Die Wahl der besten Regierung - durch Experimentieren

Telepathetic

Großmeister
Registriert
16. Oktober 2010
Beiträge
764
Ich habe neulich von den Free Private Cities, den freien Privatstädten gehört, die komplett marktwirtschaftlich betrieben werden sollen, und die einen Betreiber anstelle eines gewählten Oberhauptes haben. Das Konzept stammt von Titus Gebel.

Dann habe ich von der Startup Society Foundation erfahren unter deren Schirm auch die Privatstädte laufen. Für diese Stiftung sind Unternehmen wie die Privatstädte immer ein Versuch, sich von einer etablierten Gesellschaft zu trennen. Wir sehen das momentan in größerer Form mit Katalonien und dem Brexit und anderen Sezessionsbewegungen. Privatstädte usw. sind dasselbe im Kleinen. Die Startup Society Foundation hat das Ziel zu vernetzen, Informationen zu gewinnen und weiterzugeben; denn alternative neue Gesellschaftsformen sind auch immer ein Experiment, das in die Hose gehen kann, aber im Vergleich zu dem einseitig von der Politik vorangetriebenen Vorhaben ein vereintes Europa über's Knie zu brechen, bliebe der Schaden geringer. Und man ist ja nicht gezwungen mitzumachen.

Ich finde die Idee zumindest interessant. Ich bin ja, wie jeder hier weiß, immer so gegen die kollektivistischen Anmaßungen der Agenda 21 und bin ebenso den Maßnahmen zum Schutz des Klima argwöhnisch gegenüber. Man könnte also eine Agenda 21 und eine Energiewende experimentell auf einem kleineren Gebiet mit Freiwilligen austesten, Daten sammeln und verarbeiten. Die Ergebnisse können dann weltweit veröffentlicht werden und die Menschen in den anderen Territorien können sich dann Gedanken machen, ob und was sie davon übernehmen wollen. Was ist tauglich? Dasselbe geht mit religiösen und politischen kollektiven Weltanschauungen, aber auch mit einer komplett freien Marktwirtschaft usw.

Die Chance, dass man mit gleichgesinnten in einer relativ einheitlichen und natürlich entstehenden sozialen Umgebung zusammenleben kann, würde erhöht werden. Und außerdem würde eine ebenso natürlich entstehende, nicht über's Knie gebrochene, Vielfalt entstehen können.

Startup Societies Foundation
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.865
Die Startup Society Foundation hat Beispiele, die von den Grundvoraussetzungen sehr weit auseinandergehen.
Shenzen. Als Nachbargroßstadt neben Hong Kong hat Shenzen freilich ein ganz besonderes Format. Hong Kong ist ohnehin ein wirtschaftliches und politisches Sonderkapitel. Shenzen als Sonderwirtschaftszone ist ein Experiment, und scheinbar für die VR China ein erfolgreiches. Wie viel Freiraum hat es jedoch wirklich? Die KP wird die eigene mächtige Hand drüber haben. Und wenn das Punktesystem für jeden Bürger eingeführt wird, fällt Shenzen sicherlich nicht durch das Netz. Sie wird Teil eines Gesamtexperiments und einer Gesamt-Kontrolle.

RegenVillages: von dem habe ich gehört. In dieser Hinsicht, dem Aufbau einer resilienten und unabhängigen Ortschaft, wäre RegenVillages ein Musterbeispiel, denn nach eigenem Verständnis will das Konzept:
Engineering and facilitating the development of integrated and resilient neighborhoods that power and feed self reliant families around the world.

IoT-integrated infrastructure enable thriving communities with surplus energy, water and organic food in the aggregate become asset classes that can amortize and reduce mortgage payments.

Partnering with regional land developers, architects, construction, universities and brand manufacturing firms to maximize cost-benefit efficiency that enable global scaling of development projects.

RegenVillages


Muss "nachhaltiges Wirtschaften und Planen" mit der Agenda21 zu tun haben? Ich lese aus den Nachhaltigkeitszielen der UN zum Beispiel heraus, dass sie ziemlich wachstumsbasiert sind. Das ist diskutabel. Aber mit dieser Prämisse, dass diese Ziele nur wachstumsbasiert erreicht werden können, gehen nicht alle nachhaltig orientierten Macher mit. Ökodörfer zum Beispiel wollen die Eigenversorgung erreichen und sie gibt es mittlerweile auch weltweit.
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.835
Telepathetic schrieb:
Die Chance, dass man mit gleichgesinnten in einer relativ einheitlichen und natürlich entstehenden sozialen Umgebung zusammenleben kann, würde erhöht werden. Und außerdem würde eine ebenso natürlich entstehende, nicht über's Knie gebrochene, Vielfalt entstehen können.

Das ist keineswegs gewährleistet. Vor allem schon deshalb nicht, weil es in einer konventionellen Stadt legitimierte Möglichkeiten einer demokratischen Einflussnahme gibt, in einer privatisierten Stadt i.d.R. aber nicht.
Da entscheidet dann der Betreiber nach seinem Gusto, wo's denn langzugehen hat.

Die Privatstädte der Vergangenheit sind nicht gerade Musterbeispiele für freiheitliches Leben:
Das Gemeinwesen in Celebration wird weitreichend vom Disney-Konzern reglementiert, eine demokratisch gewählte Bürgervertretung in Form eines Stadtparlaments mit Bürgermeister existiert nicht, und die administrativen Aufgaben sind zum Teil privatisiert. Jeder neue Bewohner muss sich vertraglich verpflichten, Disneys Regelwerk anzuerkennen, was unter anderem eine neunmonatige Anwesenheitspflicht einschließt. Des Weiteren gibt der Konzern Verhaltensregeln vor, die etwa Umbauten an den Häusern untersagen oder die Ausgestaltung des Gartens und die Gardinenfarbe vorschreiben.
Quelle: Wikipedia, Celebration(Florida)
Genau dieses Regelwerk werde dem nachbarschaftlichen Frieden in Celebration zum Verhängnis werden, prophezeit der Chicagoer Politologe Evan McKenzie. Er hält solche Eigentümergemeinschaften für "tendenziell demokratiegefährdend", weil sie oft Grundrechte beschnitten - etwa, mit einer Beschränkung der Wahlwerbung, das Recht auf freie Meinungsäußerung. "Die Leute werden quasi von ihren eigenen Nachbarn regiert." McKenzies Erfahrung: "Das endet in einer gnadenlosen Verklagerei." Damit nicht genug. In seinem Buch "Privatopia" warnt McKenzie vor einer "kommerziellen Segregation", in der sich die meist konservative, weiße, obere Mittelklasse zurückziehe in Ghettos mit eigener Verwaltung und Steuerbehörde. Angezogen werde diese Klasse von der Idee, "daß eine Regierung alles falsch macht und ein privater Investor alles richtig".
McKenzie findet es bizarr, "daß die Menschen einem Unternehmen, das kommerziellen Grundsätzen folgt, mehr vertrauen als einer demokratisch gewählten Regierung". Disney und die Mickymaus seien wie ein "Geheimzeichen, das vor allem Bösen beschützen soll", vermutet McKenzie: "Die Leute glauben, sie werden eine Gemeinschaft wie in Disneyland haben, immer fröhlich, sauber und ohne Verbrechen."
Quelle:Die Zeit v. 26.7.1996: Wohnen wie bei Mickymaus: Die Disney-Stadt
 

Ähnliche Beiträge

Oben