Was ist das Ich und wie entsteht es?

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.857
Der Anstoß zu diesem Thema entstand in dem Thread Logik, Wahrheit und Theologie. Verbunden mit den Thema sind auch die Fragen:
Wie werden wir uns selbst bewusst? Wie entsteht überhaupt Bewusstsein?
Erklärungsansätze können zum Beispiel in der Psychologie, in der Philosophie und in den Neurowissenschaften gesucht werden. Hier sollen die Fragen Was ist das Ich und wie entsteht es? erstmal ganz unbefangen gestellt sein.
Ich bin schon sehr gespannt auf Beiträge.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.857
In dieser Rubrik sind ja noch einige Themen, die wieder aufgekocht werden könnten.
Zu dem Thema "Bewusstsein" existiert ein Thread, in dem schon heiß diskutiert wurde: Bewusstsein, was ist das?.

Zum Thema "Ich" habe ich noch ein paar Gedanken, auch mit Blick auf die Diskussion im Thread, auf dem im Anfangspost hingewiesen ist, aus der Rubrik "Religion und Glauben". Erstmal dazu. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie materie- und prozessgebunden die Bildung von Bewusstsein ist. Kommen Prozesse im Körper zum Erliegen, wird in dem Sinne das Bewusstsein ausgeknipst (wie, ist nochmal eine Sache...). Die Science-Fiction thematisiert immer wieder, wie "Bewusstsein kopiert" wird und quasi in einen neuen Körper findet (Beispiel: Wüstenplanetzyklus von Frank Herbert). Auch da würde sich die Frage stellen, würde rein theoretisch "dasselbe Ich" entstehen, oder nicht vielmehr ein anderes?
Selbst manch Wissenschaftler beschäftigt die Frage. Spekulation scheint mit neuen Theorien in die Physik Einzug zu halten, andererseits: was bleibt ihr übrig, wenn für die kleinsten Einheiten die Messinstrumente nicht ausreichen und der Blick "hinter das Universum" erstmal verschlossen bleibt.
Zu dem Thema schrieb Bernd Vowinkel einen interessanten Beitrag:
Tod und Wiedergeburt aus Sicht der Naturwissenschaften
 

Semiramis

Großmeister
Registriert
21. August 2005
Beiträge
653
Hallo streicher!
Ich ( :lol: ) gehe erst nochmal einen Schritt zurück, zum "Ich". - Bewusstsein und Ich sind zwei verschiedene Dinge, denke ich, in dem Sinne: Man kann bei Bewusstsein sein und dennoch kein Ich-Bewusstsein haben (vermutlich kein besonders angenehmer Zustand.)

Aufgrund von (temporären oder langfristigen) Schäden geurtheilt, scheint unser Ich-Bewusstsein stark von einer stetigen Selbstvergewisserung abzuhängen, die immer mitläuft und uns jeden Moment begleitet (zumindest, solange wir bei Bewusstsein sind und nicht schlafen).
Unser Gehirn erhält über die Wahrnehmungsmöglichkeiten eines menschlichen Körpers Informationen über unser "Außen" - und stellt dabei auch in der Regel auch seine Lage im Raum fest. Ein zweites dürfte die zeitliche Komponente sein: Das Kurzzeitgedächtnis ist "im Bilde", was man direkt zuvor gemacht hat, und plant, was man im Moment danach tun kann. Ob es neben Raum und Zeit noch weitere "Verortungen" gibt, habe ich noch nicht rausgefunden. Beide Verortungen scheinen dann "mitzulaufen", wenn wir bei Bewusstsein sind (im Schlaf ist das ausgesetzt), aber sie dringen selten in das Entscheidungtreffende und Nachdenkende Bewusstsein vor: Wir sind uns dessen selten "bewusst", dass wir das machen. Aber beide Verortungen sind für unser Ich-Gefühl elementar: Das Ich scheint von einer Abgrenzung des eigenen Körpers nach außen und von einer Positionierung im Hier und Jetzt mit Erinnerungen an das, was dasselbe Ich vorher gemacht hat, stark abzuhängen.
Allein danach würde ich das alles schon einmal einteilen in: Es gibt ein Ich-Gefühl, das einen Menschen begleitet, das von seinem Bewusstsein Konstruiert wird. Das Bewusstsein selbst ist schon eine Konstruktion, das an sich mehr umfasst als den reinen "Gedankenstrom", mit dem wir nachdenken und planen, was wir tun wollen.
Mittlerweile sieht man das Gehirn als Sitz all dieser Konstruktionen an (war ja nicht immer so - scheint sich aber durch die Medizin bestätigt zu haben: Das Austauschen von Körperteilen und selbst von Herzen hat offenbar keinen Einfluss.)

Irgendwie (genauer kann ich das momentan nicht sagen) hängt beim Ich-Bewusstsein auch das Gefühl für den eigenen Körper mit drin. Es gibt Berichte über Patienten, die beim Anblick ihres Armes erschrecken, weil die Verarbeitung dieses Informationsstromes von jedem Körperteil zum Gehirn im Gehirn selbst gestört ist: Der Arm wird da als "nicht zugehörig = nicht zum eigenen Körper gehörend = ein fremder Arm) ermittelt (obwohl es der eigene ist.) Wir erschrecken normalerweise nicht, wenn körpereigene Körperteile in unser Blickfeld geraten - aus dem Grunde, dass man auf einer tieferen Bewusstseinsebene im Grunde die ganze Zeit weiß, wo sich was vom Körper befindet: Man hätte seinen Arm dort erwartet.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.857
Hallo Semiramis,

Semiramis schrieb:
Allein danach würde ich das alles schon einmal einteilen in: Es gibt ein Ich-Gefühl, das einen Menschen begleitet, das von seinem Bewusstsein Konstruiert wird. Das Bewusstsein selbst ist schon eine Konstruktion, das an sich mehr umfasst als den reinen "Gedankenstrom", mit dem wir nachdenken und planen, was wir tun wollen.
Mittlerweile sieht man das Gehirn als Sitz all dieser Konstruktionen an (war ja nicht immer so - scheint sich aber durch die Medizin bestätigt zu haben: Das Austauschen von Körperteilen und selbst von Herzen hat offenbar keinen Einfluss.)
Dass das "Ich" konstruiert wird, finde ich ziemlich passend, um eben dieses Phänomen zu beschreiben. Wie du schon sagtest (und auch übrigens der Vowinkel), ist das "Ich" nur ein Teil dessen, was das Gehirn leistet. Wenn eine Person ein wenig Anlauf nimmt und dann über einen Bach springt, leistet das Gehirn im Grunde genommen ein Äquivalent zu dem, was das Gehirn einer Antilope leistet, um über eben diesen Bach mit leichtem Anlauf zu springen. Wirklich überlegen braucht die Person nicht. Sämtliche "Berechnungen" macht das Gehirn und braucht dazu eigentlich das "Ich" nicht. Der Bewegungsablauf liegt noch ein wenig in den Genen plus Erfahrungen (bei den ersten Malen Try and Error).
Die "Konstruktion" tritt sozusagen bei Demenz (Alzheimer ist dabei der prominente Spezialfall) zutage, wenn die kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten allmählich - oder könnte man auch sagen: schrittweise - verloren gehen. Allmählich geht dabei das Ich verloren.

Semiramis schrieb:
Irgendwie (genauer kann ich das momentan nicht sagen) hängt beim Ich-Bewusstsein auch das Gefühl für den eigenen Körper mit drin. Es gibt Berichte über Patienten, die beim Anblick ihres Armes erschrecken, weil die Verarbeitung dieses Informationsstromes von jedem Körperteil zum Gehirn im Gehirn selbst gestört ist: Der Arm wird da als "nicht zugehörig = nicht zum eigenen Körper gehörend = ein fremder Arm) ermittelt (obwohl es der eigene ist.) Wir erschrecken normalerweise nicht, wenn körpereigene Körperteile in unser Blickfeld geraten - aus dem Grunde, dass man auf einer tieferen Bewusstseinsebene im Grunde die ganze Zeit weiß, wo sich was vom Körper befindet: Man hätte seinen Arm dort erwartet.
Ist das Bewusstsein des eigenen Körpers entscheidender für das Ich als die Erinnerungen? Wohl ja. Als junges Kind hat man wenige Erinnerungen und macht erste wichtige Erfahrungen mit dem eigenen Körper, wie auch mit dem Außen (mit allen Sinnen...).

Interessant sind auch die Erfahrungen mit Personen, die durch einen Unfall ihr Gedächtnis verloren haben. Selbst die eigene Familie kann ihnen dann fremd sein. Außerdem müssen diese Personen fast alles neu lernen. Es gibt aber auch die Beispiele, dass sich Personen nach einem Unfall komplett verwandelt haben und in ihrem Verhalten kaum wiederzuerkennen waren. Durch den Aufprall (und Schaden) wurde in ihrem Gehirn praktisch ein Schalter umgelegt, so dass sie praktisch wie eine neue Persönlichkeit auftraten, mit ganz anderen Charaktereigenschaften.
 

Semiramis

Großmeister
Registriert
21. August 2005
Beiträge
653
streicher schrieb:
[...] ist das "Ich" nur ein Teil dessen, was das Gehirn leistet. Wenn eine Person ein wenig Anlauf nimmt und dann über einen Bach springt, leistet das Gehirn im Grunde genommen ein Äquivalent zu dem, was das Gehirn einer Antilope leistet, um über eben diesen Bach mit leichtem Anlauf zu springen. Wirklich überlegen braucht die Person nicht. Sämtliche "Berechnungen" macht das Gehirn und braucht dazu eigentlich das "Ich" nicht. Der Bewegungsablauf liegt noch ein wenig in den Genen plus Erfahrungen (bei den ersten Malen Try and Error).
"Gehirn" umfasst ja auch genaugenommen eine ganze Menge. Bewegungskoordination (Kleinhirn etc.) ist nur ein Teil von vielen, vielen Prozessen, die "unbewusst" ablaufen, und die zum Bewusstsein selbst gar nicht vordringen: Die Stabilisierung im Raum (Gleichgewicht), der Mechanismus des Sprechens, aber natürlich auch die ganzen komplexen Vorgänge, wie der Körper selber funktioniert, die einzelnen Organe und ihr Zusammenspiel... Nichts davon machen wir bewusst - und können es auch gar nicht bewusst steuern.
Beispiel für letzteres: Wir können uns zwar bewusst darauf fokussieren, dass wir zB die Hand heben wollen. Dass wir es tun, der tatsächliche Ablauf, entzieht sich allerdings einer Kontrolle durch das Bewusstsein. Und wenn die Bewegungssteuerung nicht funktioniert, kann unser Bewusstsein das nicht ersetzen.
Anders liegt der Fall bei der bewusst-kontrolierbaren Atmung (die normalerweise unbewusst funktioniert) und bei bewusster Entspannung/Aufregung. Das sind Prozesse, in die wir bewusst eingreifen können (auch wenn wieder unbewusste Steuerungen das meiste übernehmen, können wir hier zumindest zB einen Entspannungsprozess in Gang setzen) - was auch ganz gut so ist.

Mir scheint, wir können uns schonmal darauf einigen, dass das "Bewusstsein" selbst eine vom Gehirn konstruierte "Höhere Stufe" ist, die vom Gehirn und all seinen Steuerprozessen und Informations/wahrnehmungsverarbeitungs-Prozessen abhängt und diese gefiltert zugespielt bekommt. Auf der Bewusstseinsebene denken wir nach und treffen bewusste Entscheidungen. Ich will diese zwei Sachen, das Ich und das Bewusstsein aber ein bissl auseinanderhalten. Man kann bei Bewusstsein sein, ohne Ich-Gefühl oder mit "beschädigtem" Ich-Gefühl. Das Ich ist aber nicht einfach nur eine weitere Stufe, es liegt eher nochmal quer zu den vorangegangen Genannten: Das Ich setzt ein gewisses Bewusstsein voraus (im Schlaf zB haben wir in der Regel kein Gefühl für unser "waches Ich"), das sich seiner selbst bewusst sein kann. Aber es sind nochmal andere Faktoren, die es speisen, denke ich.
Einen großen Faktor hatte ich oben noch vergessen - neben der (mehr oder weniger unbewussten) stetigen subjektiv-zeitlichen Verortung und der ebenfalls mehr oder weniger unbewussten Kenntnis der räumlichen Positionierung: Den emotionalen Haushalt. Emotionen selbst reichen vom unbewussten Reagieren bis zum bewussten emotionalen Reagieren (und haben ihrerseits völlig unbewusste Prozesse, die sie auslösen und durch sie entstehen - Hormonhaushalt etc). Mir scheint, dass das Ich-Gefühl auch viel damit zu tun hat, wie sich das bewusste Individuum zu einem bestimmten Moment gerade fühlt.

streicher schrieb:
Ist das Bewusstsein des eigenen Körpers entscheidender für das Ich als die Erinnerungen? Wohl ja. Als junges Kind hat man wenige Erinnerungen und macht erste wichtige Erfahrungen mit dem eigenen Körper, wie auch mit dem Außen (mit allen Sinnen...).
Wenn ich so drüber nachdenke, denke ich: Wohl nein. In dem Sinne, dass kurzfristige Emotionale Zustände als Reaktion auf empfundene oder anprogrammierte Bedürfnisse vorherrschen - und wieder vergessen werden. Bildet sich das Ich-Gefühl erst langsam mit der Entwicklung heraus? Da müsste ich mal nachforschen, was die Literatur so sagt... Ohne Erinnerungen scheint mir ein Ich-Gefühl schwer denkbar - es scheint, als ob von den einzelnen Komponenten des "Ich" nicht einfach eine fehlen kann: Alle müssen zusammenkommen, damit sich das Ich-Gefühl herausbildet.
Und wie gesagt, einzelne Körperteile selbst scheinen für das Ich-Gefühl völlig irrelevant. Auch wenn dadurch (in Teilen) die Wahrnehmung ausfällt: Blind zu sein hat zB ebenfalls keine Auswirkungen auf die Bildung des Ich-Gefühls.

Das ist alles noch so ein "Brainstorming" ;-)
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.857
Moin Semiramis,
(bin gestern in den Hohen Norden gereist, oder sollte ich besser sagen: ich wurde gereist?) :roll:

Semiramis schrieb:
Mir scheint, wir können uns schonmal darauf einigen, dass das "Bewusstsein" selbst eine vom Gehirn konstruierte "Höhere Stufe" ist, die vom Gehirn und all seinen Steuerprozessen und Informations/wahrnehmungsverarbeitungs-Prozessen abhängt und diese gefiltert zugespielt bekommt.
Das liest man - ich weiss aber nicht wie neue diese Erkenntnis ist - dass das Gehirn filtert und manipuliert. Es kann zum Beispiel Erinnerungen fälschen. Ob das insbesondere als Schutzmechanismus gesehen wird, oder welche Gründe dahinterliegen, dürfte ein noch unter Siegelverschluss stehen (ja, in Literatur wälzen könnte durchaus angebracht sein...).

Semiramis schrieb:
Mir scheint, wir können uns schonmal darauf einigen, dass das "Bewusstsein" selbst eine vom Gehirn konstruierte "Höhere Stufe" ist, die vom Gehirn und all seinen Steuerprozessen und Informations/wahrnehmungsverarbeitungs-Prozessen abhängt und diese gefiltert zugespielt bekommt.
Das ist ein großes Unterfangen, Bewusstsein und das "Ich" scharf auseinander zu halten. Kann man deiner Meinung nach auch den Begriff "Individualitätsbewusstsein" nicht mit dem "Ich" in Deckung bringen?

Semiramis schrieb:
Mir scheint, dass das Ich-Gefühl auch viel damit zu tun hat, wie sich das bewusste Individuum zu einem bestimmten Moment gerade fühlt.
Emotionen sind ein entscheidender Aspekt des Bewusstsein. Ich hätte zuerst an den gedanklichen Aspekt gedacht, der das "Ich" ausmacht. Man kann sich selbst bewusst hören, wenn man denkt, eine Art innerlich hörbare Reflexion. Das fällt wohl erstmal unter dem Begriff "gedankliches Bewusstsein", welches dann wiederum ein Teilaspekt des "Ich" wäre.

Semiramis schrieb:
Wenn ich so drüber nachdenke, denke ich: Wohl nein. In dem Sinne, dass kurzfristige Emotionale Zustände als Reaktion auf empfundene oder anprogrammierte Bedürfnisse vorherrschen - und wieder vergessen werden. Bildet sich das Ich-Gefühl erst langsam mit der Entwicklung heraus? Da müsste ich mal nachforschen, was die Literatur so sagt... Ohne Erinnerungen scheint mir ein Ich-Gefühl schwer denkbar - es scheint, als ob von den einzelnen Komponenten des "Ich" nicht einfach eine fehlen kann: Alle müssen zusammenkommen, damit sich das Ich-Gefühl herausbildet.
Das würde ich eher vermuten, dass ein Aspekt fehlen kann oder eingeschränkt vorhanden sein kann. Dementsprechend ist das "Ich" eingeschränkt oder sozusagen "unvollständig" (vielleicht passt hier der Begriff "Stufe" ganz gut). Dabei kommt mir wieder das Beispiel in dem Sinn, dass Vowinkel beschreibt: eine Frau hatte durch Unfall ihr Gedächtnis verloren, so dass sie sogar ihre eigenen Kinder nicht wiedererkannt hat. Doch hatte sie damit ihr "Ich-Bewusstsein" verloren? Interessant wäre es natürlich zu erfahren, nachdem sie vieles neu gelernt hat, wie sie sozusagen ihr "zweites Leben" selbst erlebt hat.
 

Trestone

Großmeister
Registriert
12. April 2002
Beiträge
870
Hallo Semiramis, hallo streicher,

zum Bewusstsein folgende Anmerkung aus Sicht der Stufenlogik:

Wenn mir etwas (z.B E) bewußt ist, so ist dies in Stufenlogik einer Stufe (z.B. t) zuzuordnen.
Dann kann mir auch bewusst werden, dass mir E in Stufe t bewusst ist/war,
aber erst in Stufe t+1.
Dieses „Metabewußtsein“ kann es in Stufe t noch nicht geben.

Also gibt es in Stufe t+1 Bewußtseinsinhalte, die es in Stufe t nicht gibt,
d.h. das Bewusstsein ist nicht stufenunabhängig – das ist doch immerhin etwas!

Gruß
Trestone
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.857
Nochmal zum Artikel von Vowinkel; einige Sätze will ich hier nur kurz festhalten:
Das Ich sieht er als Zusammenstellung spezifischer Information. Information ist nicht materiell und nicht an bestimmter Materie gebunden (Körperzellen erneuern sich rund alle sieben Jahre). Jedoch wird zum Speichern und Verarbeiten Materie und Energie benötigt. Weiter:
Auch die Entwicklung von intelligentem Leben selbst ist die Realisierung einer universellen Information. Die Grundlage dafür ist in den Naturgesetzen und den Naturkonstanten angelegt. Immer dann, wenn die Voraussetzungen für die Entstehung von intelligentem Leben vorhanden sind, ist es nur noch eine Frage der statistischen Wahrscheinlichkeit, ob es auch entsteht.
Das Ich ist abgespeichert und kann nach Bewusstlosigkeit wieder abgerufen werden:
(...) dass nach dem Schlaf und insbesondere nach einer völligen Bewusstlosigkeit, unser Ich-Bewusstsein wieder zurückkommt. Während einer Bewusstlosigkeit sind aber nahezu alle wesentlichen Gehirnaktivitäten eingestellt oder stark reduziert. Die einzige informationstheoretische Erklärung für die Rückkehr unseres Ich-Bewusstseins ist, dass unsere Identität während der Bewusstlosigkeit irgendwo im Gehirn als klassische Information gespeichert war. Da der verfügbare Speicherplatz aber endlich ist, muss damit auch unsere Identität mit einem im Umfang begrenzten Binärcode darstellbar sein.
 

Quakle123

Anwärter
Registriert
27. Januar 2016
Beiträge
8
Könnte es evtl. auch so sein, das unser Gehirn einfach nur genügend Kapazität entwickelt hat und dadurch die Illusion eines Individualbewusstseins geschaffen hat?
Denn ich glaube einfach nicht das wir einen freien Willen haben. Der biologische Sinn unserer Existenz ist ja genaugenommen das verteilen unserer Gene bis das ans Überleben optimal angepasste Genom entstanden ist. Und die Evolution macht dabei gewöhnlicherweise keinen unnötigen Unfug, daher ist schon mal klar das wir ein Bewusstsein entwickelt haben, da es einen Überlebensvorteil bedeutet. Dabei dienen Emotionen lediglich dem Zweck der sozialen Bindung, was für uns ebenfalls einen Überlebensvorteil bedeutet. Denn versucht mal alleine einen Bären zu erlegen oder dann mit der Hilfe einer Gruppe, was denkt ihr ist einfacher? Außerdem analysiert doch mal alle Emotionen und ich kann euch garantieren, das man ausnahmslos jede Emotion mit einem evolutionären Vorteil in Zusammenhang bringen kann. Also sollte man doch auch erstmal davon ausgehen, das auch das Bewusstsein oder das Ich oder wie man es auch nennen mag, einen evolutionären Vorteil bringt. Und das ist die "Kreativität" die durch ein Ich entsteht, für uns Werkzeugmacher war Erfindungsgeist (bzw. Kreativität) ja auch wirklich nützlich. Somit hatten wir die Chance die gesamte Erde zu besiedeln und zwar auch in den unwirtlichsten Regionen dieses Planeten. Und das was unser Ich prägt sind ja unsere Gene und zum größten Teil äußere Einflüsse. Also alles das was wir wahrnehmen und abspeichern. Daher sind wir nach einer Bewusstlosigkeit auch noch die selben, denn unser Gehirn speichert alle Erinnerungen durch neuronale Vernetzungen. Auf die greift das Gehirn sobald es zu Bewusstsein kommt sofort wieder zu. Allerdings muss es eine art Persönlichkeitsmatrix geben, die von Geburt an bestimmt wie jemand wird. Ansonsten würden die einen nicht bei dem gleichen Auslöser anders reagieren, z.B. der eine bekommt bei einem Mord an einer wichtigen Person Angst und der andere sehnt sich nur nach Rache. Es muss also einen festen Parameter geben der genetisch bestimmt ist, ansonsten müssten wir ja als gleiche Wesen mindestens ähnlich auf das gleiche reagieren.
Ach mist aber ich habe viel zu weit ausgeholt.... Um es auf den Punkt zu bringen, ich bin der festen Überzeugung das unser Bewusstsein einfach nur eine Simulation unseres Gehirns ist, damit unser Geist wenn wir Ihn nicht zum Werkzeug machen brauchen etwas Beschäftigung hat. Außerdem hat diese Simulation wie schon beschrieben auch evolutionäre Vorteile und was sich in der Evolution bewährt, wird einfach beibehalten.
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.857
Willkommen im Forum Quakle123,

Quakle123 schrieb:
Könnte es evtl. auch so sein, das unser Gehirn einfach nur genügend Kapazität entwickelt hat und dadurch die Illusion eines Individualbewusstseins geschaffen hat?
Zustimmung. Andererseits stellt sich die Frage, warum es gerade die Landsäugetiere sind, die eine Art wie uns - mit Individualbewusstsein - hervorgebracht hat. Sind es einfach nur die Gene? Oder braucht es gewisse Entwicklungen, die diese Entwicklungen begünstigen?
Du hast es beschrieben: wir sind Werkzeugmacher. Mitunter entscheidend für diese Fertigkeit dürfte die Entwicklung unseres Daumens sein, der es uns ermöglicht zu umgreifen, überhaupt ziemlich präzise Bewegungen auszuführen. Das Anfertigen von einfachen Werkzeugen erfordert schon Präzision, die mit der Zeit sicherlich gesteigert wurde. Evolutionärer Vorteil. Und das Gehirn zieht mit. Einher damit, würde ich vermuten, geht auch ein gewisses Abstraktionsvermögen, denn man hat ja eine Vorstellung von dem, was man schaffen will: damit haben wir eine bewusste Vorstellungsgabe entwickelt. Wenn es dann noch verschiedene Dinge sind, die man herstellt, kann man sie eben auch noch unterscheiden und mit der Zeit auch kommunizieren. Ich denke, diese Entwicklungen gehen sozusagen Hand in Hand, damit auch die Entwicklung unseres Individualbewusstseins.

Und die Evolution macht dabei gewöhnlicherweise keinen unnötigen Unfug, daher ist schon mal klar das wir ein Bewusstsein entwickelt haben, da es einen Überlebensvorteil bedeutet.
Allerdings hat die Evolution keinen Hang zum Perfektionismus. Viele Fähigkeiten (z.B. Giraffe mit langen Hals, die sozusagen hoch oben "grasen" kann, hat andere Nachteile. Die Giraffe kann zum Beispiel nicht schnell beschleunigen). Bei uns Menschen bleibt noch abzuwarten, ob die Fähigkeit, sich überall ansiedeln und anpassen zu können, uns noch lange das Überleben und Vermehren vereinfacht, oder eben nicht in naher Zukunft sogar das Überleben überwiegend schwer macht.

Interessant finde ich überhaupt die Tatsache, dass Gene den grundsätzlichen Hang haben, sich zu vermehren (und leicht zu verändern). Warum kam es zu diesem Phänomen? Aber das ist sicherlich ein eigenes Thema. :)
 

Quakle123

Anwärter
Registriert
27. Januar 2016
Beiträge
8
Hallo Streicher und vielen Dank für das Willkommen...

Also zuerst einmal, woher weißt du das nur Landsäugetiere ein eigenes Bewusstsein entwickeln? Das Problem was wir bei der Erforschung des Bewusstseins haben, ist doch schon mal ganz klar das wir nicht Art übergreifend kommunizieren können. Denn erst wenn wir es von anderen Lebewesen erfahren, dann bin ich bereit zu glauben das andere Lebewesen kein Bewusstsein haben... Ich glaube das bei jedem Lebewesen das ausreichend Hirnkapazität besitzt, sich früher oder später ein Bewusstsein entwickelt... Allerdings ist die Frage wie Komplex dieses Bewusstsein ist?

Und das mit dem "Fortpflanzungstrieb" der Gene ist ganz einfach zu klären. Was ist eine der größten Motivationen aller Lebewesen? Na klar, Fortpflanzung und Arterhaltung! Jetzt sehe das Leben als solches als zufälligen Virus an und was hat deine DNA in codierter Form in jedem Lebewesen verankert? Den Fortpflanzungstrieb... Der Grund ist ganz einfach, damit das Leben im Universum nicht wieder ausstirbt. Daher hat jede lebende Art Fortpflanzungstrieb, Selbsterhaltungstrieb und einen Trieb seine Art zu erhalten...

EDIT: Ach ja und mit Lebewesen meine ich auch VIREN und DNA, denn auch wenn diese Lebensformen allein nicht lebensfähig sind, sind Sie schon als Lebewesen zu definieren. Auch wenn man Sie als parasitäre Lebensform bezeichnet, was mir bei Genen nicht so leicht fällt... Aber das ist eh nur Wortklauberei bzw. Definitionssache....
 

Quakle123

Anwärter
Registriert
27. Januar 2016
Beiträge
8
Ach ja und bevor ich das vergesse, woher wissen wir das z.B. die langen Hälsen von Giraffen zu der Zeit als diese entstanden keinen Überlebensvorteil bot? Was wenn es zu diesem Zeitpunkt auf dem Boden nicht viel zu grasen gab?

Außerdem ist euch schon mal aufgefallen das die Evolution immer ähnliche Wege unter ähnlichen Bedingungen geht? Ich kenne mich zwar nicht so gut mit Dinos aus, aber da gab es glaube ich den Bronchosaurus (hoffe das war der mit dem langen Hals?) und es gab Dinos die wie Vögel geflogen sind, dann Raubtiere und zu der Zeit gab es auch sehr viel Leben im Meer...

Ich vermute einfach mal, das die Evolution getestete und für einigermaßen nützlich befundene Gene erhalten hält und im Notfall auf diese zugreift (natürlich über zig Generationen).
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.834
streicher schrieb:
Kommen Prozesse im Körper zum Erliegen, wird in dem Sinne das Bewusstsein ausgeknipst (wie, ist nochmal eine Sache...). Die Science-Fiction thematisiert immer wieder, wie "Bewusstsein kopiert" wird und quasi in einen neuen Körper findet (Beispiel: Wüstenplanetzyklus von Frank Herbert).
[...]
Zu dem Thema schrieb Bernd Vowinkel einen interessanten Beitrag:
Tod und Wiedergeburt aus Sicht der Naturwissenschaften

Bernd Vowinkels Prämisse, auf Basis derer er seine Argumentation aufbaut ...

Aus Sicht der Naturwissenschaften und der modernen Hirnforschung ist das Gehirn ein informationsverarbeitendes System. Die Schaltelemente sind dabei die Nervenzellen im Gehirn (Neuronen). Wir besitzen etwa 100 Milliarden davon. Die Information wird im Wesentlichen in den Synapsen gespeichert. Die Synapsen verkoppeln die Neuronen miteinander. Im Durchschnitt hat jede Hirnzelle etwa zehntausend Verbindungen zu anderen Hirnzellen. Die Informationsspeicherung geschieht über die elektrische Leitfähigkeit der Synapsen. Dazu spielt die Form der Synapsen und die Konzentration von Neurotransmitterstoffen in den Synapsen eine entscheidende Rolle.

... ist zwar eine gängige Hypothese, nichtsdestotrotz aber unbewiesen.

Tatsächlich konnte das Gedächtnis des Menschen bisher überhaupt nicht verortet werden. Das Gehirn hat die maßgebliche Funktion beim Gedächtnis, aber wo die Informationen gespeichert werden, geschweige denn, wie: Das weiß bis heute kein Mensch.
Man hat keine konkrete Region im Gehirn gefunden, wo das Gedächtnis sitzt - bis heute nicht. Natürlich sind degenerative Erkrankungen für den Abruf des Gedächtnisses nur zu bekannt, aber wo das Gedächtnis sitzt: Fehlanzeige.

Es gibt durchaus andere, wenn auch höchst umstrittene Hypothesen zum Gedächtnis. Nach den Hypothesen des englischen Biologen Rupert Sheldrake (Der Wissenschaftswahn: Warum der Materialismus ausgedient hat.) ist das Gehirn, bezogen auf das Gedächtnis, eher so eine Art Empfänger. Demnach befindet sich das Gedächtnis nicht im Gehirn, sondern ist in einem übergeordneten, morphologischen Feld gespeichert. Das Gehirn greift darauf nur noch zu, speichert Daten und ruft sie ab.

Bekannte Gedächtnisstörungen wären dann eher die Probleme eines defekten Fernsehers: Die Gedächtnisinhalte werden verzerrt oder gar nicht mehr abgerufen, oder durch das Drehen an den Schaltkreisen können wir Form und Inhalt der Informationen verändern. Schließlich enthält der Fernseher auch nirgendwo sein Programm: Er empfängt es lediglich.

Damit möchte ich nicht sagen, dass ich Sheldrakes Thesen für unbestreitbar richtig halte, ich finde aber: Er stellt die richtigen Fragen. Und Vowinkels argumentative Basis ist - auch wenn sie in dieser oder ähnlicher Form als "wissenschaftlicher Standard" allenthalben vertreten wird - keineswegs bewiesen und durchaus auch ohne "esoterischen Hintergrund" in Frage zu stellen.
 

Quakle123

Anwärter
Registriert
27. Januar 2016
Beiträge
8
Hallo,
Jetzt muss ich mal ganz blöd fragen, wer hat dir erzählt das man nicht weiß wo das Gedächtnis sitzt? In dem LKH wo ich einige Zeit gearbeitet habe, konnten die neurologen im funktionellen MRT sehr gut aufzeigen, anhand dem Vergleich zwischen gesunden Probanden und z.B. Demenzpatienten, wo genau das Gedächtnis sitzt. Genauso wie wir heute wissen wo im Hirn Emotionen entstehen...
Und jetzt muss ich auch mal fragen wer zum Teufel ist eigentlich dieser Vowinkel mit dieser Stufentheorie? Ich kenne zwar weder Ihn noch seine Arbeiten, aber was ich bisher "auszugsweise im Forum" gelesen habe ist nicht wirklich von hohem Wert.
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.834
Quakle123 schrieb:
Hallo,
Jetzt muss ich mal ganz blöd fragen, wer hat dir erzählt das man nicht weiß wo das Gedächtnis sitzt?

Ich beziehe mich auf:

Rupert Sheldrake: Der Wissenschaftswahn: Warum der Materialismus ausgedient hat.

In diesem Buch zitiert Sheldrake in einem eigenen Kapitel eine ganze Reihe Untersuchungen renommierter Neurophysiologen zu Versuchen zur Verortung des Gedächtnisses.

Quakle123 schrieb:
In dem LKH wo ich einige Zeit gearbeitet habe, konnten die neurologen im funktionellen MRT sehr gut aufzeigen, anhand dem Vergleich zwischen gesunden Probanden und z.B. Demenzpatienten, wo genau das Gedächtnis sitzt.

Es kann gezeigt werden: Teile des Gehirns sind physiologisch zerstört und es gibt Gedächtnis-Probleme: Möglicherweise aber auch nur mit dem Abruf des Gedächtnisses?

Rätselhaft sind auch die rund 600 Fälle, die der Neurologe Dr. John Lorber untersuchte:

Eher aus Neugierde schickten die Amtsärzte der englischen Sheffield University ihren Patienten zur Schädeluntersuchung. Der Kopf des Studenten, den seine Kommilitonen als Super-Mathematiker bewunderten, schien ein wenig zu groß geraten.
Als die Mediziner wenige Tage später die Computer-Röntgenbilder ansahen, waren sie entsetzt: Der junge Mann -- Intelligenzquotient 126 -- besaß so gut wie kein Gehirn.
[...]
Trotz teilweise erheblich verkleinerten Gehirnvolumens waren viele seiner Patienten vollkommen gesund, andere wiederum litten an vergleichsweise geringen Störungen.
[...]
Bei vielen seiner Patienten, so fand Lorber nun heraus, war das Gehirnmark vollkommen verschwunden; und auch von der Hirnrinde war mitunter, wie etwa bei dem putzmunteren Mathematik-Studenten, nur eine einen Millimeter dünne Schicht übriggeblieben.
Quelle: SPON 1/81: Dünne Schicht

Die eigentümlichen (und seltenen) Fälle des Dr. Lorber werfen ungelöste Fragen auf: Wie kann jemand, mit deutlich verkleinertem Hirn mehr oder weniger normal leben? Oder besitzt einen IQ von 126, fast ohne Gehirn?
Mit einer einfachen Synapsen-Speichertheorie (nenne das mal: ESS) ist das nicht zu erklären.

Genauso wenig kann man mit einer ESS erklärt werden, wie es sein kann, dass es bei vielen Gehirnoperationen, z.B. bei Epileptikern, zu keinen oder nur geringfügigen Einbußen kommt. Am Gedächtnis schon gar nicht, jedenfalls nicht im Sinne von: Dem fehlen jetzt mal die Hälfte der Erinnerungen.
 

Quakle123

Anwärter
Registriert
27. Januar 2016
Beiträge
8
Hallo Giacamo,
Also da ich durch meinen Beruf auch in meiner Praxis IQ-Tests durchführe und das gesamte Prinzip durch mein Studium verstehe, kann ich dir nur sagen das der IQ weder mit der Gehirnmasse noch mit den wirklichen intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen zu tun hat. Er beschreibt lediglich durch einen Ziffernwert die Fähigkeit eines Individuums logische Probleme lösen zu können. Was aber allgemein anerkannt nur ein kleiner Teil der Intelligenz ist.
Ausserdem habe ich das Beispiel der Neurologen lediglich angeführt, um aufzuzeigen das man durch einen fMRT sehr wohl die Gehirnfunktionen zeigen kann. Denn diese Fragestellung gehört ja eher in die Geisteswissenschaften als in die Medizin ...
Und jetzt könnte ich eine endlose Liste degenerativer Hirnerkrankungen nennen, die eindeutig einen Zusammenhang zwischen verkleinertem Gehirn und den mentalen Fähigkeiten eines Probanden zulassen.
Aber gut ich bin ja auch gerne bereit wegen eines Mediziners all das Wissen aus meinem Studium über Bord zu werfen und neue Theorien anzunehmen. Allerdings sollte dann nicht alles gegen meine Behandlungserfahrung und denen 1000er anderer Berufskollegen sprechen. Doch ich werde mir heute das Buch von Dr. Lober und das von Vowinkel bestellen, damit ich deren Theorien und Studien lesen kann. Und wenn mich eins dieser Werke überzeugen kann, dann werde ich auch meine Sichtweise ändern. Doch ich glaube nicht das es dazu kommen wird.
Und nur zur Info, das was Sheldrake schreibt ist gelinde gesagt schlichtweg falsch. In meinem 2. Buch habe ich zufällig ein schönes Kapitel zu dem Thema, wenn du mir deine Adresse gibst schicke ich dir gerne ein Exemplar und du kannst dann selbst Entscheiden was korrekt ist.
Liebe Grüße
 

Giacomo_S

Ehrenmitglied
Registriert
13. August 2003
Beiträge
2.834
Oh, habe ich da in ein intellektuelles Wespennest gestochen? ;)

Mal grundsätzlich vorab:
Weder bin ich ein Anhänger Sheldrakes noch teile ich seine Hypothesen.

Allerdings musste ich nach der Lektüre seines letzten Buches feststellen: Es sind interessante und auch kluge Fragen, die er da aufstellt und es lohnt sich durchaus, über sie nachzudenken.
Fragen im Übrigen nicht nur über das Verhalten von Menschen und Tieren, sondern auch über (z.T. wirtschaftlich bedeutende) Probleme der Kristallographie, die sich mit dem etablierten Wissen nicht recht erklären lassen.

Quakle123 schrieb:
Ausserdem habe ich das Beispiel der Neurologen lediglich angeführt, um aufzuzeigen das man durch einen fMRT sehr wohl die Gehirnfunktionen zeigen kann. Denn diese Fragestellung gehört ja eher in die Geisteswissenschaften als in die Medizin ...

Ist dem wirklich so? Ich bin kein Experte, aber auch die neueren bildgebenden Verfahren können doch im Grunde bislang nur abbilden: Da und da findet dann eine Aktivität statt und woanders nicht. Andere neurologische Aktivitäten streuen dann mehr oder weniger über das ganze Gehirn, das Musizieren beispielsweise. Was dann sogar soweit gehen kann, dass man durch bildgebender Verfahren sagen kann: Der musiziert nicht, der ist ein Anfänger und der ein Profi.
Wie aber Musik überhaupt verarbeitet wird: Das sagen die Scans nicht.

Quakle123 schrieb:
Aber gut ich bin ja auch gerne bereit wegen eines Mediziners all das Wissen aus meinem Studium über Bord zu werfen und neue Theorien anzunehmen. Allerdings sollte dann nicht alles gegen meine Behandlungserfahrung und denen 1000er anderer Berufskollegen sprechen.

Es gab und gibt in der Wissenschaft verquaste Einzelgänger, die man nicht allzu ernst nehmen sollte.
Allerdings haben die Wissenschaften keineswegs die von sich selbst behauptete Eigenschaft, neues Wissen immer sofort anzuerkennen, wenn es bewiesen werden kann. Gerade die Medizin ist - wenn auch vielleicht aus guten Gründen - in dieser Hinsicht eine sehr konservative Disziplin:

Semmelweis führte unterschiedlich häufiges Auftreten von Kindbettfieber auf mangelnde Hygiene bei Ärzten und Krankenhauspersonal zurück und bemühte sich, Hygienevorschriften einzuführen. Seine Studie von 1847/48 gilt heute als erster praktischer Fall von evidenzbasierter Medizin in Österreich und als Musterbeispiel für eine methodisch korrekte Überprüfung wissenschaftlicher Hypothesen. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Erkenntnisse nicht anerkannt und von Kollegen als „spekulativer Unfug“ abgelehnt. Nur wenige Ärzte unterstützten ihn, da Hygiene als Zeitverschwendung und unvereinbar mit den damals geltenden Theorien über Krankheitsursachen angesehen wurde.

Gut, ein Beispiel für die unwissenschaftliche Medizin des 19. Jh., könnte man meinen. Aber auch im 20. Jh. gab es Beispiele für damals unorthodoxe Sichtweisen, die sich später als richtig erwiesen. So z.B. ein Erreger (Helicobacter pylori) als Ursache für Magengeschwüre - die lange Zeit als reine Stresskrankheit galten (und im Volksmund auch noch immer sind):

Barry Marshall und John Robin Warren aus Perth, Western Australia, entdeckten 1983 H. pylori, was aber von der medizinischen Forschung lange Zeit nicht ernstgenommen wurde. Erst 1989 kam es zum Durchbruch, und das Bakterium wurde weltweit als Ursache des Ulcus anerkannt. Im Dezember 2005 wurden Warren und Marshall für ihre Arbeiten über H. pylori je zur Hälfte mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.

Wie viele Ärzte, Chefärzte, Professoren haben Magengeschwüre wie lange als rein stressbedingt, endogen, beurteilt? Mit 1000 kommst Du da kaum hin und 100 Jahre werden nicht ausreichen - und dennoch konnten Marshall und Warren zeigen (am Ende mit einem riskanten und ekligen Selbstversuch!): Eine Infektion, ausgelöst durch einen Erreger!

Was ich damit sagen will:
Ich bestreite nicht grundsätzlich etablierte medizinische Kenntnisse, was ich bestreite ist die dargestellte Gewissheit, mit der Vowinkel (siehe Link) die Strukturen und Mechanismen darstellt.

Das grundlegende Problem neurologischer Vorgänge ist doch - mal abgesehen von bildgebenden Verfahren, die letztlich aber immer noch in den Anfängen sind - das es sich um eine Skinnersche Black Box handelt: Wir wissen, was rein geht, wir wissen, was rauskommt. Was aber in der Box tatsächlich passiert: Das wissen wir nicht oder kaum.

Die psychiatrische Diagnose ist daher, im Unterschied zu den meisten anderen medizinischen Diagnosen, in vielen Fällen eine reine Verhaltensdiagnose. Und das auch noch oft genug aufgrund von Beschreibungen anderer, Nichtmediziner (Verwandte, Helfer, Polizisten u.a.). Niemand kann bis heute ein MRT machen und aufgrund dessen sagen: Der ist Bipolar, Schizophren o.ä. Anders ist auch gar nicht zu erklären, warum Schizophrenie in den USA viel häufiger diagnostiziert wird als in Deutschland und in Frankreich kaum. Sind die Amerikaner denn etwa schizophrener als die Deutschen und die Franzosen gar nicht?

Quakle123 schrieb:
Und nur zur Info, das was Sheldrake schreibt ist gelinde gesagt schlichtweg falsch. In meinem 2. Buch habe ich zufällig ein schönes Kapitel zu dem Thema, wenn du mir deine Adresse gibst schicke ich dir gerne ein Exemplar und du kannst dann selbst Entscheiden was korrekt ist.

Sheldrake ist spekulativ, möglicherweise ein Träumer. Gut möglich, er betreibt da eine Pseudowissenschaft. Wie gesagt: Ich teile seine Schlüsse nicht unbedingt und auch sind nicht alle seine Bücher sind lesenswert. Sein letztes aber unbedingt und auch wenn er sich vielleicht verrannt hat, so kommen seine Fragen auch nicht von ungefähr, sind oft noch ungelöst oder werden schlicht ignoriert.
 

Quakle123

Anwärter
Registriert
27. Januar 2016
Beiträge
8
Nein nein... Ich bin wirklich gerne bereit mich einer anderen Meinung belehren zu lassen.
Gerade ging es ums Gedächtnis und wenn man im fMRT versucht zu ergründen wo etwas liegt (z.B. das Zentrum diverser Emotionen oder halt des Gedächtnisses), dann geht es nur durch Vergleiche...
Und ja man kann heute dank dem fMRT ziemlich genau sagen was ein Proband tut. Es gibt sogar Verfahren mit denen eine Schnittstelle zwischen Technik und Gehirn hergestellt wird...
Und natürlich sind alle Diagnosen der Psychologie und Neurologie reine Sichtdiagnosen. Wobei ich viele der möglichen Diagnosen für erfundene Syndrome halte, denn es ist halt keine richtige Wissenschaft. Es gilt immer das als Krank was schlaue Ärzte bzw. die Gesellschaft als abnormal bzw. Krank wahrnehmen...
Und auch viele Behandlungsmethoden empfinde ich als ethisch falsch (beste Beispiele: Haldol bzw. SSRI oder gar Elektrokrampftherapie).

Und mit den Wissenschaften die neue Dinge nicht anerkennen gebe ich dir leider Recht, doch leider ist es nirgendwo so verbreitetet wie in der Medizin...
 

streicher

Ehrenmitglied
Registriert
15. April 2002
Beiträge
4.857
Quakle123 schrieb:
Also zuerst einmal, woher weißt du das nur Landsäugetiere ein eigenes Bewusstsein entwickeln? Das Problem was wir bei der Erforschung des Bewusstseins haben, ist doch schon mal ganz klar das wir nicht Art übergreifend kommunizieren können. Denn erst wenn wir es von anderen Lebewesen erfahren, dann bin ich bereit zu glauben das andere Lebewesen kein Bewusstsein haben... Ich glaube das bei jedem Lebewesen das ausreichend Hirnkapazität besitzt, sich früher oder später ein Bewusstsein entwickelt... Allerdings ist die Frage wie Komplex dieses Bewusstsein ist?
Sicherlich lässt sich das Bewusstsein in seiner Komplexität unterscheiden, so es denn bei verschiedenen Arten existiert. Jetzt im Augenblick fällt mir nur das Spiegelexperiment ein, dass einen Hinweis auf ein Bewusstsein seiner selbst schließen lässt. So lernten Menschenaffen recht schnell, den Spiegel als Instrument zu nutzen, um zum Beispiel die Kehrseite zu untersuchen, Hunde und Katzen schienen im Gegenüber nur einen Artgenossen zu erkennen, der einfach nur dasselbe tut.

Quakle123 schrieb:
Und das mit dem "Fortpflanzungstrieb" der Gene ist ganz einfach zu klären. Was ist eine der größten Motivationen aller Lebewesen? Na klar, Fortpflanzung und Arterhaltung!
Mir geht es dabei eher um die Frage, warum es sozusagen "click" gemacht hat. Auch eine DNA musste sich erstmal entwickeln. Wodurch kam es zu diesem einprogrammierten Code, der auf Multiplikation - wie auch immer - ausgerichtet ist, der sozusagen in jedem Lebewesen immanent ist. Ist sozusagen Teil des Lebens selbst? Ist es etwas, dass sich als Code entwickeln muss, wenn es um Entwicklung von Leben geht?

woher wissen wir das z.B. die langen Hälsen von Giraffen zu der Zeit als diese entstanden keinen Überlebensvorteil bot? Was wenn es zu diesem Zeitpunkt auf dem Boden nicht viel zu grasen gab?
Das bietet ihr durchaus einen Vorteil, in ihrer Höhe steht sie sozusagen außer Konkurrenz. Es könnte sein, dass es am Boden nicht viel zu grasen gab. Aber muss es das? Eher könnte ich mir vorstellen, dass verschieden Arten auf gleichem Raum verschiedene Strategien entwickelt haben.
Dass ein Brontosaurus sich somit durchaus mit einer Giraffe vergleichen lässt, klar, und auch irgendwie naheliegend, denn auch damals gab es hohe Bäume - warum sollten sich nicht also nicht Arten entwickeln, die oben die Blätter rupfen.
 

Ähnliche Beiträge

Oben