Kachelmann und die Medien

Sedge

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Zumindest in der Boulevard-Presse war es prominentes Thema: Der Prozess um Jörg Kachelmann.

Und jetzt, nach der Urteilsverkündung keimt Kritik an der Rolle der Medien auf:
"Wir werden prüfen müssen, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, wo der bloße Vorwurf eines Fehlverhaltens zu einer derartigen Vernichtung bereits vor dem Urteil führt." Bei dem Prozess hätten eigentlich alle versagt.
http://www.stern.de/panorama/reaktionen-nach-dem-urteil-kachelmann-wettert-gegen-burda-1691053.html


Darf das sein? Haben "die Medien" eine kontrollierende Aufgabe? Ist die Beeinflussung zu stark?
 

wintrow

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In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung, daran haben sich auch die Medien zuhalten.
 

wintrow

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Wer hat gesagt das gegen die Unschuldsvermutung verstossen wurde?
 

antimagnet

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punkt für dich. aber warum postest du dann diese forderung, wenn sie eh erfüllt wurde?
 

wintrow

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@antimagnet
War nur als ein Versuch einer Antwort für die Fragen von Sedge gedacht, sprich die Tatsache das es halt so in Deutschland geregelt ist.
 

Mr. Anderson

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wintrow schrieb:
In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung, daran haben sich auch die Medien zuhalten.
Da würde ich sagen: Jein. Die Unschuldsvermutung ist zunächst einmal eine Sache zwischen Bürger und Staat. Dass sie überhaupt existiert, liegt vermutlich daran, dass wir (als Gesellschaft) keine vorschnellen und somit potenziell falschen Verurteilungen von Personen wollen (schon gar nicht gegen uns selbst ;) ). Das wiederum bedingt wohl auch, dass wir uns wünschen, dass die Medien sich ebenso verhalten sollten (ganz abgesehen mal von der Frage der Sittlichkeit).
Aber andererseits müssen meiner Meinung nach die Medien auch mehr dürfen als der Staat.
 

Simple Man

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Naja, Mr. Anderson, nun gibt es in Deutschland aber Ziffer 13 des Presskodex, die unter anderem folgendes besagt:
Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.
 

Mr. Anderson

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Ja, OK, das fällt aber in den Bereich der journalistischen Ethik; das ist schon ein ganz anderes Kaliber als die Unschuldsvermutung im Strafverfahren.
 

wintrow

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@Mr. Anderson
Hm ich denke das ist ganz deutlich in den von simple man aufgelisteten Passus geregelt. Es steht ja drin auch für Strafverfahren. Und warum sollte die Presse sich nicht an die vorgegebenen Gesetze halten müssen? Kachelmann wurde freigesprochen, aber sein Ruf ist ruiniert. Ist halt ne heikle Sache, gerade hier wünsch ich mir journalistische Objektivität.

Gut die Bild kann man da getrost rausnehmen, die haben von solchen Regeln nie was gehört. :rofl:
 

Mr. Anderson

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wintrow schrieb:
Und warum sollte die Presse sich nicht an die vorgegebenen Gesetze halten müssen?
Da muss man an mehreren Stellen differenzieren. Der Pressekodex ist ja kein "Gesetz". Dass sich Vorverurteilungen aber trotzdem nicht gehören, dürfte wiederum klar sein.
Andererseits halte ich es auch für legitim, wenn z. B. ein Journalist eindeutige Beweise für eine Behauptung hat, die sich auf ein Vorkommnis bezieht, das eine Straftat darstellt, und diese dann veröffentlicht, auch ohne dass die betreffende Person bereits verurteilt wurde. Zum Beispiel wäre es imho in Ordnung, wenn ein Journalist schreibt: "Anton haut Bernd auf die Nase", sofern dazu z. B. ein Video vorliegt. Oder: "Cäsar verkauft Gammelfleisch an Dora" etc. Die entsprechende Beweislage immer vorausgesetzt.
 

agentP

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Wenn gegen Anton oder Cäsar deswegen gerade ein Strafverfahren läuft, könnte das trotzdem immer noch ethisch problematisch sein, weil ein Gericht bei weitem mehr in ein Urteil einzubeziehen hat, als meinetwegen 1min Video. Was ist wenn z.B. in der Folge durch Medienaufmerksamkeit und öffentlichen Druck z.B. mildernde Umstände nicht ausreichend gewürdigt werden, die sich aus Dingen ergeben, die in dem Video nicht zu sehen sind.
Dass sich eine ganze Nation von Laien samt Boulevardpresse wegen eines Videos empört, konnte man neulich gut sehen, als der U-Bahn Schläger nicht in U-Haft musste. Dass es dafür gar keine rechtliche Grundlage gegeben hätte wird dann ebenso ignoriert, wie die Tatsache, dass das mitnichten heißt, dass er im eigentlichen Verfahren nicht verurteilt werden wird. Nur: Welchen Druck baut diese Empörung nun für das Verfahren auf? Und wer wird das zu seinem Vorteil nutzen? Der Staatsanwalt oder der Verteidiger?
Ich finde das problematisch.
 

Mr. Anderson

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Wenn zu dem Vorkommnis ein Strafverfahren bereits läuft, dann kann das in der Tat problematisch sein, zumindest wenn dort unangemessen Druck aufgebaut wird. Woran ich oben allerdings dachte, war eher sowas wie die "Enthüllung" einer bisher unbekannten Sache.

Man kann jetzt übrigens natürlich 100 Seiten lang darüber diskutieren (was ich allerdings nicht tun werde ;) ), wie die Art der Berichterstattung aussehen sollte, z. B. welche Formulierung man wählt, welche Begleitumstände einen dazu veranlassen können, mit Werturteilen zurückhaltend zu sein etc.; dazu gehört vmtl. auch eine gewisse Erfahrung in dem jeweiligen Gebiet.
Mein Punkt ist aber einfach nur, dass ich es allgemein für legitim halte, die Tatsache zu berichten, dass es passiert ist ("Anton haut Bernd"); auf jeden Fall dann, wenn es in Form der Evidenz gegeben ist. Das wäre übrigens auch zu unterscheiden von einer Behauptung à la: "Anton ist schuldig einer gefährlichen Körperverletzung".
Wenn die Boulevardpresse diese Unterscheidung nicht treffen kann, irgendwelche Begleitumstände ignoriert bzw. gar nicht erst in Erwägung zieht, und dann auf eine völlig inkompetente, ignorante und sensationsgeile Art "berichtet", dann ist das natürlich, ̣gelinde gesagt, unredlich und unethisch (mir fällt gerade kein passendes, schärferes Wort ein).

Über die Art der Berichterstattung würde dann natürlich ebenfalls wieder in den Massenmedien diskutiert werden; und da stellt sich z. B. auch wieder die Frage: Darf z. B. die "Welt" behaupten, die "Bild" habe gelogen und verleumderische Tatsachen verbreitet? Man kann das wahrscheinlich auch unendlich weiter führen.

Nunja, falls das jetzt irgendwie untergegangen sein sollte: Was ich glaube ist jedenfalls, dass es kein Ausschlusskriterium dafür sein darf, worüber man berichten darf, dass die berichtete Tatsache u. a. auch eine Straftat darstellt. Entscheidend ist m. M. n. das öffentliche Interesse, die Belege und die Art der Berichterstattung.
 

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