Bewusstsein, was ist das?

paul20dd

Erleuchteter
Registriert
30. April 2002
Beiträge
1.139
:argh:

Bewusstseinszustand, klingt wie Telekomunikationstechniker, ist ein langes Wort;) klingt kompliziert, Ist es das ? Was versteht ihr unter Bewusstsein oder dessen Werden? Orbi et labora?
 

Semiramis

Großmeister
Registriert
21. August 2005
Beiträge
653
Bewusstsein ist imho ein nach der (momentanen) Ich-Struktur des einzelnen Menschen bedingtes Gefühl für das eigene Ich, ein "Wachheitszustand", der durch jegliche Art Drogen, aber auch durch Gefühle und Emotionen beeinflusst werden kann, und von der Menge des Schlafes abhängt, währenddessen also vermutlich regeneriert wird.

Meine Idee dazu, was sagt ihr?
 

Simple Man

Forenlegende
Registriert
4. November 2004
Beiträge
8.452
"Gefühl für das eigene Ich" ... ist das nicht eher "Selbst"bewusstsein? :gruebel:

Womit Selbstbewusstsein quasi Voraussetzung für das Bewusstsein wäre, denn imo funktioniert das Denken nur über Abgrenzung, d.h. man ist sich seiner selbst bewusst und grenzt sich dadurch zu dem, was nicht zu einem selbst gehört, ab und kann das andere und sich selber damit in einen denkbaren Kontext setzen ...

Oder?

:gruebel:
 

Trestone

Großmeister
Registriert
12. April 2002
Beiträge
881
Hallo,

zum Bewußtsein habe ich mir als einen Teilaspekt überlegt,
dass es ein Epi-Phänomen sein könnte,
d.h. ein nachträglicher Effekt.
Denn wie wir im Spiegelbild nur unser Abbild aus der jüngsten Vergangenheit sehen (und seien es nur Nanosekunden),
sind wir uns über uns selbst wohl auch nur im Nachhinein bewußt.
Denn können wir uns bewußt sein, dass wir uns unseres Bewußtseins bewusst sind - ohne jegliche Verzögerung?

Andererseits haben wir im Bewußtsein auch exklusives und privates Wissen:
Stehe ich z.B. einem Bären gegenüber und überlege mir einen Fluchtplan (rechts oder links),
so kann ich meinen Entschluss kennen und ausplanen, der Bär hat zunächst keinen Zugriff auf diese Gedanken.

Aber meist ist unsere (unbewußte) Intuition ein besserer Ratgeber in solchen Situationen.

Warum wir also ein Bewußtsein (oder unsere Illusion davon) haben,
weiß ich nicht.
Bei genauerer Analyse dürfte es sich aber als ebenso komplex und anders erweisen
wie die gar nicht mehr so permanenten Objekte in der Quantenphysik.

Gruß
Trestone
 

Semiramis

Großmeister
Registriert
21. August 2005
Beiträge
653
Nach einigem Nachdenken und etwas mehr Erfahrung scheint es mir, dass Bewusstsein auch sehr stark mit Erinnerungsvermögen zusammehängt: Nur wer sich an das erinnern kann, was er in der Vergangenheit (damit meine ich z.B. auch die letzten 5 Minuten) erlebt hat, kann sich selbst in Zeit und Ort verorten. Dieses "wo befinde ich mich im Raum" und "wann auf meiner eigenen Zeitachse befindet sich das Jetzt" scheint jeden Menschen unbewusst ständig zu begleiten. Das würde ganz gut zu eurer Meinung passen, dass Bewusstsein etwas ist, was auf anderes aufbaut und sich erst sekundär bildet.
Hat noch jemand andere oder ähnliche Überlegungen dazu? Wäre natürlich auh ganz schön, wenn sich jemand äußern würde, der da medizinisches Wissen zu hat ;-)

Gruß,
Semis

Btw.:
Schon bei einem kurzen Suchen im Internet musste ich feststellen, dass offenbar der Begriff Bewusstsein auch nicht mal so wirklich eindeutig verwendet zu werden scheint, das machts nicht einfacher, lässt mich aber erstaunen, dass wir hier offenbar alle von dem gleichen "bewusstseinsbegriff" ausgehen... ^ ^
 

Goatboy

Erleuchteter
Registriert
18. November 2009
Beiträge
1.319
Ich habe vor Jahren einen Text über die Intersubjektivität aus Martin Bubers Ich und Du gelesen, den ich auf den zweiten Blick sehr beachtenswert fand. Vereinfacht gesagt schreibt Buber, das Ich könne niemals allein betrachtet werden, sondern immer nur in Beziehung zu einem Es oder einem Du. Und erst über unsere Beziehung zu einem anderen Subjekt oder Objekt würde unser Ich entstehen. "Es gibt kein Ich an sich, sondern nur das Ich des Grundworts Ich-Du und das Ich des Grundworts Ich-Es." Ich halte das für eine interessante Ergänzung zu eurer genannten Betrachtung des Bewusstseins als Abgrenzung nach außen; nämlich in der Hinsicht, dass unser Bewusstsein nicht nur ein hermetisch abgegrenztes geschlossenses System ist, sondern in seinem Wesen durch die jeweilige Beziehung zu einem Es oder einem Du beeinflusst wird. "Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du. / Alles wirkliche Leben ist Begegnung."

Schön, dass du das Thema wieder aus der Mottenkiste geholt hast, Semiramis!
 

Malakim

Ehrenmitglied
Registriert
31. August 2004
Beiträge
4.984
Semiramis schrieb:
Nach einigem Nachdenken und etwas mehr Erfahrung scheint es mir, dass Bewusstsein auch sehr stark mit Erinnerungsvermögen zusammehängt: Nur wer sich an das erinnern kann, was er in der Vergangenheit (damit meine ich z.B. auch die letzten 5 Minuten) erlebt hat, kann sich selbst in Zeit und Ort verorten.

Dazu ein Zitat:
"Woher soll ich wissen ob die Vergangenheit nicht reine Fiktion ist, die erfunden ist um den Zwiespalt zwischen meinen Gefühlen und meinen derzeitigen Sinneswahrnehmungen zu erklären".
(Ist aus dem Kopf zitiert und ist von Douglas Adams)

Ich möchte darauf hinaus, das Vergangenheit auch ein reines selbstgebautes Konstrukt sein kann. Also Erinnerungen "gemacht" sind.
 

Semiramis

Großmeister
Registriert
21. August 2005
Beiträge
653
Trestone schrieb:
Warum wir also ein Bewußtsein (oder unsere Illusion davon) haben,
weiß ich nicht.
Wovon wir hier sprechen ist ja eigentlich, wenn ich das richtig sehe, das Bewusstsein im Sinne des "Sich-selbst-bewusst-Seins", unsere Bewussten Gedanken, unsere bewusste Selbstwahrnehmung, unser bewusstes Planen (soll heißen: das bewusste Denken dessen, was das Ich im nächsten Moment tut). Ich denke, wenn man Bewusstsein hier also so auffasst, dann ist Planen ohne Bewusstsein gar nicht möglich: Wenn man sich der Situation nicht bewusst ist, in der man ist, und auch nicht bewusst weiß, was man im Moment zuvor gemacht hat, lässt sich nicht bewusst planen, was man im nächsten tut - so gesehen ist die Sache mit dem Bären ein gutes Beispiel, imho ^ ^

Goatboy schrieb:
Vereinfacht gesagt schreibt Buber, das Ich könne niemals allein betrachtet werden, sondern immer nur in Beziehung zu einem Es oder einem Du. Und erst über unsere Beziehung zu einem anderen Subjekt oder Objekt würde unser Ich entstehen. "Es gibt kein Ich an sich, sondern nur das Ich des Grundworts Ich-Du und das Ich des Grundworts Ich-Es." Ich halte das für eine interessante Ergänzung zu eurer genannten Betrachtung des Bewusstseins als Abgrenzung nach außen; nämlich in der Hinsicht, dass unser Bewusstsein nicht nur ein hermetisch abgegrenztes geschlossenses System ist, sondern in seinem Wesen durch die jeweilige Beziehung zu einem Es oder einem Du beeinflusst wird. "Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du. / Alles wirkliche Leben ist Begegnung."
Das habe ich vor Jahren auch mal zu lesen angefangen, und nach einigen Seiten entnervt wieder weggelegt... Ehrlich gesagt, habe ich nicht so recht verstanden, worauf Buber hinaus will, und ich bin mir auch jetzt nicht so sicher, ob man ihn in dieser Richtung interpretieren kann, wie Du das tust. Ich kann Deine Überlegung nachvollziehen und finde sie einleuchtend, ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob er das auch gemeint hat ;-) Mit dem bisherigen passt das ja nur insofern zusammen, als man unter dem Es auch abstrakte und nicht-feststehende Größen wie Raum und Zeit verstehen können muss, durch die sich das Ich m. M. n. konstituiert, BEVOR es überhaupt in Beziehung zu anderen Objekten / Personen nach außen hin tritt, soll heißen, m. M. n. konstituiert sich das Ich schon in einem Gegenüber, allerdings besteht das Gegenüber eher aus den Parametern der eigenen Wahrnehmung (Raum (alle Sinne) und Zeit (eigener Herzschlag)) und gerade nicht in konkreten anderen objekten / Personen. :gruebel:

Malakim schrieb:
Dazu ein Zitat:
"Woher soll ich wissen ob die Vergangenheit nicht reine Fiktion ist, die erfunden ist um den Zwiespalt zwischen meinen Gefühlen und meinen derzeitigen Sinneswahrnehmungen zu erklären".
(Ist aus dem Kopf zitiert und ist von Douglas Adams)

Ich möchte darauf hinaus, das Vergangenheit auch ein reines selbstgebautes Konstrukt sein kann. Also Erinnerungen "gemacht" sind.
Natürlich sind Erinnerungen subjektiv?! Wenn eine meiner zuletzt gespeicherten Moment-Erinnerung darin besteht, dass ich diesen Deinen Text gelesen habe (und Dir jetzt darauf antworte), dann ist das rein subjektiv empfundene Vergangenheit. (Ob ich das objektiv von außen gesehen tatsächlich gemacht habe, ist zunächst irrelevant für den Vorgang des Planens in meinem Bewusstsein, dass ich Dir jetzt schreiben will (bzw. mittlerweile gerade dabei bin und beim Schreiben dieser Worte bereits den nächsten Satz plane ;-) - relevant wird es, ob das auch von außen der Tatsache entspricht, erst bei der Überlegung, ob das relative objektive Wahrheit beanspruchen kann - ob ihr also den Text lesen könnt, den ich denke, geschrieben zu haben, oder ob ich "objektiv" eigentlich gerade in der Küche war, und jetzt ein Glas Wasser vor mir steht und kein Text...)
Das Adams-Zitat, muss ich gestehen, verstehe ich nicht, vielleicht würde ein Beispiel helfen, das nachvollziehen zu können? Ich verstehe nicht, inwieweit subjektiv eingebildete / objektiv wahre Vergangenheit überhaupt etwas mit einem "Zwiespalt" zwischen (innerem) "Gefühl" und (ebenfalls innen bewusst gemachter) "Wahrnehmung" zu tun haben soll, bzw. was soll ein Zwiespalt zwischen Gefühl und Wahrnehmung sein?? :gruebel:

Goatboy schrieb:
Dementsprechend ist Bewusstsein subjektiv.
Kann man Bewusstsein, so wie wir es hier verwenden, überhaupt in subjektiv und objektiv unterscheiden?


Geht man von dem Bewusstsein als Ich-Bewusstsein mal weg, und nimmt man stattdessen Bewusstsein als gegengesetzten Zustand von bewusstlos, dann umfasst "Bewusstsein" auch noch einiges mehr, eher ein Wach-Zustand gegenüber einem Zustand, in dem nur noch die ohnehin stets ablaufenden unbewussten Vorgänge funktionieren, worunter ich mir eigentlich nur die reinen lebenserhaltenden Funktionen vorstellen kann - selbst Bewegung (Heben einer Hand z.B.) scheint mir dann in einem Zustand ohne Bewusstsein unmöglich (bei Menschen zumindest). Davon hatten wir es zwar hier bislang nicht, aber das scheint mir die gängigere(?) Bedeutung. Wie bringt man jedoch beides zusammen?

Gruß,
Semis
 

Modestia

Neuling
Registriert
23. November 2010
Beiträge
2
Hallo, ich bin neu hier und finde das menschliche Bewusstsein sehr faszinierend, also wollt ich auch mal meinen Senf dazugeben, v.a. weil ich denke dass man empirische Erkenntnisse in die Diskussion um das Bewusstseinsphänomen unbedingt einbinden muss. :wink:

Zuallererst wird über die Sinne wahrgenommen, wobei bestimmte Sinnesorgane eher an bestimmte Gehirnregionen gekoppelt sind, so ist z.B. der Geruchssinn auf kurzem Wege an das limbische System gebunden, das für die Entstehung von Emotionen verantwortlich ist. So wundert es nicht weiter, dass Zimtgeruch bei vielen Menschen positive Gefühle erweckt.
Das über die Sinne Wahrgenommene wird also im Gehirn verarbeitet, doch die Reizung durch die Umwelt ist so intensiv, dass die Reize bestimmten Selektionskriterien nach Relevanz unterliegen. Was relevant ist und was nicht, entscheiden wohl erbgebundene, evolutionsgemäß erworbene Konstellationen und im Weiteren praktische, traumatische etc. Erfahrungswerte subjektiver Natur, sowie konditionierte Selektionsprozesse. Ich gehe also davon aus, dass bei dem Phänomen der selektiven Wahrnehmung, jene Reize eine bevorzugte Rolle spielen, die dem Selbsterhaltungsprinzip dienlich sind, also intrasubjektive, genetische Strukturen, die sich im Laufe der Evolution als besonders praktisch erwiesen haben, sowie individuelle Erfahrungen mit großem Einfluss auf das Gesamtbewusstsein, die sich als für das Individuum relevant herausgestellt haben. Zu den konditionierten Selektionsprozessen könnte man jede Art von erworbenen Einflüssen rechnen, beispielsweise die Suggestion durch Medien, die den Wahrnehmungsprozess steuert, ohne dass eine genetische oder persönliche Gewichtung vorliegt.
Abgesehen von physikalischen Einschränkungen der Sinnesapparate, wie z.B. die begrenzte Wahrnehmung des Lichtspektrums, können immer noch nicht alle Reize aus diesem beschränkten Bereich verarbeitet werden, wie uns aus der Neurowissenschaft bekannt ist. Dieses Gewichten, Strukturieren und Ordnen ermöglicht aber erst die Bewusstseinsbildung.
Welche grob umrissenen Wahrnehmungsinhalte das Tor zum Bewusstsein passieren, ist also hiermit angedeutet, doch wie das geschieht, darüber entscheidet die Aufmerksamkeit. Sie entscheidet, wie und wie viele Wahrnehmungsinhalte verarbeitet werden. Eine Überflut an Reizen, die schlecht strukturiert werden kann, führt zu „Defiziten“ wie z.B. ADHS und Autismus. Hierbei muss auf die menschliche Konzentrationsfähigkeit hingewiesen werden, die aus der intensiven Anregung eines kleinen Bereichs der Großhirnrinde resultiert, wobei die Reizaufnahme beschränkt ist, während im Normalzustand ein größerer Bereich der Großhirnrinde aktiv und zur Reizaufnahme bereit ist. Den oben angesprochenen „Erkrankungen“ liegt wohl eine Reizüberflutung zugrunde und damit einhergehend ein Konzentrationsmangel, was die Symptomatik von ADHS und die autistische Gebundenheit an geordnete Alltagsstrukturen/Kommunikationsschwierigkeiten erklärt.

Somit gelangt man schrittweise zum Bewusstseinsphänomen, das sich wohl ebenfalls aus geerbten und individuellen Bestandteilen zusammensetzt. Wir alle werden mit einer bestimmten Anzahl an Nervenzellen geboren, wobei natürlich Umwelteinflüsse und genetische Eigenheiten eine gewisse Entscheidungsfunktion bereits in der Entwicklungsphase der Nervenzellenbildung übernehmen, doch man kann sagen dass die überindividuelle Verteilung nicht allzu weit ausufert. Somit könnte man von einer kollektiven, genetischen Grundstruktur des Bewusstseins ausgehen, wobei man nicht sagen kann, ob diese bereits „bewusst“ ist oder bestimmte Voraussetzungen erst erfüllt werden müssen, um dieses zu „aktivieren“. Ist ein Neugeborenes noch nicht ich-bewusst, weil es erfahrungsgemäß noch nicht gelernt hat, das eigene Bewusstsein abzugrenzen? Ist es vielleicht unbewusst mit dem Mutterbild verschmolzen, quasi als evolutionsgebundener Schutzmechanismus und kann/muss deshalb nicht unterscheiden?

Ich denke, die Bewusstseinsbildung ist ein aufbauender Prozess, der sich in einem erblich bedingten Rahmen abspielt und bereits angeborene Überlebensstrukturen mit sich bringt (z.B. Tiefenwahrnehmung). Diesem genetischen Bereich sind wohl viele autonome (unbewusste) Funktionen zuzuordnen, die das Überleben erst ermöglichen, wie beispielsweise Instinkte und Triebfunktionen (deren Einflussnahme auf "bewusste" Entscheidungsfindungen nicht unterschätzt werden darf).
Alles Wahrgenommene wird strukturiert in das Bewusstsein aufgenommen, wobei der Zuwachs an Erfahrungswerten umgekehrt einen Einfluss auf den Wahrnehmungsprozess hat. Bei der Bewusstseinsbildung muss es sich also um ein Wechselspiel zwischen Innerem und Äußerem handeln. Mit dem Alter ergibt sich eine präzisierte Bewusstseinsstruktur dank dem Relevanzkriterium, die aber dennoch einem Wandel unterworfen ist und deren Anteile ausgebaut, aber auch zerstört werden können.

Ein pathologisches Bild ergibt sich aus der Uneinigkeit zwischen dem Bewusstsein und der realen Umwelt, was auch noch dazu führt, dass das Bewusstsein seinen Wahrnehmungsmechanismus nun nach dem ihm eigenen Muster ausrichtet, somit das Problem verschärft und dem Betroffenen als real erscheint. Wie solche pathologischen Bilder entstehen, ist schwierig zu sagen. Traumatische Erfahrungen, Suggestion, latente Konflikte, biochemische Abnormitäten (die entweder aus den Erfahrungen resultieren, umgekehrt darauf Einfluss haben oder durch Substanzmissbrauch ausgelöst werden) oder Läsionen im cerebralen Bereich, all das wird zur Erklärung der Pathogenesis herangezogen.
Es ist aber für das Bewusstseinsphänomen vielleicht nicht uninteressant, sich mit pathologischen Erscheinungen auseinanderzusetzen, da man daraus vielleicht leichter auf die „Norm“ schließen kann.

Nicht uninteressant wäre es auch, den "freien Willen" heranzuziehen, dem die Empirie durch neurowissenschaftliche Experimente den Tod erklärt haben will. Das Gehirn soll demnach Entscheidungen fällen, noch bevor diese bewusst werden. Ist deswegen die Existenz eines freien Willens bereits abgesprochen? Könnte man zur Beantwortung dieser Frage vielleicht von einem Vor-Bewusstsein sprechen, in dem Entscheidungen bewusst nach bestimmten Relevanzkriterien (die im Bewusstsein quasi "herumgeistern") getroffen werden und erst danach als bewusst erkannt werden? Irgendwie komm ich nicht klar damit, dass Entscheidungen nicht bewusst gefällt werden können, ohne dass man sich ihrer Bewusstheit bewusst ist. Vielleicht kann mir da jemand helfen. :k_schuettel:

Ich freue mich auf eure Kritik und Anregungen.
 

Goatboy

Erleuchteter
Registriert
18. November 2009
Beiträge
1.319
Ach, tut mir leid, dass ich jetzt erst schreibe. Ich habe den Thread in den letzten Tagen irgendwie aus den Augen verloren.

Vielleicht sollte ich den Satz "Dementsprechend ist Bewusstsein subjektiv" etwas näher erläutern. Das Wort Bewusstsein kann natürlich auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden; was ich hier meinte, war Bewusstsein im Sinne der persönlichen Wahrnehmung der Umwelt und der eigenen Person - die eigene Realität also. Ich gehe einfach davon aus, dass diese für jeden Menschen - zumindest im Prinzip - anders ist. Wir nehmen die Welt doch alle ein wenig unterschiedlich wahr, wobei hier die interindividuellen Unterschiede natürlich auch stark variieren. In diesem Zusammenhang halte ich das Bewusstsein also für subjektiv.

Bewusstsein auf einer basalen Ebene, also die grundsätzliche Fähigkeit der Wahrnehmung, die Wachheit, eben das Gegenteil von Bewusstlosigkeit, lässt sich, da bin ich mir sicher, prinzipiell neurophysiologisch sehr präzise erklären. Nur wie, das weiß leider kein Mensch. Aber es ist wohl anzunehmen, dass die grundlegenden Mechanismen da bei allen mehr oder weniger gleich sind, so wie auch all unsere Organe funktionell im Großen und Ganzen gleich sind. Auf dieser Ebene kann man das Bewusstsein also nicht unbedingt als subjektiv bezeichnen.

An deinen Ausführungen, Modestia, ist ja eigentlich nicht viel auszusetzen, nur liefern sie meines Erachtens kein Material zur Erklärung des Zustandekommens unseres Bewusstseins (wobei man eine Erklärung dessen natürlich von niemandem erwarten kann). Ich meine etwa sowas:

Modestia schrieb:
[..] so ist z.B. der Geruchssinn auf kurzem Wege an das limbische System gebunden, das für die Entstehung von Emotionen verantwortlich ist. So wundert es nicht weiter, dass Zimtgeruch bei vielen Menschen positive Gefühle erweckt.
Nun ja, sowas ist natürlich immer der erste und einfachste Gedanke, der einen befällt, wenn man im Anatomiebuch über die Riechbahn liest. Allerdings erweckt bei mir - hier nun wieder subjektiv - der Anblick einer schönen nackten Frau auch äußerst positive Gefühle, auch wenn die Sehbahn nur über Umwege mit dem Limbischen System verbunden ist. Solche Erklärungen sind mir daher viel zu simpel. Aber nichts für ungut! Ich finde, man sollte, wenn man es denn überhaupt wollte, an eine funktionelle Erklärung des Bewusstseins von einer anderen Seite herangehen. Zum Beispiel - wie du selbst schon angerissen hast - über Ausfallerscheinungen, über Bewusstseinsstörungen. Nur eben nicht über Störungen der Sinneswahrnehmungen, auch Dinge wie Autismus sind eher ungeeignet, da überdeckt die Kognition doch in hohem Maße die Wahrnehmung. Nein, viel grundlegender: wenn man erklären könnte, wie Bewusstlosigkeit entsteht, dann könnte man auch erklären, wie Bewusstsein entsteht.

Zimt mag ich übrigens überhaupt nicht...

Edit:

Semiramis schrieb:
Mit dem bisherigen passt das ja nur insofern zusammen, als man unter dem Es auch abstrakte und nicht-feststehende Größen wie Raum und Zeit verstehen können muss, durch die sich das Ich m. M. n. konstituiert, BEVOR es überhaupt in Beziehung zu anderen Objekten / Personen nach außen hin tritt, soll heißen, m. M. n. konstituiert sich das Ich schon in einem Gegenüber, allerdings besteht das Gegenüber eher aus den Parametern der eigenen Wahrnehmung (Raum (alle Sinne) und Zeit (eigener Herzschlag)) und gerade nicht in konkreten anderen objekten / Personen. grübel
Du meinst also, dass notwendigerweise immer die Beziehung Ich-Es besteht? Nun ja, so wie du es schreibst, kann man es natürlich sehen, aber ich vermute, dass Buber eher von der bewussten Wahrnehmung schreibt. Man müsste sich mal den genauen Wortlaut ansehen, worauf ich im Augenblick keinen Bock habe ( :wink: ), aber ich denke doch sehr, dass Buber die bewusste Beziehung meint. Und das trifft ja schon in dem Augenblick zu, in dem du an ein Es, und sei es auch etwas Abstraktes wie die Zeit, denkst. Dann ist, so Buber, dein Ich ein anderes als wenn du an eine Person, also an ein Du, denkst. Einverstanden? Wenn du nicht an die Zeit denkst, hat sie natürlich trotzdem einen Einfluss auf dich, aber du stehst in keiner bewussten Beziehung zu ihr, es gibt hier also kein Ich-Es. Ich finde meine Interpretation gar nicht mal so schlecht :zwinker: .

Noch ein Edit:

Ach und hallo Modestia, willkommen!
 

Modestia

Neuling
Registriert
23. November 2010
Beiträge
2
Vielleicht sollte ich den Satz "Dementsprechend ist Bewusstsein subjektiv" etwas näher erläutern. Das Wort Bewusstsein kann natürlich auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden; was ich hier meinte, war Bewusstsein im Sinne der persönlichen Wahrnehmung der Umwelt und der eigenen Person - die eigene Realität also. Ich gehe einfach davon aus, dass diese für jeden Menschen - zumindest im Prinzip - anders ist. Wir nehmen die Welt doch alle ein wenig unterschiedlich wahr, wobei hier die interindividuellen Unterschiede natürlich auch stark variieren. In diesem Zusammenhang halte ich das Bewusstsein also für subjektiv.
Ich habe die persönliche Wahrnehmung der Umwelt, die subjektive Realität also, in meiner Erläuterung nicht ausgelassen und wollte lediglich einen Erklärungsansatz auf materialistischer Grundlage liefern. Es ist sicherlich an dieser Stelle nicht uninteressant, die Wahrnehmungsfunktion anzuschneiden und auf das Zusammenspiel zwischen Umwelt und Individuum hinzuweisen. Was ich also sagen wollte, ist, dass sich das persönliche, individuell erlebte (und nicht nur) Bewusstsein über Instanzen entwickelt, die darüber entscheiden, was für das Individuum relevant ist und was nicht. Relevantes und Irrelevantes wird vom Wahrnehmungsapparat selektiert und in das Bewusstsein aufgenommen, wobei das Bewusstsein selbst den Wahrnehmungsapparat beeinflusst, also auch eine wesentliche Rolle beim Selektionsprozess mitspielt. Ist jemand z.B. durch wiederholte, negative Erfahrungen in seinem Selbstbewusstsein gehemmt (Umwelt --> Bewusstsein), so wird er mit diesem neu geformten Bewusstsein viel empfindlicher auf Kritik reagieren und seine Wahrnehmung auf solche möglichen, negative Erfahrungen ausrichten (Bewusstsein --> Umwelt). Er wird dann viel eher geneigt sein, an einer konstruktiven Kritik den "negativen" Appell herauszuhören und die Aussage folgendermaßen als Vorwurf an sein Selbst interpretieren.
Auch die "konditionierten Selektionsprozesse der Wahrnehmung" die ich angesprochen habe, sind nicht unwichtig für das Zustandekommen der subjektiven Realität, denn der mediale Einfluss ist durchaus nicht zu unterschätzen (siehe Schönheitswahn).

Nun ja, sowas ist natürlich immer der erste und einfachste Gedanke, der einen befällt, wenn man im Anatomiebuch über die Riechbahn liest. Allerdings erweckt bei mir - hier nun wieder subjektiv - der Anblick einer schönen nackten Frau auch äußerst positive Gefühle, auch wenn die Sehbahn nur über Umwege mit dem Limbischen System verbunden ist. Solche Erklärungen sind mir daher viel zu simpel. Aber nichts für ungut! Ich finde, man sollte, wenn man es denn überhaupt wollte, an eine funktionelle Erklärung des Bewusstseins von einer anderen Seite herangehen. Zum Beispiel - wie du selbst schon angerissen hast - über Ausfallerscheinungen, über Bewusstseinsstörungen. Nur eben nicht über Störungen der Sinneswahrnehmungen, auch Dinge wie Autismus sind eher ungeeignet, da überdeckt die Kognition doch in hohem Maße die Wahrnehmung. Nein, viel grundlegender: wenn man erklären könnte, wie Bewusstlosigkeit entsteht, dann könnte man auch erklären, wie Bewusstsein entsteht.
Ja, ich habe auch auf das Geruchssinn-Beispiel nicht besonders viel Nachdruck gelegt, denn das war nur eine Einleitung zum eigentlichen Thema und dass der Sehsinn über Umwege an das Limbische System gebunden ist und Gesehenes Emotionen auslöst, wird hier keinen wundern. Ich kann auch an dem herangeführten Beispiel keinen Erklärungsversuch herauslesen, mein Ziel war nur, den Wahrnehmungsprozess zu umreißen, der nun mal bei den Sinnen anfängt und da ist ein Beispiel heranzuführen vielleicht gar nicht mal so übel.
Und Störungen der Sinneswahrnehmungen habe ich eigentlich auch mit keinem Wort erwähnt, oder steht irgendwo irgendwas von Sehstörungen, Taubheit etc.? Also, bei ADHS handelt es sich keineswegs um eine Sinnesstörung...
Und Bewusstlosigkeit wird durch Mangelerscheinungen im Gehirn ausgelöst, seien es nun Durchblutungsstörungen, mangelnder Sauerstoffzufuhr, Läsionen usw.
 

Angel of Seven

Ehrenmitglied
Registriert
23. Juli 2002
Beiträge
3.560
Auch wenn das hier viele bezweifeln werden. Das beste am Bewußtsein ist, dass es ohne Körper samt Gehirn existieren kann.... :flucht:
 

Goatboy

Erleuchteter
Registriert
18. November 2009
Beiträge
1.319
Modestia schrieb:
Und Störungen der Sinneswahrnehmungen habe ich eigentlich auch mit keinem Wort erwähnt
Na dann muss ich das falsch verstanden haben.

Und Bewusstlosigkeit wird durch Mangelerscheinungen im Gehirn ausgelöst, seien es nun Durchblutungsstörungen, mangelnder Sauerstoffzufuhr, Läsionen usw.
Wenn ein Auto stehen bleibt und deine Erklärung die ist, dass der Tank leer ist, ohne dass du Wörter wie Einspritzung, Zylinder oder Kurbelwelle verwendest, ist die Erklärung unvollständig, oder? Und außerdem: wenn ich mir Boxen ansehe, liegt manchmal - nicht sehr oft - jemand für einen Augenblick bewusstlos im Ring. Woran fehlt es ihm deiner Meinung nach?

In den anderen Punkten sind wir uns doch, glaube ich, einigermaßen einig.
 

Angel of Seven

Ehrenmitglied
Registriert
23. Juli 2002
Beiträge
3.560
Goatboy schrieb:
oder? Und außerdem: wenn ich mir Boxen ansehe, liegt manchmal - nicht sehr oft - jemand für einen Augenblick bewusstlos im Ring. Woran fehlt es ihm deiner Meinung nach?

Meiner Meinung nach fehlen die körperlichen Voraussetzungen, um das Bewusstsein die Möglichkeit zu geben, physisch körperlich zu agieren.
Bewusstlosigkeit bedeutet ja im herkömmlichen Sinne nur, dass der physische Körper keine Reaktion auf irgendwelche Sinneseindrücke mehr zeigt, da er nicht mehr funktioniert bzw. ziemlich eingeschränkt funktioniert. Das heißt ja noch lange nicht das eine Art von Bewußtsein mit, allem was dazu gehört, autark nicht existieren könnte. Zumal es hunderttausende Schilderungen auf Grund dessen gibt, die in ihrer Häufigkeit doch eine Menge Indizien für diese These liefern.
Das Problem ist, dass man es nicht messen kann, bzw. es keinen vernünftigen Forschungsansatz gibt um es jemals messen zu können. Und wenn man eine Art Geist mit außerkörplichen Bewußtsein messen könnte, würde es gleich religiös verfälscht werden, mit allen möglichen Konsequenzen. Die Zeit ist noch nicht reif dafür.....
 

Goatboy

Erleuchteter
Registriert
18. November 2009
Beiträge
1.319
Angel of Seven schrieb:
Bewusstlosigkeit bedeutet ja im herkömmlichen Sinne nur, dass der physische Körper keine Reaktion auf irgendwelche Sinneseindrücke mehr zeigt
Nein, das stimmt nicht. Was du beschreibst, ist ein tiefes Koma. Bei der Bewusstlosigkeit gibt es natürlich Reaktionen auf Sinneseindrücke. Ein Bewusstloser ist per definitionem erweckbar.

Meiner Meinung nach fehlen die körperlichen Voraussetzungen, um das Bewusstsein die Möglichkeit zu geben, physisch körperlich zu agieren.
Meinst du das für den geschilderten Fall mit dem bewusstlosen Boxer oder grundsätzlich? Bitte erkläre das etwas näher, ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was du meinst.
 

petronius

Meister
Registriert
10. November 2010
Beiträge
282
Angel of Seven schrieb:
Auch wenn das hier viele bezweifeln werden. Das beste am Bewußtsein ist, dass es ohne Körper samt Gehirn existieren kann.... :flucht:

oder daß es einem derartige spekulationen bzw. solches wunschdenken ermöglicht

gerade die fantasie dürfte ja ein merkmal des über bloße sinneswahrnehmung und reizverarbeitung hinausgehenden bewußtseins zumindest der spezies homo sein



Goatboy schrieb:
Bei der Bewusstlosigkeit gibt es natürlich Reaktionen auf Sinneseindrücke

nur eben keine bewußten. bestimmte reflexe funktionieren natürlich auch bei bewußtlosen noch (die prüfung des pupillenreflexes kennt jeder aus diversen fernsehserien: bewußtlose zeigen ihn, ein hirntoter tut das nicht)

Goatboy schrieb:
Ein Bewusstloser ist per definitionem erweckbar

und dann eben nicht mehr bewußtlos - und reagiert natürlich auch auf sinneseindrücke, die ihn als bewußtlosen nicht erreicht haben
 

Gammel

Großmeister
Registriert
20. März 2004
Beiträge
810
Angel of Seven schrieb:
Auch wenn das hier viele bezweifeln werden. Das beste am Bewußtsein ist, dass es ohne Körper samt Gehirn existieren kann.... :flucht:
Hatten wir diese Diskussion nicht schonmal?
Wenns Hirn kaput ist, dann ist es auch mit dem Bewustsein vorbei.
Wenn man die ne Elektrode ins Gehirn an die richtige Stelle pflanzt und es reitzt dann lachst du, und wenn man dich später fragt bestätigst du nur wie lustig die Sitauation war...

Zeig mir ein einziges Stückchen Bewustsein ohne Gehirn ...
 

Ähnliche Beiträge

Oben