Die Anasazi und das Rätsel ihres Verschwindens

Ask1 Redaktion

Geselle
Registriert
11. März 2018
Beiträge
83
Eines der grössten Rätsel der amerikanischen Ur-Geschichte liegt im hochwüstenartigen Vierländereck von Arizona, New Mexico, Utah und Colorado.
Dort entstand vor etwa 2200 Jahren eine matriarchale Hochkultur, welche erstaunliche Techniken im Hausbau, hervorragende Kenntnise der Astronomie, sowie eine eigenständige Religion entwickelte und sich hauptsächlich vom Ackerbau ernährte.

Um 200 vor unserer Zeitrechnung entstand die sogenannte Korbmacher-Kultur, welche sich von den Stämmen der umliegenden Gegenden durch ihre grubenartig-vertieften Wohnhäusern, welche in Dorfgemeinschaften zusammenstanden, und durch ihre verzierten Korbwaren unterschieden. Die Kunst der Keramik war noch nicht entdeckt, die verschiedenen Teile der Korbmacher-Kultur unterschieden sich durch die unterschiedlichen Muster ihrer Körbe.

Ungefähr im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurden die Grubenhäuser durch überirdische Bauten aus Steinmauerwerk ersetzt. Von diesem Zeitpunkt spricht man von der Kultur der Felsenstadtbewohner oder auch Anasazi. Dieser Kunstbegriff wurde in Ermangelung einer überlieferten Bezeichnung 1936 von Alfred V. Kidder vergeben, welcher sich mit der Kultur der Korbmacher beschäftigte.

Die Bewohner dieser Felsenstädte bauten ihre Häuser direkt in die Felsen. Man findet solche Ansiedlungen unter Anderem im Cañon des Mancos, des Rio Grande del Norte und im Colorado-Cañon. Dort findet man auch die größte der bekannten Ansiedlungen, die Mesa Verde.
Die Grubenhäuser wurden als Kivas beibehalten, die von den Männern für Zeremonien benutzt wurden. Die Kiva war Arbeitsstatt und Kultraum zugleich: Hier arbeiteten Männer und Frauen gemeinsam, hier versammelten sie sich zu religiösen Festen, astronomischen Beobachtungen, um Regen zu erflehen oder eine Krankheit aus dem Körper eines Stammesmitgliedes zu vertreiben.

In Mesa Verde wurde ab 700 n. Chr. Damit begonnen, überirdische Wohnungen zu bauen, aber erst um 1150 waren dann alle Dörfer zwischen die Klippen gezogen.
(redaktion)cliff.jpg

Die Anasazi nutzten natürliche Felsvorsprünge, um dort Wohnkomplexe mit teilweise bis zu 200 Räumen und 23 Kivas (Cliff Palace) zu bauen. Einige von ihnen waren nur über schwindelerregende Kletterpfade, sogenannte Felsleitern, mit in den Fels geschlagenen Stufen erreichbar. Im Chaco Canyon befinden sich sehr viele und große Städte, von denen heute die Meisten als Nationalmonumente unter Naturschutz stehen. Erst vom Erscheinen dieser Felsstädte an bezeichnet man dieses Volk als Anasazi. Da die Anasazi über keine Schrift verfügten und die Kultur der Vorzeit bei den übrigen Stämmen von Mund zu Mund überliefert wurden, verfügt man nur über rudimentäre Kenntnisse der Gesellschaftsstruktur der Anasazi.

In den riesigen Klippenhäusern von Mesa Verde, 225 km nördlich des Chaco Canyon gelegen, dürften auf dem Höhepunkt zwischen 30 000 und 40 000 Menschen gelebt haben.
Sie verfügten über ausgedehnte Bewässerungssysteme und konnten auf ihren wohlangelegten Feldern reiche Ernten einfahren, welche die Leute ernährten.
Die Anasazi waren matriarchalisch organisiert, die Felder auf denen neben Mais auch Paprika, Bohnen und Tabak angebaut wurden, gehörten den Frauen. Die Männer zogen nach einer Heirat als Gäste in die Häuser der Frauen und verliessen die Häuser im Falle einer Trennung wieder, wobei die aus dieser Verbindung hervorgegangnen Kinder bei der Mutter blieben.
cliffs.jpg




Die Städte waren mit Straßen untereinander verbunden. Man hat insgesamt ein Straßennetz von 650 km Länge ausgemacht, das sich in Nord-Süd-Richtung (von den Rocky Mountains bis zu den Mogollon-Bergen) und in Ost-West-Richtung ausbreitet. Zu den eindrucksvollsten Stätten im Chaco gehören der Pueblo Bonito, Chetro Ketl, Hungo Pavi und Pueblo Alto. Ihren Höhepunkt erlebten die Chaco-Siedlungen zwischen 950 und 1300 n. Chr.

Die Temperaturen in dieser wüstenartigen Hochebene schwanken von 40 Grad Celsius im Sommer und minus 30 Grad Celsius im Winter. In den Schluchten wachsen Salbei, Kakteen und einige angepasste Gräser. Nur die wenigsten Flüsse führten ganzjährig Wasser.
In einer solchen Gegend, wo lebensbedrohlichen Naturelemente vorherrschen, entwickelte sich eine Religion, welche vor allem die Sonne und Mutter Erde anbetete. Wahrscheinlich wurden in den sogenannten Kivas umfangreiche Zeremonien um die Fruchtbarkeit des Landes und genügende Bewässerung abgehalten.

Auch ihr astronomisches Wissen war ohne seinesgleichen unter den umliegenden Stämme. Mondfinsternisse, Mondphasen und Kometen verewigten sie in ihren Petroglyphen (Felsmalereien). Zudem sind hohe steinerne Türme kennzeichnend für die Anasazi-Kultur. Spektakulär ist jedoch die sogenannte Chetro Ketl Great Kiva, eine unterirdische Zeremonienkammer im Chaco Canyon New Mexicos. Eine Tür der Kiva öffnet sich des Nachts und gibt den Blick auf einen Fixpunkt frei, den man als Himmelspol bezeichnet und um den sich das Himmelszelt zu drehen scheint. Dieser Himmelspol wurde auch von den Baumeistern des alten Ägypten zur Ausrichtung der Pyramiden benutzt.
(redaktion)an4.jpg


In den Ruinenstätten gibt es zudem zahlreiche Hinweise auf die Sonnenbeobachtung. Einzelne Gebäude wurden, markiert durch Fenster- oder Türöffnungen, nach den Himmelsrichtungen oder auch nach bestimmten Sonnenpositionen ausgerichtet. Dabei waren besonders die Stellungen der Sonne zu den Sonnenwenden, sowohl der Sommer- als auch de Wintersonnenwende von Bedeutung. Die Einbeziehung markanter Horizontpunkte in die Sonnenbeobachtung, das Wechselspiel von Licht und Schatten im Zusammenhang mit Felszeichnungen oder ausgeklügelte Architekturen sind Merkmale der Anasazi-Kultur.

Die Bauwerke und die Petroglyphen der Anasazi künden von Menschen, welche die natürlichen Zyklen genau kannten und mit ihnen zu leben wussten. Löst man die Bauten jedoch aus ihrem Zusammenhang und betrachtet nur die astronomischen Aspekte, schaut man an der ganzheitlichen Lebensauffassung der nordamerikanischen Ureinwohner vorbei.

Auch über Angriffe feindlicher Stämme wurde in Forscherkreisen diskutiert, doch diese Vermutungen konnten nicht bewahrheitet werden, und neuere Forschungen bewiesen, dass die Pueblo- Stämme, welches das Gebiet heute bewohnen, die Region erst rund um das Jahr 1500 erreichten und besiedelten.
Diese Stämme, hauptsächlich Hopi und Zuni leben heute südlich des ehemaligen Anasazi-Landes, und sind womöglich die kulturellen und regionalen, vielleicht sogar die direkten Nachfahren der Anasazi. Ihre Überlieferungen bilden die Grundlage unseres heutigen Wissens über die Anasazi.
Die Religionen und Bräuche der Pueblo-Bewohner könnten deshalb der Schlüssel zu jener untergegangenen Zivilisation sein.

Ein weiteres, vieldiskutiertes Puzzleteil dieses Rätsels liegt in den Forschungen des amerikanische Archäologen Brian R. Billman, der den Untergang einer Indianersiedlung im Jahre 1147 n. Chr., der Forscher die Codenummer 5MT10010 untersuchte. Sie liegt im Cowboy Wash, einem ausgetrockneten Tal im Südwesten des Staates Colorado. Billman und zwei Kollegen sind schon 1992 auf diesen Ort gestoßen, doch es dauerte Jahre, bis sie das Knochenpuzzle, welches sich vor ihnen ausbreitete, zusammensetzen konnten.
Eine kleine Siedlung, bestehend aus drei Grubenhäuser, in denen rund ein Dutzend Männer, Frauen und Kinder wohnten, wurde das Ziel eines grausamen Angriffs. Die Häuser hatten einen kreisförmigen Grundriss und waren gut einen Meter tief in die Erde eingegraben; das Dach aus Zweigen und Lehm wurde von Pfosten aus Wacholderholz getragen. Daneben standen Vorratskammern, doch die waren bis auf eine Hand voll Maiskörner der letztjährigen Ernte leer. Die ortsansässigen, abgezehrten Menschen ernährten sich hauptsächlich von Wildpflanzen. Der Überfall muss überraschend gekommen sein, denn die Bewohner hatten nicht einmal Zeit, sich in ihren Erdhäusern zu verschanzen. Vielleicht konnten einige fliehen, vielleicht wurden sie von den Angreifern verschleppt. Sicher ist nur, dass drei Männer, eine Frau und drei Kinder - etwa 14, 11 und 7 Jahre alt - mit Keulen oder Steinen erschlagen wurden. Die Angreifer zerhackten die Toten, schnitten mit Steinklingen die Muskeln von den Gebeinen, um sie über dem Feuer zu braten. Sie saugten das Mark aus den zerbrochenen Knochen und legten die abgeschlagenen Köpfe der Kinder auf glühende Holzkohle, um das Hirn im Schädel zu garen.
Dieser überraschende Fund erstaunte nicht nur die Fachwelt, denn Kannibalismus unter nord-amerikanischen Stämmen war bis dahin in Forschungskreisen sozusagen unbekannt. Billman und sein Forscherteam wurde in Forscherkreisen auch prompt angegriffen, die Verstümmelung der Opfer wurde als Begräbnis-Ritus bezeichnet.
Doch immer wieder finden Forscher Zeichen von Gewalt gegen die Anasazi und rechnen mittlerweile rund 38 Knochenfundstellen mit mindestens 286 Opfern kannibalischer Handlungen dazu. Viele Stellen solcher grausamen Orgien sind wahrscheinlich noch überhaupt noch nicht entdeckt worden.
Diese Zahl ist jedoch schon jetzt so hoch, dass Kannibalismus bei der Suche nach dem Grund ihres Unterganges nicht mehr von der Hand gewiesen werden kann.

In seinem Buch "Man Com" beschreibt der Anthropologe Christy Turner ein furcherregendes Bild: Rituelle Menschenopfer waren erwiesenermassen Brauch bei mittelamerikanischen Hochkulturen. Nach Turner könnte sich ums Jahr 900 eine kleine Truppe von Tolteken gen Norden aufgemacht haben. Diese Konquistadoren hätten die Anasazi unterworfen und ihr Reich fortan von Chaco Canyon aus reagiert. Die fremde Herrscherschicht könnte ihre Macht durch Terror gesichert haben; durch den grössten Schrecken überhaupt, den sie bei den Unterjochten auslösen konnten: Sie frassen sie einfach auf!
Turner glaubt, Kannibalismus sein das Mittel gewesen, um die Anasazi gefügig zu halten - bis zu der obenbeschrieben Dürreperiode nach 1130. Dann sein die Herrschaft der Menschenfresser, die vielleicht schon durch die Dürre und die davon ausgehenden Missernten ins Schwanken geraten war, durch eine Revolte zerstört worden. Die befreiten Anasazi hätten nach Turner das Tal des Schreckens verlassen, wonach Chaco Canyon 800 Jahre lang menschenleer blieb - ein Ort auf dem ein Fluch lag.

Dies ist aber nur ein Ansatz zur Lösung dieses Rätsels, welches im Dunkel der Vorzeit liegt. Andere Forscher, unter anderem auch Brian Billman bezweifeln diese Theorie.
Sicher ist nur, dass der Kannibalismus nicht hinwegdiskutiert werden kann. Ebenso kann keines der vorgenannten Szenarien wie Versteppung oder Seuchen die kannibalischen Funde und die vielen Anzeichen kriegerischer Handlungen erklären!

Unabhängig von den Forschern gibt es unter den Stämmen, welche das Land der Anasazi heute besieden und sie aufgrund der Komplexität der Navajo-Sprache " die Ahnen eines anderen Volkes", "die alten Ausserirdischen" oder "die alten Feinde" nennen, eine Überlieferung, wonach die Anasazi die letzten Überlebenden eines uralten Stammes gewesen waren.
In Hopi-Überlieferungen besiedelte dieses Volk den nordamerikanischen Kontinent, bereits bevor die ersten indigenen Völker über die Beringstrasse einwanderten. Sie verfügten über ein geheimes Wissen was Astrologie und Heilmittel anging, und besassen angeblich eine "Verbindung zu den Sternen". So sollen sie denn auch zum Zeitpunkt ihres Verschwindens aus dieser Welt entrückt worden sein und nun auf dem Stern, von dem sie stammten und ursprünglich auf unsere Erde kamen, weiterleben.

(redaktion)an5.jpg
Das Rätsel der Anasazi liegt im tiefen Dunkel der Zeit.
Doch bei allen Erkenntnissen über ihr Verschwinden, sei es nun durch eine der ersten "hausgemachten" Umweltkatastrophen, eine weitreichende Klimaverschiebung , ein grossangelegter Genozid durch ein grausames Terrorregime oder der Entrückung, die Frage nach dem Warum und dem Wohin bleibt.
Sicher ist, dass mit ihrem Verschwinden viel altes Wissen über Zusammenhänge und über das Zusammenleben in der Wüste versickerte.
Wissen, welches wir in unserer schnelllebigen und unausgeglichenen Zeit dringend benötigen würden.
 

Ähnliche Beiträge

Oben