frechheit besitzt, einen Sitz im Rat für sich zu fordern,“ sagte er.
Blackhawk war etwas subtiler als Olaf und nicht so voreingenommen. Er hegte keinen persönlichen Groll gegen andere Vampire, traute aber auch kaum jemandem.
Erst vor ein paar Tagen hatte Blackhawk Pablo DiCara aus einem Hinterhalt befreit. Nicht, das er das geplant hatte, nein, er war nur zufällig in der Gegend gewesen.
Wegen Olafs Abneigung gegen die DiCaras hielt Blackhawk es für besser diesem nicht zu erzählen, das er einem DiCara geholfen hatte. Das war schließlich auch nicht Olafs Angelegenheit.
„Ich habe gehört,“ sagte Blackhawk nach einer weiteren kurzen Pause, „das diese Todesfälle nicht ein einziges Mitglied dieses Ordens, die Kinder der alten Mystik ereilt haben.“
Olaf zuckte mit den Achseln.
„Vielleicht stecken die ja mit den DiCaras unter einer Decke,“ mutmaßte er, „oder die DiCaras gehören auch dazu. Ist alles möglich, heut zu Tage.“
Blackhawk war sich ziemlich sicher, das Olaf in den nächsten Nächten ein längeres Gespräch mit Blaze, der dem Orden angehörte, führen würde.
 

deLaval

Erleuchteter
Registriert
13. März 2003
Beiträge
1.161
18. Kapitel

Es stank bestialisch in der Kanalisation unter Eppendorf. Wie hatte Karin sich bloß überreden lassen, diesen völlig geisteskranken Plan, die beiden Leichen, die sie vor ein paar Tagen zu untersuchen begonnen hatte, in einem fremden Gebäude, in das sie erst einbrechen mußte, zu Ende zu untersuchen. Ich muß meinen Verstand verloren haben, dachte sie, während sie den schmalen Steg neben diesem Fluß aus Fäkalien entlangschlich. Sicher, Guevara hatte sie so lieb gebeten, das sie es ihm nicht ausschlagen konnte.
Er hatte sie gestern abend in ihrer Wohnung aufgesucht und ihr die Adresse sowie den Grundriß gegeben. Bei der Gelegenheit hatte Karin ihn noch ein wenig über das Dasein der Vampire zu befragen.
Einige ihrer Fragen hatte Guevara sehr ausführlich beantwortet, andere nur sehr knapp, und bei manchen Fragen hatte er geschickt das Thema gewechselt.
Karin konnte nicht abstreiten, das sie von Guevara völlig fasziniert war. Er war sehr gebildet, sah gut aus, hatte Charme und vor allem Stil. Und er war geheimnisvoll.
Karin fühlte sich irgendwie von ihm angezogen. Sie hatte ihn diesbezüglich befragt, aber er hatte nur gelächelt und gesagt, das das eine völlig normale Reaktion hübscher Frauen auf seine Gegenwart sei.
Natürlich hatte sie ihm das nicht geglaubt. Sie hatte viel mehr den Verdacht, das irgendeine mystische Kraft auf sie wirkte. Als sie weiter nachhakte, versprach er es ihr später einmal zu erklären.
Karin war wirklich erstaunt gewesen, als sie erfuhr, das es sich bei dem Gebäude um eine Kapelle handelte. Sie war zwar nicht besonders religiös, aber die Tatsache, das ein Vampir sie gebeten hatte, in ein Gotteshaus einzubrechen, verunsicherte sie doch sehr.
Gott sei dank wissen meine Eltern nichts davon, dachte sie.
Sie war in der Nähe der Kapelle in eine Seitenstraße eingebogen und hatte dort, als sie sich unbeobachtet fühlte, einen Gullydeckel angehoben.
Zum Glück war sie kräftiger, als sie aussah, denn sonst hätte sie direkt an diesem ersten Hindernis aufgeben müssen.
Sie trainierte regelmäßig Taek-won-do, und das schon seit dem dreizehnten Lebensjahr. Damals hatte sie einen billigen Kung Fu Film gesehen, und hatte darin ihre Form der Körperbeherrschung erkannt.
Dann war sie die dreckige Leiter hinunter geklettert und folgte jetzt der Karte, die Guevara ihr gegeben hatte. Der Schein ihrer Taschenlampe reichte nur etwa zehn Meter weit, aber in bestimmten Abständen befanden sich immer weitere Gullys, durch die immerhin ein wenig Tageslicht fiel.
Nach einiger Zeit gelangte sie an das Ende des Tunnels. Dort versperrte eine brüchige Mauer, die bereits einige Lücken hatte, den Weg.
Karin nahm ihr Taschenmesser hervor und begann eine der Lücken zu vergrößern, in dem sie mit dem Messer den Mörtel aufkratzte.
Das ist doch hundert mal aufregender als Kino, dachte Karin ironisch. Wie gerne hätte sie sich jetzt gegen Hannes Annäherungsversuche zur Wehr gesetzt?
Die Lücke wuchs. Wenn sie noch ein paar Steine entfernte, würde sie hindurch passen.
Oh Guevara, dachte Karin, das wird dich noch einiges kosten.
Sie zog einen weiteren Ziegel aus der Wand. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Weg soweit frei war, das sie hindurch konnte.
Plötzlich erbebte die Wand und brach innerhalb eines Augenaufschlags zusammen.
Karin schrie auf als die Wand ihr entgegen kam. Sie hatte keine Chance auszuweichen.
Kaum einen Augenblick später war alles vorbei. Nur eine gewaltige Staubwolke zeugte noch von dem Zwischenfall.
Karin lag auf dem Boden des Tunnels. Um sie herum lagen zerbrochene Ziegelsteine. Sie war ohnmächtig. Einer der herabfallenden Steine hatte sie schwer am Unterleib getroffen. Ein weiterer war auf Karins Fuß gefallen. Langsam legte sich die Staubwolke.
Mit einem lauten unkontrollierten Husten kam Karin wieder zu sich. Ihr Unterleib schmerzte, ebenso wie ihr Fuß. Sie tastete ihren Fuß ab. Er war zum Glück nicht gebrochen.
Vorsichtig richtete sie sich auf. Der Schmerz in ihrem Unterleib wallte explosionsartig auf. Sie stöhnte auf.
Verdammter Mist, dachte sie. Mit einer Hand öffnete sie ihre Jacke und hob mit der anderen ihren Pullover leicht an. Der Stein hatte ihr durch die Kleidung durch die Haut aufgerissen. Das tat höllisch weh, aber sie hatte vermutlich keine inneren Verletzungen.
So ein Medizinstudium macht sich bezahlt, dachte sie, und stand vorsichtig auf.
Der Unfall hatte auch sein Gutes, der Weg war jetzt frei. Sie hob ihre Taschenlampe auf, erhob sich und schritt langsam durch die neu entstandene Öffnung. Etwas wackelig war sie noch auf den Beinen und über den losen Steinhaufen zu balancieren fiel ihr schwer, zumal die Wunde an ihrem Unterleib noch immer schmerzte.
Hinter dem Loch in der Mauer war ein langer dunkler Gang. Der Lichtkegel, der von ihrer Taschenlampe aus ging, verblaßte nach einigen Metern in der Finsternis.
Ihr Herz raste.
Ich muß mich beruhigen, sonst verblute ich noch, dachte sie, und lächelte plötzlich über ihren gedanklichen Scherz.
Sie leuchtete kurz den Boden und die Wände des Ganges ab. Der Gang war nicht aus Beton oder gebrannten Ziegeln, sondern aus schlichtem Mauerstein gebaut. Sehr nobel für einen Zugang zur Kanalisation. Wahrscheinlich war dieser Gang schon vor sehr langer Zeit gebaut worden, als eine Art Fluchtweg.
Wo mochte der Gang wohl hinführen?
Karin holte die Karte wieder hervor und leuchtete mit der Taschenlampe darauf. Der Karte nach, führte der Gang direkt in die Gruft. Wozu braucht eine Gruft einen Fluchtweg, dachte Karin, doch dann fiel ihr ein, das sie ja im Auftrag eines Vampirs in diese Gruft eindrang.
Nach einiger Zeit erschien eine eisenbeschlagene alte Holztür im Licht ihrer Taschenlampe.
Karin blieb stehen, atmete einmal tief durch und ging dann weiter auf die Tür zu.
Aus der Nähe sah Karin, das ein mystisches Symbol, eine Art arcane Rune in das Holz der Tür eingeschnitzt war.
Hiervor hatte Guevara sie gewarnt. Das sei ein Schutzzeichen gegen Eindringlinge, hatte er gesagt, und er hatte ihr eine Formel aufgeschrieben, die sie drei mal aufsagen sollte, während sie mit ihrem Messer einen Kreis um das Symbol zog.
Sie kam sich ziemlich albern vor, aber sie tat was er ihr gesagt hatte. Sie konnte sich zwar nicht wirklich vorstellen, das sie in Flammen auf ging, wenn sie versuchte, die Tür einfach so zu öffnen.
Nein, das erschien ihr blödsinnig, aber sicher war sicher.
Die Worte richtig auszusprechen fiel Karin schwer, da sie diese Worte keiner ihr bekannten Sprache zuordnen konnte, und die geschriebenen Worte kaum Vokale enthielten.
Hoffentlich sieht das auch wirklich keiner, dachte sie bei sich.
Trotz der Ereignisse der letzten Tage, hatte sie ihren trockenen Sinn für Humor nicht eingebüßt, im Gegenteil.
Als sie mit der Prozedur fertig war, streckte sie vorsichtig ihre Hand nach dem eisernen Türgriff aus. Der Stoff ihres Pullovers klebte auf der Wunde an ihrem Unterleib und brannte dadurch wie Feuer.
Mit einem lauten Quietschen ließ sich die Tür, deren Scharniere dringend etwas Öl gebraucht hätten, öffnen und bot den Blick in die Gruft dar.
Karin lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie hatte in ihrem Beruf schon viele abstoßende Leichen gesehen, aber immer nur tagsüber im Untersuchungsraum des St. Georgsstifts. Zugegeben, auch hier war es Tag, aber das war auch eine verdammte Gruft. Außerdem hatte sie bisher auch nicht gewußt, das es Vampire wirklich gab.
Sie trat in den Raum. An allen vier Wänden waren Fackeln angebracht, die aber zur Zeit nicht brannten. Ein großes goldenes Kruzifix hing über der Tür, auf der anderen Seite der Gruft, in deren Mitte sich drei steinerne Sarkophage befanden. Auf dem Deckel des mittleren Sarkophags war der Name Pervill eingemeißelt.
Da liegt der Mistkerl, der Hannes ermordet hat, dachte Karin, ehe sie die Sarkophage passierte und die Gruft durch die Tür auf der anderen Seite wieder verließ.
Sie kam dann in eine Art Flur, von dem zwei weitere Türen und eine schmale Treppe nach oben führten.
Karin verlor keine Zeit und ging direkt auf die linke Tür zu. Die rechte Tür war laut Guevaras Aussagen stets verschlossen und führte zu Pervills persönlicher Bibliothek.
Für verstaubte alte Bücher wäre Karin normalerweise gestorben, aber dieser Ort ermutigte sie nicht unbedingt dort mehr Zeit als nötig zu verbringen.
Die linke Tür war nicht verschlossen. Sie führte Karin in das geheime Labor der Vampire, die sich Kinder der alten Mystik nannten. Eigentlich waren es die Vampire, die geheim waren, und nicht das Labor. Guevara hatte etwas von einer geheimen Randgruppe innerhalb des Ordens erzählt, aber das hatte sie nicht so genau verstanden. Innerhalb der geheimen Vampirgesellschaft gab es einen Geheimbund, in dem es wiederum eine geheime Randgruppe gab. Das waren für Karin zu viele Geheime Zusammenhänge auf einmal, also widmete sie ihre Gedanken wieder dem Labor.
Allerdings erinnerte die Einrichtung des Labors Karin mehr an magische Rituale aus schlechten Horrorfilmen, als an medizinische Untersuchungen. Auch hier waren Fackeln an den Wänden, die über und über mit magischen Zeichen bemalt waren, angebracht. Ein riesiges Pentagramm war an die Decke des Labors gemeißelt und mit roter Farbe nachgemalt worden.
In der Mitte des Raumes stand ein großer Steinklotz, der aussah wie eine Art Altar, auf dem die Leiche der Frau, die Karin bereits oberflächlich untersucht hatte, aufgebahrt war. Daneben stand ein kleines Tischchen, auf dem einige medizinische Instrumente und ein paar rituelle Artefakte lagen.
In einer Ecke des Raumes befand sich ein großes vollgestelltes Bücherregal mit einer Ablage, auf der mehrere Pergamente mit Aufzeichnungen. Diese Aufzeichnungen sah Karin sich als erstes an.
Es waren in der Tat die Ergebnisse der Untersuchungen die Pervill bisher angestellt hatte. Sie enthielten eine Menge Daten, mit denen Karin nicht sehr viel anfangen konnte. Offenbar war diese Frau ebenfalls ein Vampir.
Das erklärte auf jeden Fall die vielen verschiedenen Ergebnisse bei der Blutuntersuchung.
Des weiteren entnahm Karin den Unterlagen, das das Blut sehr schwach war. Sie konnte nicht sehr alt gewesen sein, was sie auch schon aus Hannes ergebnissen schloß, denn er hatte ja festgestellt, das diese Frau schon, beziehungsweise erst seit ein paar Jahren tot war.
Karin war erstaunt, wie schnell sie die Logik der Vampire begriff.
Von wegen sie würde es nicht verstehen, wie Doktor Böhmer gesagt hatte, sie verstand sehr wohl.
Sie verstand zwar nicht wie die Existenz von Vampiren biologisch möglich war, aber das es sie gab hatte sie akzeptiert.
Karin nahm das nächste Blatt von Pervills Aufzeichnungen hervor.
Auf dieser zweiten Seite stand nichts, was mit der Krankheit zu tun hatte, das heißt Karin sah keinen Zusammenhang, was auch in ihren Augen nicht mehr hieß, als das es keinen gab.
Sie laß die Seite sehr sorgfältig.
Die Seite enthielt Beschreibungen und Formeln für eine Art Beschwörung. Der Name Nubarus tauchte häufiger auf der Seite auf. Das sagte Karin nicht sehr viel.
Es gab noch eine dritte Seite, die in einer anderen Handschrift geschrieben war. Der Text auf dieser Seite war sehr kurz.
Er lautete:

„Die Krone des höchsten Königs ist der Schlüssel
Eine Stadt, die dem alles verzehrenden Zahn trotzt, wird das Tor sein
Der Hüter der Krone ist erwacht, der Großfürst giert nach Macht
Das Ziel ist nah, die Schlange windet sich zu unseren Füßen
Doch hüten wir uns vor dem Verräter
Und vor der Hexe, die sein Herzblut teilt“

Auch damit konnte Karin nicht das geringste anfangen, aber die Worte machten ihr Angst.
Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es war inzwischen drei Uhr am Nachmittag.
Sie faltete die Pergamente und ließ diese in ihre Jacke gleiten. Dann ging sie zu dem Altar, nein zu dem Untersuchungstisch - diese Bezeichnung gefiel ihr deutlich besser - und begann noch einmal mit ihren Untersuchungen.
Zwei Stunden später saß sie sicher in der S-Bahn nach Hause. Sehr viel hatte sie nicht mehr herausfinden können.
Sie hatte der Leiche eine Probe dieser Würmer entnommen und ihre bisherigen Ergebnisse bestätigt. Sie war sehr unzufrieden mit sich selbst, auch wenn sie sich immer wieder sagte, das sie alles getan hatte, was sie konnte. Was hätte sie auch tun sollen, ohne ein richtiges medizinisches Labor, ohne ihre Geräte?
Mal sehen was Guevara heute abend sagen würde, dachte sie.
In ihren Gedanken erhärtete sich der Verdacht, das es Guevara gar nicht so sehr um die medizinischen Aspekte des Falls ging, sondern das er viel mehr jemanden gebraucht hatte, der diesen Einbruch für ihn verübte und diese Unterlagen stahl.
Dieser Gedanke machte Karin wütend. Sie begann sich ausgenutzt zu fühlen, und sie haßte es sich ausgenutzt zu fühlen. Sie haßte es sogar sehr.
Wenn sich dieser Verdacht bestätigen sollte, würde sie Guevara große Schwierigkeiten bereiten. Sehr große Schwierigkeiten.
 

deLaval

Erleuchteter
Registriert
13. März 2003
Beiträge
1.161
19. Kapitel

Es klingelte an der Tür der alten Villa, die etwas außerhalb von San Francisco lag. Randolph richtete seinen Frack und ging dann über den Flur zur Haustür, um diese zu öffnen. Es war schon sehr spät und Herr Marrison erwartete keinen Besuch mehr.
Früher am Abend war dieser Herr DiCara hier gewesen und hatte eine lange Besprechung mit Herrn Marrison gehabt.
Als Herr DiCara wieder gegangen war, hatte Herr Marrison gesagt, er brauche Randolphs Dienste heute nicht mehr, da er den Rest der Nacht in stiller Andacht verbringen wollte.
Es war ungewöhnlich, das Herr Marrison so plötzlich Besuch bekam, da er Überraschungen nicht schätzte, aber Randolph arbeitete schon zu lange für ihn, um sich über solche Dinge Gedanken zu machen.
Er öffnete die schwere Eichentür.
Auf der Schwelle stand eine atemberaubend schöne junge Frau. Sie war etwas überdurchschnittlich groß und hatte volles schwarzes Haar. Ihre langen Beine waren mit einer hautengen, elfenbeinfarbene Lederhose bekleidet. Das Oberteil, das sie trug, war ebenfalls eng, bauchfrei und violett, und bot einen sehr großen Einblick auf ihre fülligen, wohlgeformten Brüste. Ihre Haut war sehr hell und makellos glatt und in ihrem edlen Gesicht loderten zwei dunkelblaue, sinnliche Augen.
„Sie wünschen?“ sagte Randolph, als er sich wieder gefangen hatte.
Es war ihm unangenehm, das er die Frau angestarrt hatte. Sicher, es waren nur ein paar Sekunden gewesen, aber es war eine Verfehlung der Etikette, der Randolph äußerst nahe ging, zumal die Frau seine kurze Bewunderung offensichtlich wahrgenommen und sehr genossen zu haben schien.
Randolph hatte nicht besonders viel übrig für Frauen. Nach einer am Anfang des Jahrhunderts gescheiterten Ehe hatte er das Interesse an Beziehungen mit dem anderen Geschlecht verloren und sich seitdem seine körperlichen Bedürfnisse meist gegen Bezahlung befriedigen lassen.
„Ich möchte mit Alexander Marrison sprechen,“ sagte sie mit einer tiefen erotischen Stimme, die Randolph einen Schauer über den Rücken jagte, „es ist sehr wichtig.“
Randolph versuchte selbstsicher zu wirken.
„Wen darf ich melden?“ fragte er mit der nötigen Höflichkeit.
Die Ausstrahlung dieser Frau war ihm unheimlich, da er sich nicht dagegen wehren konnte. Er wußte, das sie mit ihm tun konnte, was sie wollte.
„Mein Name ist Melanie Blaid,“ sagte sie kurz.
„Warten Sie hier,“ sagte Randolph und schloß die Tür.
Dann atmete er einmal tief durch und ging die Treppen zu Alex Arbeitszimmer hinauf. Er klopfte an.
„Ja,“ kam die Antwort aus dem Inneren des Raumes.
Randolph öffnete die Tür. Alex saß in seinem Sessel hinter dem großen Mahagonischreibtisch und laß in einem Buch, das schon sehr alt zu sein schien. Es war eine Ausgabe von Shakespeares Hamlet, die Alex Mitte des achtzehnten Jahrhunderts erstanden hatte nachdem er Edinburgh verlassen hatte.
Dort hatte er damals seinen alten Freund Duncan Graham während des Jakobiteraustandes im Kampf gegen die Engländer unterstützt, war aber nach der Schlacht bei Culloden Muir geflohen, während Duncan in Schottland geblieben war.
„Entschuldigen Sie, Sir, wenn ich Sie so spät noch störe. Da ist eine Dame, die Sie zu sprechen wünscht,“ bemerkte Randolph, nachdem er in den Raum getreten war.
Alex hob erstaunt den Kopf.
„Eine Dame?“ wiederholte er Randolphs Worte.
„Ja, Sir,“ antwortete Randolph, „eine Melanie Blaid. Sie sagte es wäre wichtig. Soll ich Sie fort schicken?“
Für gewöhnlich empfing Alex keinen spontanen Besuch, aber er war heute recht guter Laune, weshalb er zu Randolphs Überraschung sagte:
„Nein, führen Sie sie herein.“
„Wie Sie wünschen, Sir,“ sagte Randolph.
Er arbeitete nun schon seit über sechzig Jahren für Alex und hatte in dieser Zeit gelernt, die Anweisungen seines Herren nicht in Frage zu stellen. Alex versorgte Randolph regelmäßig mit seinem unsterblichen Blut, wodurch Randolphs Alterungsprozeß enorm verlangsamt wurde. Eines Tages würde sein Herr ihm die Unsterblichkeit verleihen, wenn er der Ansicht war, das Randolph ihm gut gedient hatte.
Randolph ging wieder nach unten zur Haustür.
„Herr Marrison wird Sie jetzt empfangen,“ sagte er und führte Melanie die Treppen hinauf. Oben angekommen, betrat sie das Arbeitszimmer und setzte sich Alex gegenüber auf den Sessel, der dort stand, nachdem sie ihn kurz begrüßt hatte. Randolph zog sich zurück und schloß die Tür hinter sich.
„Nettes Outfit,“ begann Alex die Unterhaltung.
Sie legt ihren Kopf leicht zur Seite, so als böte sie ihm ihren Hals an, damit er seine Fänge hinein senkte, und sagte leise:
„Es freut mich, das es ihnen gefällt.“
Auch Alex konnte sich ihrer Anziehungskraft nicht entziehen. Sie hatte die falsche Haarfarbe (er bevorzugte rotes Haar), aber ansonsten war sie makellos perfekt.
„Was kann ich für Sie tun, Miss Blaid?“ wollte Alex wissen.
Sie umging seine Frage, lächelte und sagte:
„Oh, bitte sagen Sie doch Melanie.“
Alex ließ sich nicht beirren, zumindest nicht merklich.
„Also, Melanie, was kann ich für Dich tun?“
„Du bist recht neu in der Stadt,“ begann sie und fuhr sich dabei mit der Hand über ihr Dekolleté, „Ich wollte Dich einfach kennenlernen. Es gibt nicht sehr viele gutaussehende Männer in der Stadt, die dazu noch von edlem Blut sind.“
Alex nickte nur. Er hatte das Gefühl, das sie ihm bei weitem nicht alles erzählte, aber er war sich nicht sicher, und es gelang ihm nicht ihre Gedanken zu lesen. Das war ungewöhnlich, da er diese Fähigkeit sehr gut beherrschte.
„Was genau willst du denn wissen?“ fragte Alex direkt.
Sie stand auf und beugte sich weit über den Tisch, so das ihr Gesicht sehr nah an seinem war.
„Es gibt so viel bessere Wege, einander kennen zu lernen, als nur zu reden,“ flüsterte sie.
Alex spürte ihren Atem auf seinem Gesicht. Von Melanie ging ein exotischer, gerade zu unheimlich erregender Duft aus. Wäre Alex noch sterblich gewesen, hätte er spätestens jetzt die Kontrolle über gewisse Körperfunktionen verloren.
„Und welche?“ ging Alex auf Melanies Annäherung ein.
Sie setzte ein Knie auf den Schreibtisch, um ihm noch näher kommen zu können. Als sie versuchte ihn zu küssen, drehte er den Kopf zur Seite. Das hatte ihn viel Willenskraft gekostet, denn ein unbändiges Verlangen brannte in seiner Brust. Er spürte, wie ihre Zunge mit der Haut an seinem Hals spielte.
„Du gehörst auch zu den Frauen, die sich einfach nehmen, was sie wollen,“ stellte Alex mit gedämpfter Stimme fest, „Was willst Du wirklich?“
„Dich,“ hauchte sie ihm ins Ohr. Ein eiskalter Schauer fuhr im ins Mark.
„Wer bist du und woher weißt du, das ich hier bin?“ hakte Alex nach.
„Ich bin eine von Violence,“ erklärte sie und fügte dann kichernd hinzu, „sie hat mir erzählt, was für ein fabelhafter Liebhaber du bist.“
Alex glaubte dies nicht. Er haßte derartige Schmeicheleien, besonders wenn sie auch noch auf Hörensagen basierten. Außerdem hatte er zu viel Einfluß auf Violence, als das sie hinter seinem Rücken über ihn redete, egal ob gut oder schlecht.
Alex wurde zornig. Er schob Melanie von sich weg und erhob sich aus seinem Sessel. Seine Reaktion schien sie ebenfalls wütend zu machen.
Sie sprang auf und fauchte ihn an:
„Was bildest du dir eigentlich ein?“
Ungläubig sah Alex, wie Melanie plötzlich in grünlich züngelnden Flammen aufging. Das Feuer griff sofort auf den Boden über, auf dem sie stand. Panik bäumte sich in Alex auf.
Wie alle Vampire fürchtete er das Feuer, das ein Symbol der Vernichtung war.
Er hatte große Mühe diese Angst niederzuringen.
Melanie kam langsam auf ihn zu. Im Gegensatz zu Alex schien sie die sengenden Flammen richtig zu genießen und sie lachte laut aus.
Alex wußte nicht was er tun sollte. In seiner gesamten Existenz hatte er so etwas noch nie gesehen, oder auch nur davon gehört.
Er wich zurück.
Das Feuer leckte nach den Büchern in dem Regal, an der Wand. Nur Der Schreibtisch trennte Alex noch von Melanie. Er packte mit beiden Händen die Tischkante und riß diese nach oben. Mit einem gewaltigen Ruck fiel der Tisch Melanie entgegen. Das Mahagoniholz ging bei ihrer Berührung augenblicklich in Flammen auf.
Melanie taumelte rückwärts.
Getrieben vom Mut der Verzweiflung hechtete Alex an Melanie vorbei und rollte sich auf dem Boden ab.
Die Hitze der infernalen Flammen versengte Alex.
Er richtete sich wieder auf, nahm einen kurzen Anlauf und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür. Das Holz zerbarst unter dem Aufprall.
Alex stolperte ins Treppenhaus hinein. Hinter sich hörte er die dämonische Stimme Melanies fluchen. Er rannte die Treppe hinunter.
Im Lauf brüllte er Randolph, der von dem Lärm aus Alex Arbeitszimmer aufgeschreckt worden war, zu, er solle sehen, das er das Haus verließ.
Melanie war nicht weit hinter ihm. Wer war diese Frau und warum wollte sie ihn vernichten?
Alex verschob es auf später, diese Fragen zu beantworten. Im Moment zählte nur Überleben. Er war erst seit wenigen Augenblicken auf der Treppe, aber es erschien ihm wie eine Ewigkeit. Dann spürte er plötzlich, das ihn ein brennender Hieb in die Seite traf. Er schleuderte herum.
Sein Hemd hatte Feuer gefangen.
Alex schrie auf vor Entsetzen. Melanie hatte ihn eingeholt.
Der Schmerz in seiner Seite brannte erbarmungslos. Alex Jackett hatte Feuer gefangen.
Er stürzte zu Boden.
An der Stelle, an der Melanie stand, züngelten die grünlichen Flammen, die von ihr aus gingen, nach dem Holz der Treppe und verzehrten es.
Inzwischen stand das ganze Dach der Villa in Flammen. Und das Feuer griff weiter um sich.
Auch die Flammen an Alex Jacke breiteten sich rasend aus.
Seine qualvollen Schreie hallten durch die Nacht. Das Höllenfeuer hatte bereits auf seinem gesamten Körper ausgebreitet.
Er wälzte sich verzweifelt auf dem Boden, aber es half nichts. Melanies düsteres Lachen dröhnte in seinen Ohren...

Alex schreckte auf.
„Sir,“ wiederholte Randolph, „da ist eine Dame, die sie sprechen möchte.“
Alex wirkte ein wenig verstört. Ein hauchdünner Film kalten Schweißes bedeckte seine Haut.
Er hatte offensichtlich das Bewußtsein verloren. Das war sehr ungewöhnlich, da ihm etwas ähnliches in den über siebenhundert Jahren seiner Existenz noch nie geschehen war.
„Ist alles in Ordnung, Sir?“ fragte Randolph.
„Was,“ sagte Alex, der noch immer nicht so ganz Herr seiner Sinne war, „ja, alles... ist in Ordnung. Eine Dame, ja?“
Randolph hatte seinen Herrn noch nie so verwirrt gesehen.
„Ja, eine Melanie Blaid,“ ergänzte Randolph, „soll ich sie fortschicken?“
Alex fühlte sich überrumpelt. Er schien eine Vision gehabt zu haben.
„Nein, führen Sie sie ins Wohnzimmer, und sagen Sie ihr, ich käme in ein paar Minuten zu ihr,“ dann fügte Alex noch hinzu, als Randolph den Raum schon wieder fast verlassen hatte, „Und fahren sie den Wagen vor.“
„Wie Sie wünschen, Sir,“ sagte Randolph und ging die Treppe wieder hinunter.
Das Wohnzimmer erschien Alex deutlich sicherer als sein Arbeitszimmer, da es entschieden mehr Fluchtwege besaß. Es hatte eine Tür, die direkt in den Garten führte, und mehrere Fenster zur Straße hinaus.
Alex stand auf und ging erst ins Badezimmer und wusch sich ab, dann betrat er seine Ankleide und zog sich frische Kleidung an. Er wählte eine schlichte schwarze Hose und ein wildledernes dunkelgraues Sakko. Darunter trug er einen ebenfalls schwarzen Rollkragenpullover.
Dann öffnete er eine Schublade seines Schrankes und nahm eine halbautomatische Handfeuerwaffe heraus. Er kontrollierte schnell, ob die Pistole geladen war, und steckte sie dann hinten in den Bund seiner Hose.
Anschließend fuhr er sich noch einmal mit den Händen durch die Haare, atmete tief durch und ging ins Treppenhaus. Kurz darauf betrat er sein Wohnzimmer.
Melanie saß auf einem seiner Ledersessel und hatte die Beine übereinander geschlagen. Sie sah genauso aus, wie Alex sie in seiner Vision gesehen hatte. Ihre sinnlichen dunklen Augen, ihre vollen Brüste, die blutroten Lippen, alles erschien Alex vertraut.
„Bitte entschuldigen Sie, das Sie warten mußten, Miss Blaid,“ sagte Alex höflich, nachdem er die Tür zum Flur hinter sich geschlossen hatte.
Sie lächelte.
„Ich glaube ich muß mich entschuldigen, Sie so spät noch zu stören,“ lautete ihre Antwort.
Alex ging auf sie zu, und reichte ihr die Hand, ehe er sich in seinen Lieblingssessel setzte.
„Was kann ich für Sie tun?“ fragte Alex.
Sie legte ihren Kopf leicht zur Seite, so als ob sie ihm ihren Hals anböte. Diese Geste beunruhigte Alex.
„Die Frage muß lauten, was kann ich für Sie tun,“ sagte sie mit einer tiefen beruhigenden Stimme.
Alex sah sie fragend an. Sie wirkte sehr anziehend auf ihn, aber nicht sehr bedrohlich. Das verunsicherte ihn noch mehr. Er haßte es, nicht genau zu wissen, woran er war.
„Wer sind Sie?“ fragte er direkt.
Sein Blick wurde herausfordernd. Er hatte Angriff schon immer für die beste Verteidigung gehalten, und hatte mit dieser Weltanschauung immerhin über siebenhundert Jahre überlebt. Melanies Hand strich über ihr Dekolleté.
„Ich bin eine Freundin von Violence ,“ antwortete sie.
„Sind Sie nicht,“ entgegnete Alex trocken, „sagen Sie mir die Wahrheit, oder gehen Sie.“
Alex fühlte sich nicht besonders wohl dabei, Melanie so direkt seine Gedanken zu offenbaren, hielt es aber für die erfolgsversprechenste Möglichkeit zu erfahren, was sie von ihm wollte. Und es schien zu funktionieren. In Melanies Gesicht war für den Bruchteil einer Sekunde eine leichte Verblüfftheit zu sehen.
Alex fuhr fort:
„Wenn Sie eine Freundin von Violence wären, hätte sie mir längst von Ihnen erzählt. Und ich weiß, das Sie die Macht besitzen, mich auf der Stelle zu vernichten, aber deswegen sind Sie nicht hier, sonst hätten Sie es schon getan. Also, was wollen Sie?“
Melanie war verdutzt. Er hatte den ersten Satz dieser Konfrontation gewonnen, aber der letztendliche Ausgang war noch ungewiß.
„Du bist eine bemerkenswerte Person, Alex,“ sagte Melanie nach einer kurzen Zeit des Schweigens, „es würde mich nicht wundern, wenn du in näherer Zukunft der Herr dieser Stadt wärst.“
Die Tatsache, das sie in seinen Gedanken laß, wie in einer Boulevardzeitschrift, er hingegen nicht mal ihre oberflächlichen Gedanken erahnen konnte, mißfiel Alex zutiefst.
Oder hatte sie Violence ausgefragt und zwischen den Zeilen, von dem was Violence gesagt hatte, gelesen?
Seiner Vision nach hatte sie mit Violence gesprochen.
„Was willst du von mir?“ fragte Alex noch einmal.
Sie schlug die Beine übereinander, ehe sie antwortete:
„Ich will dir helfen, Jeremias seinen Posten abzujagen.“
„Und was verlangst du dafür?“ hakte Alex weiter nach.
„Nichts was du mir nicht mit Freuden geben würdest.“ Alex beugte sich vor.
„Woher willst du wissen, ob ich deine Hilfe überhaupt brauche, geschweige denn will?“ fragte Alex mit eiskalter Stimme.
Er sah den Zorn in Melanies Gesicht steigen.
„Für jemanden, der um seine hoffnungslose Unterlegenheit weiß, bist du äußerst unverschämt,“ stellte Melanie fest.
Alex grinste, aber gleichzeitig spürte er, wie seine gewohnte Überheblichkeit zu ihm zurückkehrte. Er hielt es für besser, sich nicht zu unbesiegbar zu fühlen, das hatte ihn seine Vision gelehrt.
Aber im Grunde genoß er dieses Treffen, Es war das erste mal seit Jahrhunderten, das er wirklich aufgeregt war.
„Nun, du hast von diesen weltweiten Vorkommnissen gehört,“ begann Melanie, er nickte, „und weißt, das viele die Schuld an diesen Vorfällen den Kindern der alten Mystik geben.“
Wieder nickte Alex.
Allerdings hielt er es, nach dem was Pablo DiCara ihm erzählt hatte, für unwahrscheinlich, das der Orden wirklich dahinter steckten. Viel mehr bestätigte sich jetzt ein Verdacht, den er seit dem Gespräch mit Pablo hegte.
„Darf ich Dir auch eine anbieten?“ fragte Alex und nahm sich eine von seinen kubanischen Zigarren.
Sie schüttelte ihren Kopf.
„Ist auch besser, die Dinger bringen einen nur um,“ scherzte Alex und entzündete mit abgewandtem Blick ein Streichholz.
Dann drehte er sein Gesicht langsam der Flamme entgegen. Nachdem er den Tabak mit ein paar tiefen Zügen zum Brennen gebracht hatte, schüttelte er das Zündholz, bis die Flamme erlosch.
„Ich nehme an, du willst, das ich dieses Gerücht unterstütze,“ meinte Alex und stieß den Rauch der Zigarre langsam aus, „aber warum?“
Sie zuckte die Achseln und antwortete mit einer Gegenfrage:
„Woher diese Anteilnahme am Schicksal dieser Emporkömmlinge?“
Alex nahm einen weiteren tiefen Zug. Sie hatte gerade nahezu zugegeben, das sie hinter dem Anschlag auf Pablo stand.
Sehr geschickt inszeniert, dachte Alex, demnach hat also dieser John Blackhawk auch irgendwie mit Melanie zu tun. Wahrscheinlich aber ohne es zu wissen.
„Wie würde Deine Hilfe denn aussehen?“ fragte Alex ganz beiläufig.
„Ich könnte zum Beispiel dafür sorgen, das dein Freund Harris dem Fluch erliegt, natürlich erst nachdem er die anderen Ratsmitglieder gegen Jeremias aufgehetzt hat. Sozusagen, dann, wenn dringend ein neuer Anführer her muß.“
Alex nickte.
„Gut, gib mir bis morgen Nacht Zeit zu überlegen,“ sagte er nachdenklich. Melanie stimmte zu, ehe sie im Schatten verschwand.
Alex blieb weiterhin unbeeindruckt in seinem Sessel sitzen.
Er überlegte.
Was hatte diese Melanie vor? Zweifellos diente die Tatsache, das er die Gerüchte, welche den Ursprung des Fluches den Kindern der alten Mystik zuwiesen, unterstützen sollte, nur der Ablenkung.
Aber wer sollte abgelenkt werden? Die Lords und Ältestenräte, der Orden selbst, diejenigen, die nach der Ursache des Fluchs forschten, oder er selbst?
Alex vermutete, das auch der Fluch selbst eigentlich nur der Ablenkung diente. Was hatte Melanie vor, fragte er sich erneut.
Er beugte sich vor, zog die Pistole aus seinem Hosenbund und legte sie auf den niedrigen Couchtisch. Er brauchte jemanden, mit dem er reden konnte, aber wen?
Wem konnte er noch vertrauen?
Diese Frage stellte er sich als nächstes.
Pablo schied aus. Der würde Alex bei der ersten Gelegenheit verraten. Auch Violence kam nicht in Frage. Sie konnte ja nicht einmal Geheimnisse für sich behalten, in die man sie gar nicht eingeweiht hatte. Sicher würde Violence Melanie nicht bewußt irgend etwas sagen, aber es wäre Melanies ein leichtes sie zu manipulieren.
Der Rest des Rates war viel zu sehr damit beschäftigt, den anderen Ratsmitgliedern zu mistrauen. Und Weyland, der einzige Vampir der Stadt, den Alex in Edinbourgh kennengelernt hatte, war zu verrückt, um ihm vertrauen zu können.
Ja Weyland, den sollte ich unbedingt in den nächsten Nächten aufsuchen, dachte Alex, mit Sicherheit hatte Melanie auch mit ihm gesprochen. Er war schließlich der Informant in San Francisco.
Es sollte nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn sich aus dieser Situation nicht ein Vorteil herausschlagen ließe. Aber dazu mußte er genauer wissen, was vor sich ging. Es war an der Zeit, ein paar alte Freunde zu befragen. Alex hatte nicht viele Freunde, und die wenigen die er wirklich seine Freunde nannte, hatte er schon sehr lange nicht mehr gesehen.
Da war Duncan Graham, der Herr von Edinbourgh, der Alex noch einen Gefallen schuldete. Und dann war da noch SIE.
Die schöne Frau, welche ihm damals geholfen hatte, sich an Antoine zu rächen. Sie hatte ihn seiner Zeit über den Verlust seiner geliebten Gräfin Katharina hinweg getröstet, und über die Jahre war dann aus dieser Beziehung eine tiefe innige Freundschaft geworden.
Allerdings war Duncan der Einzige, von diesen beiden, dessen Aufenthaltsort Alex kannte.
Alex war überzeugt davon, das die Dinge noch eine sehr interessante Wendung nehmen würden. Dessen war er sich sicher.
 

deLaval

Erleuchteter
Registriert
13. März 2003
Beiträge
1.161
20. Kapitel

Ein fürchterlicher Gestank von Verwesung stieg Elaine in die Nase. Die Straßen in diesem Viertel von Alexandria waren dreckig, aber dieser üble Geruch war nicht normal. Es roch, als läge irgendwo eine Monate alte Leiche herum.
Sie suchte nach dem Ursprung dieses Gestanks, denn sie vermutete, das er nur von Ishems Berater Saad’Adia her rühren konnte.
Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich.
Jemand verfolgte sie.
Sie horchte genauer hin.
Es mußten den Schritten nach drei Männer sein, die ihr folgten.
Die drei machten sich nicht besonders viel Mühe unentdeckt zu bleiben. Vermutlich Halbstarke, die sich gegenseitig ihre Männlichkeit beweisen wollten, indem sie eine junge Frau überfielen und eventuell vergewaltigen wollten.
„Eine hübsche Frau sollte sich so spät nicht mehr alleine hier herumtreiben,“ sagte eine geifernde Männerstimme.
Elaine blieb stehen. Sie drehte sich langsam und völlig unbeeindruckt um.
Ihre Vermutung war richtig gewesen, zumindest was die Anzahl ihrer Verfolger anging.
Elaine erweiterte ihre Sinne soweit, das sie auch die Gedanken der drei wahrnahm. Auch hier lag sie richtig.
Im Grunde genau das Richtige zum Abreagieren überschüssiger Energie, dachte sie.
Die drei Männer waren etwa zwischen zweiundzwanzig und achtundzwanzig Jahren alt und weder besonders kräftig gebaut, noch besonders gut aussehend.
„Was für ein scharfes Gerät,“ japste der eine von ihnen, während alle drei näher an Elaine heran kamen.
„Die geht bestimmt tierisch ab,“ stellte der Dritte fest.
„Allerdings,“ entgegnete Elaine trocken, „und ich glaube wirklich nicht, das ihr mit mir fertig werdet.“
Der mittlere der drei stutzte ein wenig, während ein anderer sagte:
„Sie will es auch noch. Ich werde sie als erster rannehmen, haltet ihr beide sie so lange fest.“
Wie kitschig, dachte Elaine, das darf doch nicht wahr sein. Sie haßte diese Typen, die sich für die größten hielten und dann auch noch die Unterstützung ihrer Kumpels brauchten.
Auf einen Schlag war alles Dunkel.
Keiner der drei konnte auch nur seine eigene Hand vor Augen sehen.
Dann ertönte ein Schrei. Entsetzen, völlige Panik erfaßte Elaines Angreifer. Elaine konnte in dieser Dunkelheit sehr wohl sehen, wie bei Tageslicht.
Sie hatte sich den ersten der drei, der schon angefangen hatte seine Hose aufzuknöpfen, gegriffen und ihm ihre klauenartige Hand in den Magen gerammt. So tief, das sie seine Gedärme herausreißen konnte.
Und genau das tat sie jetzt.
Die anderen beiden stolperten hilflos in der Dunkelheit umher, von den Schreien ihres Kameraden zu Tode erschreckt.
Seelenruhig ließ Elaine den sterbenden Mann zu Boden gleiten und ging auf den nächsten zu. Die beiden, die noch standen riefen verzweifelt um Hilfe.
Elaine grinste.
„War es das wert?“ hauchte sie dem einen ins Ohr.
„Bitte, lassen Sie uns gehen,“ winselte dieser daraufhin.
Elaine legte so viel Mitleid in ihre Stimme, wie sie konnte, als sie dem sagte:
„Tut mir leid, das ist leider nicht möglich, aber ich werde ja gleich gehen, das sei euch ein Trost.“
Der Mann erzitterte unter diesem Sarkasmus.
Elaine berührte ihn zärtlich mit beiden Händen im Gesicht, strich ihm über den Hals bis zu seinem Schlüsselbein und grub dann ihre krallengekrönten Finger in seine Haut.
Mit einem Ruck riß sie dem Mann das Schlüsselbein heraus.
Er schrie auf vor Schmerz.
Zuckend fiel er auf den Asphalt.
Elaine sah sich um.
Der dritte Mann kauerte wimmernd am Boden und hielt schützend seine Arme über seinen Kopf. Elaine schüttelte den Kopf.
Eben noch so stark und jetzt nur noch ein Häufchen Elend, dachte sie.
Sie verabscheute diese Art von Menschen, diese Wesensart.
El Paco war so jemand gewesen.
Erbärmliches, kriechendes Gezücht ohne Ehre, ohne Stolz, widerlich.
Genau so hatte El Paco ausgesehen, ehe sie ihn endgültig vernichtet hatte. Beide Arme und Beine hatte sie ihm abgeschnitten und ihn dann auf das Dach seines Hauses gelegt, damit er von dort aus die aufgehende Sonne begrüßen konnte. Seine Schreie hallten noch immer in ihren Ohren. Er hatte es nicht anders verdient, nicht anders gewollt.
Er hatte ihr eine Falle gestellt und war am Ende selbst hineingetappt.
Aber der Gedanke ihren alten Widersacher vernichtet zu haben, befriedigte Elaine nicht. Sie fühlte immer noch die selbe Leere, die sie verschlang.
Sie sah auf ihre Hände, die wieder die zarten schlanken Hände einer wunderschönen jungen Frau waren. Blut klebte daran. Sehr viel Blut. Ein ganzer Strom. Die Last der Jahre lag schwer auf ihren Schultern.
Ohne einen weiteren Gedanken zu verlieren, schlug sie ihre Fänge in den Hals des dritten Mannes, der dort angsterfüllt auf dem Boden kauerte. Dieser gab nur noch ein leises Stöhnen von sich. Gierig trank sie das warme schuldvolle Blut des Mannes, bis dessen Herz aufhörte zu schlagen.
Dann ließ sie von ihm ab. Ihr Hunger war gestillt, aber die Leere in ihr wuchs weiterhin. Und auch dieser abscheuliche Gestank war noch immer da.
„Sehr interessante Vorstellung,“ sagte eine krächzende Stimme aus den Schatten.
Elaine fuhr herum. Dort stand eine Gestalt in graue Lumpen gehüllt. Elaine vermochte nur an Hand der Stimme zu sagen, das es mal ein Mann gewesen sein mußte. Seine Gesichtshaut war bereits zum größten Teil verrottet und am ganzen Körper des Mannes tropfte blutiger Eiter aus den faulenden Wunden des Verfalls. Schiefe, gelbe Zähne wucherten aus dem lippenlosen Mund der Kreatur und seine Augen brannten wie glühende Kohlen. Aussatz war eine der grausamsten Strafen für einen Unsterblichen.
Angewidert trat Elaine einen Schritt zurück.
„Saad’Adia?“ stellte sie fragend fest.
Er nickte.
„Du warst auf der Suche nach mir,“ bemerkte er, „was willst Du?“
„Du bist einer der engsten Vertrauten von Ishem,“ sagte Elaine gerade heraus, „ich habe ein paar Fragen an dich.“
Saad’Adia schwieg.
Elaine fuhr fort:
„Ich wurde von meinem Gastgeber geschickt, um etwas über den Fluch herauszufinden, der zur Zeit die Welt der Unsterblichen heimsucht. Ich...“
„Wer ist Dein Gastgeber?“ unterbrach Saad’Adia sie.
„Darius Adenev, der Herr von Prag,“ sagte Elaine.
„Jemand in der Stadt steht in Kontakt mit den Herren der Hölle,“ begann Saad’Adia dann zu erzählen, „sein Name ist Grieves und er hat großen Einfluß auf Ishem. Er muß vernichtet werden.“
Elaine spürte, das er die Wahrheit sprach, aber sie wußte es besser, als ihn zu fragen, warum er das tat. Auch er gehörte dem Orden an.
„Wo kann ich diesen Mann finden?“ fragte Elaine.
„Wenn Du ihn allein aufsuchst wird er Dich vernichten,“ war das letzte was Saad’Adia zu ihr sagte, ehe er wieder in den Schatten versank und Elaine allein zwischen den drei Leichen zurückließ...
 

deLaval

Erleuchteter
Registriert
13. März 2003
Beiträge
1.161
21. Kapitel

Es war noch recht früh am Abend. Die Sonne war erst vor zwei Stunden hinterm Horizont verschwunden und die Straßen von San Francisco waren noch recht belebt.
Ein alter feuerroter Ford Mustang hielt auf dem großen Parkplatz vor der Bar, die „The Gate“ hieß.
Ein großer stämmiger Mann mit Anzug und Sonnenbrille stieg aus und setzte sich, nachdem er sich kurz umgesehen hatte, auf die Motorhaube seines Wagens und wartete. Die Gruppe, die vor dem Eingang des Clubs stand, musterte den Neuankömmling verwundert, da er nicht unbedingt zum üblichen Klientele des Clubs gehörte.
Für gewöhnlich waren die Besucher des Clubs Rocker und Motorradfahrer. Von Zeit zu Zeit kamen auch mal ein paar Punks oder Gruftis, aber Anzugträger pflegten den Club und die Gegend, in der er lag, zu meiden.
Weyland war das ziemlich egal. Er hatte noch nie verstanden, warum Leute in bestimmten Outfits Leute in anderen Outfits nicht leiden konnten. Lange Zeit hatte er darüber nachgedacht, war aber nie zu einem Ergebnis gekommen.
Heute abend war er hierher gekommen, um sich mit John Blackhawk, einem alten Freund zu treffen.
Ja, alt war genau das richtige Wort. Die beiden kannten sich schon verdammt lange. Seit weit über hundert Jahren. Weyland war achtzehnhundertneunundsechszig in diese Gegend gekommen, wie viele anderen, um Gold zu finden, hatte aber als Schürfer nie Erfolg gehabt.
Zu dem Zeitpunkt war er schon seit zweihundert Jahren ein Vampir.
Er hatte versucht sich gegen dieses Schicksal zu wehren. Das war ihm zwar nicht gelungen, aber der, der ihn in die Dunkelheit gezogen hatte, hatte seine Strafe bekommen. Weyland hatte ihm nicht einmal die Zeit gegeben, sich vorzustellen, bevor er sich auf ihn gestürzt und sein Blut bis auf den letzten Tropfen getrunken hatte, um diesen so in einem Akt von vampirischem Kanibalismus zu vernichten. Die nächsten Nächte danach war Weyland ziellos umher geirrt, auf der Jagt nach Blut.
Seinen Versuch Gold zu finden zählte er immer noch zur Zeit dieses Umherirrens. Dabei war er damals auf Blackhawk getroffen, der sich fortan um ihn kümmerte.
Blackhawk war damals noch sehr jung gewesen. Den Krieger der Sioux hatte man ein Jahr zuvor in die Dunkelheit gestoßen, woraufhin er gezwungen war seinen Stamm und das Land seiner Väter zu verlassen. Die beiden hatten sich im Laufe der Jahre sehr gut mit einander angefreundet.
Weyland lebte heute noch in Kalifornien, während Blackhawk den ganzen Kontinent bereiste und nur hin und wieder in San Francisco war.
Sie hatten sich hier verabredet.
Zumindest dachte Weyland das, aber er war sich, wie eigentlich immer, nicht ganz sicher. Er hatte oft Schwierigkeiten, die Realität von seinen Phantasien zu unterscheiden. Viele hielten ihn deshalb für verrückt, aber auch da war er sich nicht ganz sicher. Das Herzblut des anderen Vampires brannte noch heute in seinem Geist.
In den letzten Tagen waren viele merkwürdige Dinge geschehen, die Weyland sich nicht erklären konnte. Oder waren das nur seine Visionen gewesen. Er wußte es verdammt nochmal nicht genau.
Der Besuch dieser unheimlichen Frau schien ihm sehr unwirklich gewesen zu sein. Sie hatte ihm gesagt, das die ganze Welt von irgend einem Fluch verschlungen wurde.
Das klang schon ziemlich blödsinnig, da er so etwas zweifellos mitbekommen hätte. Der Anruf dieses Konzernbosses gestern abend erschien da deutlich wirklicher. Aber warum wollte der Chef von Marrison-Enterprises sich mit ihm treffen?
Es war schon gut gewesen, das Weyland ihm gesagt hatte, er habe keine Zeit, da er sich mit John Blackhawk in dem Club „The Gate“ treffen wollte.
War das wirklich gut?
Auch da war er sich nicht sicher.
Er wurde nervös.
Möglicherweise plante dieser Konzernchef irgendeine Teufelei. Ein sehr beunruhigender Gedanke.
Plötzlich hörte er Schritte, die auf ihn zukamen.
Erschreckt fuhr Weyland herum.
Er sah einen gutaussehenden Mann in einem schwarzen Anzug, der sich ihm näherte.
„Ich hoffe, ich störe Dich nicht, Weyland,“ begrüßte ihn Alex.
„Nein, wieso?“ entgegnete Weyland.
„Ich brauche ein paar Informationen. Was weißt Du über eine Melanie Blaid?“ fragte Alex gerade heraus.
Er wußte, das es nicht viel Sinn machte, mit Weyland in Andeutungen zu sprechen, da der Mann, dessen Geist in der Vergangenheit offenbar schweren Schaden genommen hatte, alles mißverstehen würde, was nicht eindeutig war.
Weyland war verrückt, aber er war nicht dumm. Er wußte sehr viel über die Stadt und ihre Bewohner, aber er vertraute niemandem, schon gar nicht sich selbst.
„Melanie Blaid,“ überlegte Weyland, „heiße Braut, ganz bestimmt.
Sie ist eine Ältere und noch nicht sehr lange in der Stadt. Sie hält sich viel in Museen und Konzertsälen auf. Und Sie sieht verdammt gut aus. Das will ich meinen.“
„Hast Du sie in letzter Zeit mal gesehen?“ wollte Alex wissen.
Weyland fühlte sich sehr unwohl. Er war sich nicht sicher, ob es daran lag, das er Melanie erst vor kurzem in einer Vision gesehen hatte, oder an der Gruppe aggressiv wirkender Rocker, die auf die beiden zu kam.
„Nö, eigentlich nicht,“ sagte er leise, „aber ich träum manchmal von ihr.“
Weyland biß sich auf die Zunge. Das hatte er nicht sagen wollen. Er glaubte nicht, das er das gesagt hatte.
„Sie sagte mir etwas von einem Fluch,“ ergriff Alex wieder das Wort.
Weyland schüttelte ungläubig den Kopf.
Alex sah einen Mann aus der Bar kommen. Er war groß und kräftig und hatte langes rotblondes Haar.
Mist, dachte Alex.
Er war nicht in der Stimmung, sich auf eine Diskussion mit Olaf einzulassen.
„Ich muß gehen,“ warf er Weyland zu und verließ eiligen Schrittes den Parkplatz.
Weyland war verwirrt, diese unsinnigen Visionen würden eines Tages noch dazu führen, das er seinen Verstand verlor.
Alex ging noch einen Block weiter und stieg dort in seinen Wagen. Randolph fuhr los. Alex war zufrieden. Er hatte nicht alles erfahren, was er sich erhofft hatte, aber Weyland hatte ihm bestätigt, was er vermutet hatte.
Sie hatte ihren Einfluß bereits sehr weit ausgebreitet. Wenn sie es wollte, könnte sie möglicher Weise bereits die Macht in der Stadt an sich reißen, aber das war eindeutig nicht ihr Ziel.
Alex hätte gerne noch erfahren, wo sie herkam. Er vermutete, dass sie wesentlich älter war, als sie zu sein vorgab. Ihre Deckidentität, wenn es eine war schien lupenrein zu sein.
Alex griff zum Telefon und wählte Pablos Nummer.
Als dieser sich meldete, sagte Alex:
„Pablo,... ja, hier ist Alex,... wie üblich und selbst,... genau... Ich brauche einen Flug, heute Nacht, am besten noch in den nächsten zwei Stunden... nach Schottland... mir ist klar, das das verdammt schwierig ist, aber es ist wichtig... eine Millionen US-Dollar, keinen Gefallen... es ist immer wieder schön mit dir Geschäfte zu machen... Bis gleich.“
Dieser Gauner, dachte Alex, das ist ein Verbrechen, eine Millionen Dollar für einen Flug in einem Privatjet.
Alex schüttelte den Kopf.
Er war nicht bereit Pablo einen Gefallen schuldig zu sein, aber der Preis war trotzdem weit übertrieben. Was sollte er machen, er hatte keine andere Wahl.
Ist ja bloß Geld, dachte er bei sich.
Dann unterbrach Randolph Alex Gedanken:
„Sir, es scheint, als folgte uns jemand.“
Alex sah aus dem Heckfenster des Wagens. Hinter ihrem Wagen fuhr ein schwarzer Geländewagen, aus dessen Beifahrerfenster sich in diesem Moment jemand herauslehnte und ein Gewehr auf sie richtete.
„Deckung,“ brüllte Alex und duckte sich in den Rücksitz.
Randolph reagierte sofort und verriß das Lenkrad, so das der Wagen einen Schlenker fuhr.
Ein lauter Knall war zu hören.
Sie waren bereits etwas außerhalb der Stadt und die Straßen waren nicht so sehr befahren wie mitten im Zentrum.
Der Geländewagen kam näher.
Zum Glück war Randolph ein ausgezeichneter Fahrer, den so leicht nichts aus der Ruhe bringen konnte. Er begann in Zickzacklinien zu fahren.
In den vielen Jahren, die er Alex jetzt diente, hatte er immer wieder Personenschutzseminare besucht, um seine Funktion als „Mädchen für alles“ so gut wie möglich ausführen zu können.
Ein zweiter Schuß ertönte.
Diesmal zertrümmerte die Kugel die Heckscheibe des Wagens und bohrte sich in die Kopfstütze des Beifahrersitzes.
Das war knapp, dachte Alex.
„Wie lange verfolgen die uns schon?“ rief er Randolph fragend zu.
„Ich bin mir nicht sicher, Sir,“ antwortete Randolph, „ích bemerkte sie erst kurz bevor ich Sie informierte.“
Alex war erstaunt, wie Ruhig Randolph blieb, schließlich war er nicht so unsterblich, wie er vielleicht annahm. Hoffentlich überschätzte sich Randolph nicht.
Plötzlich schepperte es dumpf.
Der Wagen machte einen schnellen Satz nach vorne und geriet ins Schleudern. Sowohl Randolph als auch Alex wurden durch die Erschütterung aus dem Gleichgewicht gebracht, fingen sich aber leicht ab, da sie beide saßen.
Die Reifen quietschten laut auf dem leicht feuchten Asphalt.
Ihre Verfolger hatten sie gerammt.
Randolph hatte wenig Mühe, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Wer waren diese Kerle und was wollten sie?
Alex überlegte fieberhaft.
Möglicherweise, nein, wahrscheinlich hatte Melanie ihn beschatten lassen, aber warum sollte sie ihren Spionen den Angriffsbefehl gegeben haben? Das machte keinen Sinn. Es sei denn sie hatte mit Pablo gesprochen. Aber das wiederum machte den Angriff auf diesen unlogisch. War es doch nicht Melanie gewesen, die Pablo hatte angreifen lassen?
Eine weitere Kugel pfiff an ihnen vorbei.
Im Moment war es unerheblich, wer diese Kerle waren, wichtiger war es, sie los zu werden.
Wieso hat man nie eine Waffe, wenn man eine braucht, fragte sich Alex.
Der Geländewagen schwenkte aus und setzte zum Überholen an, fuhr aber direkt wieder zurück, da in diesem Augenblick ein Fahrzeug auf der Gegenspur erschien.
Der Lichtkegel des Gegenverkehrs schmerzte in Alex empfindlichen Augen. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis sie an dem Auto auf der anderen Fahrbahn vorbei waren, dabei war es nur ein Augenaufschlag.
Wieder schwenkte der Geländewagen aus.
Kurz darauf riß Randolph das Lenkrad nach links. Es schepperte wieder. Randolph hatte den Wagen voll unter Kontrolle. Er hatte dem Geländewagen den Weg abgeschnitten und ihn gegen die Leitplanke gedrängt.
Funken sprühten, als der Geländewagen daran entlang schleifte.
Wieder wurden ein paar Schüsse abgefeuert. Einer schlug in den Kofferraum des Wagens, ein weiterer in die Lehne des Fahrersitzes. Alex atmete erleichtert auf, als er sah, das Randolph nicht verletzt war.
Er sah sich schon mit sechzig Meilen in den Gegenverkehr rasen, unfähig etwas dagegen zu tun. Diese Angst war nicht unberechtigt, denn in einiger Entfernung blinkte das Licht eines Lastwagens auf.
Randolph lenkte den Wagen wieder auf die rechte Spur, als er merkte, wie der Geländewagen bremste, um sich aus der Umklammerung von Leitplanke und feindlichem Fahrzeug zu befreien.
Randolph trat auf die Bremse.
Der Geländewagen fuhr ihm seitlich in den Kofferraum.
Randolph ließ den Wagen leicht hinten ausbrechen, fing ihn aber rechtzeitig wieder ab, um einen Zusammenstoß mit dem Laster zu vermeiden.
„Verdammt,“ sagte Randolph, „deren Fahrer ist auch kein Anfänger. Er hätte eigentlich die Kontrolle über seinen Wagen verlieren müssen.“
„Bitte keine weiteren Experimente,“ protestierte Alex.
Er hatte sich nie wirklich an diese „Pferdelosen Kutschen“ gewöhnen können.
Der Lastwagen rauschte vorbei.
„Sieht aus, als hätten unsere Verfolger keine Kugeln mehr,“ stellte Alex fest, „Sie haben schon seit einigen Sekunden nicht mehr geschossen.“
Irgendwie glaubte er selbst nicht so ganz, was er gerade gesagt hatte.
Der Geländewagen schwenkte wieder heraus und setzte wieder zum Überholen an.
Randolph hielt dieses mal seine Spur, da er bei einem plötzlichen Bremsmanöver des Geländewagens die Leitplanke durchbrechen würde, wenn er wieder versuchen würde, diesen an die Leitplanke zu drängen.
Ein erneuter Schuß drang in die hintere Tür des Wagens ein, blieb aber stecken.
„Ich fürchte, Sir, Sie haben sich geirrt,“ bemerkte Randolph spitz.
Alex reagierte nicht auf diese Provokation seines Dieners. Dafür war ihm Randolph auf Dauer zu wertvoll geworden.
Der Geländewagen machte einen Schlenker nach links. Vermutlich um genau das zu tun, was Randolph vermieden hatte.
Randolph stieg in die Eisen.
Die Reifen heulten auf, während der Geländewagen auf die rechte Spur rüber zog, um Randolph und Alex gegen die Leitplanke zu drängen.
Randolphs Intuition war richtig gewesen.
Der Geländewagen, streifte mit seiner Seite die Front des Autos, in dem Alex und Randolph saßen.
Auch das folgende Ereignis hatte Randolph korrekt berechnet. Als der Widerstand, den der Fahrer des Geländewagens erwartet hatte, nicht da war, verlor der Fahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug und geriet ins Schleudern.
Er hatte keine Zeit diesen Fehler zu korrigieren, denn der Geländewagen brach durch die Leitplanke und überschlug sich.
Auch Randolph konnte nicht verhindern, das sein Wagen schleuderte. Aber er blieb auf der Straße, drehte sich zwei, drei mal und kam dann zum Stillstand.
Randolph wollte den Wagen gleich wieder in Bewegung setzen, aber Alex verhinderte dies.
„Bleib stehen,“ brüllte er aufgeregt, „ich will wissen, wer diese Bastarde sind.“
Randolph sah Alex skeptisch an.
„Halten Sie das für klug, Sir,“ fragte er besorgt, „wenn die Insassen des Fahrzeuges ihrer Art sind, könnten sie Schwierigkeiten bekommen, immerhin sind die Kerle bewaffnet.“
Alex öffnete seine Wagentür.
„Ich bin durchaus in der Lage auf mich selbst aufzupassen,“ sagte er zornig.
Er haßte es, wenn jemand sich anmaßte, ihm zu sagen, was er tun sollte.
„Hast Du eine Waffe bei dir?“ fragte er mit eiserner Stimme.
Randolph zückte eine Handfeuerwaffe und reichte sie Alex, der nur selbstsicher grinste.
„Als ob ich so etwas bräuchte,“ sagte er, „Du kommst natürlich mit.“
Das hatte Randolph befürchtet. Er stieg ebenfalls aus dem Wagen. Nebeneinander traten sie auf die Grasfläche, auf welcher der umgekippte Geländewagen in einiger Entfernung lag.
Es war kühl und ein leichter Wind wehte hier draußen. Eine dichte Wolkendecke verbarg die nächtlichen Himmelskörper.
Alex betrachtete den Geländewagen genauer.
Seine Sinne waren geschärft.
Erschrocken stellte er fest, das das Fahrzeug leer war.
„Eine Falle,“ rief Alex Randolph zu und rannte zu dem Autowrack hin, um es als Deckung zu nutzen.
Randolph rannte ebenfalls.
Alex sah aus den Augenwinkeln, wie Randolph wie von einem Hieb getroffen herum wirbelte. Er drehte sich um, und wich gerade noch dem Schlag aus, der sonst seinen Kopf getroffen hätte.
Ihm gegenüber stand ein kleiner drahtiger Mann mit einer Brechstange in den Händen, die dieser bereits zu einem weiteren wuchtigen Schlag in die Höhe hob.
Alex richtete seinen Willen auf den Geist seines Widersachers.
„Fallenlassen,“ befahl er mit einer Macht in seiner Stimme, der sein Gegenüber nicht widerstehen konnte.
Der Mann warf die Eisenstange auf den Boden. Im selben Augenblick traf ihn Alex Faust mitten im Gesicht.
Der Mann stürzte zu Boden, nachdem er gut einen Meter durch die Luft geflogen war.
„Ich habe schon in Schlachten gekämpft, noch ehe dein Urgroßvater geboren war,“ fauchte Alex, während er das Brecheisen aufhob.
Diese donnerte er dem noch immer auf dem Boden liegenden Angreifer mit solcher Wucht auf den Schädel, das dessen Hirnmasse sich auf dem Rasen verteilte.
Ein Schuß erschütterte die Nachtluft.
Dann ein weiterer.
„Hör auf,“ schrie Alex Randolph zu, der im Begriff war, sein ganzes Magazin auf den Mann abzufeuern, der ihn angegriffen hatte.
Randolph gehorchte.
Abgesehen von einer heftigen Platzwunde an seiner Schulter, schien er unverletzt zu sein.
„Wenn Du ihn umbringst, kann er uns nicht mehr sagen, wer ihn geschickt hat,“ ergänzte Alex, während er zu Randolph hinüberging.
Randolph hatte dem Mann mehrmals in die Brust geschossen.
„Da ist wohl nicht mehr viel herauszuholen,“ bedauerte Randolph.
„Macht nichts,“ erwiderte Alex, „ich meine, ich hätte einen dritten Mann in dem Wagen gesehen. Den können wir befragen, wenn er gleich hierher kommt.“
Randolph arbeitete schon zu lange für Alex, um sich über solche Äußerungen zu wundern. Außerdem wußte er, das Alex die Fähigkeit hatte, andere Personen mental zu sich zu rufen.
Und tatsächlich. In einiger Entfernung erhob sich ein stämmiger Mann afrikanischer Herkunft vom Boden, auf dem er sich hinter einer Bodenwelle verborgen hatte, und kam auf die beiden zu.
Randolph zielte sofort mit seiner Pistole auf den Mann.
Alex sah den Mann erwartungsvoll an. Irgendwo hatte er ihn schon einmal gesehen. Er konnte sich aber nicht erinnern, wo, so sehr er sich auch bemühte.
Der Mann hielt eine abgesägte Schrotflinte in den Händen. Seine Augen loderten, ob vor Zorn oder vor Haß, vermochte Alex nicht zu sagen.
„Wirf die Waffe weg,“ befahl Alex mit schmetternder Stimme.
Dieses mal wirkte die Macht seines Willens nicht.
Im Gegenteil, der Mann legte an.
Randolph drückte ab.
Die Kugel schlug in die Schulter des Mannes und ließ ihn zurücktaumeln, weshalb er die Flinte verriß und nur in die Luft schoß.
„Wirf die Waffe weg,“ befahl Alex erneut.
Der Mann zeigte wieder keine Reaktion. Er legte wieder an und feuerte noch einmal.
Auch dieses mal kam ihm Randolph zuvor.
Die zweite Kugel traf den Mann in den Bauch, weshalb er seinen zweiten Schuß auch verriß.
Noch ehe der Mann ein drittes mal anlegen konnte, war Alex bei ihm und riß ihm das Gewehr aus den Händen. Anschließend schlug er dem Mann den Griff der Schrotflinte ins Gesicht.
Er fiel zu Boden, richtete sich aber sofort wieder auf und rammte Alex seinen Ellenbogen in den Unterleib.
Alex konnte dem Angriff mühelos den Schwung nehmen, indem er einen Satz zurück machte.
„Das hat so keinen Zweck,“ sagte Alex schließlich nüchtern, „Randolph, besorg mir etwas, womit wir diesen Kretin Pfählen können.“
„Ja, Sir,“ antwortete Randolph und ging auf den umgestürzten Geländewagen zu. Es war naheliegend, das sich irgendwo in dem Fahrzeug ein angespitzter Holzpflock finden ließ, da die Insassen einen anderen Vampir zur Strecke bringen wollten.
„Wer hat euch geschickt,“ fragte Alex den noch immer am Boden liegenden Afroamerikaner, „wenn Du mir sagst, was ich wissen will, lasse ich dich laufen.“
Randolph hatte recht gehabt, mit seiner Vermutung, einen Holzpflock im Wagen der drei Angreifer zu finden. Er kam zurück zu Alex und dem am Boden liegenden Mann.
„Pfähl Ihn,“ sagte Alex zu Randolph, „wir werden wohl auf sein Wissen verzichten müssen.“
Randolph holte aus.
„Nicht,“ brach es wimmernd aus dem Mann heraus, „ Ich sag euch alles. Es war eine Frau, die uns angeheuert hat, eine dunkelhaarige Frau. Ich glaube sie hieß Blaid.“
Randolph sah Alex fragend an,
Alex nickte.
Mit einem gewaltigen Stoß rammte Randolph dem Mann den Pfahl in die Brust. „Lassen wir ihn hier liegen. Es sollte besser für ihn sein, als Melanie sagen zu müssen, das er keinen Erfolg gehabt hat.“
Zur Sicherheit schmetterte Alex dem Mann noch das Brecheisen auf den Schädel, bevor er sich umdrehte und zum Wagen zurück ging. Randolph ging hinter ihm und hielt sich die Schulter, die immer noch blutete.
Sie schwiegen beide, als sie ins Auto stiegen und weiterfuhren.
Alex hatte richtig vermutet. Melanie hatte ihn beschatten lassen, und sie hatte ihn unterschätzt.
Ein nicht zu verzeihender Fehler meine Liebe, dachte Alex, jetzt haben wir Krieg.




Falls das noch jemand liest, kann er ruhig zwischendurch mal nen Kommentar einschieben, ins Besondere bezogen auf Handlungsstrang, Nachvollziehbarkeit, Charakterausarbeitung, Spannungsbogen, etc.
(Randkommentare über geklaute Detailes dürfen natürlich auch geäußert werden ;) )
 

Ähnliche Beiträge

Oben