Altarabische Religionen und Gottheiten

streicher

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Eigentlich habe ich dieses Thema auf WV schon eröffnet, aber ich denke, hier hätte es durchaus einen guten Platz.

Es gibt im Islam das Alevitentum. Auf Wikipedia habe ich über die Aleviten den Hauptartikel gelesen, in dem erwähnt wurde, dass das Alevitentum in seine Theologie Elemente aus vorislamischen Religionen Mesopotamiens sowie aus dem Sufismus übernommen hat.

Mich interessieren die vorislamischen Religionen. Welche waren es? Welche Götter gab es? Wie haben diese Religionen sich untereinander beeinflusst? Usw. etc. Natürlich wird man auf Wikipedia weiter fündig:
Altarabische Religion
Altarabische Gottheiten, zu denen übrigens auch "Allah" gehörte - als einer der Hauptgötter
Aber vielleicht kennt jemand von euch einschlägige Literatur, oder auch Internetquellen, die noch mehr dazu zu sagen haben als auf Wikipedia zu finden ist. Es interessiert mich auch, inwiefern sie den Islam und seine Richtungen beeinflusst haben, welche Kulthandlungen zum Beispiel übernommen worden sind.

Ich werde natürlich auch weiter recherchieren...

Also, ich bin gespannt...

:)
 

streicher

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Judentum, Christentum und Islam werden so einfach in die Töpfe "Offenbarungsreligionen" und "Abrahamitische Religionen" geworfen. Meines Erachtens verschleiert diese Klammer den Blick auf andere Ursprünge, die keinesfalls unwesentlich sind.

Die Verehrung des Schwarzen Steins geht auf den altarabischen paganen Steinkult zurück. Im Zuge der Islamisierung dieses Rituals wurde dem Stein eine übernatürliche Herkunft zugeschrieben. Einige Prophetengefährten standen der Verehrung des Schwarzen Steins dagegen kritisch gegenüber, weil sie darin ein Relikt des altarabischen Heidentums sahen. Dort auf 'schwarzen Stein' der Kaaba in Mekka clicken
 

Giacomo_S

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streicher schrieb:
Die Verehrung des Schwarzen Steins geht auf den altarabischen paganen Steinkult zurück. Im Zuge der Islamisierung dieses Rituals wurde dem Stein eine übernatürliche Herkunft zugeschrieben. Einige Prophetengefährten standen der Verehrung des Schwarzen Steins dagegen kritisch gegenüber, weil sie darin ein Relikt des altarabischen Heidentums sahen. Dort auf 'schwarzen Stein' der Kaaba in Mekka clicken

Nun, es ist im Islam genau das passsiert, was im späteren Verlauf des Christentums auch passiert ist: Die Umwidmung heidnischer Gebräuche und Feste zu heiligen Handlungen.
Nur mit dem Unterschied, dass diese Umwidmung bereits von Mohammed selbst und gezielt eingeleitet wurden, während es im Christentum ein paar Jahrhunderte gedauert hat (Ostern, Weihnachten).

Im Grunde sind die Muslime zwar Bilderstürmer, es musss aber bereits Mohammed erkannt haben, dass eine Religion, die auf Rituale und Kulte verichten will, keinen großen Wirkungskreis haben wird.
Selbst die vielleicht abstrakteste Religion, der Buddhismus, hat durch die Hintertür mittels der Bodhisattvas wieder eine Truppe an "Heiligen" eingeführt und seine Anhänger feiern Opferrituale - alles Dinge, die Siddharta Gautama als "nutzlos" eingestuft hätte.

Die katholische Kirche ist mit ihrer Marien- und Heiligenverehrung keinen Deut besser. Denn schließlich ist es ja die monotheistischen Religion des Religionsgründers Jesus Christus und nicht die der Maria - die überdies im Neuen Testament außer zu Jesu Geburt praktisch noch nicht einmal erwähnt wird.
 

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Giacomo_S schrieb:
Nun, es ist im Islam genau das passsiert, was im späteren Verlauf des Christentums auch passiert ist: Die Umwidmung heidnischer Gebräuche und Feste zu heiligen Handlungen.
Nur mit dem Unterschied, dass diese Umwidmung bereits von Mohammed selbst und gezielt eingeleitet wurden, während es im Christentum ein paar Jahrhunderte gedauert hat (Ostern, Weihnachten).
Das hat mit Sicherheit damit zu tun, dass Mohammed sehr schnell in die Rolle eines Reformers überhaupt schlüpfen konnte, der auch wirklich die Macht dazu besaß. Er lehrte nicht nur, er holte sich die Position, von der aus er durchsetzen konnte. Der Lehrer wurde noch selbst zum Kriegsherr.
In die Rolle, in welcher keine Obrigkeit mehr über sie stand, kamen die Christen, und nun denke ich zuerst an das Römische Reich, nach etwa drei Jahrhunderten, nachdem sie drei Jahrhunderte Verfolgung und Unterdrückung erlebt hatten. Sodann wurde im Römischen Reich kräftig reformiert.

Zwar kannte das Christentum auch Richtungsstreitereien und Auslegungsunterschiede. Mit den Jahrhunderten bildeten sich im Christentum erhebliche Differenzen aus, vergleicht man die Katholische Kirche zum Beispiel mit der Syrischen Kirche (die möglicherweise ebenfalls nicht unerheblichen Einfluss auf den Islam hatte, siehe Zur Entstehung und Frühgeschichte des Islam).
Doch entstand im Islam sehr schnell ein vehement ausgetragener Streit zwischen den Sunniten und Schiiten, ursprünglich ein Nachfolgestreit nach dem Tode Mohammeds. Der Nachhall ist blutig, bis heute, wie wir wissen, auch zum Beispiel in Syrien und im Irak. Auch dieser frühe Blutzoll lässt sich mit der frühen Herrschaft und mit der früh bestehenden Macht erklären.
 

Ein_Liberaler

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Mit den Jahrhunderten bildeten sich im Christentum erhebliche Differenzen aus, vergleicht man die Katholische Kirche zum Beispiel mit der Syrischen Kirche

Schon innerhalb der katholischen Kirche gibt es eine gewaltige Vielfalt an Entwürfen vom gottgefälligen Leben. Es fängt damit an, daß es einen Stand der Geistlichen und einen Laienstand gibt, wovon im Islam so nicht die Rede sein kann, und es setzt sich fort in zig unterschiedlichen Ansätzen, ein Leben im geistlichen Stande zu führen, man betrachte nur all die verschiedenen Orden, jeder mit eigenem Schwerpunkt: Gottesdienst durch Arbeit, durch Predigt, durch Gotteslob in der Messe, durch Kontemplation, durch Mission...
 

Giacomo_S

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streicher schrieb:

Interessanter - und "amtlicher" - Link Streicher, Danke!

Die Informationen des verlinkten Artikels sind ein Schlag ins Gesicht nicht nur dogmatischer Muslime. Denn sie schaffen ein komplett anderes Bild der islamischen Frühgeschichte - demnach haben nicht nur Mohammed, Prophetengefährten und die "vier rechtgeleiteten Kalifen" niemals existiert, sondern auch die kriegerische "islamische Expansion" hat so nicht stattgefunden. Und selbst der Koran, für den gläubigen Muslim nicht mehr und nicht weniger als wortwörtlich überliefertes göttliches Wort, verkommt zum Erbauungsbuch frühchristlicher Gemeinden, wenn auch keiner katholischen.

Mohammed wird zu einer Person vergleichbar mit König Arthus oder Robin Hood: Es mag historische Person/en gegeben haben, die Anlass zur Legendenbildung und Glorifizierung geboten haben, es gibt aber weit mehr Gründe, an der Historizität der Personen und Ereignisse zu zweifeln, als sie zu verifizieren.
Der Zeitraum zwischen dem 6. und 9. Jh. ist auch für den arabischen Raum eine dunkle Epoche, über die wenig authentische Dokumente erhalten sind oder überhaupt nur entstanden. Vielmehr ist die weithin kolportierte "offizielle" - und nicht nur von Muslimen anerkannte - islamische Frühgeschichte eine blumenreiche Erfindung späterer Zeitgenossen, die sich allenfalls sehr vage an historischen Wendepunkten orientiert. Mit dem Ziel, im Nachhinein einer (damals) erst seit relativ kurzer Zeit existierenden weltlichen und religiösen Machtbasis eine historische Rechtfertigung zu verschaffen.

Für den Prozess der Herausbildung einer religiösen Identität ist das kein einzigartiger Prozess. Für die "historischen" Teile des Alten Testaments werden ähnliche Mechanismen angenommen.
Allerdings beruft sich heutzutage (von einer kleinen, ultraorthodoxen jüdischen Minderheit vielleicht einmal abgesehen) niemand mehr auf einen Salomon oder David oder die "ewige und weltweite Gültigkeit" "ihrer" Schriften. Auf Mohammed und den Koran jedoch berufen sich mindestens eine Milliarde Menschen, mal mehr, mal weniger.
 

streicher

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Ohlig ist mit seinen Ansätzen ein sehr umstrittener Islamwissenschaftler. Die Frage, was an einer Person historisch ist, darf man natürlich stellen. Die Frage, was aus einer Person gemacht wurde, auch. Mohammed und Jesus sind allerdings durchaus historische Personen. Was wurde jedoch aus ihnen im Laufe der Zeit gemacht?
Was Jesus betrifft, werden die Aussagen im Koran auch als Richtigstellung begriffen. Interessant finde ich, das nennt eben Ohlig auch, dass die Gottessohnschaft Jesu schon zuvor - und zwar in der frühen Kirche - in Frage gestellt wurde. Auch sein Tod am Kreuz haben zuvor schon Leute in der frühen Kirche in Frage gestellt, vermeintlich sei ein Anderer an Jesu statt gestorben; diese Vorstellung findet sich auch im Islam wieder (dazu noch unten).
Personen des AT und des NT kommen auch im Koran vor. Die Einflüsse von AT und NT auf den Koran sind unverkennbar.

Pikant finde ich, wenn religiöse Deutungen direkt auf historischen Widerspruch stoßen. Zum Beispiel macht Paulus die Juden für den Tod Jesu verantwortlich (1. Thess 2, 15-16). Das ist jedoch falsch: Jesus wurde von den Römern als politischer Aufrührer hingerichtet. Er wurde als Zelot verdächtigt. Das war ein Fehlurteil. Nicht wie im NT, wo Pilatus seine Hände in Unschuld waschen durfte, war Pilatus ein Softie, nein, andere Quellen zeugen wohl von seiner harten Hand. Da haben Evangelisten den Pilatus reinwaschen wollen.
Der Koran stellt die Juden auch ins Zwielicht. Wieder geht es um den Tod Jesu, um seine Kreuzigung:
Der Keim jahrhundertealter religiöser Auseinandersetzungen verbirgt sich in den fraglichen Zeilen, in denen es um die Kreuzigung Christi geht. Die Juden, steht da, hätten gesagt: „Wir haben Jesus, den Messias, den Sohn Mariens, den Gesandten Gottes, getötet.“ Aber das stimme nicht, führt der Text aus, sie hätten ihn weder getötet noch gekreuzigt. Sondern - an dieser Stelle seufzt Toorawa und sagt, es sei wirklich verzwickt: „Es war so gemacht, dass es ihnen so erschien.“ Oder: „Es wurde der Eindruck erweckt, als ob.“ Im Anfang waren die Worte
Also wird auch im Koran verkannt, dass die Kreuzigung Jesu auf die Kappe der Römer ging. Die Römer haben mit dieser grausamen Hinrichtung ein Exempel statuiert.
 

Giacomo_S

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streicher schrieb:
Interessant finde ich, das nennt eben Ohlig auch, dass die Gottessohnschaft Jesu schon zuvor - und zwar in der frühen Kirche - in Frage gestellt wurde.

Die katholische Kirche war eben im frühen Christentum nur eine Bewegung von vielen, da gab's eben auch noch andere: Die Gnostiker und die Arianer z.B. Letztlich ging es bei den Auseinandersetzungen der verschiedenen Lager immer um die Frage der Gottessohnschaft Jesu - was dann auch das Hauptthema des 1. Konzils von Nicäa im Jahr 325 war. Die christologischen Streitigkeiten zogen sich allerdings bis zum 6. Jh. hin.

Als historische Gewinner ging dann die katholische Kirche aus diesem Streit hervor - mit dieser merkwürdigen Trinitätslehre, die letztlich als rein theologische Konstruktion den Ausweg aus dem Dilemma aus Monotheismus und Gottessohnschaft Jesu verspricht.
Allerdings zum Preis einer schwierigen Lehre, die sich einem unbedarften Verständnis entzieht. Die Trinitätslehre wird auch von vielen Christen nicht verstanden, von Muslimen erst Recht nicht.

So gesehen ist es gar nicht einmal so abwegig, den frühen Islam möglicherweise als eine der vielen christlichen - aber eben nicht katholischen - Bewegungen einzustufen.
 

Ein_Liberaler

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Imho gibt es recht wenig Belege für die Existenz Mohammeds. Im Ggsatz zum Leben Jesu, das ganz unheldisch verlief und von seinen enttäuschten Anhängern nach seiner Hinrichtung ganz neu interpretiert werden mußte und durch seine Absonderlichkeit und Unattraktivität der Überlieferung Glaubwürdigkeit leiht, ist das Leben Mohammeds der reine Heldenroman, der nicht mehr als die typischen vorübergehenden Rückschläge enthält. Außerreligiöse Quellen sind für beide dünn gesät, aber die innerreligiösen sind, was Jesus betrifft, glaubwürdiger, und seine Anhänger sind wesentlich früher faßbar, durch ihre eignen Schriften und aus dem Blickwinkel der Außenwelt.

Trotzdem kann ich keine besonders stichhaltigen Argumente dafür sehen, daß es keinen Prediger Mohammed gegeben haben soll, der in Innerarabien ein kleines theokratisches Imperium zusammengeraubt hat. Recht wahrscheinlich ist es allerdings, daß er ein spezifisch arabisches Christentum gepredigt hat, das irgendwann die Copyrightstreitigkeiten mit den Trinitätschristen verloren hat und einen eigenen Namen verpaßt bekam.
 

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Es wundert nicht, dass die Trinitätslehre von Beginn an umstritten war. Sie lässt sich aus dem Kanon der Bibel wohl nicht eindeutig herleiten. Der Arianismus lehnte die Gottessohnschaft Jesu, und damit auch seine Wesensgleichheit, ab. Das macht auch der Islam, es wird explizit im Koran formuliert. Unter den Arabern zur Zeit Mohammeds war ein Christentum weit verbreitet, das die Trinitätslehre ablehnte ebenfalls ablehnte. Von daher dürften sie für eine strikte monotheistische Lehre schon offenere Ohren gehabt haben.
Was ich mich dann aber auch frage: welche Schriften hatten zum Beispiel diese arabische Christen der Spätantike? Gab es dort einen anderen Kanon? Welche hatten die Arianer? Welchen Kanon hatten die Arianer? Für beide, die arabischen Christen der Spätantike und die Arianer, dürften doch fast alle Briefe des NT ohnehin schon weggefallen sein. Zudem sind die Briefe des NT Zeugnis dafür, dass von Beginn an der Streit über die Lehre des Christentums heiß am Kochen war.
 

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In einer kleinen Recherche zum Stichwort "Satan" stieß ich auf Wikipedia auf den Begriff "Dschinn", die nach islamischen Glauben die Erde bevölkern, unsichtbar sind, aber sichtbar werden können. Nach islamischer Auffassung sind sie 2000 Jahre vor dem Menschen erschaffen worden. Die Vorstellung von den Dschinn, aus Feuer erschaffenen Wesen, ist aus dem vorislamischen Arabien übernommen worden.
Im vorislamischen Arabien glaubten Menschen an Dämonen und Naturgeister, die eine für die Menschen feindliche Außenwelt verkörperten. Bis zur Zeit des Propheten Mohammed hatten sich die Dschinn zu unpersönlichen und charakterlosen Himmelswesen entwickelt, verantwortlich für ungewöhnliche Dinge. In dieser Vorstellung übernahmen sie die frühislamischen Araber und machten sie zu Gefährten Allahs.

Als Aufenthaltsorte bevorzugen Dschinn Wüsten, Wälder, Busch- und Strauchlandschaften, Ruinen, Grabstätten und Schlangengruben. Auch lieben sie Orte, die dunkel oder auch feucht sind, wie etwa Erdlöcher oder einen Hammām, besonders in der Nacht. Tagsüber bewegen sie sich im Allgemeinen in der Luft oberhalb der Menschensphäre bis direkt unterhalb der Engelsphäre, von wo aus sie fallweise die Gespräche der Engel belauschen können. Dieses Wissen können sie unter besonderen Umständen auch bestimmten Menschen mitteilen. Der Nutzen ist jedoch umstritten. Sie haben Familien (...)
Der Dschinn-Glaube im vorislamischen Arabien

Die Quelle fasst u.a. auch die Dschinn-Vorstellungen im Volksglauben zusammen, dazu:
Man unterteilt sie gemeinhin in drei Dschinn-Arten und verschiedene Untergruppierungen:
Dämonen, die den Menschen Schaden und Schrecken zufügen. Dabei sind die mächtigen die Ghul, die sehr mächtigen die Sila, die noch mächtigeren mit dezidiertem Zerstörungstrieb die Ifrit und die allerstärksten die Marid
Mittelwesen, die wie die Menschen die Schöpfung bevölkern und nicht besonders in Erscheinung treten und
Doppelgänger der Menschen.

Ein grundsätzliches Charakteristikum der Dschinn ist ihre fehlende Individualität.

Wie wird im Islam von den Dschinn gelehrt: Dschinn - auf islam-pedia.
 

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Ist zwar auch "nur" ein Zeitungsartikel:

Wallfahrt nach Mekka

Daraus:
Muhammad übernahm in die islamische Pilgerfahrt vorislamische Riten. Denn er konnte nicht damit rechnen, dass die Mekkaner lange praktizierte Bräuche aufgeben würden. Teilweise versah er sie aber mit einer neuen islamischen Bedeutung. Vor Muhammad war Mekka ein bedeutendes kommerzielles und religiöses Zentrum. Stämme aus dem weiten Umland pilgerten jedes Jahr zur Kaaba mit dem schwarzen Meteoritengestein und zahlreichen Gottheiten. Dieser Hadsch, der schon damals groß war, erfolgte in einer dreimonatigen Friedenszeit und war von bedeutenden Märkten begleitet. Bereits zur jener Zeit waren Arafa und Muzdalifa, zwei Stationen des islamischen Hadsch, Heiligtümer. Das symbolische Steinewerfen in Mina geht ebenfalls auf einen alten heidnischen Brauch in der Region zurück.
Schwierig, dazu etwas zu finden.
Vielleicht sollte ich hier mal vorbeigehen?! Ein Institut für Arabastik und Islamwissenschaften wird wohl ein wenig zu bieten haben...
Man hat viel zu wenig Zeit für die all die Dinge, für die man sich interessiert...
 

Giacomo_S

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streicher schrieb:
Schwierig, dazu etwas zu finden.

Kein wissenschaftliches Werk, aber zumindest amüsant zu lesen:

Söhne der Wüste - Kalifen, Händler und Gelehrte
von Hans-Georg Behr

Eigentlich wohl ein "Jugendbuch", das vergriffen ist, und es sich daher jemand bemüht hat, den Text des Buches ins Internet zu stellen.
Behr sieht den Islam als "Handelskonzern, der später zur Religion wurde".
Auch Mekka war bereits zu vorislamischen Zeiten ein bedeutender Handelsort:

Abrahams Gastspiel währte nur kurz, wenn man den sagenhaften Berichten trauen darf. Um den begehrten Platz an der süßen Quelle aber stritten hinfort alle möglichen Beduinenstämme, und bereits im dritten Jahrhundert nach Christus hatte sich Mekka zu einer ansehnlichen Handelsstadt entwickelt. Zahllose Götter dokumentierten ebenso viele Geschäftsverbindungen, und der aus Meschkar zugewanderte Stamm Dschorhem brachte auch noch die seinen mit.

Gerade die islamischen Geschichtsschreiber legen Wert darauf, Mekkas Zustand vor Mohammed in den aller düstersten Farben zu schildern. Das Handelszentrum sei "ein Pfuhl des Lasters" gewesen und die Kaaba allein Heimstatt von mehr als 300 Göttern. Da auch wir aufgrund eines christlich erziehungsbedingten Vorurteils ein Ein-Gott-System für moralisch höherwertig halten als eine pluralistische Göttergesellschaft, fällt es daher schwer, der Zeit vor Mohammed gerecht zu werden.

Mekka war eine "heilige Stadt", und das bedeutete damals wie noch heute im asiatischen Raum: Rechtssicherheit und Handelsfreiheit, etwa unserem mittelalterlichen "Burgfrieden" vergleichbar. Die Götter wachten darüber, dass auf dem Basar und um das Heiligtum die sonst üblichen Stammesfehden ruhten, und als äußeres Zeichen des Friedens waren an dem heiligen Platz alle Stammesgötter gleichberechtigt.

Die meisten Götter Mekkas waren daher Schutzpatrone arabischer Stämme. Normalerweise reisten sie unsichtbar mit den Ihren - in der Kaaba aber hinterließen sie ihr Abbild, zum Zeichen, dass sie hier gewesen und auf dem Basar im Umkreis was mitzureden hatten. Ihr Gastgeber war Hobal, Gott der einstigen Herren Mekkas. Wir wissen nicht viel über ihn, aber die Silbe "bal" im Namen des Gottes lässt vermuten, dass hier einst Lieferanten der Phönizier waren. Hobal war Mondgott, "der erfrischende, tauspendende", und außerdem Inhaber einer Kuriosität, die zu bestaunen Araber von weither kamen: Ihm gehörte ein echter Meteorit, glashart und pechschwarz, unter furchtbarem Gezisch vom Himmel gefallen.

Mit diesem erstaunlichen Stein übertraf Hobal mühelos eine Kollegin, die ebenfalls aus Phönizien zugewandert sein dürfte. Sie hieß Ellat und war aus dem Schaum des Meeres geboren. Die Griechen haben sie als Aphrodite und die Römer als Venus adoptiert. In der Wüste aber verlor die Dame ziemlich bald ihre sinnlichen Eigenschaften. Zunächst änderte sie ihren Namen in Allah und dann sogar ihr Geschlecht. Um das Jahr 300 war aus der Dame ein Mann geworden. Doch die Geschlechtsumwandlung dürfte nicht ganz zur Zufriedenheit der Gläubigen ausgefallen sein bereits kurze Zeit später zog Allah auch seinen Körper aus und wurde eine unsichtbare Gottheit. Aber auch eine undefinierbare und damit eine ziemlich unbedeutende. Allah endete als Firmengott eines Handelsunternehmens, und in dieser Funktion hatte er zahlreiche, meist wichtigere Kollegen.

Quelle: Hans-Georg Behr, Söhne der Wüste
 

streicher

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Danke, Giacomo_S! Interessantes Buch... immerhin ist es schon vor über 40 Jahren publiziert worden.

Mekka war vieles, Handlungsort, religiöses Zentrum und Pilgerort, ein zentraler Ort der damaligen Zeit.
Als Götter werden in der Tat immer wieder Ellat und Hobal genannt, wobei Hobal oder Hubal als Hauptgott in Mekka galt. Hobal wurde anscheinend auch mit dem Titel Allah bezeichnet, denn Allah heißt nichts anderes als (der) Gott. Die Riten, die ihm galten, wurden wohl (teilweise) vom Islam übernommen. Die Bedeutung des Steines blieb, der Steinewurf, die Hadsch gab es ebenfalls schon in vorislamischer Zeit.

Ich kann mich noch erinnern, dass in der Schule von einer Offenbarungsreligion gesprochen wurde (wie Judentum und Christentum). Das war damals im katholischen Religionsunterricht. Ich weiß nicht, wie die Religionen heute im Religionsunterricht behandelt werden.

Jetzt würde ich es so beschreiben, dass zur damaligen Zeit fleißig reformiert wurde. Es wirkt eher so, als wäre jede Religion, groß wie klein, ein Flickwerk. Aus verschiedenen anderen Religionen wurden Aspekte übernommen, Schriften, Erzählungen und örtliche Bräuche fanden ebenso Eingang in die "neue" Religion, da man sie sonst eventuell nicht an die Bevölkerung hätte bringen können. Und mit der "Reform" sollten vielleicht auch lang anhaltende Streitfragen endgültig geklärt werden. Die Geschichte zeigt freilich anderes: neue Streitigkeiten folgen auf dem Fuße, neue Zweige entstehen. Und vielleicht findet sogar ein nächster Reformer seinen Platz. Einfach von einer "Offenbarungsreligion" zu sprechen, vermittelt ein falsches Bild.
 

Giacomo_S

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An den großen Weltreligionen fällt an Gemeinsamkeiten auf:

1. Sie entstanden an Orten und in Zeiten und Gesellschaften mit großen sozialen Ungerechtigkeiten und/oder Unterdrückung.
2. Ihre jeweiligen Religionsgründer (sofern manifestierbar) sahen sich selbst nicht als Gründer einer neuen Religion, sondern als Reformer der alten.
3. Die Religionsgründer schrieben selbst nichts auf. Die Schriften wurden von Nachfolgern geschrieben, die den Gründer nicht persönlich kannten, meist viele Jahre nach dessen Tod.
4. Die Lehren der Gründer sind relativ abstrakt und beinhalten kein bildhaftes Ziel (der unvorstellbare Gott, das Nirvana).
5. Im Laufe der religionsgeschichtlichen Entwicklung werden Dogmen geschaffen, die sich aus der ursprünglichen Lehre nicht so ohne weiteres ergeben oder philosophische Konstruktionen auf der Basis einzelner Sätze darstellen (Trinitätslehre, 5 Säulen des Islam, Kopftuchgebot).
6. Es werden Vermittler konstruiert, um die Abstraktheit der Lehre auch einfacheren Menschen zugänglich zu machen (Maria, Heilige, Bodhisattvas).
7. Es werden Rituale aus den alten Religionen übernommen und umgedeutet oder es werden neue Rituale geschaffen, die aber nicht Teil der ursprünglichen Lehre sind (Weihwasser, Rosenkranz, Weihrauch, Hadsch).
8. Die heiligen Stätten der alten Religionen werden abgerissen und an denselben Stellen die neuen Kirchen und Moscheen gebaut - und manchmal nicht einmal das: Es wird nur das Emblem geändert.
 

fumarat

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Aus mir nicht näher erklärlichen Gründen zieht es mich in langen Abständen immer wieder mal ins Forum, auch wenn ich finde die alten Zeiten etwas vorüber sind.

Wie dem auch sei. Das Thema ist natürlich genau mein Ding. Islamische Grundsatztheologie. Habe leider gerade nicht viel Zeit aber ein paar Gedanken/Beiträge meinerseits möchte ich loswerden.

Aus meiner, also aus der Sicht eines gläubigen Muslims, sehe ich in solchen Debatten immer eine Schwierigkeit, gerade im deutschsprachigen Raum. Die sogenannten wissenschaftlichen Debatten zum Thema laufen meist aus einem atheistischen und gelegentlich auch aus einem christlichen Blickwinkel. Das heißt, die islamische Sichtweise wird meist gar nicht zugelassen oder ist zumindest stark unterrepräsentiert. Verantwortlich hierfür ist natürlich auch eine aktuell sehr schlechte Aufstellung geeigneter islamischer Theologen, bei weitem nicht nur aber gerade im deutschsprachigen Raum.

Etwas erstaunlich finde ich das die BPB den in Orientalistenkreisen sehr umstrittenen Herrn Ohlig, einen mittlerweile knapp 80jährigen emerittierten Professor für katholische Theologie als Referenz zitiert. Der wiederum in dem seit Jahren bekannten Bermudadreieck der fundamentalen deutschsprachigen Islamkritik mit stark katholischer Färbung Ohlig-Puin-Luxenberg seine Kreise zieht. Leider werden Artikel/Bücher/Thesen der genannten Autoren haschend nach Islamkritik in wissenschaftlichem Gewand in der Presse überdurchschnittlich stark repräsentiert und dabei weitgehend unreflektiert übernommen. So erinnere ich mich persönlich noch stark an den Luxenberg-Hype mit der "Syroaramäischen Leseart des Koran", ein Werk mit dem ich sogar zu meinen Abiturzeiten als Schüler im Ethikunterricht konfrontiert wurde. Ich sollte als 18jähriger Schüler und damals einziger! Muslim der Klasse natürlich unvorbereitet Stellung beziehen. Dabei waren weder der Lehrer und schon gar nicht meine Mitschüler auch nur ansatzweise in der Lage dieses in seinen Ausführungen weitgehend semantische Fachbuch zu rezipieren. Was irgendwie aber hängen bleiben sollte blieb hängen: der Koran ist doch nicht so authentisch wie die Muslime immer behaupten und nur Ergebnis eines Übersetzungswirrwarrs altchristlicher Schriften. Nun, man könnte noch viel hierzu sagen, aber ich muss jetzt mal einen Punkt machen.

Die ursprüngliche Frage wurde ohnehin bereits etwas aus dem Auge verloren. Die altarabische Religion. Ich möchte hierzu ein paar allgemeine Anmerkungen aus der Sicht eines Muslims machen, gerade weil hier auch in den zitierten Texten nach meinem Verständnis einiges durcheinander gebracht wurde.

Zunächst. Der Prophet Mohamed sah sich stets in der Tradition der abrahamitischen Religion, sodass eine Beschäftigung mit sogenannten judo-christlichen Themen im Koran oder den Hadithen keinen Muslim jemals verwundert hat.

Quellen über die vorislamische Gesellschaft und Religion (historisch gesehen eigentlich nur ein unbedeutender Regionalkult) finden sich praktisch nur bei (früh-)islamischen Historikern. Folgendes würde ich nach meinem Verständis zusammenfassen:

Leider besteht hier auch bei vielen Muslimen die sich nur oberflächlich mit der Thematik auseinandersetzen eine falsche Meinung und die vorislamischen Araber werden häufig einfach nur als Polytheisten oder Götzendiener bezeichnet. Das ist nach islamischen Verständnis des "Shirk" (Götzendienerei) auch korrekt, führt im deutschsprachigen Raum jedoch zu Missverständnissen und zu der allgemeinen Meinung dass es sich um einen rudimentären Götzendienst handelte. Im Grundsatz waren die Araber sehr wohl Monotheisten, sie praktizierten jedoch im Alltag Götzendienerei indem sie Figuren als Vermittler und Beschützer anriefen. So sagt Allah im Quran in ungefährer Bedeutung in Bezug auf die Praxis der vorislamischen Araber: "Und wenn euch auf dem Meer ein Unheil widerfährt, entschwinden (euch) diejenigen, die ihr außer Ihm anruft. Aber nachdem Er euch ans (Fest)land errettet hat, wendet ihr euch (von Ihm) ab; der Mensch ist eben sehr undankbar."
Die Araber sahen sich sehr wohl in einer abrahamitischen Tradition gemeinsam mit den Juden und den Christen, besaßen jedoch keine Schrift und demnach auch keine Schriftgelehrten oder tiefsinnige Theologie. Es gab jedoch Kontakte und es war eine häufige Praxis, dass Araber jüdische oder christliche Schriftgelehrte in theologischen Fragestellungen konsultierten, nicht in einem apologetischen sondern in einem bereichernden Sinne. Besonders häufig wurden vor allem jüdische Gelehrte konsultiert, als Mohamed sein Prophetentum verkündete. Man erwartete von den Schriftgelehrten dass sie problemlos in der Lage wären ihn fundamental zu widerlegen und bloßzustellen. Hierzu gibt es mehrere überlieferte Berichte.
Bei den vorislamischen Götzen handelte es sich nach islamischer Überzeugung um frühere Heilige noch aus der Zeit Noahs, welche ursprünglich im Sinne eines Heiligenkultes als Mittler zu Gott aufgerufen wurden. Die Kenntnis hierüber war über die vielen Generationen allerdings verloren gegangen, sodass vom gemeinen Araber den Figuren letzlich göttliche Eigenschaften zugesprochen wurden und sie direkt um Schutz/Rettung/Heilung etc. angebetet wurden.
Was Kulte anbelangt, wie vor allem den Pilgerkult um Mekka, so ist die islamische Überzeugung sehr wohl dass es sich hierbei in seinen Grundzügen um einen abrahamitischen Kult handelt. Dies war auch die Überzeugung der Araber. Somit ist es nicht verwunderlich, dass dieser Kult im Islam seine Fortsetzung findet.
 

Giacomo_S

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Zur Geschichtsschreibung als solcher möchte ich zunächst einmal ein Zitat voranstellen:

"Tatsächlich gibt es auch bis zum heutigen Tage kein einziges Geschichtswerk, das in dem geforderten Sinne objektiv wäre. Sollte aber ein Sterblicher einmal die Kraft finden, so etwas Unparteiisches zu schreiben, so würde die Konstatierung dieser Tatsache immer noch große Schwierigkeiten machen: denn dazu gehörte ein zweiter Sterblicher, der die Kraft fände, etwas so Langweiliges zu lesen."
Egon Friedell, Kulturgeschichte der Menschheit (1931)

fumarat schrieb:
Aus meiner, also aus der Sicht eines gläubigen Muslims, sehe ich in solchen Debatten immer eine Schwierigkeit, gerade im deutschsprachigen Raum. Die sogenannten wissenschaftlichen Debatten zum Thema laufen meist aus einem atheistischen und gelegentlich auch aus einem christlichen Blickwinkel. Das heißt, die islamische Sichtweise wird meist gar nicht zugelassen oder ist zumindest stark unterrepräsentiert. Verantwortlich hierfür ist natürlich auch eine aktuell sehr schlechte Aufstellung geeigneter islamischer Theologen, bei weitem nicht nur aber gerade im deutschsprachigen Raum.

Kürzlich fand ich in einer Stadtbücherei ein "populärwissenschaftliches" Buch zum Koran, seiner Entstehungsgeschichte und der Frühgeschichte des Islams eines offenbar muslimischen Autors.
In vielerlei Hinsicht unterschied es sich nicht von mir anderen bekannten Quellen. Deshalb nicht, weil es ganz selbstverständlich die Doktrinen bediente, ohne die eine Darstellung der genannten Themen aus der "islamischen Sichtweise" nicht auszukommen scheint:
- Die wörtliche stattgefundene Überlieferung des Korans, und weil das für bestimmte Zeiten schwierig zu belegen ist: Die "Gedächtniswunderkünstler", die vor den ersten schriftlichen Fixierungen dazu anscheinend notwendig waren.
- Die Koran-Kopien des Uthman von denen sich eine noch heute im Topkapi-Museum in Istanbul befinden soll. Was einfach nicht stimmt, denn die Koran-Kopie in Istanbul ist definitiv jüngeren Datums.
- Die islamische Expansion, eine abenteuerliche Geschichte der Siege zahlenmäßig weit unterlegener, aber mutiger Heere mit gelegentlichen (unbedeutenden) Rückschritten.

fumarat schrieb:
Etwas erstaunlich finde ich das die BPB den in Orientalistenkreisen sehr umstrittenen Herrn Ohlig, einen mittlerweile knapp 80jährigen emerittierten Professor für katholische Theologie als Referenz zitiert. Der wiederum in dem seit Jahren bekannten Bermudadreieck der fundamentalen deutschsprachigen Islamkritik mit stark katholischer Färbung Ohlig-Puin-Luxenberg seine Kreise zieht.

Die Autoren mögen umstritten sein, was aber ihre historischen Ausführungen betrifft, so sieht für mich die Sache anders aus.
Der Zeitraum des 6.-9. Jhs. ist historisch eine "dunkle Epoche", nicht nur, was den Orient betrifft. Es gibt für diesen nicht so viele Belege wie für andere Zeiten. Das lässt Spielraum für Interpretationen und Spekulationen.
Andererseits habe ich die wörtliche Überlieferung des Korans, die Gedächtniswunderkünstler, ja sogar die islamische Expansion selbst, den islamischen Autoren einfach mal so zu glauben, denn wirklich belegen lässt sich das alles nicht. Das mag als fromme Legende für den gläubigen Muslim ausreichend sein, mich persönlich überzeugt das aber nicht.
Die historische Argumentation des Ohlig, der sich immerhin auf die wenigen Quellen zu beziehen versucht, die es für diese Zeit gibt, Schriften, Münzen, Kunstgegenstände, Bauten - mag vielleicht nicht die einzig "richtige" sein, für mich hat sie aber einen Vorteil: Sie bemüht sich wenigstens da um Plausibilität, wo islamische Autoren von mir seeliges Abnicken erwarten.
Sie kommt ohne Gedächtniswunderkünstler, Koran-Kopien die nicht existieren, und Schlachten, die mutmaßlich nicht stattgefunden haben, aus.
Es ist doch schon merkwürdig, dass die historischen Autoren der damals von der islamischen Expansion betroffenen Länder über alles mögliche berichten, Klatsch, Tratsch, theologische Dispute, nur über eines nicht: Das Auftauchen einer neuen Religion und deren kriegerische Verbreitung. Aber auch Münzfunde und kulturelle Artefakte aus diesen Zeiten stützen diese Sichtweise nicht.

Was von der "islamischen Sichtweise", zumindest derjenigen, die man in deutscher Sprache erfährt, übrig bleibt, sind Räuberpistolen und fromme Geschichten. Und praktisch alle, die aus den eigenen Reihen davon abzuweichen wagen, werden mit Verfolgung, Folter und Tod bedroht. Aber nicht nur die: Luxenburg wird gute Gründe dafür gehabt haben, unter Pseudonym zu veröffentlichen. Die islamische Welt hat offenbar keine anderen Antworten - warum eigentlich nicht? - als mit Drohungen oder Gewalttaten.
 

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Das ist freilich eine Hürde in der Geschichtsforschung, dass eben Subjekte forschen, die ihre eigenen Überzeugungen haben. Sie müssten sich von ihren Überzeugungen entkoppeln, um letztendlich in dem, was sie entdecken, ergebnisoffen zu sein. Das kann dann auch mal die bisherige eigene Sicht der Dinge erschüttern, oder Vermutungen bestätigen, oder eben neue Fragen aufwerfen. Wie scharf die Kontroverse werden kann, wenn Geschichte interpretiert wird, zeigt der Historikerstreit.

Was hat mich u.a. zu der Themeneröffnung geführt? Was mich schon lange verwundert hat, war zum Beispiel die Umkreisung der Kaaba und "schwarze Stein", der in der Kaaba aufbewahrt wird. Letztendlich haben wir es hier mit einem "Steinkult" zu tun. Laut Muhammad Ibn Sa'd soll dieser Stein vorher auf einem Berg bei Mekka verehrt worden sind. Diesen Stein kennt man, er war aber damals bei weitem nicht der einzige. Die Verehrung von Steinen war damals sehr geläufig, ebenso die Aufstellung von Hausidolen etc. Nun: handelt es sich um regionale Kulte? Handelt es sich - und lassen wir die religiösen und auch atheistische Sichtweisen weg - um polytheistische Kulte?* Wie alt sind sie und woher haben sie sich entwickelt? Steinkulte gab es im Mittelmeerraum auch zur Zeit Herodots. Steinkulte gab es wohl auch schon zur Zeit der Jungsteinzeit.

Was die Kaaba anbelangt: sie soll mehrmals schon zerstört (durch Brand etc.) und wiederaufgebaut worden sein, und zwar schon vor den Zeiten Mohammeds. Sie wird nach islamischer Sicht als abrahamitisches Bauwerk gesehen. Wie wird das begründet?

Historisch gesichert scheint, dass es vor der Zeit Mohammeds dem Gott Hubal gewidmet war. Wann die Kaaba zum Beispiel das erste Mal errichtet wurde, darüber erfährt man leider keine zeitliche Einordnung.

*{Mir stellt sich nämlich damit verbunden auch die Frage, ob die älteren religiösen Kulte polytheistisch sind und Monotheismen eher jüngere religiöse Kulte darstellen, die sich (stets) aus den Polytheismen entwickelt haben.}
 

fumarat

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Na Giacomo du scheinst dir ja ziemlich sicher zu sein, bedarf es dass überhaupt noch der Diskussion? Ich halte es für vermessen Aufzeichnungen islamischer Historiker grundsätzlich als "Räuberpistolen" zu bezeichnen, ich vermute dass du bisher auch keines der maßgebenden Werke in den Händen gehalten hast. Eher scheinst du es zu sein der den Räuberpistolen von Luxenberg&Co. einschließlich des Verfolgungsarguments aufsitzt, vielleicht weil deren Ansichten dein Weltbild stärken?

Ich war etwas frustriert als ich den ersten verlinkten Wikipedia-Artikel und schließlich die Ausführungen des Herrn Ohlig gelesen hatte, musste mittlerweile jedoch feststellen dass der zweite Wikipedia-Artikel durchaus ausführlicher und differenzierter erschien, vielleicht gerade deshalb weil massgebende Werke islamischer Autoren/Historiker berücksichtigt wurden.

Die islamische Einschätzung ist natürlich umgekehrt. Zuerst die monotheistische Offenbarungsreligion welche im Laufe der Jahrhunderte meist über die Zwischenstufe der Verehrung Gottes über die Mittlerschaft heiliger Personen oder Gegenständen (siehe Heiligenkulte und Reliquien-Verehrung) welche dann wiederum in einem nächsten Schritt entkoppelt ihrer ursprünglichen Bedeutung als reiner "Väterkult" von den späteren Nachkommen im Sinne eines legendenumwobenen Götzenkultes fortgeführt wurde.

Diese Sichtweise ist zumindest in Bezug auf die vorislamischen Araber meines Erachtens durchaus wahrscheinlicher und wird gestützt durch die Debatten und Reaktionen der Mekkaner auf den Propheten.

In den Debatten wurde Mohamed nie kritisiert neue Riten einzuführen. Im Gegenteil der Hadsch-Ritus wurde in der Frühphase des Islam von Anhängern Mohameds und den Polytheisten Mekkas sowie nach Ansicht mancher Autoren auch von christlich inspirierten Arabern gemeinsam durchgeführt. Er wurde hauptsächlich dafür kritisiert die Götter seiner Väter zu verschmähen.

Über die urprüngliche Bedeutung, insbesondere den abrahamitischen Ursprung der Kaaba und ihrer Riten, gab es keinen Disput. Imam al-Buckari überliefert, dass durch den Propheten zum Zeitpunkt der Eroberung Mekkas neben den Götzenbildern auch Darstellungen von Abraham und Ismael aus dem Inneren der Kaaba entfernt wurden.

Dass die Kaaba in der Geschichte mehrfach zerstört und neu aufgebaut wurde ist ja per se kein Argument gegen die ursprüngliche Errichtung des Hauses Gottes an dieser Stelle durch Abraham. Ein historischer Beweis wird vermutlich schwierig. Aus anderen ebenfalls nicht-historischen also Offenbarungsberichten wird geschlussfolgert dass dieses Gotteshaus bereits durch Adam erbaut wurde, und durch Abraham und seinen Sohn Ismael lediglich erneut aufgebaut.

Interessant in diesem Zusammanhang sind aus meiner Sicht neben der koranischen Stelle in Surat Al Hadsch: 26-29, auch die biblischen Stellen im 1. Buche Mose in Bezug auf Abraham und seinen Enkel Jakob und den Ort Bethel (Haus Gottes). Den selben Namen trägt die Kaaba, Beit-Alllah, das Haus Gottes. Auch in Bezug auf Bethel ist von einem besonderen Stein die Rede, der das Tor zum Himmel markiert und als Zeichen seiner Heiligkeit geölt wird.

Der schwarze Stein in Mekka wurde von den Mekkanern als Grundstein Abrahams geehrt. Das Verfahren war streng geregelt. Bereits in seiner vorprophetischen Ära wurde gemäß Berichten Mohammed von den Stämmen der Quraishiten als Mittler herangezogen, als der Stein einmal neu platziert werden musste.

Mohammed war zudem der Überzeugung dass die Kaaba nicht exakt an der Stelle des ursprünglichen Gotteshauses erbaut wurdesondern einige Meter versetzt. Aus diesem Grund wird gesagt habe er während des Umrundens der Kaaba immer nur 2 Ecken berührt.
 

Giacomo_S

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fumarat schrieb:
Na Giacomo du scheinst dir ja ziemlich sicher zu sein, bedarf es dass überhaupt noch der Diskussion? Ich halte es für vermessen Aufzeichnungen islamischer Historiker grundsätzlich als "Räuberpistolen" zu bezeichnen, ich vermute dass du bisher auch keines der maßgebenden Werke in den Händen gehalten hast. Eher scheinst du es zu sein der den Räuberpistolen von Luxenberg&Co. einschließlich des Verfolgungsarguments aufsitzt, vielleicht weil deren Ansichten dein Weltbild stärken?

Was ist der Unterschied zwischen einem Historiker und Gott?
Gott kann die Geschichte nicht ändern. ;)

Die Aufzeichnungen mittelalterlicher Historiker sind, auch im Westen, mit einem gewissen Abstand zu betrachten: Sie neigen zum Fabulieren. Die philologische Methodik der Beweisführung z.B. der Propheten-Biographie und der Hadithliteratur - Methoden, die auch heute noch angewendet werden - würde man keinem westlichen Erstsemesterstudenten eines philologischen Fachs im Westen durchgehen lassen.
Zumal gerade die Hadithliteratur noch nicht einmal in ihrem Umfang genau erfasst ist. Und bereits al-Buchari (810-870) sortierte aus (angeblich) 600.000 ihm vorliegenden Hadithen so viele als doppelt, aber eben auch als Fälschungen oder fromme Erfindungen aus, dass am Ende gerade einmal 2.800 übrig blieben.

fumarat schrieb:
Die islamische Einschätzung ist natürlich umgekehrt. Zuerst die monotheistische Offenbarungsreligion welche im Laufe der Jahrhunderte meist über die Zwischenstufe der Verehrung Gottes über die Mittlerschaft heiliger Personen oder Gegenständen (siehe Heiligenkulte und Reliquien-Verehrung) welche dann wiederum in einem nächsten Schritt entkoppelt ihrer ursprünglichen Bedeutung als reiner "Väterkult" von den späteren Nachkommen im Sinne eines legendenumwobenen Götzenkultes fortgeführt wurde.

Da ist sie wieder - wenn auch etwas verklausuliert - die islamische Doktrin von Abraham als dem ersten Muslim, der "Verfälschung" der Religion über die ihm nachfolgenden Jahrhunderte bis zu Mohammed, der dann die ursprüngliche Religion wieder herstellt.
Außerhalb der biblischen Erzählungen und davon abhängigen Traditionen gibt es keine Nachweise für die Existenz Abrahams. Somit ist der älteste (und umfangreichste, detaillierteste) Bericht zum Leben und Wirken Abrahams, der uns vorliegt, die Tora, heute Teil des Alten Testaments. Auch die Werke islamischer Autoren lassen nicht darauf schließen, es hätten ihnen andere Quellen vorgelegen.

Den Erkenntnissen so mancher "Archäologen" im Heiligen Land muss man mit einer gewissen Vorsicht begegnen: So mancher findet nur das, was er nach seinen persönlichen Glaubensvorstellungen finden will und interpretiert seine Ergebnisse dann dementsprechend (so manche amerikanische "Dokumentation" im Fernsehen, oder noch schlimmer auf YT, verursacht mir daher bestenfalls einen intellektuellen Kopfschmerz - aber keinen echten Wissenszuwachs).
Um so erfrischender sind die Ergebnisse der renommierten israelischen Archäologen Finkelstein und Silberman: Keine Posaunen vor Jericho, Die archäologische Wahrheit über die Bibel.

Am historischen Wahrheitsgehalt des Alten Testaments lassen sie kaum ein gutes Haar. Das kann man als "Beweis" für die "verfälschte Geschichte" sehen; es finden sich in diesem Buch aber auch Informationen, die auch an der frühesten Religionsgeschichte, ja am Prinzip des Monotheismus selbst, eine Reihe von Fragen aufwerfen.
Die archäologische Funde sprechen nämlich eine ganz andere Sprache als spätere religiöse Vorstellungen. Für einen frühen Monotheismus zu Zeiten Abrahams gibt es nämlich keinerlei Belege, wohl aber für einen weit verbreiteten Polytheismus auch noch geschätzte 1.000 Jahre später.

Es sieht nach der Fundlage so aus, als habe sich der Monotheismus überhaupt erst viel später entwickelt, als uns die biblischen Quellen das glauben machen wollen; der Prozess als solcher hat länger gedauert und es gab fraglos auch immer wieder Rückschritte.
Eine Existenz Abrahams im biblischen Sinne sowie die Umdefinition heidnischer polytheistischer Götterfiguren als "Heiligenfiguren, die später selbst zu Gottheiten wurden" erscheint vor diesem Hintergrund höchst fraglich.
 

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