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Angesichts der aktuellen Hitzewelle, huh: hier einige Abschnitte aus einem Spiegel Artikel von 1976.
Darbende Natur, schwitzende Bürger: Europa hatte den heißesten Juni seit Menschengedenken. Straßendecken platzten, Börsenkurse sanken, Walen im Zoo drohte Sonnenbrand. Während Stadtbewohner Streß befiel, bahnten sich auf dem Land Milliardenschäden an. Und nicht nur der Schirmherstellerverband flehte um Regen.
...Eine ganze Woche mit örtlich Tagestemperaturen von jeweils über 30 Grad -- das notierte man, zumindest im Juni, hierzulande noch nie. Und daß Juni-Dürre die Niederschlagsmenge des ersten Halbjahres unter 110 Millimeter drückte, wie in Berlin verbucht, das gab"s seit 1851 nicht mehr...
Hitzetage ohne Beispiel: Im Ruhrgebiet fuhren winterliche Streukolonnen, um aufgematschten Asphalt mit Sand griffig zu halten.....
Fahrzeugschlangen stauten sich kilometerweit, weil in Nord wie Sud auf Autobahnen die Betondecken bei Temperaturen über 70 Grad aufrissen; ....
In der heißen Bundesrepublik, der am Montag eine neue Rekordstätte zugewachsen ist (in Mainz-Finthen wurden 38 Grad im Schatten gemessen),....
.. warum der sonst eher feucht-milde Juni unversehens zum Hitzeschocker geriet. Auch Klimatologen, die über Jahrhunderte hinweg im Wettergeschehen nach Regelmäßigkeiten fahnden, "tappen im dichten Nebel" ("Weltwoche").
Denn in den letzten Jahren hatten die Klimaforscher aus der Fülle von Wetterdaten gerade den entgegengesetzten Trend herausgefiltert: Nach einem Anstieg der Mitteltemperatur der nördlichen Erdhalbkugel um mehr als 0,5 Grad in der ersten Jahrhunderthälfte war es in den fünfziger und sechziger Jahren zu einem drastischen Absinken der Jahresmitteltemperatur gekommen. Auf Island beispielsweise, dem "Klimafühler" der nördlichen Hemisphäre, sank sie um mehr als einen Celsiusgrad.
Gerade erst hatten die Klimatologen für diesen Trend zum Kühleren ihre Hypothesen entwickelt -- Verschiebung der sogenannten Strahlströme und der Monsun-Grenze in Richtung Süden (SPIEGEL 33/1974) -, und nun kippt alles schon wieder?.....
An diesen Tagen. so schien es, bestanden alle möglichen Medien darauf, besondere Vorkommnisse mit dem Thermometer zu messen. Hitze stimuliere. so Münchens "tz", nunmehr "auch die Sextäter"... In Neumünster entdeckten Journalisten einen Fünfundzwanzigjährigen. der auf offener Straße minutenlang in die Hocke ging, um einen Hund anzubellen. Im schwäbischen Hagerwaldsee stand ein Mann und trank so lange Bier, bis er mit "plötzlichem Schrei" aus dem Wasser sprang, Amok gegen Sonnenhungrige und Zeltwände lief und seinen Wagen quer über die Wiese gegen einen Baum jagte. "Ich bin ein friedlicher Mensch", äußerte er hinterher zu Lokalberichterstattern, "aber die Hitze ..."
Im Berliner Grunewald wurden, so spürte "Bild" heraus, auf einer nächtlichen 200-Personen-Orgie versteckteste Körpertätowierungen ("Nur für dich") ausgespäht und, bei Sekt mit -- kaltem Tee, kundgemacht. Am FKK-Strand von Travemünde schließlich droschen, unmotiviert, Nackte aufeinander los.