Heß - Deutschland - Churchill

Traenenreiter

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In Anlehnung der Sperrung des Heß - Threads schaute ich hier rein, mußte aber feststellen, daß hier wie dort das Theme recht schnell wechselte.

Also stelle ich meine Fragen hier rein, vielleicht ergibt sich ja doch noch eine Diskussion, deren Entwicklung die Moderatoren nicht verärgert.

1.) Könnte Hitler vom Flug von Heß gewußt haben?

2.) Welche Angebote hatte Heß für England im Gepäck, und wie sind sie zu bewerten?

3.) Warum wurde Heß lebenslange Freiheitsentzugsstrafe als einzige durchgezogen?

4.) Warum wurde Heß nicht, wie im Nürnberger Kriegsverbrechergericht vorgesehen, nach seinem Tod verbrannt und die Asche irgendwo über dem Meer verschüttet, um eine Wallfahrtsstätte zu verhindern, sondern in Wunsiedel beigesetzt?

5.) Warum geben die Engländer die Heß Akten nicht frei?

Nochmals sei ausdrücklich darauf hingewießen, daß ich eine fruchtbringende, historische Diskussion erwarte - ohne braune Soße und ohne die Absicht, jemanden zu verleumden o.ä

Ich bin einmal gespannt, wie reif die Nutzer dieses Forums sein können, eine solche Diskussion zu führen.
 

Mr. Anderson

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Zu den ersten drei Fragen kann ich zumindest ein paar Dinge sagen:
Könnte Hitler vom Flug von Heß gewußt haben?
Das ist ein Umstand, der nicht ganz einwandfrei ermittelt werden konnte. Dagegen spricht z.B. daß Heß offenbar alles allein mit seinem Adjutanten Pintsch geplant hat; und daß Pintsch Hitler erst am Mittag des nächsten Tages über Heß' Flug informierte, indem er ihm einen Brief von Heß übergab. Er tat dies mit den Worten "Reichsminister Heß ist gestern abend um 18 Uhr nach Schottland geflogen, um mit dem Herzog von Hamilton zu sprechen" Hitler ließ Pintsch bald darauf festnehmen.
Es ist allerdings möglich, daß Hitler zumindest von den Vorbereitungen auf diesen Schottland-Flug Wind bekommen hatte.
Welche Angebote hatte Heß für England im Gepäck, und wie sind sie zu bewerten?
Laut der "Großen Geschichte des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs" (vom Naturalis-Verlag), unterbreitete er folgendes:
- England müsse sich künftig jeder Einmischung auf dem europäischen kontinent enthalten und Deutschlands Vormachtstellung in Europa sowie seine Eroberungen anerkennen.
- England müsse Deutschland sämtliche 1918 genommene Kolonien zurückgeben
- England müsse sich aus dem Irak zurückziehen, der künftig als deutsche Interessensphäre dienen soll
- Deutschland wäre bereit, den Bestand des britischen Weltreichs zu garantieren. Bevor Verhandlungen allerdings möglich wären, müsse England einen neuen Premierminister haben. Winston Churchill sei für den Führer ein unzumutbarer Gesprächspartner
- Für sich selbst forderte Heß eine baldige Audienz bei König Georg VI. und die Erlaubnis, sich frei in England zu bewegen, um sich geeignete Wohn- und Diensträume zu mieten, wo er die Verhandlungen vorbereiten könne

Heß war demnach kein reiner Friedensapostel, auch wenn er sich vielleicht selbst so gesehen hat.
Warum wurde Heß lebenslange Freiheitsentzugsstrafe als einzige durchgezogen?
Offenbar wollte die Sowjetunion, welche die Todesstrafe für Heß gefordert hatte, wenigstens sichergehen, daß die lebenslange Haft durchgezogen wird.
 

Winston_Smith

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Eine Widerliche Vorstellung:

Das Deutsche Reich, verantwortlich für industriellen Massenmord, Deportation, Unterdrückung und unzählige Verbrechen, wäre ein Partner für Friedensverhandlungen!

Selbst wenn es ein Freidensangebot gegeben hat, gab es nur die Kriegerische Lösung für dieses "Problem". Alles andere wäre eine Farce gewesen.

ws
 

blaXXer

Großmeister
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Winston_Smith schrieb:
Eine Widerliche Vorstellung:

Das Deutsche Reich, verantwortlich für industriellen Massenmord, Deportation, Unterdrückung und unzählige Verbrechen, wäre ein Partner für Friedensverhandlungen!

Selbst wenn es ein Freidensangebot gegeben hat, gab es nur die Kriegerische Lösung für dieses "Problem". Alles andere wäre eine Farce gewesen.

ws

Selten genug, aber da muss ich dir nuneinmal vorbehaltlos zustimmen.
 

sensei

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Aber sind wir mal ganz ehrlich. Kann es zu diesem Thema überhaupt eine ernsthaft andere Meinung geben?!

Schwerlich.
Dazu müsste jemand glaubhaft darlegen können , dass Fanatiker Frieden um des Friedens Willen beabsichtigten - ohne Hintergedanken, ohne spätere Absichten.
Ein realtiv unmögliches Unterfangen. Weil es allein durch die Gedankenwelt von Fanatikern ad absurdum geführt wird.
 

Winston_Smith

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Schwerlich.
Dazu müsste jemand glaubhaft darlegen können , dass Fanatiker Frieden um des Friedens Willen beabsichtigten - ohne Hintergedanken, ohne spätere Absichten.
Ein realtiv unmögliches Unterfangen. Weil es allein durch die Gedankenwelt von Fanatikern ad absurdum geführt wird.

Erstens einmal das, was zu bezweifeln ist.

Außerdem kann es (meiner bescheidenen Meinung nach) einfach keinen Frieden mit Fanatikern dieses Ausmaßes geben. Eine Verhandlung hätte diesen Verbrechern eine nachträgliche Legitimation gegeben und man hätte sie außerdem dadurch als Gleichberechtig eingestuft.

ws
 

agentP

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Eine Verhandlung hätte diesen Verbrechern eine nachträgliche Legitimation gegeben und man hätte sie außerdem dadurch als Gleichberechtig eingestuft.
Eben. Das wäre ungefähr so, wie wenn ein Serienkiller nach 10 Morden anbietet im Austausch gegen eine komplette Amnestie aufzuhören mit den Morden und vermutlich ähnlich glaubwürdig.
 

Traenenreiter

Meister
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Ich gebe zu bedenken, daß auf der Münchner Konferenz 1938 die Skrupel weitaus weniger sichtbar war, als es galt, mit diesen Verbrechern zu verhandeln.

Dazu müsste jemand glaubhaft darlegen können , dass Fanatiker Frieden um des Friedens Willen beabsichtigten - ohne Hintergedanken, ohne spätere Absichten.
Ein realtiv unmögliches Unterfangen. Weil es allein durch die Gedankenwelt von Fanatikern ad absurdum geführt wird.

Ich sehe nicht ganz ein, warum man so etwas darlegen sollte. Das die Nazis keine Gutmenschen, ist doch unbestritten.
In der Politik werden doch alle Entscheidungen mit Hintergedanken getroffen. Hitlers Ziel muß man ja nicht erraten, er hat es ja in seinem Buch beschrieben: Frieden mit England - Krieg nach Osten.

Ich habe einmal eine Aussage von Heß gelesen - leider kann ich die Quelle nicht mehr angeben - in der es hieß, man hätte England jedes Zugeständnis gemacht, wenn sie mit gegen die SU ziehen würden, eine Phantasie übrigens, die Stalin bis 1945 Alpträume machte.


Eine Widerliche Vorstellung:

Das Deutsche Reich, verantwortlich für industriellen Massenmord, Deportation, Unterdrückung und unzählige Verbrechen, wäre ein Partner für Friedensverhandlungen!

Selbst wenn es ein Freidensangebot gegeben hat, gab es nur die Kriegerische Lösung für dieses "Problem". Alles andere wäre eine Farce gewesen.

Industrieller Massenmord (der Holocaust an den europ. Juden, Zigeunern, Homosexuellen usw. fand begann erst 1942 - kann also kein Hemmnisgrund für Verhandlungen gewesen sein)

Man kann heute, 60 Jahre später, ja so bequem sagen, was für eine widerliche Vorstellung das ist, mit unserem Wissen, der Kenntnis der Ereignisse usw. aber, ich frage:

wie sehr bist du angewidert von

- den Friedensverhandlungen der Welt mit Stalin
- den Verhandlungen mit Nordkorea
- den Verhandlungen mit China
- den Verhandlungen mit diversen Ländern Schwarzafrikas
- und und und ???

Oder andersherum gefragt: wäre Krieg nicht die einzige und richtig Lösung, um die Probleme der Liste zu lösen? Dann so gefragt:

Du warst also vorbehaltlos für den Irakkrieg und bist ein überzeugter Anhänger der amerikanischen Friedenspolitik?
 

Mr. Anderson

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Traenenreiter schrieb:
Industrieller Massenmord begann erst 1942
Das ist nicht ganz richtig; die Wannseekonferenz war zwar erst Anfang 1942; aber schon am 31.Juli 1941 hatte Göring einen Befehl an Himmler und Heydrich gerichtet, die "Gesamtlösung" bzw., wie es in der Wannseekonferenz hieß, "Endlösung" vorzubereiten.
 

Winston_Smith

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wie sehr bist du angewidert von

- den Friedensverhandlungen der Welt mit Stalin
- den Verhandlungen mit Nordkorea
- den Verhandlungen mit China
- den Verhandlungen mit diversen Ländern Schwarzafrikas
- und und und ???

Oder andersherum gefragt: wäre Krieg nicht die einzige und richtig Lösung, um die Probleme der Liste zu lösen? Dann so gefragt:

Du warst also vorbehaltlos für den Irakkrieg und bist ein überzeugter Anhänger der amerikanischen Friedenspolitik?

Nicht, daß es hier zu sehr offtopic wird. Aber trotzdem ein paar Anmerkungen.

-Die Situation unter Stalin sehe ich in Teilen sogar noch schlimmer als, unter Hitler. Oder zumindest mindestens genauso Widerlich. Darum waren Freidensverhandlungen mit Stalin (meiner Meinung nach) abzulehnen.


-Nordkorea und China sind auf jeden Fall verbrecherische Regime. Ob man nun unbedingt mit Krieg das Problem lösen sollte, vermag ich nicht zu sagen. Da spielt auch die Atomare Bedrohung mit. VOR der Bedrohung wäre ein Kriegerisches eingreifen (meiner Meinung nach) gerechtfertigt gewesen.



Du warst also vorbehaltlos für den Irakkrieg und bist ein überzeugter Anhänger der amerikanischen Friedenspolitik?

Eine schwere Frage. Also, daß es im IRAK zum Krieg kam, unterstütze ich. Allerdings nicht vorbehaltlos. Ich hätte mir einen Krieg unter UN Mandat gewünscht.

Die amerikanische Friedenspolitik ist mir in Teilen sogar noch um einiges zu lasch. Aber in der Grundzügen halte ich diese Politik mit den bekannten Optionen: Erst Verhandlungen, dann ggfls. Sanktionen und letztendlich auch Waffengewalt für der Weltweiten Situation am besten angepaßt.

ws
 

Traenenreiter

Meister
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Das ist nicht ganz richtig; die Wannseekonferenz war zwar erst Anfang 1942; aber schon am 31.Juli 1941 hatte Göring einen Befehl an Himmler und Heydrich gerichtet, die "Gesamtlösung" bzw., wie es in der Wannseekonferenz hieß, "Endlösung" vorzubereiten.

Wie dem auch sei, auch dieser Termin ist auch nach dem 10. Mai 1941. Kann also nicht als Hinterungsgrund angeführt werden, oder?
 
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