Paradewohlstandskind
Erleuchteter
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- 10. April 2002
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die dammbruchthese
1. In welchem Kontext steht das autonome Individuum zur Gemeinschaft? [nach dem Philosphen Emmanuel Lévinas (1906-1995)]
- Die Gemeinschaft ensteht durch die anderen, das autonome (freie) Subjekt existiert nur, weil es zugleich ein auf die anderen hingeordnetes Subjekt ist. Das „ICH“ ist im sozialen Umfeld eingebettet.
- Die Gemeinschaft ist keine Ergänzung der Schwachen (z. B. Behinderte, Alte, etc.), sondern sie ist urtümlich verankert (Phylogenetische Entwicklung des Menschen).
- Die Entmachtung des Subjekts (Das Soziale ist nichts dem „ICH“ nachgeordnetes.) bekommt bei Lévina eine ethische Wendung: Sie mündet in der Aufforderung den anderen leben zu lassen. (Toleranz).
2. Das Verlangen nach dem anderen (Kommunikation, Nähe)
- Lévinas Auffassung der Quelle der menschlichen Kommunikation und Interaktion ist die „sich entleerende, selbstlose Güte“. Der Mensch ist also weder, wie bei Hobbes (1588-1679) dem Menschen ein Tiere, also sein Rivale/Feind, noch lenkt Triebbefriedigung, wie bei S. Freud (1856-1939) das Verlangen nach dem anderen.
- Die Geisteswissenschaft gibt zwei unterschiedliche „menschliche Anziehungskräfte“ an, die bei allen Kulturen ausgemacht werden können. Die Liebe als größte kosmische Anziehungskraft (Teilhard de Chardin) und eine religiöse Kraft, als Erfahrung grenzenloser Zugehörigkeit. (David Steindl-Rast).
- Heute in der empirisch orientierten Wissenschaft spricht man von sozialen Systemen in die das einzelne Individuum „vernetzt“ ist.
- Daraus folgt, dass kein Ausschluß irgendeines Teiles der Solidargemeinschaft möglich ist. Kosmische Größe (Liebe u./o. Religion) hält alle zusammen.
Bedingungslose Ko-Existenz in den verschiedenen Sozietäten.
(Sozietäten sind z. B. Familie, Nachbarschaft, Kirchengemeinde. etc.)
3. Was ist Mitleid?
Wir unterscheiden: „Das Mit-Leiden“ und „Im Mit-Leiden“
- Das Mit-Leiden ist eine menschliche Erfahrung (Keine Gleichgültigeit).
- Die Identifikation mit dem Leidenden ist rational nicht zu erklären.
- Das Mitleiden kann so intensiv sein, dass das eigene „ICH“ in den Hintergrund rückt und das eigene Wohl keine Rolle mehr spielt.
- Im Mit-Leiden kommt zum Mit-Fühlen, die Tat (Hilfe) dazu
- Im Mitleiden tritt die Behinderung oder ein anderes Handicap in den Hintergrund und die Person, das Individuum an sich tritt in den Vordergrund (Keine Degradierung zum Objekt, Wahrung der Würde).
- Oberste Prämisse: Nähe und Zuwendung.
4. Die Mitleidsethik von Arthur Schopenhauer (1788-1860)
- Arthur Schopenhauer: „Grenzenloses Mitleid [...] ist der festeste und sicherste Bürge für das sittliche Wohlverhalten.“
- Gemeinschaftsübergreifendes Mitleid sichert und wahrt die Toleranz, die Solidarität, die Fähigkeit zu verzeihen, die Hilfsbereitschaft, etc.
- Belohnungen für das Mitleid (z. B. Himmelreich, Anerkennung) stellt Schopenhauer moralisch und ethisch in Frage und kommt letztendlich zu dem Schluß: „Der eine hat´s (Das Mit-Leiden, Verf.) , der andere nicht. Der eine tut´s (Im Mit-Leiden, Verf.), der andere nicht.“
5. Der Utilitarismus
Definition: „Das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl.“ Diejenige Handlung ist moralisch richtig, deren Folgen für das Wohlergehen aller Betroffenen optimal sind.
- Der Stärkere beansprucht Verteilungsmacht in seinem Sinne und auf Kosten der Schwächeren.
- Beispiele: Vorschlag der Jungen Union (CDU/CSU) bei Senioren auf teure Operationen zu verzichten, „sozialverträgliches Früh-Ableben“, Abtreibung behinderter Kinder, etc.
- Das Mitleid ist in der technisierten und industrialisierten Zeit zu einem bloßen reaktiven Gefühl denaturiert. Nach Rousseau zerstörte das Privateigentum die Solidarität, die nach Schopenhauer aus dem Mitleid resultiert. Der Umgang mit Leid hat sich vom Mitleiden, Tolerieren und Beistehen zu einem Ersparen, Befreien, Erlösen gewandelt. Leiden soll zum Verschwinden gebracht werden.
6. Die Dammbruchthese
Definition: - Ausweitung des ausweglos notwendigen sowie moralisch und ethisch vertretbaren Handelns auf pragmatisches u./o. egoistisch ökonomisch orientiertes Handeln, nachdem gegenüber einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft der Versuch gemacht wurde, sie auszuschließen.
- Der Druck des kollektiven Massenegoismus könnte den Handlungsspielraum des einzelnen Individuums innerhalb der vorherrschenden soziokulturellen Norm so erweitern, dass der Damm des unbedingten Lebensschutzes bricht.
Beispiele: Die Erlaubnis zur Abtreibung schwer erkrankter, bzw. nicht lange lebensfähiger Kinder bricht den Damm zur Abtreibung von Kindern aus finanziellen oder sonstigen egoistischen Gründen. Sterbehilfe aus ökonomischen bzw. allgemein egoistischen Gründen, ohne das sichere Einverständnis des Kranken.
- Utiltaristische Ethiker halten die Dammbruchthese für unbegründet.
- Theologische Moralethiker, wie Schockenhoff sehen in der offen geführten Diskussion über Sterbehilfe (sozial-wissenschaftliche Befunde) bereits Dammbrucheffekte.
- Der Soziologe Max Weber (1864-1920): „Es gibt eine Zunahme von Zweckrationalität.“ (Es werden optimal(st)e Mittel eingesetzt um zu fest definierten, aber unbegründeten Zielen zu gelangen.)
Die Gesellschaft gerät auf eine schiefe Ebene, wenn die Lösung sozialer Probleme auch die Beiseitigung derjeniger miteinschließt, die sie verursachen.
Gefahr des kulturellen Einbruchs
7. Das Integrationsprinzip
- normatives Prinzip im übergreifenden und verallgemeinernden Sinn
- Für den Menschen gilt: „Es muß mit verschiedenen Formen gerechnet werden.“ Es findet keinerlei Ausgrenzung statt.
- unglückliche, aber treffende Formulierung: „Jedem das Seine.“
Achtung: DAS ETHISCHE PRINZIP DER UNBEDINGTEN ZUGEHÖRIGKEIT WIRD NICHT DURCH BESONDERE BEHINDERTENEINRICHTUNGEN VERLETZT.
(Keine zwanghafte Normalisierung, ohne Beachtung der besonderen Bedürfnisse.)
1. In welchem Kontext steht das autonome Individuum zur Gemeinschaft? [nach dem Philosphen Emmanuel Lévinas (1906-1995)]
- Die Gemeinschaft ensteht durch die anderen, das autonome (freie) Subjekt existiert nur, weil es zugleich ein auf die anderen hingeordnetes Subjekt ist. Das „ICH“ ist im sozialen Umfeld eingebettet.
- Die Gemeinschaft ist keine Ergänzung der Schwachen (z. B. Behinderte, Alte, etc.), sondern sie ist urtümlich verankert (Phylogenetische Entwicklung des Menschen).
- Die Entmachtung des Subjekts (Das Soziale ist nichts dem „ICH“ nachgeordnetes.) bekommt bei Lévina eine ethische Wendung: Sie mündet in der Aufforderung den anderen leben zu lassen. (Toleranz).
2. Das Verlangen nach dem anderen (Kommunikation, Nähe)
- Lévinas Auffassung der Quelle der menschlichen Kommunikation und Interaktion ist die „sich entleerende, selbstlose Güte“. Der Mensch ist also weder, wie bei Hobbes (1588-1679) dem Menschen ein Tiere, also sein Rivale/Feind, noch lenkt Triebbefriedigung, wie bei S. Freud (1856-1939) das Verlangen nach dem anderen.
- Die Geisteswissenschaft gibt zwei unterschiedliche „menschliche Anziehungskräfte“ an, die bei allen Kulturen ausgemacht werden können. Die Liebe als größte kosmische Anziehungskraft (Teilhard de Chardin) und eine religiöse Kraft, als Erfahrung grenzenloser Zugehörigkeit. (David Steindl-Rast).
- Heute in der empirisch orientierten Wissenschaft spricht man von sozialen Systemen in die das einzelne Individuum „vernetzt“ ist.
- Daraus folgt, dass kein Ausschluß irgendeines Teiles der Solidargemeinschaft möglich ist. Kosmische Größe (Liebe u./o. Religion) hält alle zusammen.
Bedingungslose Ko-Existenz in den verschiedenen Sozietäten.
(Sozietäten sind z. B. Familie, Nachbarschaft, Kirchengemeinde. etc.)
3. Was ist Mitleid?
Wir unterscheiden: „Das Mit-Leiden“ und „Im Mit-Leiden“
- Das Mit-Leiden ist eine menschliche Erfahrung (Keine Gleichgültigeit).
- Die Identifikation mit dem Leidenden ist rational nicht zu erklären.
- Das Mitleiden kann so intensiv sein, dass das eigene „ICH“ in den Hintergrund rückt und das eigene Wohl keine Rolle mehr spielt.
- Im Mit-Leiden kommt zum Mit-Fühlen, die Tat (Hilfe) dazu
- Im Mitleiden tritt die Behinderung oder ein anderes Handicap in den Hintergrund und die Person, das Individuum an sich tritt in den Vordergrund (Keine Degradierung zum Objekt, Wahrung der Würde).
- Oberste Prämisse: Nähe und Zuwendung.
4. Die Mitleidsethik von Arthur Schopenhauer (1788-1860)
- Arthur Schopenhauer: „Grenzenloses Mitleid [...] ist der festeste und sicherste Bürge für das sittliche Wohlverhalten.“
- Gemeinschaftsübergreifendes Mitleid sichert und wahrt die Toleranz, die Solidarität, die Fähigkeit zu verzeihen, die Hilfsbereitschaft, etc.
- Belohnungen für das Mitleid (z. B. Himmelreich, Anerkennung) stellt Schopenhauer moralisch und ethisch in Frage und kommt letztendlich zu dem Schluß: „Der eine hat´s (Das Mit-Leiden, Verf.) , der andere nicht. Der eine tut´s (Im Mit-Leiden, Verf.), der andere nicht.“
5. Der Utilitarismus
Definition: „Das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl.“ Diejenige Handlung ist moralisch richtig, deren Folgen für das Wohlergehen aller Betroffenen optimal sind.
- Der Stärkere beansprucht Verteilungsmacht in seinem Sinne und auf Kosten der Schwächeren.
- Beispiele: Vorschlag der Jungen Union (CDU/CSU) bei Senioren auf teure Operationen zu verzichten, „sozialverträgliches Früh-Ableben“, Abtreibung behinderter Kinder, etc.
- Das Mitleid ist in der technisierten und industrialisierten Zeit zu einem bloßen reaktiven Gefühl denaturiert. Nach Rousseau zerstörte das Privateigentum die Solidarität, die nach Schopenhauer aus dem Mitleid resultiert. Der Umgang mit Leid hat sich vom Mitleiden, Tolerieren und Beistehen zu einem Ersparen, Befreien, Erlösen gewandelt. Leiden soll zum Verschwinden gebracht werden.
6. Die Dammbruchthese
Definition: - Ausweitung des ausweglos notwendigen sowie moralisch und ethisch vertretbaren Handelns auf pragmatisches u./o. egoistisch ökonomisch orientiertes Handeln, nachdem gegenüber einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft der Versuch gemacht wurde, sie auszuschließen.
- Der Druck des kollektiven Massenegoismus könnte den Handlungsspielraum des einzelnen Individuums innerhalb der vorherrschenden soziokulturellen Norm so erweitern, dass der Damm des unbedingten Lebensschutzes bricht.
Beispiele: Die Erlaubnis zur Abtreibung schwer erkrankter, bzw. nicht lange lebensfähiger Kinder bricht den Damm zur Abtreibung von Kindern aus finanziellen oder sonstigen egoistischen Gründen. Sterbehilfe aus ökonomischen bzw. allgemein egoistischen Gründen, ohne das sichere Einverständnis des Kranken.
- Utiltaristische Ethiker halten die Dammbruchthese für unbegründet.
- Theologische Moralethiker, wie Schockenhoff sehen in der offen geführten Diskussion über Sterbehilfe (sozial-wissenschaftliche Befunde) bereits Dammbrucheffekte.
- Der Soziologe Max Weber (1864-1920): „Es gibt eine Zunahme von Zweckrationalität.“ (Es werden optimal(st)e Mittel eingesetzt um zu fest definierten, aber unbegründeten Zielen zu gelangen.)
Die Gesellschaft gerät auf eine schiefe Ebene, wenn die Lösung sozialer Probleme auch die Beiseitigung derjeniger miteinschließt, die sie verursachen.
Gefahr des kulturellen Einbruchs
7. Das Integrationsprinzip
- normatives Prinzip im übergreifenden und verallgemeinernden Sinn
- Für den Menschen gilt: „Es muß mit verschiedenen Formen gerechnet werden.“ Es findet keinerlei Ausgrenzung statt.
- unglückliche, aber treffende Formulierung: „Jedem das Seine.“
Achtung: DAS ETHISCHE PRINZIP DER UNBEDINGTEN ZUGEHÖRIGKEIT WIRD NICHT DURCH BESONDERE BEHINDERTENEINRICHTUNGEN VERLETZT.
(Keine zwanghafte Normalisierung, ohne Beachtung der besonderen Bedürfnisse.)