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Schwachsinn erheblichen Grades
Das hatten Ärzte bei dem Triebtäter Wilfried Sabasch diagnostiziert. Trotzdem kam er frei - und vergewaltigte ein junges Mädchen. Mehr als ein Justizskandal
von Claus Hornung
Erleichtert, mit einem stillen Lächeln folgt die 21-jährige Silvia S. den Worten des Richters. Ihr Vergewaltiger Wilfried Sabasch, der ihr im Gerichtssaal gegenübersitzt, zeigt keine Regung. "Sabasch ist eine tickende Zeitbombe", sagt der Vorsitzende Richter Eberhard Hülsing vom Landgericht Itzehoe. Er verurteilt ihn zu zehn Jahren Haft und anschließender Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt. Bis zu seinem Lebensende wird der Triebtäter in der geschlossenen Psychiatrie bleiben müssen - dort, wo er schon mehr als 30 Jahre war, bevor eine überengagierte Anwältin und das Magazin "Stern" ihm zur Freiheit verhalfen.
Damit geht ein Prozess zu Ende, der die Volksseele zum Kochen gebracht hatte. Es ist der Fall eines Triebtäters, der allen Warnungen zum Trotz freikam. Es ist der Fall, der das Leben einer jungen Frau veränderte. Silvia S. arbeitete als Verkäuferin, hatte einen festen Freund, sie war ein lebensfrohes Mädchen. Bis zum Nachmittag des 25. Juli des vergangenen Jahres. Mit einer Pistole überfiel Sabasch Silvia S. auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums in Uetersen bei Hamburg, entführte sie in ein Waldstück, fesselte sie mit Handschellen, vergewaltigte sie mehrfach. Seit diesem Sommertag kann Silvia S. nicht mehr arbeiten, sie kann nicht mehr allein zu Hause sein, nicht mehr allein einschlafen.
Doch sie kann kämpfen - und wagte den Schritt in die Öffentlichkeit: Sie spricht mit Journalisten, tritt sogar in einer Fernseh-Talkshow auf. Sie will diesen unsäglichen Fall in die Öffentlichkeit tragen, publik machen, wie viel in diesem Prozess, wie viel auch in diesem Land schief gelaufen ist.
Schief lief schon das Leben von Wilfried Sabasch. Bereits als Kleinkind gilt er als schwierig, seine Mutter stirbt, als er zehn ist. Wilfried landet in einem Erziehungsheim, kommt immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Mit 13 will er eine Frau mit einem Messer in der Hand zwingen, sich auszuziehen, kommt in die Erwachsenenpsychiatrie. Zwei Jahre später greift er erneut eine Frau an. Ein Arzt diagnostiziert "Schwachsinn erheblichen Grades" - und Sabasch landet in der geschlossenen Psychiatrie in Neustadt. 31 Jahre blieb der heute 49-Jährige dort, immer wieder verhindern Gutachten seine Freilassung. Bis die Rechtsanwältin Christa Peter sich des Falles annimmt, Schlampigkeiten in den Gutachten entdeckt - und zu kämpfen beginnt. Sie kann das Magazin "Stern" dazu bewegen, ein neues Gutachten in Auftrag zu geben, das Sabasch "Ungefährlichkeit" bescheinigt. Das Magazin widmet dem Fall Sabasch sieben Seiten mit dem Titel: "Lasst diesen Mann frei". Das Gegenteil von gut ist allzu oft gut gemeint.
Im April 2002 kommt Sabasch frei, wenige Wochen später überfällt er Silvia. Vor Gericht setzt sich für die 21-Jährige das Martyrium fort. Wieder findet der Täter engagierte Fürsprecher. Sein Rechtsanwalt Achim Lüdeke will erreichen, dass Sabasch für schuldfähig befunden wird. Nur so könnte der Triebtäter nach der Haft freikommen, statt in die Psychiatrie zurückzukehren. Lüdeke zweifelt Silvias Todesängste an, erspart ihr kein Detail bei der Tatschilderung. Wie sie sagen könne, dass es Sperma war, wenn sie doch nie zuvor Oralverkehr gehabt haben will, fragt er sie. In der Urteilsbegründung wird Richter Hülsing ihm vorwerfen, er habe Silvia S. "ein zweites Mal vergewaltigt, diesmal seelisch".
Damit nicht genug: Um eine Begutachtung von Sabasch beginnt ein Tauziehen, das schließlich den Prozess kurz vor der Urteilsverkündung im Januar platzen lässt. Im April wiederum ist es Sabasch, der für die Überraschung sorgt. "Ich ziehe mein Geständnis zurück", verkündet er. Lüdeke gibt daraufhin sein Mandat an einen Pflichtverteidiger ab. Ihm stellt sich freiwillig eine weitere Anwältin zur Seite. Sie ist eine alte Bekannte: Christa Peter, die Frau, die Sabasch die Freiheit verschaffte, setzt den Kampf fort, den sie schon vor seiner Entlassung gefochten hat. Auch in der Talkshow "Beckmann", in der Christa Peter am Montag mit Silvia S. konfrontiert wird, bleibt die Anwältin bei ihrer Auffassung, Sabasch sei das erste Opfer in diesem Fall. Vor Gericht widerspricht sie dem Gutachter, der Sabasch eine Persönlichkeitsstörung und Wiederholungsgefahr attestiert. Ob nicht die Zeit in der Psychiatrie Sabasch erst zu dem Menschen gemacht habe, der er ist, will sie wissen. Mehrfach ermahnt Richter Hülsing sie: "Wir müssen über den Menschen urteilen, der Wilfried Sabasch heute ist."
Gestern wurde Hülsing noch deutlicher: "Ein Anwalt, der die Gefährlichkeit von Sabasch nicht begreifen will, verkennt die Realität und macht sich an weiteren Opfern mitschuldig."
Für das Opfer und ihren unermüdlichen Vater ist das Strafmaß ein Trost und die Bestätigung, dass sich ihr Engagement gelohnt hat. Doch die erste Freude dürfte vermutlich rasch der Realität weichen. In den nächsten Tagen beginnt die 21-Jährige eine Therapie in Süddeutschland. Der "Stern", der sich gestern nicht mehr zu dem Fall äußern wollte, aber vorher eine "Mitverantwortung" einräumte, wird sie bezahlen. Auf dieser Therapie ruhen auch die Hoffnungen des Vaters: "Silvia muss endlich Zeit für sich haben, um das hier zu verarbeiten." Doch etwas in ihrer Seele, fügt er hinzu, sei für immer zerstört.
Quelle: http://www.welt.de/data/2003/05/16/95717.html?s=1
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