Agenda 2010 - Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren

Ask1 Redaktion

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Bundeskanzler Schröder hat “schmerzhafte Einschnitte für alle“ mit der Agenda 2010 angekündigt, wobei die geplanten Kürzungen hauptsächlich Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Langzeitarbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Kranke und Rentner treffen, also in der Tendenz die Ärmsten der Gesellschaft; und damit jene Schichten, die ihr gesamtes Geld ausgeben müssen. Nimmt man ihnen Geld weg, belastet man damit unmittelbar die Nachfrage, denn sie können das Geld eben nicht mehr für Konsumgüter ausgeben. Das belastet den Konsum, damit die Binnennachfrage, damit Wachstum und damit bleibt die Arbeitslosigkeit hoch.

Der Angriff auf den Sozialstaat wird mit leeren Kassen begründet, doch Geld ist genug da. In Deutschland werden die Arbeitseinkommen sehr stark belastet; mit Sozialabgaben und auch mit Lohnsteuer. Andere Länder belasten die übrigen Einkommen, die Gewinneinkommen, die Kapitaleinkommen, auch das Vermögen, wesentlich stärker als in Deutschland - und sie finanzieren ihre soziale Sicherung ebenfalls stärker über das Steuersystem und damit nicht allein über den Faktor Arbeit. Das ist mit ein Grund dafür, warum diese Länder in der Beschäftigungspolitik erfolgreicher sind.

Die Steuern auf Einkommen und Gewinne in Deutschland im internationalen Vergleich sind eher gering. Sie liegen im unteren Mittelfeld. Auch Vermögen wird in Deutschland wenig besteuert. Selbst Länder, wie England, USA oder Japan liegen bei diesem Vergleich weit vor Deutschland. Die Bundesregierung verzichtet auf Vermögensteuer und damit auf 20 Milliarden Euro.
Große Vermögen haben seitdem nichts mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen müssen.

Die Börsenumsatzsteuer hätte 13 Milliarden Euro gebracht. Die Zinssteuern sollen gesenkt werden, ein Verlust von weiteren 13 Milliarden. Zusammen fehlen dem Staat dadurch 46 Milliarden Euro. 46 Milliarden Euro, mit denen man die Sozialkassen erheblich entlasten und Arbeitsplätze schaffen könnte.
Die von Eichel verantwortete Unternehmenssteuerreform führte 2001 und 2002 zu einem völligen Zusammenbruch der Körperschaftssteuer - der Gewinnsteuer der Kapitalgesellschaften. Die von Kapitalgesellschaften (einschließlich Personengesellschaften) gezahlten Steuern sanken von 67 Mrd. Euro im Jahr 2000 auf 43 Mrd. in 2001 und 41 Mrd. in 2002, was zusammen 50 Mrd. Euro Einbuße in zwei Jahren ausmacht.

Durch krisenbedingte Gewinneinbrüche ist dies nicht zu erklären, die es gesamtwirtschaftlich auch kaum gab. In den Jahren 1992/93 blieben die Steuerzahlungen trotz stärkerer Gewinnrückgänge stabil.
Die dritte Stufe der Einkommensteuerreform, die 2005 bevorsteht, wird den Spitzensteuersatz von jetzt noch 48,5% auf 42% senken und allein dadurch etwa jährlich 6 Mrd. Euro an die Bezieher hoher Einkommen verschenken.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage nur allzu berechtigt, warum die Bundesregierung die „Wachstumskrise“ (1) hauptsächlich durch die verstärkte Deregulierung des Arbeitsmarktes und den Abbau sozialer Leistungen zu überwinden sucht.

(1)Interessant hierzu: Die Exportwirtschaft der Bundesrepublik erzielte im Jahr 2002 im Außenhandel einen neuen Rekordüberschuss von 126,2 Milliarden Euro. Im Jahr 2001 erzielten die im internationalen Handel tätigen Unternehmen ein Plus von 95,5 Milliarden Euro. Und das bei angeblich so schlechten Bedingungen am »Standort Deutschland«, wie »zu hohe Lohnkosten«, »verkrustete Strukturen am Arbeitsmarkt« oder »ausufernde Bürokratie«; um nur einige Stichworte der Neoliberalen zu nehmen.

Fakt ist statt dessen, dass die Bundesrepublikanischen Unternehmen international nicht nur wettbewerbsfähig sind, sondern ganz offenbar an der Spitze stehen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erreichte Deutschland bei 240 Handelspartnern mit 170 Ländern positive Handelsbilanzsalden. Den höchsten Überschuss in Höhe von 26,6 Milliarden Euro erwirtschafteten die Unternehmen auch im Jahr 2002 im Handel mit den USA.

Ein riesiger Handelsbilanzüberschuss auf der einen, 126 Milliarden weniger Steuereinnahmen in den kommenden fünf Jahren auf der anderen Seite sind nur scheinbar ein Gegensatz. Hierbei wird nur deutlich, dass die Bundesrepublik - betrachtet man den privaten Sektor - ein immens reiches Land ist. Aber der Reichtum bleibt bei den Besitzenden.
Eine Umverteilung von unten nach oben über Steuergesetze und –Gestaltungsspielräume für Unternehmer und Freiberufler; die nahezu ausschließliche Finanzierung der öffentlichen Haushalte durch die Beschäftigten mit ihrer Lohnsteuer sowie die weit verbreitete Steuerflucht der Reichen haben das Staatswesen in die Finanz- und Zahlungskrise geführt. Und erneut sollen gerade Lohnsteuerpflichtige, Arbeitssuchende und Sozialhilfeempfänger für diese bewusste Fehlsteuerung zahlen. Das alte Motto wird ganz frisch aufpoliert: Verluste sozialisieren, Gewinne werden privatisiert.

Es ist bezeichnend, dass immer mehr gesellschaftlicher Reichtum mit immer weniger Menschen produziert wird - aber gleichzeitig immer weniger an diesem Reichtum teilhaben, sondern immer ärmer werden.
 

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