Telepathetic schrieb:Der Punkt, ob den Menschen die Wahl bleibt, sich zu dopen oder nicht, ist einer der ersten gewesen, der mir eingefallen ist.
Berechtigte Frage, in jeglichem Sinne. Auch dann berechtigt, wenn man sie suggestiv und vorwurfsvoll stellen würde. Ich verstehe die Kritik am Prinzip der Neuroenhancer voll und ganz. Nur muss man sich natürlich fragen, was denn die andere Möglichkeit wäre. Im von dir genannten Beispiel: wenn man nicht jedem freistellen würde, das Mittel zu nehmen, dann müsste man es ja entweder verbieten oder den Menschen dahingehend entmündigen, dass er es nur auf ärztliche Verordnung nehmen dürfte. Wäre eine dieser Möglichkeiten hinnehmbar? Ich finde nicht. Und man darf auch fragen, was denn an einem solchen Medikament - tolle Wirkung ohne Nebenwirkungen - eigentlich schlecht wäre.Giacomo_S schrieb:Nehmen wir einmal ein hypothetisches Medikament an - sofern es das nicht bereits schon gibt - welches, völlig ohne Nebenwirkungen, völlig ohne Langzeitschäden uns einfach zu "besseren Menschen" macht: mehr Konzentration, weniger Vergesslichkeit - oder einfach nur besser drauf !
Wäre es da nicht völlig legitim, es einem jedem freizustellen - schließlich schadet es ja auch nicht - es zu nehmen oder nicht ?
Goatboy schrieb:Im von dir genannten Beispiel: wenn man nicht jedem freistellen würde, das Mittel zu nehmen, dann müsste man es ja entweder verbieten oder den Menschen dahingehend entmündigen, dass er es nur auf ärztliche Verordnung nehmen dürfte.
Goatboy schrieb:Wäre eine dieser Möglichkeiten hinnehmbar? Ich finde nicht. Und man darf auch fragen, was denn an einem solchen Medikament - tolle Wirkung ohne Nebenwirkungen - eigentlich schlecht wäre.
Das wird mit Nebenwirkungen begründet. In deinem Beispiel hatte das Medikament ja keine.Giacomo_S schrieb:Diese "Entmündigung" ist doch sowieso medizinische Praxis. Nehme ich Psychopharmaka, die ich mir irgendwie besorgt habe, dann gelte ich als tablettenabhängig und die Pillen als Drogen. Verschreibt sie mir der Arzt, dann bin ich krank und das Psychopharmakum ist ein Medikament.
Das alles hat aber nichts mehr mit dem eigentlichen Thema zu tun. Es ging hier um dein hypothetisches nebenwirkungsfreies Medikament mit ausschließlich positiven Wirkungen, also um ein ethisches Denkbeispiel und nicht um pharmakologische Epidemiologie.Der amerikanische Psychiater Peter D. Kramer ist in seinem Buch Listening to Prozac der Meinung, mit Prozac bereits eine solche Wunderpille gefunden zu haben. Er behandelt sogar Patienten damit, die er im eigentlichen Sinne nicht als krank ansieht.
In seinen Fallbeschreibungen beschreibt er die "Verbesserungen" der Psyche seiner Patienten. Schüchterne werden selbstbewusster, ja überzeugender und machen endlich die berufliche Karriere, die sie verdienen.
Für einen Europäer albern mutet jedoch das Beispiel des Mannes an, dessen Verbesserungen darin bestehen, sich wieder mehr um seine Frau zu kümmern und keine Pornos mehr zu schauen.
Die Geschichte der Pharmazie hat genug Beispiele für "nebenwirkungsarme" Medikamente, die schließlich vom Markt genommen werden mussten. Contergan galt auch einmal als nebenwirkungsarm.
Die Testphase mag seitdem besser und genauer geworden zu sein, aber letztlich kann bis heute keiner voraussagen, was für Folgeschäden durch ständige Medikamenteneinnahme auftreten werden. Dies gilt insbesondere für Langzeitschäden oder schäden durch Kombination verschiedener Medikamente.
Telepathetic schrieb:Ich denke mittlerweile, dass jeder Gesellschaftsentwurf moralisch vertretbar ist, solange jeder Aspekt des Entwurfs auf Freiwilligkeit beruht. Freiwilligkeit setzt bewußte Entscheidung voraus.
Sind gleiche Machtverhältnisse erreichbar?Giacomo_S schrieb:Telepathetic schrieb:Ich denke mittlerweile, dass jeder Gesellschaftsentwurf moralisch vertretbar ist, solange jeder Aspekt des Entwurfs auf Freiwilligkeit beruht. Freiwilligkeit setzt bewußte Entscheidung voraus.
Freiwilligkeit setzt aber gleiche Machtverhältnisse voraus. Und dass sehe ich nicht gegeben.