vielleicht hat es der/die eine oder andere schon erlebt, vielleicht befürchtet er/sie es oder fühlt sich (noch) sicher oder realistischerweise schon unsicher: absturz ist nicht nur ein problem schlecht oder nicht ausgebildeteter unterschichten, sondern zunehmend auch der sehr gut qualifizierten- der sogenannten mittelschicht. nur scheint sie noch nicht so recht glauben zu können, das sie mit im untergehenden boot sitzt, das alles "nach unten treten" nichts nützt, das für sie "Kein Platz mehr im letzten Flugzeug" ist- wat ick natürlich jut finde, weil meinereiner sich nur eine zukunft ohne klassengesellschaft vorstellen kann. habe die ehre...
http://www.eurozine.com/articles/2006-12-21-ukadritzke-de.html
...Was haben diese Mittelklassen seitdem gelernt, in den USA wie in den noch sozialstaatlich verfassten Ländern Europas? Die Antwort fällt nicht leicht. Im Innern der Klassengesellschaft haben sich die sozialen Gewichte dramatisch verschoben. Aber nach wie vor schreibt der Alltagsverstand dem ideal gedachten Bürger die gesicherte Lebenslage, den angesehenen Beruf und eine risikoscheue Mentalität zu. Bemüht man die in Zeiten der Globalisierung wieder plausible Unterscheidung zwischen "Kosmopoliten" und "Lokalisten", so hält sich die Mehrheit der selbst ernannten Mittelklassen für mobile, leistungswillige und konsumfreudige Kosmopoliten.
Fernstenliebe bringt mehr ein als Nächstenliebe
Mit den Unterschichten, die eine gängige Modernisierungsrhetorik als unbewegliche, allenfalls fernsehende Lokalisten abtut, will man eher nichts zu schaffen haben. Aber auch der Zutritt zur notorisch schmalen Elite bleibt verwehrt. Hier herrschen die Besitzklassen und ihre maßgeblichen Manager, die mit der Selbstgewissheit von Sozialdarwinisten das Geschäft der schöpferischen Zerstörung weltweit betreiben. Sie meiden die lästigen Regeln der steuerfinanzierten, sozialstaatlich geordneten Nächstenliebe. Stattdessen suchen sie die Galadiners der Fernstenliebe auf, wo essen und trinken für weitab hungernde Kinder das öffentliche Ansehen mehrt und den privaten Reichtum nach Steuern. Irgendwo dazwischen wollen die bunt gescheckten Mittelklassen ihre unproletarische Daseinsform in den neuen Kapitalismus hinüberretten. Das wird schwierig, denn der Widerspruch zwischen den propagierten Leitbildern des Erfolgs und dem wirklichen Leben wird immer größer. Wenn sich besser verdienende Arbeiter und qualifizierte Angestellte nicht mehr als redliche Nutznießer des ökonomischen Fortschritts empfinden, sondern als Geprellte, dann sind die persönlichen und politischen Folgen dieser Entwicklung neu zu bedenken.
In ihrer Studie über die Middle Class der USA beschreibt Barbara Ehrenreich, wie sich die "Angst vor dem Absturz" in reale Erfahrung verwandelt. Für viele wird der alte Traum vom Erfolg zur Lebenslüge, obwohl sie die einschlägigen Regeln genauestens beachten: "In manchen Fällen handelt es sich um wahre Erfolgsmenschen auf gehobenen Posten, die gerade deshalb in Schwierigkeiten geraten sind, weil die Einsparung ihres Gehalts einen bequemen Weg zur Kostendämpfung darstellt ... Sie waren die Verlierer bei der klassischen Jagd nach dem immer besseren Job."[2]
Gefährdet sind damit zunehmend gerade diejenigen, die nach herrschender Wirtschaftslehre und Erfolgsratgebern "alles richtig gemacht" haben. Der ungeduldige Kapitalismus droht auch den arbeitenden Mittelklassen in den reichen Ländern[3] mit dem Gespenst der Nutzlosigkeit...
http://www.eurozine.com/articles/2006-12-21-ukadritzke-de.html