Was alles wird nur indirekt bewiesen (Widerspruchsbeweis)?

Trestone

Großmeister
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Hallo,

bei Beweisen nimmt der Widerspruchsbeweis bzw. indirekte Beweis
http://de.wikipedia.org/wiki/Reductio_ad_absurdum
ja schon immer eine gewisse Sonderstellung ein:

Er wird zwar (außer von den Konstruktivisten) häufig benutzt,
aber da er oft zu überraschenden Ergebnissen führt,
bleibt ein gewisses Unbehagen.
(Auch bei mir, daher der thread)

Ich möchte hier einmal sammeln,
in welchen Gebieten und Fragestellungen der Widerspruchsbeweis zum Einsatz kommt.

Mir fallen dazu ein:

Logik: Lügner-Satz bzw. –Paradox
Mengenlehre: Cantorsche Diagonalisierung, Überabzählbarkeit, Russellmenge
Arithmetik: Gödelsche Unvollständigkeitssätze
Informatik: Halteproblem
Physik: Bellsche Ungleichung, Zeitreisen in die Vergangenheit
Philosophie: Unvereinbarkeit von Geist- und Körpervorstellungen

Bitte erweitern, gern auch detaillierter!

Gruß
Trestone
 

Mr. Anderson

Ehrenmitglied
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Zusätzlich zu dem bereits Gesagten fällt mir spontan nur der Beweis ein, dass die Wurzel aus 2 eine irrationale Zahl ist.
 

Trestone

Großmeister
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12. April 2002
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Hallo,

insgesamt sind es schon spannende Themen,
bei denen Widerspruchsbeweise eine Rolle spielen.

Daher lohnt es sich, über „Alternativen“ nachzudenken.

Bzgl. der indirekten Beweise nehme ich eine Position „zwischen“ Formalisten und Konstruktivisten ein:

Ich erkenne indirekte Beweise als Beweismethode zwar „im Prinzip“ an,
aber lehne die meisten konkreten indirekten Beweise ab.

Der Schlüssel dafür ist die von mir entworfene Stufenlogik,
die neben Aussagen jeweils auch noch Stufen kennt
und Wahrheitswerte nur für Aussagen je Stufe definiert.
Damit kann ich Aussagen gewissermaßen markieren und unterscheidbar machen,
die klassisch alle identisch sind.

Details zur Stufenlogik vgl.
http://www.ask1.org/fortopic20575.html

Als Beispiel betrachte ich den Cantorschen Beweis,
dass es keine Bijektion f zwischen einer Menge M und ihrer Potenzmenge P(M) geben kann:

EINSCHUB für an Details Interessierte (START):

Man nimmt an, es gäbe eine Bijektion f von M auf P(M) und bildet dann die Menge Af,
die genau aus allen M-Elementen x besteht, die nicht in ihrem Bild f(x) liegen:

Af:= Menge aller x : x –e f(x) ( und x e M )

Da Af selbst eine Menge aus M-Elementen ist,
also ein Element der Potenzmenge P(M),
muss es nach Annahme auch ein x0 geben mit f(x0) = Af.

Dies führt aber auf einen Widerspruch:
1. Fall: Es gilt x0 e f(x0), dann liegt x0 nicht in Af, also x0 –e Af = f(x0), ein Widerspruch!
2. Fall: Es gilt x0 -e f(x0), dann liegt x0 in Af, also x0 e Af = f(x0), ein Widerspruch!

Also ist die Existenz der Bijektion f nicht möglich und der indirekte Beweis dazu geführt.

In der Stufenlogik werden nun Aussagen bzw.Eigenschaften (wie „x0 e f(x0)“) mit „Ebenen bzw. Stufen“ verknüpft.
Wenn nun das erste „x0 e f(x0)“ einer anderen Stufe angehört als der abgeleitete Widerspruch „x0 –e f(x0)“, so liegt gar kein Widerspruch vor,
sondern nur eine unterschiedliche Eigenschaft in unterschiedlichen Stufen,
der indirekte Beweis ist also mit Stufen nicht mehr gültig.

Wobei der indirekte Beweis gültig bliebe, wenn sich alle Argumente in der gleichen Stufe abspielen würden,
was bei den von mir überprüften Beispielen aber nie der Fall war.

In gewisser Weise gilt in der Stufenlogik ein „tertium datur“,
denn eine Aussage kann in unterschiedlichen Stufen ja zugleich wahr und falsch sein.

(Dass ich aus praktisch/formalen Gründen einen dritten Wahrheitswert „u“ in der Stufenlogik benutze
ist davon weitgehend unabhängig und nicht so entscheidend.)

Und genau diese Stufenunterschiede ergeben sich bei Anwendung der Stufenlogik.

(Hinweis "-=" steht für "ungleich", "-w" steht für "f" (falsch) im Gegensatz zu "w" (wahr) und "u" für (undefiniert/unbestimmt).)

Wie ist das mit der Diagonalmenge Af in der Stufenmengenlehre?

Sei eine Stufe t0 gegeben und f eine Bijektion von M auf P(M) in Stufe t0.
Wir bilden nun analog:
W( x e Af, t+1) := W ( W(x e f(x), t) -= w , t+1 ) & W( W( x e M, t0)=w , t+1)

Wieder muss es ein x0 geben mit W( x0 e M, t0)=w und f(x0) = Af.

1. Fall: W(x0 e f(x0), t) = w .
Dann ist W( x0 e Af, t+1) = W ( W(x0 e f(x0), t) -= w , t+1 ) & W( W( x0 e M, t0)=w , t+1) = W ( -w, t+1) & w = -w, d.h. W(x0 e f(x0), t+1) = -w.
Dies ist kein Widerspruch, da es um verschiedene Stufen geht.
(Mit der gleichen Stufe t+1 auf beiden Seiten wäre die Definition von x e Af nach Stufenregeln nicht zulässig)

2. Fall: W(x0 e f(x0), t) = u .
Dann ist W( x0 e Af, t+1) = W ( W(x0 e f(x0), t) -= w , t+1 ) & W( W( x0 e M, t0)=w , t+1) = W ( w, t+1) & w = w, d.h. W(x0 e f(x0), t+1) = w.

Dies ist kein Widerspruch, da es um verschiedene Stufen geht.

3. Fall: W(x0 e f(x0), t) = -w .
Dann ist W( x0 e Af, t+1) = W ( W(x0 e f(x0), t) -= w , t+1 ) & W( W( x0 e M, t0)=w , t+1) = W ( w, t+1) & w = w, d.h. W(x0 e f(x0), t+1) = w.

Dies ist kein Widerspruch, da es um verschiedene Stufen geht.

Strenggenommen wäre der Beweis allein noch nicht stichhaltig, da eine andere Definition von Af zum Ziel führen könnte,
aber der direkte Beweis über die Allmenge liegt vor, denn in der Stufenmengenlehre ist die Allmenge zulässig und gleich ihrer Potenzmenge.

EINSCHUB für an Details Interessierte (ENDE):

Auch ohne Widerspruchsbeweise ganz zu verbieten kann man in der Stufenlogik
die gängigen Beweise widerlegen bzw. als nicht anwendbar erweisen.
Dafür hat man eine etwas kompliziertere und etwas künstlich konstruierte Aussagenlogik,
die sich bei Selbstbezüglichkeiten ganz gut schlägt.

Was das gerade für philosophische Fragestellungen bedeutet, bleibt noch zu klären.

Gruß
Trestone
 

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