LaurentBlanc
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Willkommen im Gemetzel
Wo Sterben noch einen Sinn hat: Der Kinofilm „Black Hawk Down“ tröstet eine gedemütigte Weltmacht.
Uneingeschränkte Solidarität kennt auch im Kino ihre Grenzen. Ridley Scotts Kriegsfilm „Black Hawk Down“ schob der deutsche Verleih Senator pietätvoll immer weiter nach hinten in der Liste der Starttermine. Die US-Niederlage von Mogadischu 1993 schien zu nahe an der aktuellen Wirklichkeit. Erst der 11. September, dann wurden in Afghanistan US-Hubschrauber abgeschossen. Am morgigen Donnerstag endlich läuft das Drama um die Elitesoldaten in Deutschland an, die vergeblich versuchten, den somalischen Diktator Mohamed Farrah Aidid gefangen zu nehmen. Der Film ist nun also just in dem Moment zu sehen, da die Angst vor ähnlichen Szenen umgeht, die ein Krieg gegen Saddam Hussein im Irak produzieren könnte.
Eine Stunde sollte die militärische Aktion 1993 in Mogadischu dauern. Am Ende einer langen Nacht waren 18 US-Soldaten tot und 73 verletzt. Von den Somalis starben nach Schätzungen rund 1000. Aber das tut hier nichts zur Sache: Die Gegner tauchen im Film nur als anonyme Masse auf, am Ende wahlweise auch als triumphierende Schreihälse: Sie haben die USA in die Knie gezwungen. Eine überhebliche Weltmacht wird verlacht.
Davor aber stellen Ridley Scott („Alien“, „The Gladiator“) und Spektakel-Produzent Jerry Bruckheimer („Pearl Harbor“) den Krieg. Es ist nicht so wichtig, dass sich Jungstars wie Josh Hartnett oder Ewan McGregor unter den Stahlhelmen verstecken. Die blutenden und verdreckten Helden in diesem Kampf sind austauschbar. Was zählt, ist das große Töten, das sogar dann noch fasziniert, wenn es mit eigenen Opfern verbunden ist. Rund 120 von insgesamt 142 Kinominuten sind damit angefüllt.
„Black Hawk“ heißt der Hubschraubertyp, von dem in Mogadischu zwei Maschinen abgeschossen wurden. Ein wahnwitzig torkelndes Helikopter-Ballett inszeniert Scott über der Stadt. Und wenn die Maschinen endlich wie riesige Insekten zerstört unten angekommen sind, beginnt für die US-Soldaten erst das Trauma. Scott nimmt uns mit in den Häuserkampf. Die Kamera (Slawomir Idziak) befindet sich, wie es Steven Spielberg in „Saving Private Ryan“ vorexerziert hat, unter Dauerbeschuss. Granaten explodieren um uns herum. Geschosse schlagen in Körper ein. Gliedmaße werden abgetrennt, Bauchdecken aufgerissen. Blut spritzt aufs Objektiv. Und aus dem Himmel über Mogadischu regnet es Patronenhülsen. Willkommen im Gemetzel.
Er habe Krieg so zeigen wollen, wie er tatsächlich aussehe, sagte der Regisseur. Das ist in dem mit Blut geschmierten Kinogetriebe Hollywood zwar eine scheinheilige Antwort auf Kritik an seinem Film, möglicherweise aber nicht unbedingt eine falsche.
Zuvor jedoch tut der Regisseur alles, um dem Sterben der US-Soldaten einen Sinn zu geben. Der Zuschauer wird propagandamäßig auf den Kampf eingeschworen. Aidids Soldaten schießen hungernde Menschen bei der Verteilung von Lebensmitteln nieder, ein US-General beklagt den Genozid an den Somalis, die Alternative heißt: „Entweder wir helfen diesem Land, oder wir schauen auf CNN zu, wie es zerstört wird.“ Es ist Krieg, und die Amerikaner müssen hin, um noch Schlimmeres zu verhindern. Auch Aidid missachtete damals die Politik der Vereinten Nationen.
Scotts Film endet nach all dem Getöse traurig sanft mit der Heimreise der toten amerikanischen Soldaten. Man hört das Ratschen der Reißverschlüsse an den Leichensäcken, die Kamera hat sich zu den Opfern im Innern des Transportflugzeugs gesellt, dessen Klappe sich langsam schließt. Die Leinwand wird schwarz: Das Selbstverständnis der Supermacht USA von der eigenen Unbesiegbarkeit wird in tiefe Dunkelheit gehüllt, zumindest für einen kurzen Moment. Wenige Monate später holte der US-Präsident, der damals Bill Clinton hieß, die Truppen aus dem ostafrikanischen Land zurück. Aidid wurde 1996 erschossen.
In den USA spendete Ridley Scotts Film einer gedemütigten Nation Trost. Eine schlimme Niederlage wird hier als Chance genutzt, vor der Leinwand patriotisch zusammenzurücken: „Black Hawk Down“ setzte sich unangefochten an die Spitze der Kinocharts – und dort war der Film gerade aufgrund der politischen Ereignisse vorgezogen worden. Doch Krieg im Kino scheint ja immer aktuell zu sein.
Stefan Stosch