Herr Professor Rabehl, Sie haben am vergangenen Samstag auf dem 7. Berliner Kolleg des Instituts für Staatspolitik (IfS) zum Thema „Meinungsfreiheit und Tabu“ gesprochen. Sie gelten – als persönlicher Freund und enger Weggefährte Rudi Dutschkes – als einer der berühmtesten Altachtundsechziger Deutschlands. Warum erzürnt Sie also die „Political Correctness“? Könnten Sie sich nicht entspannt zurücklehnen und den Sieg der kulturellen und politischen Vorherrschaft der Altachtundsechziger genießen?
Rabehl: So einfach ist das nicht, denn das, was die Medien so gerne griffig als „die Achtundsechziger“ bezeichnen, bestand tatsächlich aus den unterschiedlichsten Gruppen, Mentalitäten und Persönlichkeiten. Ich gehörte damals zu den sogenannten „Ostlern“, also jenen jungen Leuten, die zwar aus der DDR in den Westen gegangen, politisch aber nicht in der Bundesrepublik „angekommen“ waren. Unter anderem war ich vor dem Stalin-Kult und dem orthodoxen Kommunismus geflohen, doch plötzlich tauchten dessen historische Vertreter im „westlinken“ Teil der Apo als Heroen der Studentenrevolte auf. Das hat mich von der Mehrheit der Achtundsechziger ebenso entfremdet wie deren archaischer Haß auf das eigene Volk, ja ihre Bereitschaft, mit diesem, wenn sie nur einmal die Möglichkeit dazu gehabt hätten, schonungslos abzurechnen – was sich etwa durch ihre Begeisterung für Massenmörder wie Mao Tse-Tung oder Pol Pot bewies.
Die Grünen, an deren Gründung Dutschke und Sie mitgewirkt haben, können heute mit Fug und Recht als Bannerträger der PC bezeichnet werden.
Rabehl: Bezeichnend ist, daß Rudi auf die Frage, wo die Revolution politisch den einmal hinführen solle, keine konkrete Antwort geben wollte. Weil es ihm nicht einfach um die Etablierung neuer herrschender Verhältnisse und deren Absicherung ging. Er wollte Kritik, aber bestimmt niemals etwas wie Political Correctness.
„Radikale Ideologie auf dem Umweg des Tabus formuliert“
Woher kommt dann die Dominanz der PC bei den Grünen, die die Inhalte der Partei inzwischen nahezu vollständig ersetzt hat?
Rabehl: Nach 1977 mußten die kommunistischen Kader der verschiedenen linksextremen Gruppen der Apo ideologisch abrüsten. Mit dem Deutschen Herbst hatte sich allgemein die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Bundesrepublik Deutschland ganz offensichtlich nicht zu revolutionieren war. Leute wie Joschka Fischer und seine orthodoxen linksextremistischen Gefolgsleute, die heute sein Außenministerium ebenso wie Tritins Umweltministerium bevölkern, waren auf ihrem Weg zur Macht in einer Sackgasse. Das neue demokratisch-integrative Konzept einer grünen Partei statt des revolutiönär-konfrontativen Konzept des Kampfes machte eine Neuformulierung der eigenen Ideologie im demokratischen Gewande notwendig. Es war nicht mehr möglich, weiterhin noch von der Diktatur des Proletariats oder der Avantgarde der Revolution zu reden und in der Verachtung der Massen zu schwelgen. Der neue Jargon mußte mit den Erfordernissen einer Wahlpartei kompatibel zu sein.
PC ist also nichts weiter als ins Demokratische übersetzter Linksextremismus?
Rabehl: Als Ersatz für den „verlorengegangenen“ Radikalimus wird die unbedingte Tabuisierung bestimmter Themen um so wichtiger. Dabei ist Tabuisierung in einer Demokratie ebenso extremistisch wie klassischer Radikalismus – aber Tabuisierung fällt nicht so unangenehm auf. Statt mit radikalen, offensiven Forderungen formuliert man seine Ideologie auf dem Umweg von Tabus.
Also eine Ideologie neuen Typs?
Rabehl: Ja, zum Beispiel statt offensiv gegen das deutsche Volk zu agitieren, wird einfach die Masseneinwanderungspolitik tabuisiert, also quasi ein stillschweigendes statt eines offenen Vorgehens gegen das hiesige angestammte Volk. Ebenso wird es in der Geschichtspolitik mit dem Faschismus-Tabu gemacht: Statt offen gegen die deutsche Geschichte vorzugehen, wird diese mit Tabus durchsetzt und somit als kulturstiftende Größe zerstört.
Womit wir beim Fall Hohmann wären.
Rabehl: Der unklugerweise mit seiner Rede am Antisemitsmus-Tabu gerührt hat. Was nicht meint, daß der Antisemitismus nicht tabu sein sollte, sondern daß auf dieser Grundlage das mächtigste aller Tabus der PC aufgerichtet worden ist. Ein Grund für dieses – man könnte sagen – „Meistertabu“ ist, daß ein wirklich effektives Tabu „Blutzeugen“ braucht. Das Antisemitismus-Tabu ist dadurch derart schlagkräftig, daß man damit garantiert jede Reflektierung eines mißliebigen Themas, das sich damit verknüpfen läßt, vermeiden kann. Mittels des Antisemitismus-Tabu läßt sich der Gegner am leichtesten stigmatisieren, isolieren und gesellschaftlich vernichten. Die sogenannte „Auschwitz-Keule“ ist die Superwaffe im Arsenal der politisch korrekten Linken in Europa und Nordamerika. Dazu gesellt sich leider die Instrumentalisierung des Antisemitismus-Tabus durch den Staat Israel. Dieser glaubt sich durch die völlig verfahrene Situation im Nahen Osten dazu gezwungen, alle Mittel im Kampf um das, was er als unabdingbar für seine Existenzsicherung ansieht, einsetzen zu müssen. Dabei führt Israel bekanntlich einen aussichtlosen Kampf und ist daher bestrebt, die USA und Europa möglichst weitgehend in die Auseindersetzung mitzuverwickeln. So ist das Antisemitismus-Tabu sowohl ein Instrument gegen die Gegner der Klasse der Politisch Korrekten in Europa und Nordamerika als auch ein Instrument des Staates Israel gegen die Europäer und Amerikaner. Ironischerweise trifft im übrigen der Antisemitismusvorwurf von seiten des Staates Israel mitunter auch die Europäer, die sich hierzulande nur allzu gerne seiner gegen ihre eigenen Landsleute bedienen.
Das Antisemitismus-Tabu allein erklärt also den Fall Hohmann?
Rabehl: Nein, zwar hat sich Hohmann mit seiner Rede angesichts des Antisemitismus-Tabus im Land wie jemand verhalten, der offenes Feuer in eine Pulverkammer trägt. Es trifft aber zu, daß das noch nicht ausgereicht hat, ihn zur Strecke zu bringen. Fritz Schenk, der Koordinator der Initiative „Kritische Solidarität mit Martin Hohmann“, hat in seinem Vortrag auf dem Berliner Kolleg das entscheidende Detail benannt und übrigens in seinem Buch „Der Fall Hohmann“ auch herausgearbeitet: nämlich die Tatsache, daß es trotz Hohmanns erstaunlicher Fahrlässigkeit dennoch notwendig war, die Fakten zu verdrehen. Ich spreche von der Unterschlagung des Satzes „Und deshalb sind weder Juden noch Deutsche ein Tätervolk“ durch den ARD-Journalisten Werner Sonne, die sich in den folgenden Tagen in fast allen anderen Medien weiter fortpflanzte. Damit erst war die Kampagne losgetreten. Als Tage später schließlich die ersten Medien anfingen, halbherzig auch einmal über diesen Satz zu reflektieren, war es zu spät! Auch den Medien, die das noch unternahmen, war es nicht mehr möglich, dem Satz ein entlastendes Moment abzugewinnen. Es war für niemanden mehr möglich, aus der Kampagen auszusteigen, alle waren schon zu tief verstrickt, um sich das noch leisten zu können. Hohmann ist also nicht nur einem Tabu, sondern auch einer Kampagne zum Opfer gefallen. Ein Tabu ohne die Fähigkeit, eine Kampagne zu starten, ist wirkungslos. Ebenso wie eine Kampagne wirkungslos ist, die nicht bereit oder in der Lage ist, medial zu inszenieren.
So vielleicht wirds ja diesmal nicht gesperrt! Habe das Interview gekürzt! Viele hier werden gewisse Vorbehalte haben, aber ich finde, dass sich dieses Interview sehr gut zu als Diskussionsgrundlage eignet!