Irak vor Bürgerkrieg: 90 Moscheen angegriffen

Mr. Anderson

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Themis schrieb:
Ist ja richtig, aber genauso war das System der Bundesrepublik unter angloamerikanischem Einfluß zu dem geworden, was es ist. (...)
Das die deutsche Bevölkerung sich 1945 aus freien Stücken mehrheitlich für eine parlamentarische Demokratie entschieden hätte ist wiederum spekulativ.
Ja, dass es einen amerikanischen Einfluss auf das System der Bundesrepublik gegeben hat, ist imho auch nicht wirklich diskutabel. Allerdings halte ich die Ansicht, dass die Amerikaner die Deutschen mehrheitlich weg von einer Autokratie hin zu einer Demokratie "überzeugen" mussten, für eher unbegründet.
Ob es übrigens eine sogenannte "Parlamentarische Demokratie" werden musste oder eine andere Demokratie, steht auf einem anderen Blatt; streng genommen haben die USA ja ebenfalls keine parlamentarische Demokratie. Ich glaube, dass ihr Einfluss sich eher in der föderalen Struktur der Republik niedergeschlagen hat.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass man den Morgenthau-Plan so behandeln sollte, als ob er ernsthaft in Erwägung gezogen würde. Der dürfte eher deswegen so bekannt geworden sein, weil er so ─ sagen wir mal: spektakulär war, nicht aber weil er eine realistische Option gewesen wäre.

hives schrieb:
Ob die Bezeichnung "Bürgerkrieg" verwendet werden sollte, ist umstritten, siehe bspw.:
http://en.wikipedia.org/wiki/Civil_war_in_Iraq
Die Situation ist grauenvoll, aber ich befürchte schon, dass es noch schlimmer kommen könnte.
Jup; ich war eigentlich nur etwas überrascht darüber, dass die Bezeichnung "Bürgerkrieg" in diesem Fall etwas anders benutzt zu werden schien, als ich es bisher zumindest sporadisch über die Situation im Irak mitbekommen hatte.


Giacomo_S schrieb:
Man sieht: Der politische Islam - und als das verstand sich der Islam schon immer von Anfang an - ist ein Ideal, oder besser gesagt: Ein Phantom. Es ist nicht verwunderlich, warum Islamisten nichts anderes können, als immer nur dieselben schwammigen Phrasen zu dreschen. Sie bieten kein Gesellschaftssystem an, weil sie keines haben und auch nie haben werden
Tatsächlich könnte man, glaube ich, die These aufstellen, dass in der Frühzeit des Islam, noch zu Mohammeds Lebzeiten, dieser in gewisser Weise eine islamische Gesellschaft geschaffen hatte. Er hatte bestimmte Stämme unter sich vereinigt, die seiner monotheistischen Lehre gefolgt sind, und diese hatte er dann, durch einige Eroberungen, auch noch einigermaßen verbreiten ─ und seinen Gegnern das System aufzwingen können.
Solange in seinem Machtbereich also die Leute noch ─ original ─ nach seiner (Mohammeds) Pfeife getanzt sind, könnte man dies vielleicht als eine islamische Gesellschaft ansehen. Aber das nur so nebenbei als Hypothese.

Ich habe übrigens auch den Eindruck, dass heutzutage soetwas nicht mehr möglich ist, und das dürfte vor allem daran liegen, dass der (klassische?) Islam nicht auf die moderne Staatsstruktur passt. Er kann anscheinend nicht damit umgehen.
Man kann zwar bestimmte Aspekte des Islam politisch umsetzen, z. B. ein Gesetz verabschieden, das Kopftücher vorschreibt oder Nicht-Jungfrauen steinigen lässt etc. Aber wie will man die Entscheidungsprozesse, die in einem modernen Staat ablaufen, mit einer Religion "einfärben", der solche Strukturen völlig fremd sind? Oder umgekehrt: wie soll man die Prozesse des heutigen Staates auf so eine Religion homomorph abbilden?

Auch die Taliban haben ja in dem Sinne keinen islamischen "Staat" errichten können, auch wenn sie das vermeintlich klare Ziel besaßen, eine Gesellschaft nach dem Koran zu schaffen. Letztenendes war ihr System aber kein echter Staat, sondern doch nur ein etwas komischer "Club", der zufällig etwas Waffengewalt über ein bestimmtes Gebiet innehatte und kläglich daran gescheitert ist, irgendwas nennenswertes auf die Beine zu stellen. Mit frühmittelalterlichen Herrschaftsmethoden gewinnt man in der Moderne eben keinen Blumentopf mehr, zumindest wenn die "Konkurrenz" nicht schläft und sich nicht ganz so doof anstellt.
 

Gilgamesh

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@Giacomo_s

Zu deinen Islamforen-Freuden:

Zunächst gilt auch für sie, wenn sie von einem Staat sprechen,dass sie von einer politischen Struktur ausgehen. Auch wenn dieser Islamisch geprägt sein soll. Trotzdem gilt auch hier der Grundsatz, dass diese fiktive Struktur (=Utopia Islamia) sicher nicht den Allgemeinwohl dienen wird, sondern nur dem Wohl der selbsternannten Gottesvertreter, die Gott selber nie ernannt hat, sondern sie sich selbst.

Und der zweite Punkt, dass behauptet wird, es gäbe kein richtig islamisches Land unterstreicht erneut den Gedanken, dass sie wohl meien, es gäbe kein Land, welches ihre persönliche Ansicht des Islam wiederspiegelt.

Vergessen tun sie aber, dass Islam als Religion losgelöst sein sollte von weltlichen Dingen, zwar kulturell prägend sein, hier und da sicher auch politischen Einfluß geltes lassen, aber keinen Allmachtanspruch anstreben sollte. Wer als Moslem meint und behauptet einen Allmachtanspruch,ja die wahren Untertanen Gottes zu sein, der läuft Gefahr der Verblendung in Vertrauen auf Gott, aber blind gegenüber den weltlichen Führern, die dann mit den hynotisierten Massen machen lassen können,was sie wollen.

Vielleicht sind deine Forenmoslems auch zu naiv zu glauben dass, wenn eine echte Islamnation gegründet wird, diese von tiefgläubig moralischen Menschen geführt werden, welches aber nüchtern betrachtet, gegen die Natur des Menschen spricht. Und deswegen sind demokratische Strukturen mit ihren Kontrollinstanzen besser als totalitäre System, egal ob diese auf eine Religion oder politische Überzeugung basieren.
 

Giacomo_S

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Mr. Anderson schrieb:
Tatsächlich könnte man, glaube ich, die These aufstellen, dass in der Frühzeit des Islam, noch zu Mohammeds Lebzeiten, dieser in gewisser Weise eine islamische Gesellschaft geschaffen hatte. Er hatte bestimmte Stämme unter sich vereinigt, die seiner monotheistischen Lehre gefolgt sind, und diese hatte er dann, durch einige Eroberungen, auch noch einigermaßen verbreiten ─ und seinen Gegnern das System aufzwingen können.

Mohammed war Händler, das von ihm geschaffene System förderte vor allem den Kaufmann. Aber es benachteiligte den Bauer. Unter seinen unmittelbaren Nachfolgern verfiel daher die Landwirtschaft. Kanalsysteme der vorislamischen Zeit wurden nicht mehr gepflegt und verfielen und mühsam der Wüste abgerungenes Land wurde wieder Wüste ("Mit Omar kam die Wüste").
Das neu geeinigte Arabien importierte fürderhin Lebensmittel. Da das durch Handel allein nicht zu finanzieren war, blieb nur eines: Eroberungskriege. Die eroberten Länder hatten Tribute zu leisten und sobald das Land ausgelaugt war, kam eben das nächste Land dran. Die Angehörigen anderer Religionen, die Dhimmis ("Schutzbefohlene") hatten Kopfsteuern zu bezahlen, der Muslim nicht. Da man das Geld brauchte, gab es tatsächlich Bestrebungen, Konversionen zum Islam in den besetzten Ländern zu reglementieren.
Folgerichtig ging es mit der islamischen Welt zu Zeiten bergab, wo einerseits die weitere Expansion gestoppt wurde und andererseits das Handelsmonopol des Karawanenhandels durch die Entdeckung der Seewege nach Asien gebrochen wurde.

Die von heutigen Muslimen oft verklärt beschworen "goldenen Zeiten des Islams", die Blütezeiten ihrer Kultur, fanden, sofern es sie überhaupt gab, im 9. und 10. Jahrhundert statt. Und das waren ausgerechnet - was Wunder - Zeiten mit liberaleren und weniger streng religiösen Herrschern.
 
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