Quo vadis, Google?

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Die Welt von morgen?
Es ist 7:00 Uhr, der Wecker klingelt. Mist, schon wieder verpennt! Schnell ins Bad und die Morgentoilette erledigen. Verdammt, total vergessen, gestern habe ich doch Alkohol getrunken. Meine Toilette merkt das sofort und macht eine Meldung an die Gesundheitsdatenbank. Egal, keine Zeit, muss zur Arbeit. Hoffentlich ist mein Atemalkoholwert schon genug gesunken, sonst springt mein Auto nicht an. Glück gehabt, nun aber los. "Wo möchten Sie hin?" Die übliche Frage des Navis, nachdem es mich mittels des RFID-Chips in meinem Multizweckausweis erkannt hat. "Zur Arbeit," sage ich genervt. Auch das noch, Stau und keine Alternativroute ist frei. Komme dadurch zur spät zur Arbeit. Schon der zweite Eintrag heute, jetzt auch noch bei ELENA.

Endlich Mittagspause. In der Kantine nehme ich die Pizza und dazu Cola, das brauche ich jetzt. Die Kassiererin weist mich freundlich darauf hin, dass ich mir doch lieber einen Fruchtsaft zur Pizza nehmen sollte, um die Strafpunkte durch Ungesunde Ernährung zu verringern. Verdammte Gesundheitsdatenbank! Ich ignoriere den Hinweis.

Meine Chefin stürzt eine Stunde vor Feierabend in mein Büro und wirft mir eine Akte auf den Tisch. "Das Angebot muss heute noch raus," sagt sie noch beim Verlassen des Raumes. Oh man, auch das noch. Es ist spät, als ich endlich fertig bin. Super, zum Sport komme ich jetzt auch nicht mehr, so ein Mist. Also ab nach Hause.

"Willkommen zu Hause" quakt der allgegenwärtige Hauscomputer. Ich wollte doch noch die Stimme und den Tonfall ändern, die aktuelle Einstellung nervt. Aber nicht mehr heute. Ich mache den Fernseher an und schnappe mir dazu mein Notebook, um kurz meine E-Mails zu checken. Da ist sie auch schon, die befürchtete Mail von der Krankenkasse. Ich werde darauf hingewiesen, dass mein Beitrag bei einem weiteren Gesundheitsverstoß angehoben wird. Drei Einträge an einem Tag seien zu viel und mein Strafpunktekonto ist gut gefüllt. Fast wie damals mit der Flensburger Punktesammelstelle. Bei meiner Ernährung sollte ich auf keinen Fall eine Sportstunde ausfallen lassen. Auch eine Mail meiner Chefin ist eingetrudelt. Sie wolle über meine Verspätung heute Morgen hinwegsehen, da ich ja noch das Angebot fertig gemacht hätte.

Toller Tag, ich glaub ich geh ins Bett.


Gute Nacht!!!

Eine erschreckende Dystopie? Nur ein Hirngespinst? Oder evtl. schneller Realität, als uns lieb sein kann? Der Mensch wird immer gläserner, die ständige Vernetzung – so viele Vorteile sie auch gebracht hat – führt dazu, dass man ständig online ist. Selbst dann, wenn man sich im Real Life wähnt. Doch ist diese Trennung überhaupt noch richtig? Sind das sog. reale und das virtuelle Leben überhaupt noch zu trennen? Ein Konzern, der von dieser immer stärkeren Vernetzung profitiert und sie infolgedessen auch forciert, ist der Internetgigant Google.


Google, ein Unternehmen entsteht.
Google ist mehr als nur die Suchmaschine. Google Inc. ist ein Gigant mit einem Umsatz von 23.6 Mrd USD (2009). Doch wer oder was ist Google eigentlich und sind die Vorwürfe, die in den Medien laut werden - dass der Konzern ein Datenkrake sei und sich nicht um Datenschutzbestimmungen kümmere - gerechtfertigt?

1998 gründeten Larry Page und Sergey Brin Google Inc., die zu der Zeit nur die Suchmaschine mit dem gleichen Namen umfasste. Binnen einen Jahres wurde man neben Seiten, wie Yahoo oder Altavista eine der wichtigsten Suchmaschinen im World Wide Web. Nicht zuletzt auch dadurch, dass AOL und Netscape mit Google zusammen arbeiteten und das Unternehmen im Gegensatz zu seinen Konkurrenten aus seiner Plattform kein Werbeportal machte. Man hatte eine spartanische Seite, die schnelle Ladezeiten erlaubte - damals ein großer Vorteil, da es im Grunde kaum Breitbandanschlüsse für Privatpersonen gab.

Bis 2004 sollte sich bei Google einiges tun. Nur ein Jahr nach der Gründung war die offizielle Betaphase beendet, bereits ein Jahr später war Google Marktführer in Sachen Suchmaschine, mit einem Index von mehr als 1 Milliarde Seiten. 2001 baute Google ein eigenes Usenet, Google Groups, auf und kaufte das Archiv von Deja News. Des Weiteren wurde Blogger, ein Hostingservice für Webblogs, übernommen und der Grundstein für Googles AdSense-Programm durch die Übernahme von Applied Semantics, Inc. gelegt. Auch personell wurde Google unstrukturiert. 2001 holte man Eric Schmidt als CEO ins Boot. Seit 2004 ist Google eine Aktiengesellschaft.

Ab 2004 sollte die Entwicklung neuer Google Produkte deutlich schneller vorangehen. Bekannte Anwendungen wie Google Mail, Maps, Picasa oder Google Earth wurden ins Leben gerufen und kostenlos zur Verfügung gestellt. Bis heute sind unzählige weitere Produkte, unter anderem durch Übernahme von Unternehmen, wie Youtube oder Android Inc. dazu gekommen.

(Fast) all diese Programme sind kostenlos. Stellt sich die Frage, wie sich Google dann finanziert? Das Stichwort lautet: Werbung. Google hat den Werbemarkt im Internet revolutioniert. Googles AdSense-Programm ist das erfolgreichste Werbesystem überhaupt. Beispielsweise wird passend zur Suchanfrage Werbung eingespielt. Ein Werbender kann somit sehr genau seine Zielgruppe treffen. Weiterhin können Webseitenbetreiber Werbung auf ihrer Seite schalten um somit Geld zu verdienen. Mittels JavaScript wird eine Werbung in der Seite eingebunden. Über einen sogenannten "Crawler" wird die Webseite ausgelesen. Mittels der so gewonnenen Daten kann passend zur Website Werbung geschaltet werden. Klickt nun jemand auf diese Werbung, wird der Werbende von Google "zur Kasse gebeten". Einen Teil der Einnahmen kassiert Google, den anderen Teil der Webseitenbetreiber. Seit 2007 dominiert Google den Internetwerbemarkt mit einem Anteil von etwa 80%. Doch so rasant der Aufstieg des Unternehmens mit seiner Philosophie "Don't be evil" (Tue nichts böses) auch war, die schöne Fassade hat Risse bekommen.


Die Kritik reißt nicht ab.
Seit längerer Zeit mehrt sich Kritik an Google. Ein Datenkrake; ein Monster, das alles frisst, was es bekommt; ein Molloch der Vorratsdatenspeicherung; der Schöpfer des gläsernen Internetnutzers. Doch was ist dran an diesen Behauptungen? Schauen wir uns mal folgenden Satz an:

"Das Ziel von Google besteht darin, die Informationen der Welt zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen."
~ Google-Unternehmensinformationen ~

Wie kann dieses Ziel erreicht werden? Durch Speicherung und Verknüpfung von Informationen. Und genau da setzt die Kritik, vor allem die der Datenschützer, an.

Googles jüngster Dienst Buzz trifft da genau den Kern sämtlicher Kritikpunkte, wie Google auch selber einräumte. Was war passiert? Buzz sollte Googles Einstieg in die Welt der "Social Networks" sein. Hierzu wollte man diverse bereits vorhandene Produkte wie GMail, Google Maps und Picasa zusammenfassen. Das Problem war aber nicht, was man vorhatte, sondern wie man es gemacht hat. Buzz entschied erst einmal selber, wer mit wem befreundet sei. Mit Hilfe eines Algorithmus versuchte man anhand der mit GMail getätigten Korrespondenz Freundschaftsbeziehungen herauszufinden. Folge: Personen, mit denen man viel Kontakt hatte, waren nun Freunde, selbst dann, wenn es sich um Geschäftsbeziehungen handelte. Das allein wäre zwar nervig, aber noch nicht so schlimm gewesen. Nur folgte Buzz auch der Logik, dass man vor seinen Freunden nichts zu verbergen hätte; mutmaßliche Freunde konnten so ohne Probleme erfahren, wer sonst noch alles in der automatisch generierten Freundesliste auftauchte. Und so erfuhr plötzlich der eigene Chef über Buzz, mit wem sich sein Angestellter austauschte. Dass dies nicht nur bei Bewerbungen in anderen Unternehmen von Nachteil ist, kann man sich vorstellen.

Aber auch im privaten Bereich sorgte Buzz für Ärger. So berichtete Spiegel Online am 14.02.10 unter anderem folgendes:

"Ein in einem erbosten Blogeintrag dokumentierter realer Fall: Der gewalttätige Ex-Mann einer US-Amerikanerin wurde wegen regelmäßiger E-Mail-Kontakte automatisch der Freundesliste der Frau hinzugefügt - und fortan über all ihre sozialen Online-Aktivitäten informiert. Der inzwischen nicht mehr allgemein zugängliche Blogeintrag, in dem die Frau über ihre Erfahrungen berichtet, trug die Überschrift "fuck you, Google". Der Dienst habe dem gewalttätigen Ex ohne ihr Wissen ihren Aufenthaltsort und ihren aktuellen Arbeitsplatz verraten."

Google bestätigte diese Probleme und versprach Abhilfe. Mittlerweile kann jeder Nutzer wieder selber entscheiden, wen er als Freund haben will und wen nicht – Google liefert lediglich Vorschläge. Doch ist das nur der jüngste Fall, der zeigt, wie sorglos Google mit Nutzerdaten umgeht.


Was Google bereits über Sie weiß.
In Spiegel-Ausgabe 02/2010 gab es einige interessante Beispiele, was Google bereits über seine Nutzer weiß. Eines dieser Beispiele war eine Reiseplanung:

Über die Google-Suche wird nach den besten Wintersport-Gebieten gesucht, die man sich dann über Google Earth angucken kann. Nun weiß Google bereits, dass wir Ski fahren wollen. Über gezielte Werbung schlägt Google uns vor, eine neue Ski-Ausrüstung zu kaufen, die sich natürlich über die Google-Produktsuche finden lässt. Und dank GMail kann ich allen Freunden bekannt geben, dass ich für einige Wochen im Urlaub bin und stelle später meine Fotos bei Picasa ein, um meinen Freunden Bilder aus dem Urlaub zu zeigen. Dieses kleine Beispiel lässt sich noch mit Googles Android Mobiltelefonen zur Navigation an den Urlaubsort verbinden. In Zukunft könnten auch Dienste wie Google Health mitspielen, die einen darauf hinweisen vor dem Urlaub einen Gesundheitscheck zu machen.

Und Google kann noch mehr. Alle E-Mails werden von einem "Bot" gelesen um entsprechend Werbung bei GMail zu schalten. Alle Suchanfragen werden zusammen mit der entsprechenden IP-Adresse gespeichert, Google Analytics, ein Tool um Seitenzugriffe zu analysieren, speichert IP-Adresse, Browsertyp und -Sprache sowie Datum, Uhrzeit und etwaige Cookies, die den Browser eindeutig identifizieren. Googles eigener Browser Chrome schlussendlich sendet mit einer dem Browser zugehörigen eindeutigen ID konsequenterweise fast alle Eingaben in die Adresszeile automatisch an Google.

All diese Dienste und Programme entlocken den Google-Nutzern Stück für Stück Teile ihres Privatlebens. Google weiß somit alles über Wünsche, Vorlieben, Krankheiten, das Sexleben usw.


Was kommt als nächstes?
Längst sind neue Produkte und Dienste in Arbeit. Im Januar 2010 stieg Google mit einem eigenen Mobiltelefon in den Hardwaremarkt ein. Das Nexus One, gebaut von HTC, exklusiv für Google. Damit hat man gegenüber Microsoft einen gewaltigen Vorteil auf dem Handymarkt. Man liefert nicht nur ein kostenloses Betriebssystem, Android, sondern hat auch eine eigene Hardware auf dem Markt. Google ist somit in der Hand und in der Hosentasche angekommen. Mit Diensten wie StreetView und Google Maps wird zudem ein eigenes Navigationssystem angeboten. Wie immer kostenlos. Dafür muss man Google "nur" offenlegen, wo man sich gerade aufhält und wo man hin möchte. Ein weiteres Angebot, dem eben genannten recht ähnlich, nennt sich Latitude. Wer diese Option in seinem Handy aktiviert, verrät all seinen Freunden – und natürlich Google – seinen Aufenthaltsort. Damit kann Google Bewegungsprofile erstellen – und so noch mehr über seine Nutzer erfahren.

Anfang Februar wurde bekannt, dass Google auch in das Providergeschäft einsteigen will. In den USA soll ein experimentelles Glasfasernetz für 50.000 - 500.000 Kunden mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1GBit/s aufgebaut werden. Spätestens hier ist der Punkt erreicht, an dem Google über alle Internet-Bewegungen seiner Kunden Bescheid weiß.


Fazit?!
Eric Schmidt, Googles CEO, sagte der Financial Times einmal folgendes:

"Wir werden im Leben eines jeden Menschen künftig eine so zentrale Rolle spielen, dass ein Leben ohne Google kaum möglich sein wird"

Eine Aussage, die in ihrer Tragweite bedenkenswert ist. Man könnte auch sagen: "Big Brother is watching you." Das Quasi-Monopol in vielen Bereichen (z.B. Suche und Werbung) birgt die Gefahr der Meinungsmache. Würde ich mein Leben nur mit Hilfe von Google bestreiten, liefe ich Gefahr, nach den Wünschen dieses Konzerns manipuliert zu werden. Ich durchsuche das Web mit Google, kaufe über Google Products ein und lese meine Nachrichten bei Google News. Ich würde nur das bekommen, was Google möchte. Eine Vision, die an diverse Bücher oder Filme wie "1984", "Equilibrium" oder "Brave New World" erinnert – auch wenn es diesmal nicht der Staat ist, von dem die Gefahr ausgeht.

Googles Produkte zu nutzen ist mit Sicherheit nicht falsch, aber man sollte aufpassen, dass man sich nicht in Abhängigkeit eines einzelnen Unternehmens begibt. Natürlich ist es praktisch alles aus einer Hand zu bekommen, aber es ist nicht ungefährlich, egal wie das Unternehmen heißt.


Google Datenschutz-Center: FAQ
1Live: "Datenkrake Google"
Politik Digital: "Kurzer Lebenslauf eines Weltkonzerns"
c't: "Die größte Datenkrake der Welt"
Der Tagesspiegel: "Datenkrake im Schafspelz"
Manager Magazin: "Googles Buzz kommt ins Stottern"
SPIEGELOnline: "Google gesteht schwere Patzer ein"
Golem.de: "Google kündigt Internetzugänge mit 1 GBit/s an"
SPIEGELOnline: "Google will Hochgeschwindigkeits-Netzzugänge anbieten"
Christoph Kappes: "Google-Bashing: Zur politischen Ökonomie einer Suchmaschine"
 

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