Finanzkrise - und was lernen wir daraus? (Teil 2)

Telepathetic

Großmeister
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Der Text handelt zwar vom Politiktheater und begründet warum die Demokratie nicht gefährdet ist, passt aber auch hier hinein:
Und die Kanzlerin befindet sich in Sachen Euro-Rettung in einem ähnlichen Dilemma wie weiland Agamemnon: Entweder die eigene Tochter Iphigenie zu opfern (sprich der Deutschen Steuergeld) oder als gottloser Deserteur dazustehen (sprich die Euro-Gemeinschaft zerbrechen zu lassen).
und
Das Tragische daran ist, dass die Handelnden in ihrem jeweiligen System gefangen sind und gar nicht anders können. Im antiken Drama schlugen die Götter die Akteure mit Blindheit, in unserer aufgeklärten Zeit sind es der Stress und die permanente kognitive Überforderung, verursacht durch überkomplexe Situationen. Politik und Wirtschaft sind so selbstreferenziell, dass der kleinste Hauch gleich einen Sturm auslösen kann. So ließ allein der Gedanke an einen griechischen Bankrott die Kurse in den Keller rauschen. Der Raum für wohlüberlegte Entscheidungen fehlt. Kein Wunder, dass viele Politiker ihr Heil in holzschnittartigen Thesen suchen und ihr Handeln immer wieder als alternativlos bezeichnen.
Politische Tragödie, demokratische Katharsis
 

haruc

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Linde-Chef raisoniert über den Euro-Austritt Deutschlands

Ehrlich gesagt: ich bin verwirrt. Da heißts doch: Der Hauptnutznießer des Euro sei die deutsche Wirtschaft. Gleichzeitig sagt man: Oberste Maxime wirtschaftlichen Handelns sei die Gewinnmaximierung, sprich Geldscheffeln. Wenn jetzt also einer der führenden deutschen Konzernchefs sagt, man könne durchaus aus dem Euro (der ihm ja angeblich so viel bringt) aussteigen, dann ist das ja, da er diese Aussage öffentlich getätigt hat, eine Botschaft, die impliziert: "Wir würden uns nicht querstellen."

Ntürlich gehts ums Geschäftemachen: Der Euroaustritt würde nach Ansicht von Reitzle den deutschen Arbeitsmarkt kurzfristig belasten, da ein Teil des Exports wegbrechen würde, langfristig würde dieser Zwang dazu führen, wieder wettbewerbsfähig zu werden.
 

Simple Man

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Wieso denn "wieder"? :?!?:
Und wieso spezifiziert Herr Reitzle denn nicht, wie er sich das vorstellt, diese "Wiederherstellung" der Wettbewerbsfähigkeit?

Davon ab: im Artikel selber wird geschrieben, dass sich fünfzig Spitzenmanager gegen einen Austritt aus dem Euro aussprechen - wenn jetzt einer was anderes sagt, verwirrt dich das?
 

Technoir

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passt doch iwie ganz gut :)

adoptiere-griechen.jpg
 

vonderOder

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Dokumentation: Die Griechenland-Lüge
http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/web...931/Dokumentation-Die-Griechenland-Luege.html
Immer wieder täuschte die Politik sich selbst und die Öffentlichkeit. Schon beim Beitritt zum Euro wurden Kritiker mundtot gemacht. Politische Romantik sei wichtiger gewesen als ökonomische Vernunft, sagt Frits Bolkestein. Der ehemalige EU-Kommissar rechnet in der Dokumentation mit der deutschen und der Brüsseler Politik ab. Ein hochrangiger Insider aus der EU-Kontrollbehörde bestätigt: Viele hätten damals gewusst, dass Griechenland nie hätte in den Euro aufgenommen werden dürfen, doch das wollte niemand hören.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/haup.../1634150/Dokumentation:-Die-Griechenland-Lüge
 

Telepathetic

Großmeister
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Und mit ihrem gescheiterten Versuch, die US-Wirtschaft aufzupäppeln, gibt sich die Fed noch nicht zufrieden: Jetzt hat sie sich auch noch die Rettung Europas vorgenommen. Über Währungstauschgeschäfte stellt sie der Europäischen Zentralbank (EZB) potenziell Hunderte von Milliarden Dollar zur Verfügung, und auch die Möglichkeit direkter Interventionen ist nicht auszuschließen.

Die Reaktion der Fed auf die Krise lässt vermuten, dass sie die Ursache dafür in einem Liquiditätsproblem sieht. Tatsächlich aber liegt das Problem in der Fehlallokation von Investitionen, ausgelöst durch falsche Preise für Geld und Kredite, verzerrt von den inflationären Maßnahmen der Fed. Sie hat Banken und Unternehmen abhängig gemacht von billigem Geld.
Sie verwechseln Geld mit Wirtschaftskraft - Gastkommentar von US-Politiker Ron Paul - FOCUS Online
 

Themis

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Ein interessanter Artikel über eine mögliche Zukunft des Euros
Die Griechen und Deutschen könnten Parallelwährungen zum Euro einführen.


Staaten, welche wieder konkurrenzfähiger werden müssten, könnten so ihre Währung entwerten und Staaten, welche auf Stabilität setzen, könnten ihren Kurs fortführen ohne ans Eingemachte gehen zu müssen um andere Staaten mitzuziehen.

Klingt fair. Vermutlich wäre das aber mittelfristig dann das Aus für den Euro.
 

jones

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Der Euro ist doch schon klinisch tot, es traut sich nur niemand der Erste zu sein, der aus dem Spielgeld austritt...
 

haruc

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Eher fahren die Europa mit Vollgas an die Wand, anstatt rechtzeitig die Bremse zu ziehen.

Wenn sich nichts ändert, wirds erstens nix mit Europa und zweitens nix mit dem Euro. Klar, man könnte aus den europäischen Nationalstaaten einen europäischen Zentralstaat formen, aber abgesehen von ein paar Spinnern und ein paar Politikern (wobei die Überschneidung beider Gruppen recht groß zu sein scheint) will das doch niemand ernsthaft.
Denn das würde das Ende der Demokratie bedeuten. Sollte es zu weiteren Kompetenzverlagerungen von Nationaler Ebene auf EU-Ebene kommen, dann bedeutet das nichts anderes, als der Untergang der parlamentarisch-demokratischen Grundordnung und das Ende der Volkssouveränität. Dann wird Europa zum Todfeind der Freiheit.

Mal ne andere Frage: Wozu müssen wir überhaupt die europäische Einigung weiter treiben? Ich mein, klappen tuts ja eh nicht, und wirklich viel Sinn machts ohnehin nicht. Vor allem dann nicht, wenn der Preis dafür die Aufgabe der Demokratie und Selbstbestimmung ist. Wäre schön, wenn mir jemand diese Frage beantworten kann :)

edit:

hier noch ein schöner Kommentar, den ich euch nicht vorenthalten möchte.

http://www.zeit.de/2012/33/Euro-Rettung-Zahlung-Deutschland/seite-1
 

Themis

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Wenn man die EU-Komissionen aus dem Weg räumen würde und gleichzeitig das europäische Parlament stärken würde, gäbe es kaum einen Grund, der EU antidemokratische Ambitionen nachzusagen.

Und was die europäische Einigung betrifft:
Jedes europäische Land ist für sich allein zu klein und unwichtig um mit den global playern ernsthaft mithalten zu können. Allein deshalb wäre ein nach Außen einstimmig auftretendes Europa wünschenswert. Abgesehen davon befinden wir uns in einer Zeit, in welcher die Staaten Europas die meisten Probleme eh nicht mehr alleine lösen können (Finanzen, Umwelt, Energie etc.).

Desweiteren gibt es heute schon eine starke Verflechtung der Wirtschaften, so dass zumindestens der europäische Binnenmarkt nicht mehr einfach so problemlos auseinander klamüsert werden kann.

Ich persönlich sehe in der europäischen Einigung in der Tat das Problem, das viele Länder, allen voran Frankreich und Großbritanien, nicht bereit sein werden, den nötigen nächsten Schritt samt der Abgabe einiger Souveränitäten an Brüssel zu gehen. Da hat Richard Sulik in dem von Dir verlinkten Beitrag sicherlich recht.
Hinzu kommt noch, dass die Zeitspanne vom Anfang der Montanunion bis heute einfach noch zu kurz ist, um eine "europäische Identität" vergleichbar mit der von Nationalstaaten aufzubauen. Ein Hindernis ist da sicherlich auch die Tatsache, dass in Europa dutzende verschiedene Sprachen gesprochen werden, was der Identitäsfindung sicherlich nicht dienlich ist. Vielleicht sollte man sich mal irgendwann auf einige wenige Amtssprachen einigen (z.B. deutsch und französisch als allgemeine Umgangssprache, englisch lasse ich vorerst außen vor, da die Briten sich sicherlich noch in Generationen nicht als Bestandteil Kontinentaleuropas sehen werden).
 

Telepathetic

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haruc schrieb:
Mal ne andere Frage: Wozu müssen wir überhaupt die europäische Einigung weiter treiben? Ich mein, klappen tuts ja eh nicht, und wirklich viel Sinn machts ohnehin nicht. Vor allem dann nicht, wenn der Preis dafür die Aufgabe der Demokratie und Selbstbestimmung ist. Wäre schön, wenn mir jemand diese Frage beantworten kann :)
(Diese Frage beantworte ich nur kurz, weil ich noch mittendrin bin, mich zu informieren und vorhabe im entsprechenden Thread darüber zu schreiben.) Die Fortführung der europäischen Einigung ergibt sich womöglich aus den Zielen und dem, wie mir scheint, planwirtschaftlichen Charakter der Agenda 21.


Themis schrieb:
Und was die europäische Einigung betrifft:
Jedes europäische Land ist für sich allein zu klein und unwichtig um mit den global playern ernsthaft mithalten zu können. Allein deshalb wäre ein nach Außen einstimmig auftretendes Europa wünschenswert. Abgesehen davon befinden wir uns in einer Zeit, in welcher die Staaten Europas die meisten Probleme eh nicht mehr alleine lösen können (Finanzen, Umwelt, Energie etc.).
Die Schweiz ist ein Gegenbeispiel. Die Schweiz gehört keinem Staatenbund an und gilt laut Wikipedia "als eine der stabilsten Volkswirtschaften der Welt".

Die Staaten Europas können ihre Probleme durchaus alleine lösen. Z.B. durch effizientes Arbeiten und daraus resultierendem Vermögen. Da kann jedes arbeitsfähige und -willige Individuum dran teilhaben. Damit wäre dann die finanzielle Seite gelöst.

Was Umwelt und Energie angeht, muß immer wieder die Frage gestellt werden, ob es der Umwelt nicht doch besser geht, als seit Jahrzehnten behauptet und ob sich Propaganda für die Umwelt, gegen die Kapitalisten und die freien Märkte, gegen jegliche Vernunft und letztlich gegen die große Mehrheit der Menschen nicht auch aus der Agenda 21 speist.

Desweiteren gibt es heute schon eine starke Verflechtung der Wirtschaften, so dass zumindestens der europäische Binnenmarkt nicht mehr einfach so problemlos auseinander klamüsert werden kann.
Was überhaupt nicht nötig ist. Auch nicht mit unterschiedlichen Währungen. Unbequemlichkeiten, wie der Währungsumtausch bei grenzüberschreitendem Handeln, sehe ich als gering an, zumal Handel zwischen Angehörigen unterschiedlicher Nationen zwangsläufig einen Austausch von Ideen und die Einführung neuer Güter mit sich bringt, wie z.B. Papier und Buchdruck, welche Marko Polo von China nach Europa mitgebracht hat.
 

haruc

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Themis schrieb:
Wenn man die EU-Komissionen aus dem Weg räumen würde und gleichzeitig das europäische Parlament stärken würde, gäbe es kaum einen Grund, der EU antidemokratische Ambitionen nachzusagen.

Ja, wenn... ;) Tut man aber nicht und wird wahrscheinlich auch nie passieren. Deswegen: EU = Satan. ;)

Abgesehen davon befinden wir uns in einer Zeit, in welcher die Staaten Europas die meisten Probleme eh nicht mehr alleine lösen können (Finanzen, Umwelt, Energie etc.).

Das Finanzproblem ist doch nur deswegen ein gesamteuropaeisches Finanzproblem, weil es sowas wie den Euro gibt. Gaebe es keinen Euro, gaebe es keine Eurokrise (logisch) und demnach auch keine Notwendigkeit fuer Staaten, irgendwelchen anderen Staaten zu helfen und damit das Problem auf andere Staaten zu uebertragen.


Themis schrieb:
Desweiteren gibt es heute schon eine starke Verflechtung der Wirtschaften, so dass zumindestens der europäische Binnenmarkt nicht mehr einfach so problemlos auseinander klamüsert werden kann.

Aber das ist doch kein Argument fuer eine weitergehende Europaeische Einigung.

Wie Telepathetic schon richtig geschrieben hat, besteht doch gar keine Notwendigkeit, alles auseinander zu schrauben. Genau so wenig ergibt sich aus der bereits bestehenden wirtschaftlichen verflechtung die Notwendigkeit, die politische Integration voran zu treiben.

So sind zum Beispiel 4 der 9 wichtigsten Deutschen Handelspartner Laender, die mit dem Euro nix zu tun haben (USA, UK, China, Schweiz), und sie machen etwa 1/4 der deutschen Exporte aus.

Anscheinend kann das Hindernis, das eine andere Waehrung darstellt, nicht so gross sein. Zumal es mittlerweile Taschenrechner gibt. Und die Maer von der Unsicherheit bei Vertraegen aufgrund staendig wechselnder Wechselkurse laesst sich auch recht einfach dadurch umgehen, dass man sich auf einen Wechselkurs einigt (zb. "Kurs vom 01.09.2012, 09:00 Uhr"). Das ist kein besonderes Hexenwerk.

Wirtschaftliche Verflechtung ist eine Sache, die normalerweise nebenbei so entsteht, sofern man sie nicht gezielt bekaempft (wie in Europa etwa zwischen 1919 und 1945). Im Europa vor 1914 war die wirtschaftliche Integration der einzelnen Maerkte auch schon recht weit fortgeschritten. So weit sogar, dass die Franzosen bei der Farbgebung ihrer neuen Uniformen 1914/15 massive Probleme hatten - weil die Farbe fuer alle moeglichen Textilien aus Deutschland kam (sogar die der Tricolore).


Wirtschaftliche Integration ist weder die Folge von politischer Integration, noch die Voraussetzung dazu.

Hinzu kommt noch, dass die Zeitspanne vom Anfang der Montanunion bis heute einfach noch zu kurz ist, um eine "europäische Identität" vergleichbar mit der von Nationalstaaten aufzubauen. Ein Hindernis ist da sicherlich auch die Tatsache, dass in Europa dutzende verschiedene Sprachen gesprochen werden, was der Identitäsfindung sicherlich nicht dienlich ist. Vielleicht sollte man sich mal irgendwann auf einige wenige Amtssprachen einigen

Das waere mittelfristig gleichbedeutend mit einem Ethnozid! (oder kulturellem Genozid). Ist das die europaeische Einigung wirklich wert? Nochmal zurueck zur ausgangsfrage: Gibt es handfeste Gruende fuer die europaeische Einigung? Wirklich zwingende Notwendigkeiten? Muss man unbedingt global mitspielen? Wird man ueberhaupt allen gerecht, wenn man nach aussen hin mit einer Stimme auftritt? Ich glaube nicht.

Wuerde ein Defensivbuendnis nicht schon vollkommen ausreichen, um Katastrophen wie den 1. und 2. Wk zu verhindern?
Muss man wirklich mit aller Gewalt zusammenpressen, was nicht zusammenpasst und nicht wirklich zusammen gehoert?
 

Themis

Erleuchteter
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haruc schrieb:
Themis schrieb:
Wenn man die EU-Komissionen aus dem Weg räumen würde und gleichzeitig das europäische Parlament stärken würde, gäbe es kaum einen Grund, der EU antidemokratische Ambitionen nachzusagen.

Ja, wenn... ;) Tut man aber nicht und wird wahrscheinlich auch nie passieren. Deswegen: EU = Satan. ;)
Das glaube ich nicht. Die EU-Kommission müsste im Zuge des Einigungsprozesses zunehmend zu einer europäischen "Regierung" umfunktioniert werden, welche dann ihre Legitimation zur Regierungsbildung im Rahmen einer Wahl für eine Legislaturperiode erhalten würde.
Im Augenblick ist es so, dass die Kommission über die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten legitimiert ist und der Wähler bei der Europawahl bzw. das europäische Parlament nur indirekten Einfluß auf die Kommisisionsmitglieder haben. Außerdem müsste man sich überlegen, ob es sinnvoll ist, 27 Kommissionen zu betreiben, nur damit jeder Staat einen Kommissar stellen kann. Ist halt dem Proporz verschuldet.

haruc schrieb:
Abgesehen davon befinden wir uns in einer Zeit, in welcher die Staaten Europas die meisten Probleme eh nicht mehr alleine lösen können (Finanzen, Umwelt, Energie etc.).

Das Finanzproblem ist doch nur deswegen ein gesamteuropaeisches Finanzproblem, weil es sowas wie den Euro gibt. Gaebe es keinen Euro, gaebe es keine Eurokrise (logisch) und demnach auch keine Notwendigkeit fuer Staaten, irgendwelchen anderen Staaten zu helfen und damit das Problem auf andere Staaten zu uebertragen.
Das Finanzproblem ist v.a. deswegen ein europaweites Problem, weil es keine gesamteuropäische Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt, was zu ineffektiven Aufsichts- und Kontrollmechanismen sowie zu einer Schieflage in den Mitgliedsstaaten geführt hat.
Im Übrigen sollte man in diesem Zusammenhang gefälligst zwischen der Situation in Griechenland und Italien auf der einen Seite und Spanien, Irland und Slowenien auf der anderen Seite unterscheiden. Die Krise hat in den Staaten unterschiedliche Gründe. Nicht alle lehnen sich zurück und warten auf die Überweisungen aus Brüssel (oder Berlin).

haruc schrieb:
Themis schrieb:
Desweiteren gibt es heute schon eine starke Verflechtung der Wirtschaften, so dass zumindestens der europäische Binnenmarkt nicht mehr einfach so problemlos auseinander klamüsert werden kann.

Aber das ist doch kein Argument fuer eine weitergehende Europaeische Einigung.
[...]
Wirtschaftliche Integration ist weder die Folge von politischer Integration, noch die Voraussetzung dazu.
Das sehe ich anders. Ein gemeinsamer Absatz- und Arbeitsmarkt ist sehr wohl eine Voraussetzung für eine politische Integration.
Zwangsläufig führt der freie Warenfluss in einem gemeinsamen Binnenmarkt zu einer tiefgreifenderen Verflechtung der Wirtschaft in den ursprünglich wirtschaftlich getrennten Regionen.
Hinzu kommt noch der parallel erfolgende freie Austausch von Kultur, Bildung und "Humankapital" (wie z.B. durch das Schengen-Abkommen).

haruc schrieb:
Hinzu kommt noch, dass die Zeitspanne vom Anfang der Montanunion bis heute einfach noch zu kurz ist, um eine "europäische Identität" vergleichbar mit der von Nationalstaaten aufzubauen. Ein Hindernis ist da sicherlich auch die Tatsache, dass in Europa dutzende verschiedene Sprachen gesprochen werden, was der Identitäsfindung sicherlich nicht dienlich ist. Vielleicht sollte man sich mal irgendwann auf einige wenige Amtssprachen einigen

Das waere mittelfristig gleichbedeutend mit einem Ethnozid! (oder kulturellem Genozid). Ist das die europaeische Einigung wirklich wert?
Das ist doch nicht wahr. Es geht doch nicht darum, dass kein ungarisch oder lettisch mehr geprochen werden darf oder der Bayer und der Niederländer ihre Traditionen nicht pflegen dürfen.
Mit einer gemeinsamen "Amtssprache" würde man jedoch die langfristig notwendige Situation schaffen, dass Personen aus Schottland, Italien, Slowenien etc. eine interkulturelle Kommunikation auf der Basis einer gleichwertigen sprachlichen Emotion führen könnten. Dieses wäre für den nächsten Schritt der europäischen Identitätsfindung wichtig, wie ich meine.

haruc schrieb:
Nochmal zurueck zur ausgangsfrage: Gibt es handfeste Gruende fuer die europaeische Einigung? Wirklich zwingende Notwendigkeiten? Muss man unbedingt global mitspielen? Wird man ueberhaupt allen gerecht, wenn man nach aussen hin mit einer Stimme auftritt? Ich glaube nicht.
Ne, ist klar. Deutschland wird sich alleine mit seinen weniger als 1% der Weltbevölkerung ausmachenden Staatsbürgern standhaft gegen die Einflußnahme der Weltmächte zur Wehr setzen.

haruc schrieb:
Wuerde ein Defensivbuendnis nicht schon vollkommen ausreichen, um Katastrophen wie den 1. und 2. Wk zu verhindern?
Da würde die NATO schon reichen.
haruc schrieb:
Muss man wirklich mit aller Gewalt zusammenpressen, was nicht zusammenpasst und nicht wirklich zusammen gehoert?
:lach3:
Welch desillusionierender Ansatz. Es gibt keinen Grund für eine grundlegende Europa-Antipathie.
Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen m.E. vielmehr, dass für Apathie keine Zeit mehr bleibt. Es wird nichts mit "aller Gewalt" zusammengepresst als das vielmehr die Rahmenbedingungen es erfordern.
Man sollte allerdings sehr wohl die Diskussion führen, mit welchen Ländern die europäische Einigung im nächsten Schritt weiter vorangetrieben werden sollte. Offensichtlich gehören (zur Zeit) nicht alle Länder der EU bzw. der Eurozone dazu, da das Fundament in einigen Ländern noch zu brüchig ist.
 

Telepathetic

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Der Euro ist ein rein politisches Projekt, das allen Euro-Ländern massive Probleme beschert hat. Das ausgerechnet die Politik diese selbsterschaffenen Probleme lösen soll, indem sie am Auslöser des Problemes stur festhält und gleichzeitig ihren Einfluß erhöhen will, kann ich beileibe nicht glauben. Die Ökonomien der einzelnen Euro-Nationen sind bereits überreguliert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein zentralistisch gesteuertes Europa mehr Weisheit und Disziplin haben könnte, als es die einzelnen Nationalregierungen auch nicht haben.
Außerdem wären eine Zentralregierung und eine Zentralbank so weit ab von den einzelnen Regionen in den Nationen, dass kein großer Anreiz bestünde, außerhalb der eigenen Institution zu denken. Das kommt daher, dass Banker und Politiker auch nur Menschen sind, deren Erfahrungshorizont nicht weit über das hinausgeht, was direkt vor ihnen ist. Anders gesagt, nur die Politiker und Banker vor Ort könnten genug Anreiz haben, um Entscheidungen zu treffen, die tatsächlich der Allgemeinheit nutzen könnten, weil sie Teil dieser Bevölkerung sind. So ergibt sich schon eher eine Annäherung der unterschiedlichen Interessen. Und ehrlich gesagt, sollten die Menschen vor Ort in der Lage sein, ihre Probleme zu lösen, ohne von einer Zentralregierung abhängig zu sein.

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Stephen Davies schlägt zwei Lösungen vor, wie mit der Euro-Krise umgegangen werden sollte:
The most radical solution—as well as the least bad—would be to allow banks throughout the eurozone to be wound up while allowing assets everywhere to reach realistic relative levels. This would mean a massive, albeit temporary, shock in much of the eurozone, but after that a recovery could happen.

The alternative to a single government that would enable the euro to survive would be to keep a single currency but scrap the central bank and move to a free-banking system throughout Europe. Nobody with any say in the matter even imagines this solution, though.
 

Telepathetic

Großmeister
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Joseph T. Salerno erklärt, dass ein Zentralbanken-Geldsystem ohne Deckung durch Edelmetalle oder Rohstoffe, in dem die Wechselkurse von den Zentralbanken festgelegt werden, das Tor zu uneingeschränkter Inflation öffnet. Er meint, dass dann niemand mehr der Inflation entgehen kann, weil man nicht mehr in eine andere Währung investieren könne. Dasselbe gälte auch für eine Weltwährung. Uneingeschränkte Inflation und kein Ausweichen auf andere Währungen.
http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=wsmUxeFrCV8#t=2774s (46:15 - 48:15)
 

agentP

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Das ist jetzt nicht überraschend, dass ein ultra-libertärer Anhänger von Mises und Rothbard in dieses Horn stösst. Die Republikaner sind ja schon dran dieses Wählerpotential zu erschliessen bzw. stärker an sich zu binden, indem sie einen ebenfalls bekennenden Libertären mit einem Stuhl quatschen lassen und lustige Gedankenspiele anstellen:

US-Wahlkampf: Republikaner entdecken den Goldstandard wieder
 

hives

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The Memo confirmed every conspiracy freak’s fantasy: that in the late 1990s, the top US Treasury officials secretly conspired with a small cabal of banker big-shots to rip apart financial regulation across the planet. When you see 26.3 percent unemployment in Spain, desperation and hunger in Greece, riots in Indonesia and Detroit in bankruptcy, go back to this End Game memo, the genesis of the blood and tears.
The Confidential Memo at the Heart of the Global Financial Crisis
 

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