"Der Mensch – ein potenzieller Massenmörder"

streicher

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Der Sozialpsychologe Harald Welzer kommt in seinem Buch "Täter - wie aus normalen Menschen Massenmörder werden" zu dem Schluss, dass weder Bildung noch Religion vor der Karriere eines Massenmörder schützen. Nicht mal eine strikte Befehlskette brauche es, um die "Normalos" zum Massenmord zu bewegen, sondern eine "gewisse Moral", mit der er gerechtfertigt wird und eine Unterscheidung zwischen Personengruppen (Juden versus Arier). Und folgendes Ergebnis mag überraschend sein:
Seine Quellen belegen, dass gerade sanfte Vorgesetzte für die Organisation von Massenexekutionen zuständig waren und dass die Tötungsbefehle nicht explizit erteilt, sondern eher allgemein gehalten wurden.
Die Täter waren psychologisch normale Leute, die ihr Tun womöglich als harte Arbeit betrachteten, aber sich selbst für dafür entschieden hätten, ein Massenmörder zu sein.
Schließlich, so Welzer brauche man freiwillige Täter. Würde man die Täter gegen ihren Willen verpflichten, würde es nur Schwierigkeiten geben: diese verpflichteten Täter würden daneben schießen und den «Prozess» des Mordens nur aufhalten und erschweren. Statt auf eine strenge Befehlskette zu setzen, so Welzer, setzten die Vorgesetzten auf Handlungsspielräume.
Hat jemand das Buch schon gelesen? Was meint ihr zu den Ergebnissen?
Vom Massenmörder zum Familienpapa
 

Ellinaelea

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Da sieht man wieder mal prächtig, was heutzutage als "psychologisch normal" eingestuft wird. Kein Wunder siehts auf der Welt so aus.
 

Gammel

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Ellinaelea schrieb:
Da sieht man wieder mal prächtig, was heutzutage als "psychologisch normal" eingestuft wird. Kein Wunder siehts auf der Welt so aus.

Es ist zu einfach aus der heutigen Sicht zu sagen: Ich hätte das nie getan. (bzw. die waren wohl nicht normal)

Ich wäre mir bei mir da nicht so sicher :cry: .

Unter "geigneten" Bedingungen,Umständen, Umfeld,... werden wohl die meisten Menschen zu Massenmördern werden. (Gottseidank aber nicht alle...und ich kann nur hoffen, das ich ich zu dehnengehören würde...)
 

agentP

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Da sieht man wieder mal prächtig, was heutzutage als "psychologisch normal" eingestuft wird. Kein Wunder siehts auf der Welt so aus.
Klar. Die Leute einfach als "unnormal" abstempeln und sich keine weiteren Gedanken mehr darüber machen, warum liebende Familienväter und Nachbarn plötzlich zu Monstern werden, würde uns sicher weiterbringen. :roll:
 

Ellinaelea

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agentP schrieb:
Klar. Die Leute einfach als "unnormal" abstempeln und sich keine weiteren Gedanken mehr darüber machen, warum liebende Familienväter und Nachbarn plötzlich zu Monstern werden, würde uns sicher weiterbringen. :roll:
Sag das jemandem, der noch nicht mit Opfern von liebenden Familienvätern und Nachbarn gearbeitet hat, indem er sich um seine sexuell missbrauchten, geschlagenen oder sonstwie falsch behandelten Kinder gekümmert hat!
Sag das denen, die noch nie mit Vergewaltigern therapeutisch gearbeitet haben, um Wiederholungen zu verhindern!
Und sags auch gleich denen, die noch nie Mörder dazu überredet haben, keine weiteren Morde mehr zu begehen!
Sag es denen, die noch nie Jugendliche so weit beeinflussen konnten, dass sie die Finger von Drogenexperimenten liessen!
Sag es denen, die noch nie Nutten vor ihren Zuhältern versteckt haben!
Und sag es denen, die noch nie eingeschüchterte Mütter mit ihren Kinder mit der Polizei vor dem schiesswütigen Ehemann in Sicherheit gebracht haben.
Ich lass die Liste jetzt, auch wenn ich noch weiter verlängern könnte. Jedenfalls bin ich die falsche Adresse für solche Vorwürfe.

Genau DAS meine ich doch. Dass das, was heutzutage als "psychologisch gesund" gewertet wird, nur ein oberflächliches Verhalten bezeichnet und null Einblick in die Tiefe der Menschen hat.
Als psychologisch gesund gilt einfach wer sich gut angepasst hat und nicht weiter unangenehm auffällt. Was hinter den verschlossenen Türen abgeht, wird erst zum Thema, wenn mal wieder ein Opfer in der Presse auftaucht.

Wir sollten dringendst unsere Version von "psychologisch gesund" ändern.
 

agentP

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Darum geht´s aber doch in dem oben besprochenen Buch gar nicht, sondern um Menschen die im Krieg und eingebunden in Befehlsketten zu Tieren werden.
Was hat das mit Kinderschändern, Drogenopfern und Mördern in einer zivilen und friedlichen Gesellschaft zu tun ?
 

Ellinaelea

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agentP schrieb:
Darum geht´s aber doch in dem oben besprochenen Buch gar nicht, sondern um Menschen die im Krieg und eingebunden in Befehlsketten zu Tieren werden.
Was hat das mit Kinderschändern, Drogenopfern und Mördern in einer zivilen und friedlichen Gesellschaft zu tun ?
Die angebliche "psychologische Gesundheit".
 

agentP

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Mit Verlaub, aber ich kann deiner Kausalkette nicht mehr folgen. In dem Buch ist die Rede davon, daß im Krieg durch bestimmte Faktoren psychisch gesunde Menschen, zu Bestien werden. Darauf antwortest du:

Da sieht man wieder mal prächtig, was heutzutage als "psychologisch normal" eingestuft wird. Kein Wunder siehts auf der Welt so aus.

Was nahelegt, daß du nicht damit enverstanden bist, daß diese Menschen als "psychisch gesund" eingestuft werden. Nachdem ich das kritisiere ziehst du Kinderschänder, Vergewaltiger und Drogenopfer heran, also Menschen, die ja gemeinhin eben nicht als psychisch gesund betrachtet werden.
Genau af diesen Unterschied scheint aber doch der Autor des Buches hinauzuwollen: Nicht was macht den Soziopathen zum Massenmörder, sondern wieso macht der Krieg denn "Gesunden" zum Massenmörder.
 

JimmyBond

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naja das was der herr welzer da schreibt war schon allgemein bekannt, so dachte ich zumindest.

es ueberrascht mich auch nicht, dass solche leute dennoch als normal eingestuft werden. denn auf verrueckte psychos kann man in kampfeinsaetzen gut verzichten. wer will sich schon - wenns drauf ankommt - auf jemanden verlassen, der jederzeit durchdrehen kann. vielleicht die eigenen leute erschiesst und ohne sinn und zweck auf zivilisten ballart.

es ist nicht unueblich das solche leute familienvaeter sind. dass in dieser familie alles wunderbar verlaeuft, sogar vielleicht besser als in den meisten "normalen" familien. dabei muss man bedenken, dass weder frau noch kinder das genaue wissen ueber die taetigkeiten ihres vaters/mannes haben.

solange die psyche weiter mit spielt, die soldaten jederzeit das toeten abstellen koennen und wissen koennen, wer feind und wer verbuendeter ist, sehe ich da kein problem. solange die soldaten halt zu keinem sicherheitsrisiko werden, sollen die ein normales leben fuehren koennen.

...meine meinung...
 

streicher

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JimmyBond schrieb:
naja das was der herr welzer da schreibt war schon allgemein bekannt, so dachte ich zumindest.

es ueberrascht mich auch nicht, dass solche leute dennoch als normal eingestuft werden. denn auf verrueckte psychos kann man in kampfeinsaetzen gut verzichten. wer will sich schon - wenns drauf ankommt - auf jemanden verlassen, der jederzeit durchdrehen kann. vielleicht die eigenen leute erschiesst und ohne sinn und zweck auf zivilisten ballart.
Klar. Der Artikel greift das auch auf.

es ist nicht unueblich das solche leute familienvaeter sind. dass in dieser familie alles wunderbar verlaeuft, sogar vielleicht besser als in den meisten "normalen" familien. dabei muss man bedenken, dass weder frau noch kinder das genaue wissen ueber die taetigkeiten ihres vaters/mannes haben.
Unnormale Situation, der Krieg. Vielleicht wurde schon untersucht, welche Auswirkung eine Ausnahmesituation auf den Zusammenhalt einer Familie hat.-

solange die psyche weiter mit spielt, die soldaten jederzeit das toeten abstellen koennen und wissen koennen, wer feind und wer verbuendeter ist, sehe ich da kein problem. solange die soldaten halt zu keinem sicherheitsrisiko werden, sollen die ein normales leben fuehren koennen.

...meine meinung...
:O_O: Zwar mögen die 'Völkermorder' (um Völkermord ging es ursprünglich eigentlich) auf ein normales Leben hoffen, aber nach den Taten darf es ihnen nicht gewährt werden.

___________
Nun angemerkt: Anfang des Jahres habe ich ein ähnliches Thema angestossen - Das Milgram-Experiment - das zum Ergebnis hatte, dass 'Normalos' bei Druck durch einen 'Experten' oder eine 'Respektperson' zu Dingen fähig ist, die sie sonst nie erwägen würden. Man könnte doch eigentlich auch so argumentieren, dass auch die sanfte Tour - zur Erinnerung
Seine Quellen belegen, dass gerade sanfte Vorgesetzte für die Organisation von Massenexekutionen zuständig waren und dass die Tötungsbefehle nicht explizit erteilt, sondern eher allgemein gehalten wurden.
- starken Druck ausüben könnte, denn wer sich entzöge, müsste doch mit Folgen rechnen. Die sanfte Tour reiche in einem solch kontrollierten System, um auch Angst zu erzeugen. Die "Moral" diene als Vorwand zur eigenen Rechtfertigung.
:!: :?:
 

hives

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streicher schrieb:
Nun angemerkt: Anfang des Jahres habe ich ein ähnliches Thema angestossen - Das Milgram-Experiment - das zum Ergebnis hatte, dass 'Normalos' bei Druck durch einen 'Experten' oder eine 'Respektperson' zu Dingen fähig ist, die sie sonst nie erwägen würden.

Bemerkenswert ist vielleicht auch Solomon E. Asch, Doktorvater von Stanley Milgram in Harvard:
Asch's most famous experiments set a contest between physical and social reality. His subjects judged unambiguous stimuli – lines of different lengths – after hearing other opinions offering incorrect estimates. Subjects were very upset by the discrepancy between their perceptions and those of others and most caved under the pressure to conform: only 29% of his subjects refused to join the bogus majority. This technique was a powerful lens for examining the social construction of reality, and gave rise to decades of research on conformity. Stanley Milgram's studies of obedience to authority were inspired directly by Asch's studies.
http://www.psych.upenn.edu/sacsec/about/solomon.htm

Noch ein Zitat von Asch:
"Most social acts have to be understood in their setting, and lose meaning if isolated. No error in thinking about social facts is more serious than the failure to see their place and function."


streicher schrieb:
Man könnte doch eigentlich auch so argumentieren, dass auch die sanfte Tour - zur Erinnerung
Seine Quellen belegen, dass gerade sanfte Vorgesetzte für die Organisation von Massenexekutionen zuständig waren und dass die Tötungsbefehle nicht explizit erteilt, sondern eher allgemein gehalten wurden.
- starken Druck ausüben könnte, denn wer sich entzöge, müsste doch mit Folgen rechnen. Die sanfte Tour reiche in einem solch kontrollierten System, um auch Angst zu erzeugen. Die "Moral" diene als Vorwand zur eigenen Rechtfertigung.

Ja, innerer Widerstand kann so wahrscheinlich schneller und einfacher gebrochen werden.

Die "Grundregeln" nach Zimbardo:

1. Create an ideology where the ends justify the means
2. Get a contract from the subjects where they agree to comply
3. Give participants meaningful roles with clear social value
4. Have the rules be vague and changing
5. Re-label actors and actions (“order control”, not guards; “monsters”, not people)
6. Diffuse responsibility so subjects don’t feel liable
7. Start small but slowly increase the requirements, step by step
8. Make the leader seem compassionate at first
9. Permit verbal dissent (“I don’t want to do this; I feel bad”) as long as subjects continue complying
10. Make it difficult to exit
Quelle


Bemerkt werden sollte vielleicht noch, dass gerade die medienwirksamsten Experimente ethisch nicht unproblematisch waren - und heute höchstwahrscheinlich nicht mehr durchgeführt werden könnten:

“I would not like to see experiments such as Milgram’s proceed,” wrote Dr. Diana Baumrind of the University of California, Berkeley, in 1964, “unless the subjects were fully informed of the dangers of serious aftereffects.” Zimbardo and Milgram both insisted that follow-up studies of their subjects indicated that they suffered no lasting harm. Zimbardo, though, has admitted some ambivalence about his landmark study in power and human cruelty. “A lot of good came out of it,” he says. “But the other side is, boys suffered.”
http://www.theweekmagazine.com/briefing.asp?a_id=612

Möglich erscheint, dass die Ergebnisse weitergehend öffentlich abgewertet werden. Ansätze dazu gibt es bereits:

What about the 35% who did not administer the “lethal” shocks to their fellow students? Milgram’s study and Zimbardo’s prison study are often used to make the point that we are all capable of such sadistic behavior under the right circumstances. This is not true. What they really prove is that many of us are capable of such behavior. Some subjects in these experiments refused to follow orders when these orders including injuring another person. Identifying such persons and placing them in leadership positions might be an important step to keep such tragedies from recurring.
"We are Not All Capable of Sadistic Behavior"

"Ein Drittel der Menschheit ist möglicherweise geistig gesund, lasst sie uns in Führungspositionen setzen und über den Rest herrschen"

:O_O:
 

Semiramis

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hives schrieb:
"Most social acts have to be understood in their setting, and lose meaning if isolated. No error in thinking about social facts is more serious than the failure to see their place and function."
Dieser Ausspruch von Asch hat mich auf eine Idee gebracht. Mit dem Buch von Welzer hat uns ein Psychologe mal wieder eine (vielleicht tatsächlich gar nicht mal so neue) Einsicht über den Menschen kundgetan. Nun wissen wir, dass vielleicht jeder Mensch potentiell in der Lage ist, zu töten. Aber was hilft uns das? Für mich liest sich das Zitat von Asch so, dass das Wichtigere die Situation, die Umstände sind. Wenn Menschen in bestimmten Ausnahmezuständen zu unmenschlichen Dingen fähig sind, muss man also (vereinfacht gesagt) die Umstände ändern. Bei den meisten Menchen scheint das in einer humanen Gesellschaft auch zu funktionieren. Sorgen machen uns dann noch diejenigen, die trotzdem zu solchem fähig sind. Mit dem Gedanken, dass ich unter anderen Umständen ein Mörder werden könnte, damit muss ich wohl leben.
Wünschenswert, wenn Erkenntnisse über die menschliche Psyche Eingang in die Organisation unserer Lebenswelt fänden.
 

antimagnet

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sind dann (massen-)mörder unschuldig?

wenn es doch die umstände sind, die eine person dazu bringen...

:gruebel:
 

agentP

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Nö. Solange andere Leute unter den gleichen Umständen nicht zu Massenmördern werden scheint wohl auch noch ein Rest quasi freier Entscheidung im Spiel zu sein.
 

hives

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Semiramis schrieb:
Für mich liest sich das Zitat von Asch so, dass das Wichtigere die Situation, die Umstände sind. Wenn Menschen in bestimmten Ausnahmezuständen zu unmenschlichen Dingen fähig sind, muss man also (vereinfacht gesagt) die Umstände ändern. Bei den meisten Menchen scheint das in einer humanen Gesellschaft auch zu funktionieren. Sorgen machen uns dann noch diejenigen, die trotzdem zu solchem fähig sind.
Wobei die Frage gestellt werden kann, wie human denn eigentlich die Gesellschaft, in der wir leben, erscheint, wenn wir dieselbige nicht als Maßstab betrachten. An vielen Punkten wird mit Druck, Existenzängsten, Zwang, psychischer Gewalt, teilweise auch mit körperlichen Strafen gearbeitet, Gewaltanwendung wird nicht nur in den Medien bei persönlicher Konfliktbewältigung oder in Bezug auf Krieg und Terrorabwehr als Mittel zum Zweck gerechtfertigt usw.
Einige der Punkte von Zimbardo besitzen ja schon fast gesamtgesellschaftliche Qualitäten, etwa:
1. Create an ideology where the ends justify the means

[...]

5. Re-label actors and actions (“order control”, not guards; “monsters”, not people)

6. Diffuse responsibility so subjects don’t feel liable


Mit dem Gedanken, dass ich unter anderen Umständen ein Mörder werden könnte, damit muss ich wohl leben.
Wünschenswert, wenn Erkenntnisse über die menschliche Psyche Eingang in die Organisation unserer Lebenswelt fänden.
Wahrscheinlich finden sie bereits Eingang - vielleicht anders, als man sich das wünschen würde. Auch zb. Militär und Geheimdienste haben ihre Experten für psychologische Fragen, da gab es ja schon "interessante" Vorhaben...



@ agentP: Wie kommst du jetzt auf "freie Entscheidung"?
Da würde ich eher sagen: Andere Menschen haben andere Voraussetzungen. Wenn bspw. 35% in einem Experiment nicht gleich mitspielen, heißt das noch lange nicht, dass sie ihre freie Entscheidung davor bewahrt hat - vielleicht hat man auch (stark vereinfacht ausgedrückt) den richtigen trigger noch nicht getroffen...
 

JimmyBond

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streicher schrieb:
Zwar mögen die 'Völkermorder' (um Völkermord ging es ursprünglich eigentlich) auf ein normales Leben hoffen, aber nach den Taten darf es ihnen nicht gewährt werden.

wieso nicht? wenn die dazu im stande sind!? ein kampfpilot kann hunderte und mehr menschen mit einem einzigen flug toeten, in dem er bomben abwirft. soll ihm das auch verwehrt bleiben oder ist was anderes?

ein massenmoerder muss nicht nur der sein, der den abzug betaetigt. ein massenmoerder kann auch der sein, der einfach nur den befehl dazu gibt. sei es ein offizier oder politiker.

:?:
 

agentP

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@ agentP: Wie kommst du jetzt auf "freie Entscheidung"?
Da würde ich eher sagen: Andere Menschen haben andere Voraussetzungen. Wenn bspw. 35% in einem Experiment nicht gleich mitspielen, heißt das noch lange nicht, dass sie ihre freie Entscheidung davor bewahrt hat - vielleicht hat man auch (stark vereinfacht ausgedrückt) den richtigen trigger noch nicht getroffen...

Beides möglich. Ich weiss nicht, ob es die freie Entscheidung oder der "Trigger" ist, der dafür sorgt, daß der eine unter ähnlichen Umständen ein Rudolf Hoß und der andere ein Oskar Schindler wird.
Aber wenn es nur der Trigger ist, wieso entscheiden sich dann verschiedenste Menschen dazu zB Pazifisten zu werden und sich, wie die Quäker in Amerika lieber von Indianer massakrieren zu lassen, als sich zu wehren. Irgendwie scheint es möglich zu seine bestimmte Trigger zu deaktivieren.
Ich persönlich hoffe zumindest, daß Menschen auch aus sich heraus in der Lage sind sich von "Umständen" frei zu machen oder sich doch zumindest entscheiden können, welchen "Umständen" sie Macht über ihr handeln einräumen wollen.

ein massenmoerder muss nicht nur der sein, der den abzug betaetigt. ein massenmoerder kann auch der sein, der einfach nur den befehl dazu gibt. sei es ein offizier oder politiker.
Nein. Wer den Abzug betätigt hat in jedem Fall Schuld, womit ich die Mitschuld des Plitikers oder Offizier nicht ausschliesse. Aber ein Befehl zu einem Verbrechen entschuldigt nicht den Täter.
 

Aphorismus

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agentP schrieb:
Aber ein Befehl zu einem Verbrechen entschuldigt nicht den Täter.

Vielleicht nicht psychologisch und/oder moralisch, wohl aber rechtlich. Henker werden nicht wegen Mordes angeklagt, auch wenn sie selbt u.a. Leute ermorden, weil diese jemanden ermordet haben. Gut, da kann man argumentieren, dass ein Henker, der mordet, kein Verbrechen begeht.

Aber auch in den Nürnberger Prozessen und den Nachfolgeprozessen wurden nur diejenigen verurteilt, die "über das befohlene Maß hinaus" Grausamkeiten begangen und so ihren Spaß am Quälen und Töten auf eine nicht zu versteckende Art zur Schau gestellt haben.

Die, die eigentlich denken: "War doch gut, die Scheiß-Juden umzubringen und ja - ich wollte das" aber "Ich bin nur Befehlen gefolgt und die Menschen taten mir leid, aber unter diesem Druck konnte ich nicht anders handeln, oder habe dies zumindest gedacht." sagen sind in den meisten Fällen vom Rechtssystem freigesprochen worden.
 

agentP

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In Deutschland gilt aber mittlerweile das Grundrecht der Gewissensfreiheit und auch nach dem Soldatengesetz ist ein Befehl nicht verbindlich, wenn er unzumutbar ist und damit kann man sich auch nicht mehr auf "Ich bin nur Befehlen gefolgt und die Menschen taten mir leid, aber unter diesem Druck konnte ich nicht anders handeln, oder habe dies zumindest gedacht." zurückziehen.

Konkret sagt das Soldatengesetz dazu sogar:
Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Untergebene den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, daß dadurch eine Straftat begangen wird.
$11 (2) SG
 

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