Pharma-Industrie: Heilung vs. Profit?

Simple Man

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Goatboy und Montag haben in diesem Thread das Thema angeschnitten und ich denke, dass es durchaus einen eigenen Thread wert ist.

Also: ist die Pharma-Industrie eher daran interessiert, Krankheiten nicht zu heilen und nur Symptome zu bekämpfen, weil das mehr Profit bringt? Oder denkt ihr, diese Behauptung ist Quatsch?
 

Goatboy

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Montag schrieb:
@Goatboy
lassen wir die Polemik mal weg,
willst Du sagen das es nicht so ist, das es weniger finanzielle Anreize für echte Heilung gibt als für ewige Behandlung?

Bei der Pharmaindustrie (wo die Forschung zum größten Teil erfolgt) liegt der Fall eindeutig würde ich sagen. Die ganze moderne Medizin behandelt am liebsten Symptome. Das liegt zum Teil daran das man nicht genug weiß (wie im Falle von psychischen Erkrankungen), aber ich frage mich ernsthaft ob das nicht auch daran liegt das man dann immer mehr Geld aus dem Patienten herausholen kann.

Siehe Altenpflege, der Patient lebt solange die Rente reicht und damit die Maschinen bezahlt werden können um Ihn am leben (oder wie man es nennen möchte) zu halten.

Mir ist schon klar das dies nicht immer und überall so ist, aber es gibt solche Tendenzen!
Ob wirklich der größte Teil der Forschung bei Pharmakonzernen stattfindet, weiß ich nicht, ich kenne da keine Zahlen. Fakt ist aber, dass auch an Universitäten und an Max-Planck-Instituten geforscht wird, manchmal mit, in den allermeisten Fällen aber ohne Unterstützung der Industrie. Und die dortigen Forscher hätten ein ganz immenses Interesse daran, Heilungen zu entwickeln: Macht sich schon gut im Lebenslauf, so ein Nobelpreis.

Bei Pharmakonzernen läuft Forschung zum Teil etwas anders ab. Dort wird mit riesigen Geräten gearbeitet, die sich eine Uni nie im Leben leisten könnte. Diese ermöglichen es, in Stunden die Wirkungen einer solchen Anzahl an Substanzen stumpf auszuprobieren, für die MTAs in normalen Laboren vermutlich Wochen bräuchten. Wird dabei eine Wirkung festgestellt, wird ihr weiter nachgegangen und der Prozess zur Entwicklung eines Medikamentes eingeläutet (andere Arten der Forschung finden dort natürlich auch statt). Von den Substanzen, die es soweit schaffen, werden ganze 0,7% tatsächlich als Medikamente herausgebracht. Bis dahin gehen im Durchschnitt zehn Jahre und eine Milliarde Dollar ins Land. Keine Pharmafirma ließe sich unter diesen Umständen die Vermarktung eines Medikamentes, das die Heilung einer lange Zeit unheilbaren Krankheit verspräche, entgehen. Selbst wenn die Patienten dann nicht mehr behandelt werden müssten: an Diabetes erkranken immer wieder neue Menschen, weil wir verfressene, bewegungsscheue Wesen sind. Wären all diese Menschen auf das Medikament einer einzigen Firma angewiesen, alle auf der Welt, würde diese Firma einen riesigen Reibach machen.

Dass "die ganze moderne Medizin" am liebsten Symptome behandele, ist, wie ich im Vorgängerthread lang und breit darstellte, schlichtweg falsch. Natürlich ist die von dir angebotene Überlegung, eine lange Behandlung sei profitabler als eine schnelle Heilung, nachvollziehbar, aber erstens verweise ich auf das oben Geschriebene, zweitens sieht die Realität einfach anders aus. Es gibt immer wieder Durchbrüche. Die akute lymphatische Leukämie war noch vor 20 Jahren ein Todesurteil, heute ist sie in über 90% aller Fälle tatsächlich heilbar.
Auch werden immer neue, immer bessere Antibiotika entwickelt, die auf bisher schwer zu bekämpfende Bakterien gut wirken. Bitte lass uns jetzt aber nicht über die inflationäre Verwendung von Antibiotika reden, das ist wieder ein anderes Thema.

Oft ist eine Heilung aber einfach prinzipiell nicht möglich. Genetische Erkrankungen kann man nach dem heutigen Wissensstand prinzipiell nicht heilen. So etwas wie ein Typ-II-Diabetes kann nicht geheilt werden, solange der Betroffene das, was ihn krank gemacht hat, weiter betreibt, da können wir uns totforschen.

Dass Menschen nur solange leben, wie die Rente reicht, ist völlig falsch. Das würde in Deutschland jeden Behandelnden in kürzester Zeit hinter Gittern bringen. Vielmehr werden Leute zum Dahinvegetieren gezwungen, die schon vor langer, langer Zeit hätten sterben sollen.
 

Winston_Smith

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Also: ist die Pharma-Industrie eher daran interessiert, Krankheiten nicht zu heilen und nur Symptome zu bekämpfen, weil das mehr Profit bringt? Oder denkt ihr, diese Behauptung ist Quatsch?

Totaler Quatsch. Die Versicherungsunternehmen würden der Pharmaindustrie ordentlich was husten, wäre dies so. Denn wer bezahlt denn jahrzehntelange Medikation? Eben, die Versicherer. Und die würden es schon mitbekommen, würden sie von der Pharma über den Tisch gezogen.

ws
 

dkR

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Heilung durch Firma A verhindert, dass die Konkurrenz mit dem Patienten Geld verdient :-%:
 

Quakle

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Also wenn man bedenkt das die meisten Medikamentenneuzulassung sogenannte Scheininnovationen sind, denke ich schon das die Pharmaindustrie in der ersten Linie ans Geld verdienen denkt. (Bestes Beispiel Omeprazol, Esomeprazol und Nexium (Protonenpumpenhemmer) bei denen bis heute nicht bewiesen ist das esomeprazol oder Nexium besser wirken wie Omeprazol)
Denn dort werden vermeintlich "neue" Wirkstoffe die lediglich eine kleine änderung in der Strukturformel aufweisen als absolut neuer Wirkstoff verkauft, der immer besser, neuer und toller sein soll. Nur ist selten eine Wirkverbesserung nachweisbar.

Man darf auch nicht vergessen das die Pharmaindustrie aus Unternehmen besteht und die oberste Prämisse eines Unternehmens ist halt das erzielen des Gewinns. Dabei ist der Weg zum erzielen des Gewinns recht austauschbar, daher darf man nicht davon ausgehen das ein Pharmaunternehmen ein soziales Gewissen hat. Weitere Hinweise auf die Gewinnerzielungsabsichten der Pharmaindustrie findet man in der starken Pharmalobby die in Berlin vertreten ist.
 

HunabKu

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Die Versicherungsunternehmen würden der Pharmaindustrie ordentlich was husten, wäre dies so. Denn wer bezahlt denn jahrzehntelange Medikation? Eben, die Versicherer. Und die würden es schon mitbekommen, würden sie von der Pharma über den Tisch gezogen.
"Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" Wer weiß, vielleicht teilen die sich gar den Gewinn. Zutrauen würde ich Versichrungsuntermehmen und der Pharmaindustrie alles.
Wir leben nun mal in einer Zeit, in der der Mensch nun mal nicht an erster Stelle steht sondern das Geld. Das sollten wir aber so langsam alle mitbekommen haben.
Vergewaltigt jemand ein kleines Mädchen, wird er, wenn er Glück hat nach 3 Jahren wieder entlassen oder kommt überhaupt nicht erst ins Gefängnis sondern wird einer psychischen Behandliung unterzogen o.ä.
Überfällst du aber eine Bank oder hinterziehst eine größere Summe Steuern, sitzt du 20 Jahre hinter Gittern. Das nur kurz zum Thema, was von beiden (Geld oder Mensch) nun mehr wertgeschätzt wird.

Wer also glaubt, die Pharmaindustrie oder Versicherungen würden alles nur zum Wohle der Menschen tun und würden das Geldverdienen als positiven Nebeneffekt ansehen, dem muss ich sagen: Dreh diesen Satz ganz einfach rum und dann hast du die richtige Formulierung.


HunabKu
 

Edo

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Das Thema wird auch von Alternativmedizinern genutzt um Panik zu machen und seine Therapien anzuwenden. Z.B. bei der Germanische Neue Medizin oder auch in der Homöophatie.
Natürlich sind Konzerne auf Gewinn aus und hier und da gibts sicherlich hi und wieder Preisabsprachen wie in jeder Branche.
Hier ist es besonders kitzelig weil es unsere Gesundheit betrift.

»Ärzte schütten Medikamente,
von denen sie wenig wissen,
zur Heilung von Krankheiten,
von denen sie weniger wissen,
in Menschen,
von denen sie nichts wissen«
Voltaire

Das System hat zwar Lücken und ist teuer, aber es ist da sbeste was wir haben auf der Welt.
 

Goatboy

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Quakle schrieb:
Also wenn man bedenkt das die meisten Medikamentenneuzulassung sogenannte Scheininnovationen sind, denke ich schon das die Pharmaindustrie in der ersten Linie ans Geld verdienen denkt. (Bestes Beispiel Omeprazol, Esomeprazol und Nexium (Protonenpumpenhemmer) bei denen bis heute nicht bewiesen ist das esomeprazol oder Nexium besser wirken wie Omeprazol)
Denn dort werden vermeintlich "neue" Wirkstoffe die lediglich eine kleine änderung in der Strukturformel aufweisen als absolut neuer Wirkstoff verkauft, der immer besser, neuer und toller sein soll. Nur ist selten eine Wirkverbesserung nachweisbar.
Es ist richtig, dass keine Überlegenheit von Esomeprazol gegenüber Omeprazol nachgewiesen wurde. Und? Wurde denn eine Überlegenheit den neuen iPhone gegenüber dem alten nachgewiesen? Wurde eine Überlegenheit der neuen Jack-Wolfskin-Jacke gegenüber der alten nachgewiesen? Was ist falsch daran, in einer freien Marktwirtschaft dei Wahl zwischen verschiedenen Produkten zu haben? Dabei ist es in Fällen wie diesem auch moralisch nicht verwerflich, ein Medikament herauszubringen, dessen Überlegenheit nicht eindeutig bestätigt ist. Denn richtig große Studien über die Wirksamkeit, bei denen es dann um Details geht, können erst dann gemacht werden, wenn ein Wirkstoff im Einsatz ist.

Außerdem wurde Esomaprazol nie als "absolut neuer Wirkstoff" vermarktet, da es lediglich das (S)-Enantiomer von Omeprazol ist, welches als Racemat vorliegt. Das (S)-Enantiomer ist stärker, daher lag die Vermutung nahe, dass die Wirkung besser ist. Diese Vermutung scheint sich nicht zu bestätigen. Den Versuch war es allemal wert.

Übrigens sind Protonenpumpenhemmer, die du ja als "bestes Beispiel" anführst, Medikamente, die Menschen heilen. Wäre es nicht viel lukrativer, Patienten mit einer Gastritis Jahrzehntelang zu behandeln, als sie mal eben innerhalb einiger Tage oder weniger Wochen nebenwirkungsarm und kostengünstig zu heilen?


Man darf auch nicht vergessen das die Pharmaindustrie aus Unternehmen besteht und die oberste Prämisse eines Unternehmens ist halt das erzielen des Gewinns. Dabei ist der Weg zum erzielen des Gewinns recht austauschbar, daher darf man nicht davon ausgehen das ein Pharmaunternehmen ein soziales Gewissen hat. Weitere Hinweise auf die Gewinnerzielungsabsichten der Pharmaindustrie findet man in der starken Pharmalobby die in Berlin vertreten ist.
Pharmakonzerne sind gewinnorientierte Unternehmen. Wo ist das Problem? Wie kann man jemandem vorwerfen, Geld verdienen zu wollen? Nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ich habe gegen Pharmakonzerne vermutlich mehr einzuwenden und vorzubringen als die meisten anderen hier, aber in diesem Punkt finde ich die Kritik oft übertrieben. Warum sollte denn irgendjemand darauf verzichten, nach Profit zu streben? Bayer gibt mehr als 100000 Menschen Arbeit, deren Kinder wollen auch essen.
 

Quakle

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@goatboy

Zuerst einmal habe ich persönlich nichts gegen Profitstreben, denn ich bin selber ein kleiner Turbokapitalist :p

Aber zu dem Beispiel Protonenpumpenhemmer muss ich sagen, das die Firma die unter anderem Nexium vertreibt bei dem Patienten sehr stark versucht den Eindruck zu erwecken es sei ein neuer Wirkstoff und er sei tausendmal besser wie omeprazol. Diese Mär erzählen inzwischen auch viele Gastroentrologen und auch viele Allgemeinmediziner. Sicher auch ein Ergebniss der Ärzteschulungen durch die Pharmaindustrie. Bedingt dadurch erfahren Ärzte neuigkeiten über Medikamente überwiegend über die Pharmaindustrie. Ein anderes Beispiel für eine klassische Scheininnovation deren Mehrnutzen nicht nachweisbar sind ist Analog-Insulin. Das Problem an diesen ist nur das diese Scheininnovation die Sozialkassen mehr kostet und die Pharmaindustrie durch gezielte Desinformation die Patienten dazu bringt nach genau diesen zu verlangen.

Außerdem sind die meisten Medikamenten neuentwicklungen heutzutage Scheininnovationen und da ist der Wurm vergraben. Außerdem muss man ehrlich sein und einsehen, das die Pharmaindustrie immer auch ein Interesse daran hat das Menschen erkranken. Und ich denke das ist das was die meisten Menschen beunruhigt.
 

Goatboy

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Nun wie gesagt, im Grunde hast du ja Recht. Esomeprazol wurde von Astra herausgebracht, als ihr Patent für Omeprazol ablief, somit Generika erschienen und die Firma bei PPI einen Umsatzeinbruch von 40% erfuhr. Dass finanzielle Interessen dabei die Hauptrolle spielten, ist nicht allzu schwer zu erkennen. Soweit finde ich das aber vertretbar. Auch die mit der Veröffentlichung verbundenen Werbeaktionen (und zu jeglicher Werbung gehören nun einmal übertriebene Versprechen) waren eine Logik des Kapitals und erlauben meines Erachtens nicht, Astra allzu sehr zu kritisieren. Etwas unschön ist es geworden, als der Thieme-Verlag die Publikation dieses Artikels in einer seiner Zeitschriften verweigerte, um potentielle Werbekunden nicht zu vergraulen.

Nichtsdestotrotz reicht das alles für mich nicht aus, um den Konzern zu verteufeln. Jeder muss sehen, wo er bleibt. Und wenn sich gewisse Ärzte lediglich durch Pharmareferenten informieren, dann ist diesen Ärzten eine viel größere Schuld zu geben als Astra. Objektive Informationen sind für jeden problemlos zugänglich und die Idee, sich durch Werbung zu bilden, ist absurd. Daher gebe ich dir absolut recht, wenn du die heute leider übliche Haltung, Esomeprazol schon als Reflex zu verschreiben, kritisierst. Die Schuld ist dann aber eher den verschreibenden Ärzten beziehungsweise den Kliniken, an denen sie arbeiten, zu geben als der Pharmaindustrie.

Analoginsulin wird von den Krankenkassen meines Wissens nur bezahlt, wenn es nicht teurer ist als Normalinsulin. Oder ist das inzwischen anders?
 

Quakle

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Soweit ich weiss haben viele Kassen zwischenzeitlich die Kosten für Analoginsulin übernommen, allerdings gehen die Kassen zwischenzeitlich wieder dazu über die Kosten für Analoginsulin zu verweigern.

Und du hast recht, aber leider ist es in D ja auch gang und gebe das sich die Politik in Gesundheitsfragen von Pharmalobbyisten beraten lässt...

Aber schuld daran an sich ist unser System....
 

Goatboy

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Na ja, Details im System vielleicht. An sich ist unser Gesundheitssystem solide.

Halten wir also fest: der Pharmaindustrie ist ob ihrer Marketingabteilungen zu gratulieren. Wer aber so unmündig ist, seine Informationen über Werbeveranstaltungen oder Interessensvertreter zu beziehen, ist mitverantwortlich für die kaum zu kontrollierende Kostenentwicklung im Gesundheitssystem. Ein Nachteil für die Patienten hat sich an dieser Stelle nicht ergeben. Konsens?
 

dkR

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Über die Preisgestaltung in D kann man diskutieren. Ich halte das für eine logische Konsequenz, wenn ein marktwirtschaftliches System (Pharma), auf ein quasi-sozialistisches (Krankenkassen) trifft.
 

Quakle

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Ich denke das das viel größere Problem ist, das sich unsere Politiker die das sozialistische Instrument "Krankenkasse" steuern von der Pharmaindustrie beraten lassen.

Aber wie goatboy schon sagte ist das System das wir haben eins der besten der Welt...
 

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