Cuderon na´ Od`Whair - Die Geschichte eines Elben

Shiraffa

Großmeister
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16. September 2002
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Ich spiele seit längerer Zeit ein Online-Rollenspiel. Der Charakter, den ich dort verkörpere, hat ein Eigenleben gewonnen und wollte seine Geschichte aufgeschrieben haben. Vielleicht gefällt sie Euch ja.


Prolog

Es war ein unruhiger Nachmittag, die Bäume vor dem Marktplatz wiegten sich im ungestümen Wind. Rote und braune Blätter wirbelten noch verspielter als sonst die Kinder durch die engen, ungepflasterten Gassen Od´Waihrs und verfingen sich in ihrem tollem Spiel in den geschlossenen Läden der Fenster der reicheren Bürgern. Langsam, vom steten Auf und Ab des Windes verschont, bahnt sich ein einzelnes grünes Blatt den Weg zur einzigen Schenke der winzigen Stadt, wo es einen Weg durch die Spalte unter der verzierten und mit Eisen beschlagene Tür findet und liegen bleibt.
Am einzigen zu dieser frühen Stunde besetzten Tisch sitzen fünf Elben und unterhalten sich mit ruhiger Stimme. Der sichtbar Älteste von ihnen, gekleidet in edles Tuch, doch nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand der Mode, schaut gramerfüllt auf die anderen vier, deren Kleidung ebenso von ihrem hohen Stand zeugt. Nicht einer von ihnen ist in der Stimmung, wie sonst üblich, eine alte Weise zu Erbauung der anderen anzustimmen und auch die sonst anwesenden Spielleute sind um diese Zeit noch nicht eingetroffen. Mit einem Wink bedeutet der Älteste der Schankmaid, noch einen Krug des lieblichen Weines zu bringen, der so vortrefflich in den landeinwärts gelegenen Hügeln des Dorfes gedeiht.
„Den könnt ihr jetzt sicher brauchen, meine Söhne. Und auch ihr, Kaaedan, möchtet bestimmt nicht nur eure Feder befeuchten.“
Kaaedan war der Schreiber und Vogt der Familie, der geduldig seit etlichen Jahrhunderten darauf wartete, dass letztlich einmal wieder etwas in der nunmehr 4000-jährigen Geschichte des Grafen von Od´Waihrs geschah. Das Leben in diesem verschlafenem Dorf war nicht gerade das, was der Schreiber als bemerkenswert betrachtete und er hatte viel Zeit, sich anderen Dingen zu widmen. Meist musste er sich mit kurzweiligen Geschichten wie Pachtverträge an irgendwelche kurzlebigen Halblingen und Menschen abgeben, was ihm gar sehr zum Greul wurde. Diese unüberlegten und kurzsichtigen Wesen bedeuteten immer wieder Ärger in der Geschichte Od´Waihrs und doch hatte sie sein Herr, Graf Gwoeron von Od´Waihr, in sein Herz geschlossen.
Gwoeron wurde es scheinbar nie müde, zuzuschauen, wie die Menschen und Halblinge seines Dorfes während ihrer kurzen Lebensspanne zu erreichen versuchten, wozu einer des alten Volkes Jahrhunderte, wenn nicht gar mehr brauchte. Immer wieder war er freudig erstaunt wenn es einer oder einem von ihnen durch schlaues Handeln und geschicktes Nutzen seiner Fähigkeiten gelang, sich aus dem Schatten seiner gar zu offensichtlichen Sterblichkeit zu erheben, sei es durch gekonntes Vermehren seiner weltlichen Güter oder durch erfolgreiches Streben nach den von Elara gegebenen Weisheiten der Magie oder der Philosophie.
Doch in diesen kalten Herbsttagen war ihm die eigene Sterblichkeit auf eine traurige Art wieder bewußt geworden. Vor nicht ganz einer Woche starb seine geliebte Frau Aniowiel lange vor ihrer Zeit. Er dachte an die Wochen voller Qualen, die hinter ihm und der ganzen Familie lagen.

Alles begann vor fünf Wochen. Die Sonne erbarmte sich noch einige Tage und ließ die Bauern der Umgebung ihre Ernte einholen und gab den Fischern Gelegenheit, ihre Netze vor dem herannahenden Winter noch einmal gründlich zu trocknen. Am letzten Abend des Oldra-Mondes veranstalteten die Bauern und Fischer wie jedes Jahr ein Fest zu Ehren der Göttin des Lebens und der Fruchtbarkeit. Die Weingärtner baten indes um noch einige Tage Sonne mehr, auf dass die Reben noch süßer wurden.
Das ganze Dorf hatte sich versammelt und es wurde an allen Bänken und Tischen reichlich Wein ausgeschenkt und vortrefflich gespeist. Ein leichter Seewind kühlte die vom Wein erhitzten Köpfe der Dorfbewohner und die Klänge von Lauten und Harfen ertönten durch das ganze Dorf. Selbst einige Gaukler aus entfernten Orten hatten den Weg nach Od´Waihr gefunden, denn es sprach sich herum, dass bei diesem Fest die Goldmünzen locker saßen. Die Priesterin Siranis erteilte an diesem Abend vielen jungen Verliebten ihren Segen und auch der Graf ließ sich wie jedes Jahr nicht Lumpen und der Ochse, den er gespendet hatte, drehte sich knusprig gebraten an einem langen Spieß neben dem großen Feuer. Von seinem erhöhten Platz auf dem Podest neben dem eigentlichen Festplatz schweifte sein Blick immer wieder über die Menschen, Halblinge und Elfen, die sich an den Tischen versammelt hatten. Bei ihm saß seine ganze Familie: Aniowiel, seine geliebte Frau, die er vor nun mehr über 2000 Jahren geheiratet hatte und die ihm immer noch so schön vorkam wie damals. Neben ihr saß das Nesthäkchen Cuderlia, das jüngste Kind und die einzige Tochter Gwoerons und Aniowiels. Cuderlia war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten und ihr ein und alles.
Neben dem Grafen saßen seine drei Söhne, Adardothiel, der Älteste und damit Nachfolger des Grafen, Jeroahrion und der Jüngste, Cuderon. Ausgelassen scherzten die Söhne des Grafen mit den jungen Elbinnen des Dorfes und hätten sich am liebsten zu ihnen gesellt.
„Das kenne ich...“ dachte sich Gwoeron, „so habe ich damals auch meine Aniowiel kennengelernt. Nur war es einfacher, bevor sich auch Menschen und Halblinge unserer Dorfgemeinschaft angeschlossen haben und ich den Titel „Graf“ annehmen musste. Diese Menschen, sie trachten geradezu nach Titeln und Autoritäten. Ob es wohl das ist, was sie so strebsam sein lässt? Das Wissen, eines Tages ein klein wenig mächtiger zu sein als ihre Nächsten? Erfüllt das ihr kurzes Leben mit Sinn? Hmm...“
Von erschrockenem Geraune aus seinen Gedanken gerissen blickte der Graf in die Runde und über den Festplatz. Am Rande desselben waren einige Dorfbewohner aufgesprungen und starrten ängstlich in die Schatten, die auf einmal wie lebendig schienen. Trotz seiner scharfen Sinne musste sich der Graf erst einmal an die Finsternis abseits des großen Feuers gewöhnen. Nach einigen Sekunden, die Gwoerons Augen brauchten um sich an die anderen Lichtverhältnisse anzupassen, sah er was die am Rande sitzende Leute so erschreckt hatte: um den ganzen Festplatz war eine Kette von maskierten, in dunkle Mäntel gehüllte Gestalten mit gezückten Schwertern aufmarschiert. „Sie müssen ihre Klingen geschwärzt haben...“ dachte er bevor er laut rief „Zu den Waffen, Männer des Grafen! Od´Waihr wird angegriffen!“

Bevor die wenigen Bewaffneten des Grafen überhaupt die Lage erkannt hatten, waren die Ersten der dunklen Gestalten schon vor dem Podest des Grafen und seiner Familie angelangt. Sie stürmten auf beiden Seiten die Treppen hinauf während ein mächtiger Feuerball die große Tafel in Flammen aufgehen ließ. Ein heftiger, aber ungleicher Kampf begann rund um das Podest. Niemand aus der Gefolgschaft Gwoerons hatte auch nur im Traum daran gedacht, dass das Dorf während der Feierlichkeiten der Oldra überfallen werden würde. Keiner war, im Gegensatz zu den dunklen Angreifern, für eine Schlacht gerüstet wie sie jetzt entbrannte. Die meisten hatten nur ihre Festtagskleider an und ihr Schwert umgegürtet. Den Männer des Grafen gelang es trotz der Überraschung, den Kreis der erstaunlich schlanken und gewandten Angreifer zu durchbrechen und deren Aufmerksamkeit von den unbewaffneten Festteilnehmern auf sich zu lenken. Gwoeron und seine Söhne kämpften tapfer, doch den maskierten Gestalten gelang es bald wieder, sie und ihre Mitstreiter zu umzingeln. Blitze stoben von außen in die Mitte des Kreises und fällten einen der Streiter des Grafen nach dem anderen. Auch die Schwerter der Verteidiger blitzten und mähten etliche der Angreifer nieder. Doch die verwundeten Angreifer wurden sogleich von ihren unermüdlichen Kameraden fortgeschleift und Andere besetzten die entstandene Lücke. Graf Gwoeron selbst begab sich immer wieder für einen kurzen Moment in Todesgefahr indem er sein Schwert für einen Moment in den Boden rammte und, gedeckt von seinen Söhnen, mächtige Heilzauber auf seine verletzten Mannen wirkte. Der Kampf schien schon verloren, als sich die dunklen Angreifer plötzlich zurückzogen. Einige wollten ihnen nachsetzen, doch der Graf rief sie mit müden, aber bestimmten Worten zurück. Fast die Hälfte der 30 Bewaffneten des Grafen war entweder schwer verletzt oder gar tot, so dass ein erneuter Kampf nur den Untergang bedeutet hätte. Langsam und sich gegenseitig deckend zogen sich der Graf, seine drei Söhne und die Bewaffneten zur sonst so prächtigen scheinenden Burg zurück, die nun aber leichenblass im Mondlicht schimmerte. Die zurückgebliebenen Wächter zogen in Eile das Burgtor hoch, um die geschlagene Armee des Grafen einzulassen.
Sofort schickte Gwoeron die leichter Verletzten auf die Zinnen und ließ die Dienerschaft die Schwerverletzten in die große Halle bringen, um sie dort zu versorgen. Die restlichen Männer halfen sich rasch gegenseitig in ihr Rüstzeug und stiegen auf ihre Pferde, um im Dorf nach dem Rechten zu sehen. Im gepreschten Galopp ritten sie durch das sich kurz darauf wieder schließende Burgtor, mit der Gewissheit nun durchaus eine Aussicht auf Erfolg zu haben, denn zu Pferde würde jeder von ihnen es mit drei oder gar vier Angreifern aufnehmen können.
Das große Feuer auf dem Festplatz wies der entschlossenen Schar den Weg, und nach kurzer Zeit erreichten sie das Dorf. Doch ein schrecklicher Anblick bot sich ihnen dort. Dutzende Tote lagen mit von Angst verzerrten Gesichtern auf dem Boden und die, die den Angriff überlebt hatten, saßen wimmernd auf dem Boden. Ein Mann, der Bäcker Yedric, schaute die Reiter mit blutverschmiertem Gesicht an und sagte leise „Ihr kommt zu spät, mein Graf.“ Gwoeron schaute ihn fragend an und Yedric fuhr mit zitternder Stimme fort „Sie haben sie mitgenommen. Meine Nalla, sie ist fort... sie sind alle fort. Sie haben alle... mitgenommen...“

Da begriff Gwoeron das Ausmaß der Hinterhältigkeit der dunklen Gestalten. Während sie sich erstaunlich schnell zurücktreiben ließen, um dann um so verbissener weiterzukämpfen, hatte eine Nachhut die in Sicherheit geglaubten Dorfbewohner angegriffen. Es ging ihnen also nicht um die Schätze, die auf der Burg gelagert waren...
„Adardothiel, reite sofort zurück zur Burg und schau nach deiner Mutter und Cuderlia!“ schrie der Graf außer sich vor Sorge. „Das ist zwecklos...“ sagte eine Stimme am Rande des Platzes. „Eure Frau hat einen Hieb auf den Rücken bekommen, als sie versuchte, Sie daran zu hindern Cuderlia mit sich zu zerren.“ Gwoeron sog tief Luft ein und wollte eben fragen, wie es ihr geht, da sprach die Stimme auch schon weiter „Sorgt euch nicht, eurer Frau geht es gut. Sie ist nur sehr leicht verletzt. Doch Cuderlia wurde mit den anderen jungen Elbinnen in Richtung Strand getrieben.“
Einen Moment, der wie eine Ewigkeit schien, sagte keiner der Anwesenden ein Wort. Graf Gwoeron sagte leise mit zusammengebissenen Zähnen „Zum Strand.“ Und lauter, mit wutverzerrter Stimme „Zum Strand! Mir nach.“ Die Berittenen folgten ihm mit wütender Entschlossenheit, denn jeder von ihnen hatte eine Tochter oder Schwester in Cuderlias Alter. Die nassen Hufen glitzerten silbern im Mondlicht und der Sand unter ihnen wurde meterweit weggeschleudert, so schnell ritten sie, bis sie die Stelle erreichten an der die Angreifer gelandet waren. Viele Fußspuren landein- und auswärts mischten sich hier und Schleifspuren zeugten davon, dass hier vor kurzem Boote angelandet und wieder in See gestochen waren. Am dunklen Horizont erblickte Gwoeron im Schein des Mondes ein großes Schiff mit schwarzen Segeln. „In die Boote, sofort!“ Die Streiter des Grafen stiegen von ihren Pferden und warfen schnell ihre Panzer ab, um in die in der Nähe liegende Fischerboote zu steigen. Vier Boote stachen in See, alle getrieben von der Kraft der Verzweiflung. Jeder legte sich in die Ruder, um nur die Galeere zu erreichen, auf der Schwestern, Töchter und Geliebte zu entschwinden drohten. Eine kurze Zeit schien es so, als ob die Verfolger tatsächlich schneller wären und die Galeere noch erreichen könnten, doch da verdunkelte eine Wolke den Himmel und die Galeere entschwand im Nichts. Da ertönte ein Schrei über das Meer „Fahrt zum Knochenlord!“ Und leiser hörte man ein verzweifeltes Schluchzen „Cuderlia... meine Tochter...“
Wie eine Trauerprozession kehrten die Fischerboote zum Ufer zurück, keiner sprach ein Wort. Stumm wurden die Boote wieder an Land gezogen und genauso stumm ritt die Truppe wieder zurück ins Dorf. Dort sah man die Hoffnung in den Gesichtern schwinden, die Bewohner glaubten dass letztlich alles gut würde bis sie in die müden und traurigen Gesichter der berittenen Schar sahen...

Aniowiels Tod kam überraschend. Sie war nur leicht verletzt und jeder dachte, sie würde schnell wieder genesen. Doch der Verlust ihrer Geliebten Tochter ließ sie dahinsiechen. Ihr Haar wurde innerhalb weniger Wochen grau wie Asche, obwohl ihr Gesicht jung wie immer schien. Sie sprach zu niemandem mehr auch nur ein Wort, nur in der Stunde ihres Todes verlangte sie ununterbrochen nach Cuderlia.


Gwoeron schenkte noch einmal Wein in die fünf Becher vor sich und beginnt zu sprechen „Einer von uns muss Od´Waihr verlassen, um Cuderlia zu suchen. Ich habe lange überlegt... glaubt mir, meine Söhne, ich habe sehr lange überlegt. Adardothiel, du kommst nicht in Frage, du sollst einmal mein Erbe sein. Du musst hier bleiben und lernen, wie man eine Grafschaft verwaltet... und verteidigt“ Gwoeron seufzt „Und das wirst du hoffentlich einmal besser tun als ich. Merke dir, ein langer Frieden ist schön, doch kann er auch die gebotene Vorsicht erlahmen lassen.
Jeroahrion, du wirst auch hier bleiben. In Zeiten wie diesen könnte es durchaus sein, dass dein älterer Bruder... Nun, ich will nicht den Knochenlord beim Namen nennen.“
Die Blicke der Brüder und des Schreibers wandern zu Cuderon und Gwoeron fährt fort „An dir soll es liegen, mein jüngster Sohn. Du bist noch am wenigsten einbezogen in die Geschäfte der Grafschaft. Du bist jung und daher noch offen für Neues. An dir liegt es, Cuderlia wiederzufinden und ihre Entführer der gerechten Strafe zuzuführen.“ Cuderon erwiderte leise „Hm, ich weis nicht. Ich bin weder der mächtigste Kämpfer unserer Familie noch habe ich die Fähigkeit, Leute so zu führen wie ihr, Vater.“
„Aber du kannst die Leute für dich einnehmen. Mit deiner ruhigen und freundlichen Art wird es dir bestimmt nicht schwerfallen, Verbündete zu finden, wenn du erst einmal eine Spur hast. Und die wirst du brauchen, wenn du auf dich gestellt bist. Gute Freunde.“
Mit gerunzelter Stirn erwidert Cuderon „Und wo soll ich anfangen? Ich kann doch nicht ganz Illarion absuchen...“
Gwoeron lächelt zum ersten Mal seit etlichen Wochen „Versuche es in Troll`s Bane. Diese Stadt ist ein Schmelztiegel aller Rassen, Reisende von überall treffen dort täglich ein. Dort bekommst du bestimmt einen Hinweis.“
 

SentByGod

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Ich weiß das Kritik eher selten in diesem Lyrik-Forum ist.. Aber kannst du dir ehrlich Vorstellen wie eine Beziehung ( selbst unter unsterblichen ) über 2000 Jahre lang halten kann? So als einfacher Mensch? :roll:
 

Cavalorn

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18. April 2003
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*hust hust*

OMG, ich lese hier einen Text von einem Illarion-Spieler! ;)

Wollte nur anmerken das ich selbst vor laaanger Zeit ausgiebig mit dabei war ^^
 
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