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Ehrenmitglied
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Das klingt durchaus interessant - das Paper werde ich bei Gelegenheit sicher ganz lesen. Aber zumindest das Abstract und die in denjenigen Tabellen, auf die ich hier gerade frei zugreifen kann, präsentierten Ergebnisse lassen m.E. viele Fragen offen:Simple Man schrieb:Persistent cannabis use was associated with neuropsychological decline broadly across domains of functioning, even after controlling for years of education.
1. Dass die Kontrolle der Schuljahre (siehe Abstract) allein keine maßgebliche Veränderung bringt, ist m.E. nicht überraschend. Andere Kontrollen wären m.E. viel interessanter (bspw. familiäre Aspekte, aber v.a. potentiell zeitveränderliche Merkmale, siehe Punkt 3), auch da Cannabis-Konsum heutzutage teils starke subkulturelle Züge hat.
2. Insbesondere in Hinblick auf die Ergebnisse der Regressionsanalysen (siehe die Supplemental Tables 1-2) wurde offenbar lediglich für Geschlecht kontrolliert und selektiv verschiedene andere Abhängigkeiten sowie Schizophrenie herausgerechnet bzw. die entsprechenden Personen aus den Analysen ausgeschlossen. Wo bleibt der Einfluss von Cannabis unter Kontrolle der verschiedenen möglichen alternativen Erklärungen? Offenbar wird doch der negative Einfluss durch verschiedene Alternativen teils maßgeblich reduziert (siehe etwa aktueller Konsum [als Kontrolle für längerfristige Effekte nach Suchtende], Tabak, Alkohol...) - das könnte zwar mitunter auch an der Fallzahl liegen, da ja nur die untersuchte Gruppe entsprechend verkleinert wird, aber insgesamt frage ich mich dann doch, was diese selektive Vorgehensweise bringen soll?
3. Für Kausaleffekte wären ohnehin Fixed-Effects-Regressionen unter zusätzlicher Kontrolle zeitveränderlicher Merkmale des Lebenswandels m.E. interessanter als dieser OLS-Quark ohne vernünftige Kontrollen. Das bringt doch schon wenig, wenn man davon ausgehen muss, dass der Konsum von Cannabis durch andere Aspekte beinflusst wird, die sich im Sinne einer klassischen Scheinkorrelation auch auf die langfristige Entwicklung des IQ auswirken (Leute, die schon früh mit dem Zeug beginnen, werden vermutlich auch stärkere Auffälligkeiten im frühen und späteren Lebensverlauf aufweisen als erwachsene Erstnutzer) - da nützt auch der Panelcharakter der Studie nichts, wenn man weitgehend auf Kontrollen verzichtet. Geht man zudem davon aus, dass Cannabiskonsum gewisse Verhaltensweisen, die dem IQ abträglich sind, zwar nichts zwangsläufig bewirkt, aber etwa im Rahmen bestimmter Subkulturen tendenziell befördert, kann man den Kausalanspruch, den zumindest der Tagesspiegel zu sehen scheint, komplett vergessen. Wie wär's bspw. mit der Kontrolle des beruflichen Werdegangs, dem Konsum von Büchern, Zeitschriften und anderen Medien wie TV, der Ernährung, der Freizeitgestaltung, den sozialen Kontakten etc. - es bleibt vollkommen unklar, ob es hier um Korrelation mit Aspekten des Lebenswandels, einen Effekt über intervenierende Verhaltensmerkmale (was bspw. eine Wirkung verhaltenstherapeutischer Ansätze auch "suchtbegleitend" nahelegen würde) oder eine tatsächliche direkte neuropsychologische Kausalwirkung geht (die vor allem den Konsum an sich, unabhängig von den Lebensumständen, problematisch erscheinen lassen würde).
Vielleicht kann ja jemand, der das Paper schon komplett gelesen hat, meine Zweifel entkräften.