Guten Morgen werte Forengemeinde,
ich habe diesen Thread ins Leben gerufen, um über den kommenden russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und damit verbunden über die innen- und außenpolitische Zukunft der russischen Föderation zu diskutieren. Dieses Thema wurde im Forum noch nicht angerissen, ich fand den Namen Medwedew nur in einem Thread, in dem unser zeitweise in Moskau verweilendes Mitglied Eskapismus ihn schon im August 2008 vorsichtig als Favoriten für die Wahlen bezeichnete (siehe hier).
Nun denn, am 7. Mai 2008 wird Medwedew als Präsident der Russischen Föderation vereidigt werden. Um die Diskussion zu eröffnen, versuche ich mit diesem Eröffnungspost zumindest einige grobe Hintergrundinformationen zu bieten und evtl. einige Anfangsfragen zu eurer eigenen Inspiration vorzugeben.
Die Wahlen
Mit 70,3 % wurde Dmitri Medwedew zu Wladimir Putins Nachfolger gewählt.
Dass diese Wahlen einige Mängel aufwiesen, war abzusehen. So wurden schon im Vorfeld aussichtsreiche Kandidaten von der Wahlkommission erst gar nicht zugelassen (unter ihnen Michail Kasjanow, ehemaliger russ. Premierminister, und der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow); jene Personen hätten zwar wohl nicht gegen die Medienmacht Putins die Wahl Medwedews zum Präsidenten direkt gefährden können, ihn aber aufgrund ihrer eigenen Popularität wohl viele Stimmen gekostet und zudem die Macht des Kreml bzw. Popularität Putins und Medwedews in Frage gestellt.
Die Stimmenverteilung auf Medwedews Konkurrenten sah wiegt folgend aus: Der Kommunist Sjuganow, der wie in den letzten Wahlen auch zwischen 15 und 20 % (2008: 17,7 %) des linken Wählerspektrums auf sich vereinte, der rechtsgerichtete Propagandist Schirinowski, welcher den rechten Rand der Wähler abschöpfte (9,3%) und der von vielen Stellen als Kreml-Marionette diskreditierte Andrei Bogdanow mit 1,3 % keilten sich um die abgenagten Knochen, die Putin ihnen zubilligte.
Auch während der Wahl kam es zu Ungereimtheiten: Die Provinzgouverneure bewirkten in ihren Herrschaftsbereichen weitgehende Wahlfälschungen; so ist es merkwürdig, dass gerade die abtrünnigen und stark mit separatistischen Kräften durchsetzten Nordkaukasusprovinzen Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan die höchsten Wahlbeteiligungen UND gleichzeitig die höchsten Stimmenanteile für Medwedew zu verzeichnen hatten (siehe hier, S.17 ff.).
Abgesehen von der Wahlbeobachtung durch Putintreue Jugend kam es wohl auch dazu, dass die Wahllisten nach Personen durchsucht wurden, die nicht zur Wahl gegangen waren; ihre Daten wurden am Ende des Tages zusammengetragen und als Stimmen für Putin durch gefälschte Wahlzettel in die Auszählungen gegeben. Da sich die Gouverneure durch hohe Wahlbeteiligungen und gute Ergebnisse für Medwedew vor allem finanzielle und reputative Vorteile aus Moskau erhoffen, ist ihre Motivation zur Wahlfälschung recht hoch.
Die Person
Der Name Medwedew erschallte zuerst mit einem Unterton von Verwunderung in den europäischen Medien, da dort zuerst Sergei Iwanow als aussichtsreichster Kandidat galt. Wie Putin zum Ende der Jelzin-Ära, so ist Medwedew in Europa noch eine recht unbekannte Figur. Dabei ist er keineswegs ein politischer Neuling:
Seit 2002 ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates von Gazprom, seit November 2005 stellvertretender Ministerpräsident. Schon seit dem Amtsantritt Putins 1999 war er immer in der Nähe des Präsidenten zu finden.
Interessant ist, dass mit Dmitri Medwedew nicht ein Wunschkandidat der Silowiki das Rennen machte, sondern eine Figur des liberalen Flügels.
Die Zukunft
Über Medwedews innenpolitische Ziele befindet sich ein grober Umriss hier (S.2), seine außenpolitische Vorstellungen eröffnete er bis jetzt hingegen kaum.
Fraglich bleibt auch, ob Medwedew sich gegen den Kurs der Machtelite der Silowiki durchsetzen können wird bzw. wie er sich zwingend mit ihnen arrangieren wird. Auch die Beziehung zu Putin und die Stellung beider Personen im Staatsapparat wird zu diskutieren sein. So entledigte Wladimir Putin sich der meisten Personen, die ihm an die Macht halfen; außer dem Umfeld von Boris Jelzin, dem er direkt zu Beginn seiner Amtszeit völlige strafrechtliche Immunität zusagte, viele der russischen Öl- und Medienmilliardäre, die nun in russischen Gefängnissen oder im Exil ihr Dasein fristen, waren anfangs Anhänger und Freunde des noch amtierenden Präsidenten.
Vielleicht setzt Putin sich ja auch zur Ruhe. Schließlich hat er nach eigenen Angaben geschuftet wie ein Galeerensklave.
Das europäische Ausland reagierte verhalten optimistisch auf die Wahl Medwedews und erhofft sich neue Impulse für Demokratie und Europa- und Energiepolitik Russlands. Die Presse hingegen ist gespalten zwischen Wahlbetrugsvorwürfen und Machterhaltungstheorien.
Wie die Vereinigten Staaten von Amerika sich langfristig zu Medwedew verhalten werden, hängt auch von den kommenden US-Wahlen ab. Die eventuelle Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, kannte in einem Vorwahl-Duell mit ihrem Konkurrenten Barack Obama noch nicht einmal seinen Namen. Oder war Sie einfach nur aufgeregt?
Wie wird Medwedew regieren? Wird er überhaupt regieren, oder nur eine Marionette in den Händen der grauen Eminenz Putin darstellen? Gibt es ein gleichberechtigtes Tandem beider Politiker? Kehrt Putin nach einem kleinen Medwedew-Intermezzo wieder auf den Präsidentenstuhl zurück?
Wird er Russland außenpolitisch stärken? Wie werden sich die Beziehungen zu Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch China und Indien entwickeln? Welche Einstellungen hat er zur Nato-Erweiterung, der Aufrechterhaltung russischer Interessensphären im Baltikum, auf dem Balkan und auf dem Kaukasus?
Stärkt er die Demokratieansätze in seinem Land oder führt er die Linie Putins fort? Welcher Art Reformen sind von ihm zu erwarten? Ist er nur ein weiterer Gazprom-Jünger?
So, ich hoffe, euch genug Ansätze für eine rege Diskussion geboten zu haben... und los geht es!
ich habe diesen Thread ins Leben gerufen, um über den kommenden russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und damit verbunden über die innen- und außenpolitische Zukunft der russischen Föderation zu diskutieren. Dieses Thema wurde im Forum noch nicht angerissen, ich fand den Namen Medwedew nur in einem Thread, in dem unser zeitweise in Moskau verweilendes Mitglied Eskapismus ihn schon im August 2008 vorsichtig als Favoriten für die Wahlen bezeichnete (siehe hier).
Nun denn, am 7. Mai 2008 wird Medwedew als Präsident der Russischen Föderation vereidigt werden. Um die Diskussion zu eröffnen, versuche ich mit diesem Eröffnungspost zumindest einige grobe Hintergrundinformationen zu bieten und evtl. einige Anfangsfragen zu eurer eigenen Inspiration vorzugeben.
Die Wahlen
Mit 70,3 % wurde Dmitri Medwedew zu Wladimir Putins Nachfolger gewählt.
Dass diese Wahlen einige Mängel aufwiesen, war abzusehen. So wurden schon im Vorfeld aussichtsreiche Kandidaten von der Wahlkommission erst gar nicht zugelassen (unter ihnen Michail Kasjanow, ehemaliger russ. Premierminister, und der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow); jene Personen hätten zwar wohl nicht gegen die Medienmacht Putins die Wahl Medwedews zum Präsidenten direkt gefährden können, ihn aber aufgrund ihrer eigenen Popularität wohl viele Stimmen gekostet und zudem die Macht des Kreml bzw. Popularität Putins und Medwedews in Frage gestellt.
Die Stimmenverteilung auf Medwedews Konkurrenten sah wiegt folgend aus: Der Kommunist Sjuganow, der wie in den letzten Wahlen auch zwischen 15 und 20 % (2008: 17,7 %) des linken Wählerspektrums auf sich vereinte, der rechtsgerichtete Propagandist Schirinowski, welcher den rechten Rand der Wähler abschöpfte (9,3%) und der von vielen Stellen als Kreml-Marionette diskreditierte Andrei Bogdanow mit 1,3 % keilten sich um die abgenagten Knochen, die Putin ihnen zubilligte.
Auch während der Wahl kam es zu Ungereimtheiten: Die Provinzgouverneure bewirkten in ihren Herrschaftsbereichen weitgehende Wahlfälschungen; so ist es merkwürdig, dass gerade die abtrünnigen und stark mit separatistischen Kräften durchsetzten Nordkaukasusprovinzen Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan die höchsten Wahlbeteiligungen UND gleichzeitig die höchsten Stimmenanteile für Medwedew zu verzeichnen hatten (siehe hier, S.17 ff.).
Abgesehen von der Wahlbeobachtung durch Putintreue Jugend kam es wohl auch dazu, dass die Wahllisten nach Personen durchsucht wurden, die nicht zur Wahl gegangen waren; ihre Daten wurden am Ende des Tages zusammengetragen und als Stimmen für Putin durch gefälschte Wahlzettel in die Auszählungen gegeben. Da sich die Gouverneure durch hohe Wahlbeteiligungen und gute Ergebnisse für Medwedew vor allem finanzielle und reputative Vorteile aus Moskau erhoffen, ist ihre Motivation zur Wahlfälschung recht hoch.
Die Person
Der Name Medwedew erschallte zuerst mit einem Unterton von Verwunderung in den europäischen Medien, da dort zuerst Sergei Iwanow als aussichtsreichster Kandidat galt. Wie Putin zum Ende der Jelzin-Ära, so ist Medwedew in Europa noch eine recht unbekannte Figur. Dabei ist er keineswegs ein politischer Neuling:
Seit 2002 ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates von Gazprom, seit November 2005 stellvertretender Ministerpräsident. Schon seit dem Amtsantritt Putins 1999 war er immer in der Nähe des Präsidenten zu finden.
Interessant ist, dass mit Dmitri Medwedew nicht ein Wunschkandidat der Silowiki das Rennen machte, sondern eine Figur des liberalen Flügels.
Die Zukunft
Über Medwedews innenpolitische Ziele befindet sich ein grober Umriss hier (S.2), seine außenpolitische Vorstellungen eröffnete er bis jetzt hingegen kaum.
Fraglich bleibt auch, ob Medwedew sich gegen den Kurs der Machtelite der Silowiki durchsetzen können wird bzw. wie er sich zwingend mit ihnen arrangieren wird. Auch die Beziehung zu Putin und die Stellung beider Personen im Staatsapparat wird zu diskutieren sein. So entledigte Wladimir Putin sich der meisten Personen, die ihm an die Macht halfen; außer dem Umfeld von Boris Jelzin, dem er direkt zu Beginn seiner Amtszeit völlige strafrechtliche Immunität zusagte, viele der russischen Öl- und Medienmilliardäre, die nun in russischen Gefängnissen oder im Exil ihr Dasein fristen, waren anfangs Anhänger und Freunde des noch amtierenden Präsidenten.
Vielleicht setzt Putin sich ja auch zur Ruhe. Schließlich hat er nach eigenen Angaben geschuftet wie ein Galeerensklave.
Das europäische Ausland reagierte verhalten optimistisch auf die Wahl Medwedews und erhofft sich neue Impulse für Demokratie und Europa- und Energiepolitik Russlands. Die Presse hingegen ist gespalten zwischen Wahlbetrugsvorwürfen und Machterhaltungstheorien.
Wie die Vereinigten Staaten von Amerika sich langfristig zu Medwedew verhalten werden, hängt auch von den kommenden US-Wahlen ab. Die eventuelle Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, kannte in einem Vorwahl-Duell mit ihrem Konkurrenten Barack Obama noch nicht einmal seinen Namen. Oder war Sie einfach nur aufgeregt?
Wie wird Medwedew regieren? Wird er überhaupt regieren, oder nur eine Marionette in den Händen der grauen Eminenz Putin darstellen? Gibt es ein gleichberechtigtes Tandem beider Politiker? Kehrt Putin nach einem kleinen Medwedew-Intermezzo wieder auf den Präsidentenstuhl zurück?
Wird er Russland außenpolitisch stärken? Wie werden sich die Beziehungen zu Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch China und Indien entwickeln? Welche Einstellungen hat er zur Nato-Erweiterung, der Aufrechterhaltung russischer Interessensphären im Baltikum, auf dem Balkan und auf dem Kaukasus?
Stärkt er die Demokratieansätze in seinem Land oder führt er die Linie Putins fort? Welcher Art Reformen sind von ihm zu erwarten? Ist er nur ein weiterer Gazprom-Jünger?
So, ich hoffe, euch genug Ansätze für eine rege Diskussion geboten zu haben... und los geht es!