Terroristen-Drehscheibe Köln-Wahn
Von Ulrike Putz
Es ist ein Szenario wie aus einem Spionage-Film. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit werden Israel und die Hisbollah am frühen Morgen auf dem Rollfeld des Bundeswehr-Fliegerhorsts Köln-Wahn ihre Gefangenen austauschen. Die Vorbereitungen laufen unter Hochdruck. Das israelische Militär ist bereits angereist.
Berlin - Bundeswehr-Fliegerhorst Wahn, Flughafenstraße 1, 51147 Köln. Mit dieser Adresse wird man ab Donnerstag ein Stück Geschichte verbinden, dass unter deutscher Federführung geschrieben wurde: Den Gefangenen-Austausch zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah, bei dem der jüdische Staat 435 Gefangene gegen einen Geschäftsmann und drei - vermutlich tote - Soldaten austauschte.
Noch allerdings ist das Tauschgeschäft, das ein israelischer Militärsprecher "unglaublich kompliziert" nennt, nicht gemacht, noch kann alles schief gehen. Für Ernst Uhrlau, Geheimdienstkoordinator im deutschen Kanzleramt und Vater des Deals, begann am Mittwoch der Countdown für den Moment auf den er jahrelang hingearbeitet hat.
In Köln-Wahn traf die israelische Delegation unter der Leitung des obersten Militärrabbiners ein. Zu ihr gehören neben Ärzten, die den schwer kranken israelischen Geschäftsmann Elhanan Tennenbaum in Empfang nehmen sollen, auch Gerichtsmediziner der Polizei und Soldaten einer Ehrengarde ein. Die Militärs sollen die Leichen der drei für tot erklärter Soldaten nach Hause geleiten, berichtet die israelische Tageszeitung "Ha'aretz".
Zeitgleich mit den Vorbereitungen auf dem Fliegerhorst besuchten Rot-Kreuz-Delegationen und deutsche Vermittler am Mittwoch die arabischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen, berichtet die Zeitung weiter. Sie führten kurze Interviews und medizinische Tests an den Gefangen durch. Im Libanon erhielten Abordnungen Deutschlands und des Roten Kreuz' Zugang zu Tennebaum. Im Libanon bereiten sich ganze Landstriche auf die Heimkehr der Gefangenen vor. In der südlibanesischen Stadt Sidon, aus dem die meisten Heimkehrer kommen, feiern Dutzende schon jetzt die deutschen Vermittler und schwenken schwarz-rot-goldene Fahnen.
Zwar schweigen die deutschen Organisatoren unter Uhrlau zum Ablauf des Austauschs. Aus der israelischen und libanesischen Presse sind trotzdem Einzelheiten zu erfahren. Das Prozedere, dass unter der Oberaufsicht von Uhrlau stehen soll, zeugt von dem Misstrauen der beiden verfeindeten Länder.
Danach werden am Donnerstag zwei deutsche Flugzeuge exakt zeitgleich in Beirut und Tel Aviv abheben und Kurs auf Köln nehmen. Die eine Maschine wird dabei den Israeli Tennenbaum und die Leichen der drei für tot gehaltenen Soldaten transportieren. An Bord der anderen werden 33 Gefangene der Israelis sein: 23 Libanesen, drei Sudanesen, sechs Syrer und Libyer sowie der Deutsche Steven Smyrek, der wegen Mitgliedschaft in der Hisbollah und Planung eines Selbstmordanschlags in Israel inhaftiert war.
Sollte sich herausstellen, dass die drei im Jahr 2000 gekidnappten israelischen Soldaten tatsächlich tot sind, werden die israelischen Gerichtsmediziner sofort nach der Ankunft beiden Flugzeuge mit der Identifizierung der Leichen beginnen. Sollten dazu DNA-Tests notwendig sein, werden die arabischen Gefangene in ihrer Maschine auf dem Rollfeld festgehalten, bis die Identität der Israelis einwandfrei geklärt ist. Daraufhin wird in Israel mit der Entlassung von 400 palästinensischen Gefangenen begonnen, die per Bus nach Gaza oder ins Westjordanland gebracht werden. An einem Grenzübergang an der libanesisch-israelischen Grenze übergibt Israel die Leichen von 59 bei Kämpfen in Süd-Libanon getöteter Libanesen.
Zeitgleich werden in Deutschland die Gefangenen, die in den Libanon ausreisen wollen, in ein Flugzeug umsteigen, das sie nach Beirut bringen wird. Nach Angaben der "Ha'aretz" wird auch der Deutsche Smyrek an Bord dieser Maschine gehen: Smyrek habe aus Angst vor Verhören durch die deutschen Behörden darum gebeten, in den Libanon ausreisen zu dürfen. Den drei Sudanesen, die wegen illegalen Aufenthalts in Israel inhaftiert waren, wurde politisches Asyl in Schweden gewährt, sie reisen dorthin weiter.
Ein Marokkaner und ein weiterer Mann arabischer Herkunft sollen es in letzter Minute abgelehnt haben, gemeinsam mit den anderen Gefangenen ausgetauscht zu werden. Der Marokkaner, der wegen häuslicher Gewalt inhaftiert ist und abgeschoben werden soll, hat sich geweigert, in den Libanon auszureisen. Auch der zweite Mann, der auf Bitten der Hisbollah freigelassen werden soll, lehnt dies ab.
link: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,283942,00.html
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