Der Artikel ist schon etwas älter, aber trotdem sehr aktuell!! Droht uns der 3. Weltkrieg?
Neo
Der dritte Weltkrieg
Wir leben in einer Vorkriegszeit - aber mit atomarem und Biowaffenpotential auf allen Seiten
rp. Der angekündigte Irak-Krieg als Teil des begonnenen «Krieges gegen den Terror» bildet den Auftakt für den dritten Weltkrieg.
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Schon bei der Kriegsrhetorik von US-Präsident Georg W. Bush nach dem Anschlag vom 11. September wurde schnell klar, die US-Administration verfolgt einen anderen Plan als einen terroristischen Akt mit rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Mitteln zu ahnden. Mit martialischen Worten verkündete der US-Präsident die Vorgehensweise («death or alive») und wischte mit dem Vergleich eines Kreuzzuges fünfzig Jahre Völkerrechtspolitik vom Tisch. Keine Logik und keine Vernunft und kein Humanismus hält diese Elite bisher davon ab, ihren Plan zu verfolgen. Schon lange vor dem Anschlag waren die Weichen gestellt worden. Mitte der 90erJahre wurde die defensive und regional eng begrenzte Nato-Strategie geändert. Nicht mehr Verteidigung, sondern «Krisenintervention» rund um den Erdball wurden von den Regierungschefs ohne Konsultation ihrer Parlamente zur neuen Doktrin erhoben. Mit dem Kosovo-Krieg und dem Einsatz in Mazedonien vollzogen die europäischen Regierungen den neuen Kurs nach. Die Armeen wurden umstrukturiert (Berufsarmeen) und neue Offensivwaffen gekauft.
Es ist wahr, der neue Krieg gegen den Irak wird anders verlaufen als der alte vor zehn Jahren oder der Krieg in dem schon verwüsteten und zerstrittenen Afghanistan. Dieser Krieg wird eine schon explosive Region in Flammen setzen. Der gesamte Nahe Osten wird in eine nicht mehr kontrollierbare Situation gestürzt. Der ungelöste Palästina-Konflikt und das israelische Grossmachtsstreben sorgen für vermehrten Sprengstoff. Dahinter stehen die westlichen Interessen am Erdöl der Region, und zwar nicht nur dem irakischen, sondern auch dem arabischen und persischen.
Die amerikanischen Kriegsszenarien gegen den Irak («Modell Afghanistan», «Invasion», «Enthauptung», vgl. Der Spiegel 36/2002) sind der unrealistische Versuch, eine Wirklichkeit, die nicht mehr der von 1991 entspricht, militärisch beherrschbar erscheinen zu lassen. Die Äusserungen der US-Regierung, in einem «Kreuzzug» gegen die «Achse des Bösen» auch den Iran oder andere «Schurkenstaaten» zu überfallen, vergrössern die Ausmasse ohnehin.
Die Folgen? Ein Krieg kommt irgendwann in das Haus zurück, von dem er ausgegangen ist. Zuerst leben die Menschen «normal» weiter. Das zweite Kriegsjahr im Zweiten Weltkrieg aus deutscher Sicht beschreibt Karlheinz Schneider-Janessen: «Ausserdem hat die deutsche Bevölkerung in den ersten Kriegsjahren vom Krieg relativ wenig gespürt. Luftangriffe gab es kaum, schon gar nicht in dem verheerenden Ausmass wie später. Die Lebensmittel waren zwar rationiert, aber niemand brauchte zu hungern. Die Zeitungsseiten waren noch nicht voll mit Todesanzeigen. Und nicht zuletzt: Der Krieg fand in anderen Ländern statt.» (Karlheinz Schneider-Janessen, Arzt im Krieg. Wie deutsche und russische Ärzte den Zweiten Weltkrieg erlebten. Frankfurt 1993. ISBN 3-929249-00-6)
Denkt man daran, mit welchen Waffen und Methoden heute Kriege geführt werden, dann wird klar, dass die Menschen auf der ganze Welt darunter leiden werden, und nicht nur in einer begrenzten Region.
Ein Blick auf die heutigen Waffendepots vervollständigt den grausamen Ausblick. Die Atomwaffen - bis auf einige wenige sowjetische - wurden nicht abgerüstet. Sie sind also vorhanden. Einige Länder haben sogar weitergerüstet. Israel droht damit, sie einzusetzen. Der Konflikt zwischen den beiden Atommächte Pakistan und Indien bildet seit Jahrzehnte eine grosse Gefahr. Ein Krieg in der Golfregion hat sehr wahrscheinlich Auswirkungen auf diesen Konflikt. Die amerikanische Stellungnahme, auch «Mini-Nukes», also kleine, sogenannte taktische Atomwaffen einzuplanen, setzen die Hemmschwelle für den Einsatz von strategischen Atomwaffen erheblich herab.
Seitdem deutlich wurde, dass die USA die Verträge zur Ächtung von biologischen Waffen nicht ratifizieren werden (dies war vor dem 11. September), muss man mit dem Einsatz von biologischen Waffen seitens der USA rechnen. Durch die bisher unaufgeklärten Anthrax-Anschläge in den USA wurde bekannt, dass sich die USA intensiv mit der Weiterentwicklung dieser Waffengattung beschäftigen. Darunter fallen zum einen weiterentwickelte Seuchen (Pocken, Cholera usw.), aber auch Krankheiten, die zu zeitlich begrenzten Ausfällen einer Bevölkerung führen (Grippe, Durchfall). Geplant wird auch der Einsatz von Krankheitserregern gegen Nutztiere (Rinder, Schweine, Schafe usw.), um die Versorgung einer Bevölkerung zu zerstören. Nicht auszuschliessen ist die Verbreitung genmanipulierter Pflanzen zur Zerstörung der Landesversorgung. Alle diese Waffen sind auf längere Sicht nicht kontrollierbar und stellen eine Gefahr für die gesamte Menschheit dar. Ihre Eindämmung und Bekämpfung ist unter Umständen unmöglich oder wird Jahrzehnte an intensiver Forschungsarbeit brauchen.
Chemische Waffen werden ebenso weiterentwickelt und produziert wie biologische, angefangen mit Gasen und Drogen bis hin zu abgereichertem Uran (zur Entlastung amerikanischer Atomendlager warf die US-Air-Force tonnenweise abgereichertes Uran über Afghanistan ab). Auch sie richten dauerhafte und regional nicht zu begrenzende Schäden an.
Es wird keinen regional begrenzten Krieg mehr geben. Es ist erst recht eine Illusion zu glauben, solch einen Krieg führen oder gewinnen zu können. Die Folgen sind nicht mehr absehbar.
http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_96d/T04.HTM
Artikel 4: Zeit-Fragen Nr.38 vom 16. 9. 2002, letzte Änderung am 17. 9. 2002
Neo
Der dritte Weltkrieg
Wir leben in einer Vorkriegszeit - aber mit atomarem und Biowaffenpotential auf allen Seiten
rp. Der angekündigte Irak-Krieg als Teil des begonnenen «Krieges gegen den Terror» bildet den Auftakt für den dritten Weltkrieg.
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Schon bei der Kriegsrhetorik von US-Präsident Georg W. Bush nach dem Anschlag vom 11. September wurde schnell klar, die US-Administration verfolgt einen anderen Plan als einen terroristischen Akt mit rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Mitteln zu ahnden. Mit martialischen Worten verkündete der US-Präsident die Vorgehensweise («death or alive») und wischte mit dem Vergleich eines Kreuzzuges fünfzig Jahre Völkerrechtspolitik vom Tisch. Keine Logik und keine Vernunft und kein Humanismus hält diese Elite bisher davon ab, ihren Plan zu verfolgen. Schon lange vor dem Anschlag waren die Weichen gestellt worden. Mitte der 90erJahre wurde die defensive und regional eng begrenzte Nato-Strategie geändert. Nicht mehr Verteidigung, sondern «Krisenintervention» rund um den Erdball wurden von den Regierungschefs ohne Konsultation ihrer Parlamente zur neuen Doktrin erhoben. Mit dem Kosovo-Krieg und dem Einsatz in Mazedonien vollzogen die europäischen Regierungen den neuen Kurs nach. Die Armeen wurden umstrukturiert (Berufsarmeen) und neue Offensivwaffen gekauft.
Es ist wahr, der neue Krieg gegen den Irak wird anders verlaufen als der alte vor zehn Jahren oder der Krieg in dem schon verwüsteten und zerstrittenen Afghanistan. Dieser Krieg wird eine schon explosive Region in Flammen setzen. Der gesamte Nahe Osten wird in eine nicht mehr kontrollierbare Situation gestürzt. Der ungelöste Palästina-Konflikt und das israelische Grossmachtsstreben sorgen für vermehrten Sprengstoff. Dahinter stehen die westlichen Interessen am Erdöl der Region, und zwar nicht nur dem irakischen, sondern auch dem arabischen und persischen.
Die amerikanischen Kriegsszenarien gegen den Irak («Modell Afghanistan», «Invasion», «Enthauptung», vgl. Der Spiegel 36/2002) sind der unrealistische Versuch, eine Wirklichkeit, die nicht mehr der von 1991 entspricht, militärisch beherrschbar erscheinen zu lassen. Die Äusserungen der US-Regierung, in einem «Kreuzzug» gegen die «Achse des Bösen» auch den Iran oder andere «Schurkenstaaten» zu überfallen, vergrössern die Ausmasse ohnehin.
Die Folgen? Ein Krieg kommt irgendwann in das Haus zurück, von dem er ausgegangen ist. Zuerst leben die Menschen «normal» weiter. Das zweite Kriegsjahr im Zweiten Weltkrieg aus deutscher Sicht beschreibt Karlheinz Schneider-Janessen: «Ausserdem hat die deutsche Bevölkerung in den ersten Kriegsjahren vom Krieg relativ wenig gespürt. Luftangriffe gab es kaum, schon gar nicht in dem verheerenden Ausmass wie später. Die Lebensmittel waren zwar rationiert, aber niemand brauchte zu hungern. Die Zeitungsseiten waren noch nicht voll mit Todesanzeigen. Und nicht zuletzt: Der Krieg fand in anderen Ländern statt.» (Karlheinz Schneider-Janessen, Arzt im Krieg. Wie deutsche und russische Ärzte den Zweiten Weltkrieg erlebten. Frankfurt 1993. ISBN 3-929249-00-6)
Denkt man daran, mit welchen Waffen und Methoden heute Kriege geführt werden, dann wird klar, dass die Menschen auf der ganze Welt darunter leiden werden, und nicht nur in einer begrenzten Region.
Ein Blick auf die heutigen Waffendepots vervollständigt den grausamen Ausblick. Die Atomwaffen - bis auf einige wenige sowjetische - wurden nicht abgerüstet. Sie sind also vorhanden. Einige Länder haben sogar weitergerüstet. Israel droht damit, sie einzusetzen. Der Konflikt zwischen den beiden Atommächte Pakistan und Indien bildet seit Jahrzehnte eine grosse Gefahr. Ein Krieg in der Golfregion hat sehr wahrscheinlich Auswirkungen auf diesen Konflikt. Die amerikanische Stellungnahme, auch «Mini-Nukes», also kleine, sogenannte taktische Atomwaffen einzuplanen, setzen die Hemmschwelle für den Einsatz von strategischen Atomwaffen erheblich herab.
Seitdem deutlich wurde, dass die USA die Verträge zur Ächtung von biologischen Waffen nicht ratifizieren werden (dies war vor dem 11. September), muss man mit dem Einsatz von biologischen Waffen seitens der USA rechnen. Durch die bisher unaufgeklärten Anthrax-Anschläge in den USA wurde bekannt, dass sich die USA intensiv mit der Weiterentwicklung dieser Waffengattung beschäftigen. Darunter fallen zum einen weiterentwickelte Seuchen (Pocken, Cholera usw.), aber auch Krankheiten, die zu zeitlich begrenzten Ausfällen einer Bevölkerung führen (Grippe, Durchfall). Geplant wird auch der Einsatz von Krankheitserregern gegen Nutztiere (Rinder, Schweine, Schafe usw.), um die Versorgung einer Bevölkerung zu zerstören. Nicht auszuschliessen ist die Verbreitung genmanipulierter Pflanzen zur Zerstörung der Landesversorgung. Alle diese Waffen sind auf längere Sicht nicht kontrollierbar und stellen eine Gefahr für die gesamte Menschheit dar. Ihre Eindämmung und Bekämpfung ist unter Umständen unmöglich oder wird Jahrzehnte an intensiver Forschungsarbeit brauchen.
Chemische Waffen werden ebenso weiterentwickelt und produziert wie biologische, angefangen mit Gasen und Drogen bis hin zu abgereichertem Uran (zur Entlastung amerikanischer Atomendlager warf die US-Air-Force tonnenweise abgereichertes Uran über Afghanistan ab). Auch sie richten dauerhafte und regional nicht zu begrenzende Schäden an.
Es wird keinen regional begrenzten Krieg mehr geben. Es ist erst recht eine Illusion zu glauben, solch einen Krieg führen oder gewinnen zu können. Die Folgen sind nicht mehr absehbar.
http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_96d/T04.HTM
Artikel 4: Zeit-Fragen Nr.38 vom 16. 9. 2002, letzte Änderung am 17. 9. 2002