Ist es nötig Christentum/Judentum/Religion zu stärken, um dem Islam entgegenzuwirken?

Telepathetic

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Die Konservativen in Deutschland bemängeln, dass die Deutsche Regierung Islam-Appeasement betreibt und gleichzeitig das Christentum vernachlässigt. Dementprechend halten Konservative am Christentum fest und wollen es stärken. Sie sehen im Christentum im Gegensatz zum Islam die besseren Werte. Dem stimme ich zu. Auch befürchte ich die Möglichkeit, dass Muslime mit wachsendem Stärkegefühl einhergehend mehr und mehr ihrer Tradition gemäß leben. Das würde in meinen Augen in Ordnung sein, wenn es sich dabei nur um Äußerlichkeiten, um Folklore handelte, um Gastronomisches, Kleidung und Musik. Da es aber um das ganze Paket geht, und die staatliche Umerziehung bei der Mehrzahl der Muslime nicht funktioniert, ist es absehbar und bereits sichtbar, wohin die Reise geht. Leider, denn die Minderheit der Muslime, die sich tatsächlich integriert haben oder dabei sind, sich zu integrieren, reißt die Eisen nicht aus dem Feuer.

Mir geht es in diesem Thread allerdings nicht um die Frage, was genau gegen einen erstarkenden Islam zu tun ist, sondern um die Frage, ob es ein Denkfehler ist, dass andere Religionen, in unserem Kulturraum nunmal das Christentum, gestärkt werden müssen, um ein Gegengewicht zu bilden? Ich sehe die Gefahr, dass Christen mit wachsendem Stärkegefühl einhergehend mehr und mehr ihrer Tradition gemäß leben; das mag eine Tradition sein, die durch die Aufklärung ein wenig gelockert worden ist. Dennoch gehört auch zur christlichen Vorstellung eine traditionelle Rollenverteilung, der Mann geht arbeiten, während die Frau die Kinder versorgt. Und dann sind da die christlichen Geschichten, die für viele überholt sein dürften.

Also, ist es ein Denkfehler, eine Religion mit einer anderen Religion zu bekämpfen, oder sollte ein anderer Weg gefunden werden? Muß man heutzutage überhaupt noch die Geschichten aus den Religionen erzählen und auf ihnen Theologie, Werte, Gesetze, erwünschtes Verhalten, Charakterbildung gründen?
 

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Nun - mit welchen Ziel möchte jemand eine Religion stärken? Ich würde schon annehmen, dass eine Kirche von sich aus probiert, Außenwirkung zu erzielen, und letztlich auch christlicher Weltanschauung und christliche Werte Geltung zu verschaffen. Mit der Erstarkung insbesondere einer anderen Religion, deren Mitglieder sich teilweise nicht so im Miteinander, sondern im Nebeneinander oder vielleicht sogar in einem Gegeneinander sehen, haben die Kirchen die Möglichkeit, darauf hinweisend den Zeigefinger zu erheben. Das werden einige christliche Kirchen sicherlich auch tun. Das würde wohl schon die innerkirchliche Logik gebieten. Das würden sie ganz sicher nicht als Fehler sehen. Religionskritiker sehen dann insgesamt die Gefahr der Erstarkung von (erz)konservativen Kräften oder sogar von Fanatismus - von beiden Seiten.
Nun ist aber die Frage, was von Außen gemacht werden kann. Sollte der Staat das Christentum stärken - dann wäre die Trennung von Kirche und Staat nicht mehr ganz 100-% gewährleistet. Sollte die Leitkulturdebatte darauf hinzielen? Der tatsächliche Trend ist zum großen Teil dadurch geprägt, dass sich viele von den Kirchen abwenden - mit unterschiedlichen Ergebnis: einige haben ihre ganz persönlichen religiösen Vorstellungen, andere haben den Glauben voll verloren, andere wiederum wenden sich vielleicht extremeren Kongregationen zu. Das Judentum hierzulande wird es wohl ähnlich erfahren haben. Wir haben auch eine Jüdin als Nachbarin gehabt, die allerdings selbst evangelischen Glaubens ist. Im Großen und Ganzen verliert allerdings die Religion hier an Gewicht, also, wenn ich an Juden- und Christentum denke. Da haben wir schon einen "Point-of-no-return" übersprungen.
Was den Islam angeht: die Anzahl der Extremen nimmt zu. Die absolute Anzahl der Anhänger des Islams nimmt wohl auch zu. Allerdings ist es wohl schwer zu erfassen, wie viele der "Muslime" tatsächlich überhaupt noch religiös sind und sich nicht vielleicht sogar schon total abgekehrt haben. Mir sind schon einige über den Weg gelaufen. Ein bisschen Aufschluss über die tatsächlichen Zahlen gibt der Artikel Was Studien über Muslime erzählen.
Ich persönlich, dem Lager der Religionskritiker zugehörig, würde also andere Wege einschlagen als zum Beispiel eine Religion als Religion an sich zu stärken. Vielmehr tendiere ich dazu, die Anhänger einer Religion zum kritischen Gespräch herauszufordern und auch die historische Sichtweise einzublenden.
Wie du selbst schon sagst, würde ich viele traditionellen Werte, die aus zum Teil uralten Rollenbildern, Weltanschauungen kommen, entgegentreten, in dem Sinne also allen drei abrahamitischen Religionen. Es sind für mich auch andere Errungenschaften, die zu verteidigen sind, die aber nicht aus diesen Religionen kommen, die also vielmehr gegen den Widerstand von religiösen Institutionen errungen worden sind.
 

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Ich denke für die meisten Leute ist das Christentum tatsächlich bereits zu sowas wie Folklore ohne weitere Tiefe geworden. Man ist sich der Feste bewußt, feiert eventuell auf einer oberflächlichen Ebene (Christbaum aufstellen, Geschenke schenken, Ostereier verstecken, usw.), aber hat weniger Bezug zu dem spirituellen Gehalt.

Ich kann mir vorstellen, dass auch viele Muslime ihre muslimische Identität ruhen lassen, abgelegt haben, nur noch am Rande mit in Berührung gekommen sind und eventuell eine ähnliche tiefenlose folkloristische Einstellung zu ihrer Religion haben. Die erste Generation an Gastarbeitern in den 1950ern hat sich wohl wenig angepasst, hat zu Hause die Tradition gepflegt. Deren Kinder hatten mehr Berührung mit den Deutschen und haben sich zwischen zwei Kulturen befunden, nichts Halbes, nichts Ganzes. Und deren Nachkommen haben dann eventuell den Bruch vollzogen und sich der deutschen Kultur angepasst; ähnlich wie die Nachkommen der aus den russischen Stetls nach Amerika ausgewanderten Juden. Zum Verdruss derjenigen Juden, die sich traditionell jüdisch identifizieren, haben sich viele Juden an Amerika assimiliert, nehmen Judentum als eine kulturelle Sache wahr. Punkt ist, sie lehnen ihre jüdische Zugehörigkeit nicht komplett ab, sie nehmen sie nur nicht mehr unbedingt als den grundlegensten Teil ihrer Persönlichkeit wahr. Das könnte auch eine Rolle bei Menschen aller Religionen eine Rolle spielen, je nachdem wie sehr sie in ihrem Glauben aufgewachsen sind.

Ich z. B. bin in einem Haushalt aufgewachsen in dem ein Elternteil katholisch aufgewachsen ist und der andere Elternteil evangelisch. Beide sind aus der Kirche ausgetreten, und haben es mir vollkommen freigestellt, ob ich in eine Gemeinde will oder nicht. Ich habe nie Interesse gezeigt, habe aber manchmal zu Hause in der Bibel gelesen, vor allem im AT, und hatte evangelischen Religionsunterricht, bis ich in die Ethik-Klasse wechseln konnte. Im späteren Erwachsenenleben ist mein Interesse am Christentum angestiegen, ich habe mich ein wenig informiert, bin sogar in eine Gemeinde rein und nach einem Jahr wieder raus, nicht zuletzt, weil ich mit den Widersprüchen im Glauben zurechtgekommen bin. Meine Beschäftigung mit der jüdischen Lehre hatte dann eine befreiende Kraft, aber ich habe kein weiteres Interesse mich an eine jüdische Gemeinde anzunähern.

Von daher ist es für mich kein großer Bruch in meiner eigenen Identität, dass ich mit dem Christentum nach nur einem Jahr gebrochen habe. War eine Erfahrung, mehr nicht.

Und aus den Alltagserfahrungen heraus, macht es für mich am meisten Sinn freundlich zu den Menschen zu sein und die Werte zu leben, die ich auch für die Gesamtgesellschaft für richtig halte. Was nützt es denn auch, sich gegen Fremdländer schäbig zu verhalten? Die merken sich auch, wie sie behandelt werden und eigentlich dürften es nur bestimmte Organisationen sein, die all ihr Tun auf eine Übernahme von Kulturen und Ländern ausrichten.
 

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Einige wiederkehrende Ereignisse im Christentum sind auch durch Traditionen gekennzeichnet, die eigentlich nicht typisch christlich sind. Woher kommt eigentlich der Tannenbaum? Und woher seine Dekoration? Und typischerweise wird oben ein Stern angebracht... Woher kommt das Beschenken? Das sind doch Traditionen, die man haben kann, ohne dem christlichen Glauben angehörig zu sein. Und gibt es nicht auch Andersgläubige, die zum Teil diese Traditionen auch übernommen haben? Ich glaube, über die Herkunft des Osterhasen wurde anderswo vor einiger Zeit hier im Forum schon geredet.
Vielleicht werden manche Traditionen auch deswegen beibehalten, weil es für die Kinder was Tolles ist. Tja - feiern manche überzeugte Atheisten auch Weihnachten?
Es gibt wohl um die 150.000 bis 200.000 Juden in Deutschland. Circa die Hälfte lebt ihren Glauben wohl aktiv (Kennt ihr da genauere Zahlen?). Scheinbar ist es allerdings für Christen einfacher hierzulande, ihren Glauben aktiv und offensichtlich nach Außen zu zeigen. Verdeutlich hat das erst jüngst ein Vorfall in Berlin: dort hat ein Israeli nicht geglaubt, dass man unsicher lebe, wenn man eine Kippa trage. Er wurde attackiert. Eine große Schande ist das. Ist das nun auch eine Antwort auf die Titelfrage: das Judentum zu stärken würde u.a. bedeuten, dass es sich unverfolgt und unangegriffen zeigen kann.
Bei den Muslimen findet man ein weites Spektrum. Fakt ist auf jeden Fall, dass diese nun doch größere Zahl der Muslime sich erst in junger Geschichte entwickelt hat. Von Außen wird wohl ziemlich viel Einfluss auf die muslimischen Gemeinden genommen. Ich denke da zuerst an den Einfluss aus Saudi-Arabien oder aus der Türkei und würde das als aggressive Mission und mindestens zum großen Teil als Fundamentalisierung abheften. Das geschieht in anderen Ländern in noch heftigerer Form, wie zum Beispiel auf dem Balkan. Dort wird in Infrastruktur investiert, gekoppelt mit der Errichtung religiöser Stätten und Koranschulen.
Und von daher ist der Gedanke, gegen diese Form von Missionierung und auch Radikalisierung, etwas entgegenzusetzen, schiere Notwendigkeit.
 

Giacomo_S

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Und von daher ist der Gedanke, gegen diese Form von Missionierung und auch Radikalisierung, etwas entgegenzusetzen, schiere Notwendigkeit.

"Das Christentum stärken" - da ist dann eher die Frage, was man da stärken will und wie.
Solche Vorstöße kommen im Großen und Ganzen nur aus Bayern, von der CSU und meinen nichts anderes als "die katholische Kirche, den Katholizismus und die CSU stärken".
Wenn's sich nicht gleich nur um Lippenbekenntnisse handelt.

Der Katholizismus ergeht sich, seit vielen Jahrhunderten, fast nur noch entweder in Dogmen oder in Formalien. Die Reformation haben sie noch immer nicht verdaut. Als Protestant bleibt mir das ganze Geschwurbel um Maria, die endlose Zahl der Heiligen, Weihwasser, Weihrauch und Rosenkranz ziemlich fremd.
Damit kann ich nichts anfangen, es lässt sich aus der Bibel so nicht ableiten, es hat mit der Botschaft Jesu nichts zu tun, es sind (für mich) gewisse Formen von Götzendienst und Einiges davon ist zutiefst heidnisch.

Wenn ich, obwohl Christ, das alles nicht verstehe: Wie soll das dann erst jemand aus einem anderen Kulturkreis, mit einer anderen Religion, verstehen?

"Das Christentum stärken" - das ist, die christlichen Werte zu leben, das Miteinander zu stärken, Härten abzumildern, Gemeinsamkeiten zu entwickeln. Das kann man auch nicht predigen, vielmehr muss man das vorleben. Das Herumtragen einer Marienfigur mit Trompetengeblase versteht kein Muslim. Für den ist das Götzendienst - und im Grunde hat er recht.

Derzeit arbeite ich für eine religiöse Organisation, einen christlichen Orden (der nicht von der katholischen Kirche unterstützt wird), der versucht, solche Werte zu leben: Armenspeisung (365 Tage im Jahr), Kleider- und Lebensmittelspende. Für diejenigen, die heutzutage die Ärmsten sind (und die entsprechen nicht dem christlich verklärten Abziehbild der Bedürftigkeit).
Aber auch Asylbewerber gehören zu unseren Gästen - eine gute Gelegenheit, sie ihnen einmal vorzuleben, die "christlichen Werte".
Die Arbeit verrichten Menschen, die einst selbst aus prekären Situationen kamen, so auch ich.

Einerseits schätzt die Stadt München diese Arbeit und unterstützt sie. Anderseits gräbt sie uns das Wasser ab, denn die meist ehrenamtlichen Helfer können nur von Sozialgeldern leben. Der Orden kann sie nicht bezahlen und mit "50 Helfern vielleicht 2x die Woche 2 Std. - abends" kann man keine Abholung, Sortierung, Verarbeitung, Verteilung und Kompostierung dieser Größenordnung bewerkstelligen und auch kein vollwertiges und umfangreiches Mittagessen für bis zu 150 Gäste pro Tag. So man solche Helfer bekommt, denn das will keiner machen, ob bezahlt oder nicht.
Jeder einzelne von uns soll aber, den Behörden zufolge, sofort wieder mit dem Ehrenamt aufhören und ins ordentliche Berufsleben.

Eine "hohen Respekt" äußerte die Bundeskanzlerin kürzlich vor uns Ehrenamtlern, aber von Respekt kann sich keiner was kaufen. Uns einfach - auf dem geringen Niveau, wie wir jetzt sind - einfach von ALGII leben lassen: Das will dann auch keiner. Auch dann nicht, wenn wir dafür 30 Std. und mehr die Woche eine gemeinnützige Arbeit leisten.

Und da enden sie dann auch schon wieder, die "christlichen Werte". Da nämlich, wo es um die Ausgestoßenen und Penner geht und nicht um die Saläre der Bischöfe oder wo es überhaupt nur ums Geld geht. "Christliche Werte", das ist dann eher Heiligen-Abziehbilder im Kindergarten.
 

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Aber werden bei eurer Arbeit, Giacomo, nicht universelle Werte sichtbar, also Werte, gegen die keine Religion oder Weltanschauung (außer sehr extreme - Wert des Menschen nach seinem Verdienst, wie es einige Leute in den USA vertreten) wirklich etwas haben kann. Ihr lebt doch die Barmherzigkeit. Ihr seid ja sozusagen diejenigen welchen, die die Originalbotschaft am Beispiel des Samaritergleichnisses des Juden Jesus beispielhaft leben. Aber er ist ja nicht der einzige, der zu Taten der Barmherzigkeit ermutigt hat. Aber er hat als Vorbild für viele hergehalten...

Die Form, wie die CSU ein Markenzeichen in jede Behörde setzen will, halte ich für grundfalsch und ich finde das auch übergriffig. Soll damit impliziert werden, dass jeder Anders- oder Nichtgläubige nach sich christlichen Werten zu richten hat, weil das Kreuz ihn daran erinnert und weil es die CSU es so will? Christlich-abendländische Grundprägung soll symbolisiert werden?! Da kann man Herrn Lindner durchaus verstehen, wenn er sich an Erdogan erinnert fühlt.

Mir haben mal Besucher aus Indien erzählt, dass sie ziemlich erschrocken sind, als sie eine katholische Kirche besucht haben: da hing ein Kruzifix. Was sollen sie auch anfangen mit einem Bild eines gemarterten Mannes? Eher hat sie das auf Distanz zum christlichen Glaubens gebracht, weil ein wichtiger (vielleicht sogar erster) Eindruck in einer katholischen Kirche ein grausamer war.
 

Giacomo_S

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Mir haben mal Besucher aus Indien erzählt, dass sie ziemlich erschrocken sind, als sie eine katholische Kirche besucht haben: da hing ein Kruzifix. Was sollen sie auch anfangen mit einem Bild eines gemarterten Mannes? Eher hat sie das auf Distanz zum christlichen Glaubens gebracht, weil ein wichtiger (vielleicht sogar erster) Eindruck in einer katholischen Kirche ein grausamer war.

Einer meiner Freunde (Bayer, katholisch und über 70 Jahre alt, aber geistig wie körperlich fit, aber nicht streng religiös) kritisiert gelegentlich an modernen Menschen, sie seien nicht "gottesfürchtig".
Ein Begriff, mit dem ich wenig anfangen kann, denn schließlich hat Jesus die Menschen nicht gelehrt, Gott zu fürchten, sondern zu lieben.

Die Urchristen haben Jesus nicht am Kreuz dargestellt. Die Kreuzigung als Strafe war noch Realität, es war ihnen eher peinlich, dass Jesus am Kreuz starb.
Andererseits hätte ich ausgerechnet von Indern bezüglich symbolischer Darstellungen im religiösen Kontext mehr Abgebrühtheit erwartet. Denn z.B. die Darstellung der Hindugottheit Kali mit abgehackten Köpfen ist ja auch nicht gerade etwas für Zartbesaitete.

Die Form, wie die CSU ein Markenzeichen in jede Behörde setzen will, halte ich für grundfalsch und ich finde das auch übergriffig. Soll damit impliziert werden, dass jeder Anders- oder Nichtgläubige nach sich christlichen Werten zu richten hat, weil das Kreuz ihn daran erinnert und weil es die CSU es so will? Christlich-abendländische Grundprägung soll symbolisiert werden?! Da kann man Herrn Lindner durchaus verstehen, wenn er sich an Erdogan erinnert fühlt.

Hier in München habe ich noch niemanden gesprochen, der diese Maßnahme nicht völlig lächerlich findet. "Haben die eigentlich keine anderen Probleme?" ist der einhellige Kommentar zu diesem Vorstoß.
Es soll ja auch primär um die Darstellung der "bayerischen Kultur" gehen ... und daher m.E. um einen der wenigen Aspekte, der mich hier stört: Dieses ewige "mir san mir"-Herumgeeiere, um das es in Wirklichkeit geht. Ob das nun einer gesellschaftlichen Realität noch entspricht, oder nicht.

Mit einem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund von mehr als einem Drittel - 37,7% (2013) - hat München den höchsten Anteil an Ausländern von allen deutschen Städten überhaupt. Hinzu kommen die deutschen "Zugeroasten" und die Touristen aus aller Herren Länder: Was ist denn daran dann noch überhaupt soooo bayerisch, als das einem das immerzu aufgetischt werden muss?
Der Kellner trägt Krachlederne und die Kellnerin Dirndl im holzgetäfelten Wirtshaus - aber im Grunde ist das doch alles nur noch eine Disneyland-Show. Denn der Kellner ist dann Ungar und die Kellnerin kommt aus Slowenien.
Und "traditionell" ist das auch alles nicht, denn früher trug das Servicepersonal in der Großstadt München keineswegs Bauernkleidung, sondern konservative Servicebekleidung: Wie ein großstädtischer Kellner eben auszusehen hat.
 

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Einer meiner Freunde (Bayer, katholisch und über 70 Jahre alt, aber geistig wie körperlich fit, aber nicht streng religiös) kritisiert gelegentlich an modernen Menschen, sie seien nicht "gottesfürchtig".
Was meint er mit der Gottesfurcht? Meint er damit, dass die Gebote Gottes nicht geachtet werden? Oder meint er damit, dass Gott aus den Gedanken der modernen Menschen ziemlich verschwunden ist.
Ich tue mich auch schwer mit dem Begriff "Furcht", denn ich verstehe "Furcht" schon in gewisser Weise als Synonym zur "Angst", aber allerdings nicht deckungsgleich.

Hier in München habe ich noch niemanden gesprochen, der diese Maßnahme nicht völlig lächerlich findet. "Haben die eigentlich keine anderen Probleme?" ist der einhellige Kommentar zu diesem Vorstoß.
Es werden ganz schön harte Töne angeschlagen und von Mehrheitsreligion ist die Rede.
CSU-Generalsekretär Markus Blume hat die Kritik an der Kreuz-Entscheidung der bayerischen Staatsregierung entschieden zurückgewiesen. „Bei den Kritikern haben wir es mit einer unheiligen Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern zu tun“
aus dem Bayernkurier Wie soll man dieses Gehabe letztendlich einordnen? Ist es ein letztes Aufbäumen, bevor das Christentum in die Minderheit gerät. Will sich die CSU schlichtweg profilieren. Wir haben viele Menschen, besonders in den Großstädten, die anderen Religionen angehörig sind, aber zudem verlieren insbesondere die Großkirchen weiterhin an Mitgliedern. Kritik kommt sogar aus den Kirchen, auch aus der katholischen Kirche, selbst. Und es gibt Leute, die so manch Wert und Tradition, welche die Kirchen im Laufe ihrer Geschichte hervorgebracht haben, ablehnen.
Aus der Süddeutschen kommt die Feststellung, dass die CSU das Kruzifix als politisches Dominanz-Symbol missbraucht. Mir kommt es auch weniger als Bekenntnis vor, sondern eher als eine Machtdemonstration.
 

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Also, ich bin zum Schluß gekommen, dass es überhaupt keinen Sinn macht, das Christentum (oder irgendeine andere Religion) zu stärken, um dem Islam entgegenzuwirken. Dadurch werden Territorien auf deutschem Boden, die der deutschen Staatsgewalt entzogen sind (die No-Go-Areas) und die politisch gewollte islamische Unterwanderung Deutschlands nicht gestoppt werden. Vielmehr vermute ich, dass das öffentliche Tragen religiöser Symbole einen eher deeskalierenden Effekt haben dürfte. In Berlin ist ja angeblich einer mit Kippa rumgelaufen und deswegen gezüchtigt worden. Wenn also mehr nicht-islamische Leute ihre Religion nach Außen hin zeigen, dann werden vermutlich auch mehr islamische Leute ihre Religion nach Außen hin zeigen. Dann wird Deutschland noch mehr zu einem Land wie Israel, wo es ständig Spannungen zwischen den religiösen Gruppierungen gibt. Danke nein, ich mag die aufgeklärte westliche Welt lieber. Auch wenn Autorinnen wie Susanne Kaiser meinen, dass die Aufklärung auch Rassenlehre und Holocaust gebracht hat. Naja, ihr gesamter Artikel im Spiegel über "Unsere unaufgeklärten Muslime" ist sowieso nur der Versuch die politischen Gegner als Rechts erscheinen zu lassen, damit sie Wählerstimmen verlieren.

Wie auch immer, die Problematik, um die es ultimativ geht, ist die Gefahr, dass der deutsche Rechtsstaat durch Scharia-Gesetz ersetzt wird. Wie da der Glaube an Jesus und alles, was da so dranhängt helfen soll, ist mir schleierhaft. Noch weniger verstehe ich, wie das öffentliche Zeigen christlicher Symbolik die Institution des Rechtsstaates retten könnte. Man kann doch die Institution des Rechtsstaates als sinnvoll anerkennen, ohne dass man in irgendeiner Weise religiös denkt oder organisiert ist. Ich würde sogar sagen, dass angesichts des andauernden Rechtsbruchs der Regierung Merkel im Namen der Menschlichkeit, religiöses Denken zurückgedrängt werden sollte; zumindest sollte es genau geprüft werden. Zumindest sollten auch Entscheidungen im Namen der Menschlichkeit durchdacht sein, um zu verhindern, dass sich die eigene Menschlichkeit nicht irgendwann gegen einen wendet. In der Hinsicht machen unsere Gesetze mehr Sinn als ein undurchdachtes "Es ist Gottes Wille", wobei nicht wirklich sicher ist, ob unsere Regierenden das Argument von der Menschlichkeit nur in der Öffentlichkeit vortragen, während sie andere Absichten verfolgen.
 

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Ist Lüdenscheid eine Stadt, in welcher strenge Formen abrahamitischer Religionen aufeinandertreffen, vielleicht stärker als in manch vergleichbar großen Städten?
Jedenfalls wurde dort ein Interreligiöses Forum geschaffen, das für ein freundliches Miteinander der drei abrahamitischen Religionen steht. Solche Stätten gibt es auch in Israel. Natürlich fragt man sich, wer so etwas unterstützt, sich dort engagiert und wer sich überhaupt einfach an solchen Begegnungsstätten einfindet. Sicherlich wird es in Lüdenscheid strenge Gruppierungen geben, die sich strikt gegen solche Einrichtungen, die Toleranz und ein Miteinander fördern sollen, wenden und sich eben nicht auf Toleranz einlassen oder nur schwer aufweichen lassen. Vermutlich sind die, die solche Stätten befürworten und/oder unterstützen in der Regel auch demokratischer orientiert und erkennen auch den Rechtsstaat eher an, und eben auch die Religionsfreiheit. So versteht sich auch auf der Aufruf des Forums:
Willkommen sind in diesem Forum alle, die bereit sind, Menschen anderer Religionen mit Offenheit und Herzlichkeit, mit Achtung und Duldsamkeit zu begegnen, um das schon bisher friedvolle Zusammenleben in unserer Stadt weiterzuentwickeln.
Gibt es auch interreligiöse Foren in Deutschland, die zum Beispiel alle "Weltreligionen" unter ein Dach an einen Tisch bringt?

wobei nicht wirklich sicher ist, ob unsere Regierenden das Argument von der Menschlichkeit nur in der Öffentlichkeit vortragen, während sie andere Absichten verfolgen.
Sie geben nur den Schein-- Welche Absichten siehst du bei den Regierenden?
 

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Ja, solche überkonfessionellen Bemühungen gibt es auch hier in meiner Gegend in mehreren Gemeinden. Und es scheint auch zu funktionieren. Aber auch hier liegt insgesamt mehr Spannung in der Luft. Auch hier werden Leute, die während der Bürgerversammlung migrationskritische Fragen stellen, schnell vom grünen Bürgermeister in die rechte Ecke gestellt, und damit ist das Thema dann auch schon beendet. Man kann wirklich sagen "wie im Großen so im Kleinen", da die Gemeindepolitik hier vor Ort auch nur das umsetzt, was die große Politik in EU und Deutschland vorgibt. Und die lokalen und regionalen Medien, die liefern meistens eine ähnliche Berichterstattung und Kommentierung wie die großen landesweiten Medien. Gut, mittlerweile sind wir in diesem Land an eine Schwelle gekommen, an dem die Problematik mit der Migration nicht mehr verschwiegen oder kleingeredet werden kann. Gewalt an Schulen hat mittlerweile schon beinahe Alltagscharakter bekommen, okay, fairerweise muß ich sagen, dass nicht nur Migranten (auch nicht alle Migranten, manche haben auch einen eindeutig sichtbaren Willen, sich zu integrieren und arbeiten zu gehen) gewalttätig sind, sondern auch Einheimische.

Die Absicht der Regierenden - tja, das ist schwer auf einen einzigen Nenner zu bringen. Offensichtlich ist, dass unsere Regierenden die große Transformation wollen. Ob sie tatsächlich einen neuen, angeblich besseren, sozialeren Menschen schaffen wollen oder ob das nur den Anschein hat und sie einfach nur verblödete Menschen brauchen, weil die besser zu beherrschen sind, weiß ich nicht. Offensichtlich ist auch, dass die Transformation auf der ganzen Welt stattfinden soll. Die Agenda 21 der Vereinten Nationen ist überall angekommen. Offensichtlich scheint auch zu sein, dass die Welt dekarbonisiert werden soll, was indirekt zu einer Deindustrialisierung führt und laut der neuen Studie der Global Warming Policy Foundation gerade den armen Menschen in der dritten Welt schaden wird, bzw. die Möglichkeit sich eine bessere Lebensqualität zu erarbeiten erheblich einschränkt. (Da vermute ich gleich, dass diese Menschen auch irgendwann zur Reise in die erste Welt eingeladen werden. Das würde imho bedeuten, dass immer mehr Menschen auf immer engerem Raum zusammenleben würden und da auch hier die Effekte der Dekarbonisation/Deindustrialisierung zu einer geringeren Lebensqualität führen würden, würde es ingesamt weniger Geld/Ressourcen für immer mehr Menschen geben.)

Ich denke es deshalb auch kein Zufall, dass es staatliche Förderprogramme wie Stadtumbau und Soziale Stadt und dergleichen gibt und dass die Menschen des Landes zu einem freudvollen nachhaltigen Lebensstil erzogen werden sollen. Freudvoll, weil einem der Gedanke, dass man durch sein nachhaltiges Verhalten die Erde rettet, Freude bereitet. Naja, jedenfalls gehört zur Nachhaltigkeit auch, dass man nicht gleich alles wegschmeißt, dass man repariert und flickt und tauscht. Hier in Hessen soll demnächst das Volk über eine Verfassungsänderung entscheiden. U. A. soll das Ehrenamt gestärkt werden. Nachhaltigkeit soll Staatsziel werden. Usw usf. Während ich es einerseits auch gut finde, wenn nicht gleich weggeschmissen wird, und ich auch dem Ehrenamt etwas abgewinnen kann, so beschleicht mich doch der Gedanke, dass die Intention hinter Nachhaltigkeit und Ehrenamtstärkung usw. eben nicht der Rettung der Erde und der sozialen Gerechtigkeit usw dient, sondern Konsequenzen sind, harte Fakten, die sich aus der Wirkung von Dekarbonisation/Deindustrialisierung und Migration ergeben. Hinzu kommt, dass die staatlichen Schulden sehr hoch sind, die Staatsquote liegt bei irgendwas zwischen 60 und 70 Prozent und jetzt wird über die Anhebung der Grundsteuer diskutiert. Wenn du mich fragst, dann ist dieser Staat nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich pleite. Aber zum Glück fragst du mich nicht. ;)
 

Giacomo_S

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Vor knapp 20 Jahren habe ich in Tanger, Marokko auf einem quirligen Markt gesehen, wie die einheimischen Muslime einer christlichen Ordensschwester eine Gasse bildeten, aus Respekt und Höflichkeit. Ob dies heute noch so wäre, vermag ich nicht zu sagen. Damals aber stand sie offenbar in hohem Ansehen bei den Einheimischen.

Christliche Werte kann man predigen, besser ist es, sie vorzuleben. Derzeit tue ich dies jeden Tag, wobei ich nicht sonderlich religiös bin. Und schon gar nicht verlange ich von anderen, sie müssten das tun, was ich tue.
Vielleicht begreift der eine oder andere, was wir tun. Verblendete Dogmatiker erreichen wir eh nicht.

Christliche Werte zu leben bedeutet aber weder, es allen recht machen zu wollen, noch sich jede Unverschämtheit gefallen lassen zu müssen. Erst gestern habe ich (wieder einmal) ein Hausverbot erteilen müssen. Eigentlich will ich nicht so streng sein, aber es geht nicht anders. Es wäre nicht fair jenen gegenüber, die sich ordentlich verhalten und ich kann, darf und will nicht zulassen, das die Aggressionen einzelner den Frieden des Hauses stören.

Auffällig ist aber, dass es weniger die Araber und Afrikaner sind, die Ärger machen. Vielmehr sind es Ost- und Südost-Europäer. Seitdem wir diese Gruppe, einen nach dem anderen, aussortiert haben (keineswegs pauschal, es gab dafür immer einen individuellen und auch gewichtigen Grund), hat sich die Atmosphäre im Orden spürbar verbessert. Nicht nur im Speisesaal, sondern auch, wie mir Kollegen berichteten, vor dem Tor. Es gibt kein Gebrüll mehr, es wird nicht mehr gesoffen und auch kein Müll mehr fabriziert.
 

Telepathetic

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Die tl;dr-Kurzform:
  1. Weiterhin Nein zur Wiederaufnahme christlicher Traditionen wie Feste, aber ein Ja zur Beschäftigung mit Christentum, seinen Werten, seiner Ethik, seiner Geschichte und seinem Einfluß auf Europa und Amerika.
  2. Ich halte es für sehr wichtig, auf eine Kultur der Vielfalt der Meinungen und ihre ungehinderte und sanktionslose Aussprache in der Öffentlichkeit hinzuarbeiten. Jonathan Haidt meint in diesem kurzen Vortrag darüber wie man die Unis von den SJW reinigt, dass Christentum die Wissenschaft fördert (so wie das Judentum auch), bzw. den wissenschaftlichen Mindset des "jeder sagt, was er denkt und an der Reibung der verschiedenen Ansichten, kann jeder wachsen, kann das Wissen wachsen". Man durfte nur nicht an den christlichen Dogmen rütteln. Heutzutage darf man im wissenschaftlichen Betrieb nicht an den politischen Dogmen rütteln, die als Wissenschaft ausgegeben werden.

Ich bin weiterhin der Meinung, dass es nicht notwendig ist, in Deutschland oder anderswo das Christentum in seiner Gänze zu reaktivieren, ich bin aber mittlerweile sehr wohl der Meinung, dass es nicht schadet, sich mit Christentum, Religion im Allgemeinen zu beschäftigen. Das Argument "alle unsere Werte, unsere Ethik stammt aus dem Christentum" zieht bei mir nicht als Argument in die Kirche zu gehen und die christlichen Feiertage mit allem drum und dran zu zelebrieren. Als wegweisender empfinde ich es, sich mit Werten und Ethik zu beschäftigen.

Und um ehrlich zu sein, empfinde ich manchmal eine größere Nähe zum Islam, bzw. den Muslimen, als zu den männerhassenden Feministen und den geschlechtslosen Genderisten. Dieser Eindruck beruht allerdings mehr auf meinen Beobachtungen von Muslimen als ein Außenstehender und nicht auf Insiderwissen. Jedenfalls hat so mancher Muslim mehr Interesse an mir und Gesprächsbereitschaft gezeigt, als die meisten Deutschen. Die sogenannte von der Kirche befürchtete Atomisierung der Gesellschaft scheint zumindest ansatzweise real zu sein.

Jedenfalls, um wieder auf "Beschäftigung mit Werten und Ethik" zurückzukommen, verweist diese Beschäftigung irgendwann auf historische Zusammenhänge, auf die Traditionen des Abendlandes und wie Werte und Ethik unsere Geschichte und unseren materiellen wie geistigen Reichtum hervorgebracht haben. Heutzutage scheint die verbreiteste Meinung zum Thema Christentum zu sein, dass der weiße Kapitalist das Christentum zur Unterdrückung mißbraucht hat und das Gott sowieso nur ein ganz Böser ist. Alles andere wird ausgeblendet. Deutschland ist ja auch nur der Holocaust und die anderen Jahrhunderte an Entwicklungen, die auf jahrhunderte, gar jahrtausende lange Sicht hin zu unserer jetzigen guten Lebensqualität geführt haben, die werden einfach ausgeblendet.

Momentan werden ja von politischer Seite sehr schnell Nazi-Vorwürfe rausgehauen, wenn man an Islam und besonders der Migration zweifelt, (oder am Klimawandel), jedenfalls ist hier mMn der Fehler zu finden, warum sich überhaupt die sogenannten populistischen Parteien in Europa gebildet haben. Würden unsere Spitzenpolitiker weniger unerbittlich ihre Politik durchziehen, die mit dem Volkswillen imo sowieso nichts mehr zu tun hat, würden sie nicht ständig versuchen Einheimischen als auch den Migranten Märchen zu erzählen - den Einheimischen über die Bereicherung, den Migranten über das Schlaraffenland - dann hätten alle mehr Ressourcen frei, um sich um andere wichtige Situationen zu kümmern.

Christliche Werte zu leben bedeutet aber weder, es allen recht machen zu wollen, noch sich jede Unverschämtheit gefallen lassen zu müssen.
Das finde ich auch. "Auf die eine Wange geschlagen bekommen und dann noch die andere Wange hinhalten" mag vielleicht Sinn machen in einer Situation, in dem man dem Gegner Furchtlosigkeit beweisen möchte und die Bereitschaft zurückzuschlagen - "Auf! Schlag nochmal zu! Komm schon!" - aber grundsätzlich muß man Grenzen setzen. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass Milde nur dann gewährt werden kann, wenn das Wertesystem einer Gruppe in der Tat geteilt wird. Heißt ja nicht, dass alle Einheimischen mit weißen Westen herumlaufen würden. Es scheint mir aber nicht sinnvoll zu sein wenn z. B. einem Migranten, der seine Ex-Freundin messert, ein mildes Urteil gesprochen wird, da er den Fremden-Bonus bekommt, was Menschen, denen unsere Welt von klein auf als sündhaft beschrieben wird, ein Zeichen sein könnte, wie einfach sie hier doch machen können, was sie wollen, was zu mehr Straftaten dieser Art führen könnte. Vielmehr sollten unsere Gerichte zeigen, dass hier unser Recht gilt und das auch Migranten schwer bestraft werden. Auf der anderen Seite liegt allein schon in einer Gerichtsverhandlung und einem Urteil ein Signal, dass die zur Anzeige gebrachte Tat hier nicht geduldet wird. Man kann imo sagen, dass generell Milde an der falschen Stelle zu ihrem Gegenteil führen kann.

Auffällig ist aber, dass es weniger die Araber und Afrikaner sind, die Ärger machen. Vielmehr sind es Ost- und Südost-Europäer.
Ich sehe auch immer wieder Migranten, die sich mit viel Bereitschaft und Einsatz integrieren wollen und freundlich sind.
 

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764
Ich habe mich für mich persönlich entschieden:

- Einerseits halte ich die Beschäftigung mit Werten, unabhängig davon, wo sie herkommen, für notwendig, um im täglichen Leben bestehen zu können. Darüber hinaus halte ich eine differenzierte Beschäftigung mit Werten und den aus ihnen abgeleiteten Verhaltensweisen (bzw. im Rahmen von Religionen Verhaltensvorschriften), für sinnvoll, um den Alltag nicht nur bestehen zu können, sondern um ihn situationsbedingt besser gestalten zu können. Diesen Ansatz sehe in einer Gesellschaft mit steigender Individualisierung und gleichzeitig steigender multi-nationaler Diversität als passender an, als den Rückgriff auf eine Tradition, der ich sowieso nie wirklich angehört habe. Ich bin in den 70ern geboren und in den 80ern herangewachsen, d. h. ich habe ein Deutschland erlebt, welches bereits mehr als nur ansatzweise Menschen aus anderen Nationen und Kulturen aufgenommen hatte. Die Kirchen hatten bereits die direkte Macht über die Entscheidungen der Menschen verloren gehabt. Im Fernsehprogramm sind bereits die - heute in das Extreme gesteigerte - moralischen Vorstellungen vom globalisierten Dorf, vom Umweltbewußtsein, von der Überwindung der alten, unterdrückenden Gesellschaft, beobachtbar gewesen. Und wenn ich auch die extreme Version davon ablehne, so bin ich doch auch von ihren grundsätzlichen Ideen geprägt und empfinde das nicht als schlecht.

Ich sehe aber auch nicht, dass die alte, christliche Gesellschaftsform per se schlecht ist, auch wenn sie nicht perfekt ist. Mir scheint, dass die christliche Lehre und die Kirche ihre Vorzüge gehabt haben, solange sie das alleinige Monopol in einem abgegrenzten Raum gehabt haben. Mittlerweile wird dieser Raum von Menschen mit unterschiedlichen, teils konfligierenden Anschauungen bevölkert. Um den Konflikt zu veringern, muß sich entweder eine Weltanschauung/religiöse Lehre durchsetzen oder es müssen sich alle zurücknehmen. Ich bin für die zweite Version, weil sich hier die Chance auftut, bei der Suche nach etwas Verbindendem den Menschen an sich zu finden und darauf basierend Regeln und Verhaltensweisen zu lernen, die tatsächlich universal sind.

- Auf dem obigen basierend finde ich andererseits, dass das Christentum/Judentum/die Religion nicht gestärkt werden brauchen, um dem Islam entgegenzutreten. Vor allem braucht es keine institutionalisierte Stärkung.

Ich habe diesen Thread wegen der erstarkenden nationalen, konservativen Bewegung in Deutschland eröffnet. Das diese Bewegung erstarkt, ist vor dem Hintergrund der Globalisierung und der damit verbundenen Entsouveränisierung der Nationalstaaten verständlich. Trumps Wahl zum Präsidenten ist vor dem gleichen Hintergrund auch verständlich. Das Problem liegt weniger darin, dass die UNO ("UNO" als Oberbegriff für die weltweit beobachtbare gleiche Politik) an einer vereinten Welt arbeitet, sondern liegt an ihrer imperialen Vorgehensweise, an ihrer Methodik jede Kritik verbal totschlagen zu wollen, und über die Köpfe der Menschen hinwegzuentscheiden. Es geht eben nicht nur um die Verbreitung und Diskussion über Ideen der Weltanschauung und des Zusammenlebens, sozusagen die philosophische, ergebnisoffene Variante der UNO, sondern um Unterwanderung der Nationalstaaten, Einflußnahme auf die Gesetzgebung, und vor allem um die Konstruktion eines globalen Superstaates mit einer Weltregierung und vermutlich mit einer Weltreligion. Zumindest lässt sich die Ökumene auf diese Weise interpretieren. Würde all den Ideen und Konzepten Zeit gelassen, sich von selbst zu entfalten, dann würde eine Art vereinte Menschheit vermutlich ganz von selbst entstehen.

Und hier ist der Knackpunkt für mich: ich persönlich halte nicht mehr viel von der Institution des Staates in seiner gegenwärtigen Ausprägung. Es spielt für mich also keine Rolle, ob ein Superstaat konstruiert werden soll, oder ob der Nationalstaat erhalten werden soll. Im Endeffekt wird er sich immer so präsentieren und verhalten, wie seine Mitarbeiter es derzeit tun. Das derzeitige Wirken der AfD verorte ich wie das damalige Wirken der Grünen in ihren frühen Phasen: sie stellen die gerade brisanten Fragen vor einem Establishment, dass ein vitales Interesse daran hat, ihre Machtposition zu verteidigen. Der Fehler liegt für mich also im System selbst, egal wie groß das System räumlich ist.

Was hat das nun mit der Stärkung des Christentums zu tun? Ganz einfach, mir kommt es so vor, dass die konservativen Kräfte das Christentum benutzen, um deren Gemeinschaft zu stärken, heißt dass es dabei weniger um sogenannte christliche Werte geht, sondern um den Ausbau der eigenen Position in diesem System. Die Beschwörung des Christentums, des Christseins hat mehr Symbolcharakter. In den einschlägigen Internetauftritten der Konservativen lese ich immer nur wie schlecht der Islam ist, wie schlecht die Merkelsche Politik ist, aber ich finde nie Artikel, die über christliche Werte im Angesicht der heutigen Herausforderungen diskutieren. Da ist ein deutscher, grüner (vermutlich nicht-muslimischer) Bürgermeister, der im Rahmen eines gemeinsamen Festes von Muslimen und nicht-Muslimen das Ramadan-Fastenbrechen begeht eigentlich schon einen Schritt weiter. Anders gefragt: wieso sollte die Konservative, die AfD, deren Medien, deren Stiftungen und die deutschen Kirchen einen anderen Weg gehen als die anderen Parteien? Aus meiner persönlichen Sicht heraus, repräsentieren die Konservativen zwar momentan viele richtige Fragen und viele richtige Argumente, aber sie zeigen bereits jetzt schon eine gewisse Einseitigkeit.

Weitere Gründe, warum ich keine Stärkung des Christentums und der anderen Religionen befürworte, sind - abgesehen von nicht mehr zeitgemäßem Konkurrenzverhalten und Monopolansprüchen - der Messianismus, die traditionelle Rollenverteilung, Dogma, Attitüde und sonstige Zwänge, die aus all dem erwachsen.
 

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