kontext-sensitive Logik - Antwort auf Paradoxien?

Trestone

Großmeister
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Hallo,

Ich habe ja schon mehrere Vorstöße unternommen,
die Logik so zu erweitern/verändern,
dass die klassischen Paradoxien vermieden bzw. integriert werden.

Der vielversprechendste bisher war wohl die „Stufenlogik“ (vgl. http://www.ask1.org/fortopic20192.html ).
Hier gefällt mir v.a. die Stufe Null, in der als Ursprung aller logischen Wahrheiten alle Aussagen ungewiss sind.
Aber die Stufenlogik ist relativ weit von unserer klassischen Alltagslogik entfernt
und erscheint etwas sehr ad hoc konstruiert.

Daher unternehme ich nun einen neuen, hoffentlich einfacheren Versuch:
Die Konstruktion einer kontext-sensitiven Logik.

Die Grundidee ist die folgende:

Klassisch gilt: Wenn eine Aussage A wahr ist,
dann ist auch wahr, dass sie wahr ist (und umgekehrt).

In Zeichen: I) W(A) = w <-> W ( W(A) = w ) = w

Nun besteht aber zwischen dem W(A) auf der linken Seite des Doppelpfeiles und dem W(A) auf der rechten ein kleiner (formaler) Unterschied:
Das rechte W(A) ist in eine W( ..)-Klammer eingebettet (ist in eine Meta-Aussage höherer Stufe eingebettet.)

Ich will nun betrachten was geschieht, wenn Beziehung I) nicht mehr für alle Aussagen gilt.

Konkret will ich zulassen, dass W(A)=w gilt und W(W(A)=w) = -w.

Dazu führe ich eine kontextsensitive Substitutionsregel (Ersetzungsregel) ein:

W1(A) sei der logische Wahrheitswert, der für W(A) eingesetzt werden darf,
wenn W(A) nicht innerhalb eines weiteren Aufrufes W(…) steht.

Und W2(A) sei der Wert, der für W(A) einzusetzen ist, wenn W(A) innerhalb eines weiteren Aufrufes W(…) steht.

Da ich für W2(A) neben den beiden klassischen Wahrheitswerten w und –w auch noch einen dritten u (wie ungewiss) benutzen will,
lasse ich auch bei W1(A) diese drei Werte zu (benutze also eine dreiwertige Logik).

Um nicht zu willkürlich zu werden, gelte folgende Stetigkeitsregel
(Idee: kein Umschlag ins Gegenteil oder in Genaueres):

W1(A) = w -> W2(A) -= -w
W1(A) = -w -> W2(A) -= w
W1(A) = u -> W2(A) = u

Es sind also folgende fünf Kombinationen (Aussage-Typen) zulässig:
1. ww: W1(A) = w und W2(A) = w
2. -w-w: W1(A) = -w und W2(A) = -w
3. uu: W1(A) = u und W2(A) = u
(Die ersten beiden entsprechen klassischer 2-wertiger Logik, mit der dritten ist es klassische 3-wertige Logik)
4. wu: W1(A) = w und W2(A) = u
5. -wu: W1(A) = -w und W2(A) = u
(Diese beiden sind kontext-sensitiv und nicht klassisch)

Nun können wir uns klassische Paradoxa ansehen:

1) Der Lügner: „Diese Aussage ist nicht wahr“
L := W(L) -= w

Wir wenden nun W(..) auf beiden Seiten an:

GL1) : W(L) = W ( W(L) -= w ) also W1(L) = W ( W2(L) -= w )

Wir betrachten nun die fünf möglichen Typen:

1. Fall: L vom Typ ww, d.h. W1(L)=w und W2(L)=w.
Eingesetzt in GL1) ergibt sich:
w = W ( w -= w ) = -w , ein Widerspruch!

2. Fall: L vom Typ –w-w, d.h. W1(L)=-w und W2(L)=-w.
-w = W ( -w -= w ) = w , ein Widerspruch!

3. Fall: L vom Typ uu, d.h. W1(L)=u und W2(L)=u.
u = W ( u -= w ) = w , ein Widerspruch!
L ist also klassisch weder 2- noch 3-wertig eine zulässige Aussage.

4. Fall: L vom Typ wu, d.h. W1(L)=w und W2(L)=u.
Eingesetzt in GL1) ergibt sich:
w = W ( u -= w ) = w , kein Widerspruch, d.h. dieser Typ von L erfüllt die Bedingung.

5. Fall: L vom Typ -wu, d.h. W1(L)= -w und W2(L)=u.
-w = W ( u -= w ) = w , ein Widerspruch.

Nun könnte man einen kontext-sensitiven Lügner konstruieren,
der auch paradox ist:

L2 := ( W(L2) -= w und W1(L2) -= w )

GL2): W1(L2) = W ( W2(L2) -= w und W1(L2) -= w )

1. Fall:
w = W ( w -= w und w -= w ) = -w , ein Widerspruch.
2. Fall:
-w = W ( -w -= w und -w -= w ) = w , ein Widerspruch.
3. Fall:
u = W ( u -= w und u -= w ) = w , ein Widerspruch.
4. Fall:
w = W ( u -= w und w -= w ) = -w , ein Widerspruch.
5. Fall:
-w = W ( u -= w und -w -= u ) = w , ein Widerspruch.

Aber in G2 taucht W1 innerhalb einer W(.)-Klammer auf,
das ist nicht zulässig (da es eine W2-Stelle ist).

Generell möchte ich W1(..) und W2(..) dem expliziten Zugriff entziehen,
d.h. bei der Definition von Aussagen dürfen sie nur sehr eingeschränkt verwendet werden (analog zu Quarks sind sie meist gebunden …).
Bei der Definition von Aussagen soll also möglichst nur W(…) benutzt werden.

Aber auch so kann man weiter versuchen, Paradoxa zu formulieren:

L3:= ( W(L2) -= w und W(L2) -= u und W(L2) -= -w )
GL3): W1(L2) = W ( W2(L2) -= w und W2(L2) -= u und W2(L2) -= -w )

1. Fall:
w = W ( w -= w und w -= u und w -= -w ) = -w , ein Widerspruch.
2. Fall:
-w = W ( -w -= w und -w -= u und -w -= -w ) = -w , ein möglicher Fall.
3. Fall:
u = W ( u -= w und u -= u und u -= -w ) = -w , ein Widerspruch.
4. Fall:
w = W ( u -= w und u -= u und u -= -w ) = -w , ein Widerspruch.
5. Fall:
-w = W ( u -= w und u -= u und u -= -w ) = -w , ein möglicher Fall.

L3 ist zwar nicht eindeutig, aber nicht paradox.

(Damit sind Paradoxien natürlich noch nicht ausgeschlossen)


In der Mengenlehre kann man definieren:

W (x e M) = W ( F o W(A(x) )
d.h. hat man eine Eigenschaft A(x) und eine logische Funktion F, so kann man damit die Elemente einer Menge M beschreiben
(benötigt aber die 2. Wahrheitsstufe).

Wir betrachten die Russell-Menge R:
W (x e R) := W ( W(x e x) -= w ); Also A(x) ist hier „x e x“ und F(y) ist „y -= w“
Also gilt: W1(R e R) = W ( F o W2(R e R) ) = W ( W2( R e R) -= w ).
Wieder ist hier Ty p 4 die Lösung:
W1(R e R) = w und W2(R e R) = u: w = W (u -= w) = w.

Es gilt also W(R e R) = w und W ( W(R e R) ) = u.

Zwar könnte man neben W1(..) und W2(..) allgemeiner Wk(..) definieren,
aber falls man die Mathematik schon nur mit einer Zusatzstufe aufbauen kann,
(evtl. benötigt man sogar 3 grade, s.u.) will ich im Interesse der Einfachheit zunächst darauf verzichten.

Die Gleichheitsrelation ist noch eine entscheidende Beziehung;

In der Logik:
A = B := genau dann, wenn W1(A) = W1(B) und W2(A) = W2(B)

Unschön: Hier benötige ich meine Wahrheitsbausteine W1, W2 explizit.

Alternativ:

A = B := genau dann, wenn W(A) = W(B) und W(W(A)) = W(W(B))

In der Mengenlehre:

M1 = M2 := genau dann wenn für alle x gilt: W(x e M1) = W(x e M2) und W(W(x e M1)) = W(W(x e M2)).

Nachfolgermenge n´:

W(x e n´) := W(x e n) v W( x = n ) = W(x e n) v W( Für alle z gilt: W(z e x) = W(z e n) und W(W(z e x)) = W(W(z e n)) )

Hier tauchen sogar W im dritten Grad auf, was dafür spricht, dass die natürlichen Zahlen besonders paradoxie-anfällig sind.

Soviel zunächst zum Auftakt.

Gruß
Trestone
 

Trestone

Großmeister
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Hallo,

Ich will die Regeln (m)einer kontext-sensitiven Logik (= KSL) noch genauer untersuchen.

Offensichtlich wird neben dem direkten Wahrheitswert W1(A) einer Aussage A
auch noch der (indirekte, kontextabhängige) Wahrheitswert W2(A) von A benötigt,
wenn nach dem Wert von A in einer Metaaussage gefragt wird.

Erst wenn man beide kennt, ist A KSL-logisch bestimmt.

Ich hatten die 5 möglichen Belegungen (w1,w2) für W1(A) und W2(A) schon genannt.
Jetzt will ich sie etwas „logischer“ anordnen:

ww: „klassisch wahr“, kurz „wahr“
wu: „halbwahr“
uu: „unbestimmt“
-wu: „halbfalsch“
-w-w: ,klassisch falsch“, kurz „falsch“

Sind A und B KSL-Aussagen, so auch –A, A und B, A oder B und es gilt:
W1(-A) = -W1(A); W2(-A) = -W2(A).
W1(A und B) = W1(A) und W1(B) ; W2(A und B) = W2(A) und W2(B) ;
Analog mit “oder”.
Dies zeigt man mit Wahrheitswertabellen und den Regeln –u = u. (u und –w) = -w, (u und w) = u , usw.

Für „blanke“ Wahrheitswerte setzen wir fest:
W(w)=w; W(u)=u; W(-w) = -w und W2(w)=w; W2(u)=u; W2(-w)=-w (also klassisch).

Der Unterschied zu einer fünfwertigen klassischen Logik ist v.a. der folgende:

Aus W(A) = w folgt nicht W( W(A) ) = w, denn wenn A halbwahr ist gilt:
W(A)=W1(A)=w und W(W(A))=W(W2(A))=W(u)=u.

Und sogar: W(A)=w aber W(W(A)=w) = W(W2(A)=w) = W(u=w) = -w.

Gruß
Trestone
 

Trestone

Großmeister
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Hallo,

In der KSL-Logik sorgt v.a. die Gleichheit (zumindest bei mir) für Verwirrung.

Bisher habe ich das Gleichheitszeichen „=“ sowohl dafür verwendet,
um die Gleichheit von Aussagen „A=B“ zu beschreiben,
und ebenso, um den Wert einer Aussage „W(A)=w“ anzugeben,
oder die typweise Wertgleichheit „W1(A)=W1(B) und W2(A)=W2(B)“ anzugeben.

Bei Aussagen will ich künftig ein doppeltes Gleichheitszeichen verwenden
und das einfache für Wahrheitswerte W(…):

A == B := ( W(A) = W(B) und W(W(A)) = W(W(B)) )

Die Gleichheit bei Wahrheitswerten ist dabei ganz klassisch (dreiwertig) definiert:
W(w=w)=w, W(w=u)=-w; W(w=-w)=-w, W(u=w)=-w; W(u=u)=w; W(u=-w)=-w,
W(-w=w)=-w, W(-w=u)=-w, W(-w=-w)=w

Dazu noch W(w)=w, W(u)=u, W(-w)=-w und
W(W(w))=w, W(W(u))=u, W(W(-w))=-w.

Die Leibnizsche Ersetzbarkeit (sind x und y gleich, so auch F(x) und F(y) für beliebige F – und umgekehrt)
ist bei KSL-Logik nicht immer gegeben:

W(A) = w und W(W(A)) = u ist möglich, also wird für eine Funktion F (nämlich hier W) die Ersetzbarkeit nicht erfüllt.

Wäre W(A) == w, so würde W(W(A)) = w = W(w) gelten (und die Ersetzbarkeit wäre erfüllt).

Man kann auch von „innerer“ und „äußerer“ Gleichheit sprechen:
Bei Mengen liegt (klassisch) „innere“ Gleichheit z.B. vor, wenn zwei Mengen alle Elemente gemeinsam haben.
Und „äußere“, wenn man sie in allen Funktionen und Fragestellungen jeweils durch einander ersetzen kann, und stets gleiche Resultate erhält.

Klassisch fallen innere und äußere Gleichheit stets zusammen, bei KSL-Logik wie gezeigt nicht immer.

Übergang von W(A) zu W(W(A)):

Es gibt zwei Fälle:
1. Fall: W(W(A)) = W(A) , d.h. W2(A) hat den gleichen Wert wie W1(A) (also der klassische Fall)
2. Fall: W(W(A)) = u. (Falls W(A) -= u der nicht-klassische Fall)

(Für W(A)=u fallen beide Fälle zusammen.)

Da man zur vollständigen Definition von Aussagen die beiden Werte W(A) und W(W(A)) benötigt,
kann man z.B. W(A) definieren und dann noch angeben, welcher Fall vorliegt.

Gruß
Trestone
 

Gammel

Großmeister
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Trestone schrieb:
Die Gleichheit bei Wahrheitswerten ist dabei ganz klassisch (dreiwertig) definiert:
W(w=w)=w, W(w=u)=-w; W(w=-w)=-w, W(u=w)=-w; W(u=u)=w; W(u=-w)=-w,
W(-w=w)=-w, W(-w=u)=-w, W(-w=-w)=w

Warum gehst du hier auf die zweiwerige Logik zurueck? (u taucht
auf der rechten seite nicth mehr auf)
Warum ist nicht W(u=u)=u, W(u=-w)=u, ...

Waere es nicht konsequenter deine dreiwertige Logik auf jeder ebene beizubehalten ?
 

Trestone

Großmeister
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Gammel schrieb:
Trestone schrieb:
Die Gleichheit bei Wahrheitswerten ist dabei ganz klassisch (dreiwertig) definiert:
W(w=w)=w, W(w=u)=-w; W(w=-w)=-w, W(u=w)=-w; W(u=u)=w; W(u=-w)=-w,
W(-w=w)=-w, W(-w=u)=-w, W(-w=-w)=w

Warum gehst du hier auf die zweiwerige Logik zurueck? (u taucht
auf der rechten seite nicth mehr auf)
Warum ist nicht W(u=u)=u, W(u=-w)=u, ...

Waere es nicht konsequenter deine dreiwertige Logik auf jeder ebene beizubehalten ?

Hallo Gammel,

mit dieser Variante habe ich auch experimentiert.
Man könnte sie so deuten, dass überall wo "u" steht,
sowohl "w" als auch "-w" eingesetzt werden,
und wenn sich unterschiedliche Ergebniswerte ergeben,
ist das Ergebnis "u".

Ich habe mich für die Eigenständigkeit von "u" entschieden,
d. h. es steht nicht für unser Nichtwissen und ist "eigentlich" doch "w" oder "-w" ,
sondern ist ein dritter Wahrheitswert, der weder w noch -w ist.

dieser Ansatz hat den Vorteil, dass man aus unbestimmten Teilen doch bestimmte Gesamtergebnisse erzielen kann.
(Vereinfacht vermutlich den Aufbau natürlicher Zahlen)

Aber im Hinterkopf sollten wir uns merken,
dass bei dreiwertiger Logik noch einige Freiheitsgrade sind.

Gruß
Trestone
 

Trestone

Großmeister
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Hallo,

Die kontextsensitive Logik hat einen Schönheitsfehler:

Weil sie kontextsensitiv ist, kann man in ihr nicht direkt über die Wahrheit von W(A) bzw. W1(A) sprechen,
da dann jeweils W2(A) einzusetzen ist.

Dies wird aber schon für die grundlegenden Axiome und Definitionen benötigt,
wie z.B. “W(A) kann genau einen der drei Werte w,u,-w annehmen“.

Durch geschickte ad hoc Konstruktionen kann man diesen Mangel zwar vielleicht beheben,
aber ich wende mich nun lieber wieder der Stufenlogik zu.

Vgl. dazu folgenden thread:

http://www.ask1.org/fortopic20192.html

Gruß
Trestone
 

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