Hallo Leute!
Ich gehöre der Freimaurerloge "Carl zur gekrönten Säule" in Braunschweig an. Neben unserer humanistischen Loge arbeiten in unserem Haus der Bruderschaft eine christlich orientierte und eine preussisch-traditionelle.
Es stehen ja schon genügend links in diesen Beiträgen, wo Ihr Euch ja auch schon informiert habt. Die Hintergründe werden tw. sehr ausführlich dargestellt, aber manchmal nicht so einfach verständlich. Daher versuche ich es einmal aus meiner Erfahrung:
Nachdem ich durch einen Zeitungsartikel neugierig wurde, habe ich mir via Internet die nächstgelegene Loge herausgesucht und um Kontakt gebeten. Ich wurde dann zum nächsten Gästeabend eingeladen (findet i.d.R. monatlich statt), habe mich vorgestellt und wurde herzlich aufgenommen. Zu den Gästeabenden werden Vorträge über die unterschiedlichsten Themen angeboten, teils von Brüdern ( z.B. über das Leben von Personen der Zeitgeschichte und ihrem Bezug zur Freimaurerei) oder auch von Aussen - der letzte kam von der Elterninitiative "Weggefährten" aus Braunschweig, die sich um die Betreuung krebskranker Kinder und deren Eltern kümmert. Dieser Verein wird in diesem Jahr von der Loge schwerpunktmäßig unterstützt.
Ich habe nach etwa einem Jahr selbst einen Vortrag über das Thema "Was ist ein Feindbild" gehalten; die anschließende Diskussion war sehr emotional - kann man Menschen wie Heydrich menschlich entgegentreten?
Aber - und das ist das für mich Wesentliche in der Freimaurerei: Auch wenn die Wellen bei einem solchen Thema hochschlagen: Die Meinung eines jeden wird respektiert, darüber diskutiert, ein abschließendes "Urteil" gibt es nicht, es muß kein Kompromiss geschlossen werden, jeder denkt darüber nach, überprüft seinen eigenen Standpunkt und wertet für sich selber. Daher gibt es keine "Freimaurer-Politik" und schon gar keinen "Machtanspruch"
der Freimaurer, denn:
Es gibt mehrere verschiedene Ausprägungen der Freimaurerei, drei davon habe ich gerade erwähnt.
Die Freimaurerei in den verschiedenen Ländern hat sich ebenso unterschiedlich entwickelt.
Jede Loge ist - abgesehen vom Ritual - völlig unabhängig und nicht an irgendwelche Weisungen gebunden, ebenso gilt dies für alle Logenbrüder.
Und da es keinen Konsens wie in der Politik gibt, hat auch niemand das Recht, für die Freimaurerei insgesamt; nicht einmal für seine Loge zu sprechen oder gar zu agieren. Wenn sich ein Freimaurer äussert (so wie ich jetzt hier) tut das für sich selber. Auch dieses Prinzip mußte ich erst einmal begreifen.
So ist es auch möglich, daß die EU-Abgeordnete Ewa Klamt bei uns einen Vortrag hielt. Es geht darum, das Wirken und den Standpunkt anderer kennenzulernen, nicht mehr und nicht weniger. Es hat denn auch keine parteipolitische Diskussion oder gar Streit gegeben.
Dies gilt genauso für religiöse Angelegenheiten; bei uns sitzen Christen, Moslems, ein Rabbi, ein Hindu und Atheisten nebeneinander und unterhalten sich auch über Religion, ohne jedoch die Überzeugung des anderen infrage zu stellen.
Aus diesem Umgang miteinander entwickelt sich das Gefühl der Bruderschaft, der herzliche und familiäre Umgang miteinander, der auch die Familien mit einschließt. Dies wird auch in den Logen sehr hoch gehalten: Die für die Aufnahme nötigen Bürgen überzeugen sich auch davon, daß die Ehefrau/Partnerin mit der freimaurerischen Arbeit einverstanden ist, und zu verschiedenen Anlässen können unsere Frauen sogar an einem "abgespeckten" Ritual teilnehmen, um eine kleinen Eindruck zu gewinnen, was dort vor sich geht.
Nach etwa zwei Jahren regelmäßigem Besuch war ich davon überzeugt, daß dies ein guter Schritt für mich ist, und habe um Aufnahme gebeten.
(Nicht nur) mit meinen Bürgen hat sich eine aufrichtige Freundschaft gebildet, und jedes Gespräch über Standpunkte, Zweifel und Konflikte bringt jeden von uns weiter.
Somit ist die Arbeit an sich selbst primär das eigentlich wichtige. Toleranz dem Mitmenschen gegenüber setzt das Erkennen eigener Fehler und Schwächen wie auch Stärken voraus, ohne daß dabei ein Gefühl der Überlegenheit entstehen soll.
Die Umsetzung - auch in seine Umwelt - gelingt nicht jedem. Daher ist auch nicht jeder Freimaurer nach aussen an seinen Handlungen erkennbar, und das wiederum beweist: Ein Mensch handelt als Mensch - ob Angestellter, Student, Wirtschaftsmagnat oder Politiker - und nicht als Freimaurer.
Da trifft sich eine Gruppe Menschen jede Woche und diskutiert. Das wars aber doch dann eigentlich schon.
Es ist schwierig zu beschreiben, aber mir reicht mein normales Leben ohne die Freimaurer, ich bin halt einfach nicht "auf der Suche" nach institutionalisierten und reglementierten Treffen...
@querdenker: Vielleicht versuchst Du es unter dieser Prämisse und ohne Vorurteile nochmal.
Gruß
Edgard