Bei dem Problem von Gut und Böse hat mir immer eine Textstelle aus Chestertons "The Man Who was Thursday" geholfen.
Es geht dabei um zwei Dichter, die sich um Poesie streiten. Einer vertritt die Ansicht, Poesie wäre eine Form absoluter Freiheit und ihrer Natur nach anarchistisch, frei von gut und böse und frei von jeglicher Moral. Der andere ist der Auffassung, dass Dichter eine moralische Verpflichtung hätten, und dass der Poet, wie jeder Künstler seinem Kunstwerk dient und damit in erster Linie Regeln befolgt.
Im Verlaufe der Geschichte stellt sich heraus, dass ersterer in Wirklichkeit an einer anarchistischen Verschwörung mitarbeitet, während letzterer ein Scotland-Yard-Detective ist, mit dem Auftrag, die Verschwörungspläne der Anarchisten zu vereiteln.
Als der Detective den Anarchisten fragt, wozu denn die anarchistische Verschwoerung diene und was sie denn abschaffen wolle, antwortet ihm dieser:
"Wir wollen Gott abschaffen! Wir sind nicht bloss dazu da, eine Regierung abzuschaffen und durch eine neue ersetzen. Das sind Massnahmen wie früherer Revolutionäre, die in Wahrheit bloss Nonkonformisten waren. Nein, wir gehen dem eigentlichen Problem viel tiefer auf den Grund und streben nach höherem. Wir hassen das Gute und wir hassen das Böse. Wir werden alles vernichten. Wahr und Falsch. Recht und Unrecht. Gut und Böse."
"Und Links und Rechts ebenfalls. Das erscheint mir viel schwieriger."
Antwortet der gewiefte Detective.
Dieses Beispiel zeigt jedenfalls, wie sinnvoll Gegensätze doch auch sein können.
Stellt Euch doch einmal vor, es gäbe kein links und rechts(räumlich, nicht politisch gesprochen). Kein oben kein unten. Kein vorne kein hinten. Stellt Euch vor, wir hätten das alles abgeschafft.
Tja, was nun? Wohin sollen wir dann noch gehen? Was können wir dann noch tun? Wonach sollen wir uns dann noch richten?
Wir könnten schlichtweg nichts mehr tun. Wir dürften gar nichts mehr tun. Nicht mal mehr reden, nicht mal mehr atmen, nicht mal mehr schweigen; denn auch das sind Gegensätze!
Was würde es uns schon nützen, wenn wir alle Gegensätze abschaffen würden?
Rein gar nichts.
Und genau deshalb richten wir uns auch an gut und böse, auch wenn wir dabei manchmal Fehler machen. Ich sehe darin jedenfalls keinen Grund, die Moral abzuschaffen.